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Arlin - corn - 12.12.2006

[repost der wichtigsten absätze aus dem alten forum]

Ohne Anker oder Tau zieht der Wind das Boot aus dem sicheren Hafen.



Vor 25 Jahren wurde auf einem einsamen Hof irgendwo auf der Sprechenden Insel ein Junge geboren, ein Ereignis, welches so nun mal gelegentlich vorkam. Niemand hätte je danach gefragt. Seine Familie hieß Vito, die Eltern nannten ihn Arlin. Mehr von seiner Kindheit ist jedoch bereits in vergessenheit geraten. Er wurde, so sagte man ihm später, als verstörtes Kind von etwa sechs Sommern in der Akademie der Insel abgegeben, von einem alten Reisenden. Der Name dieses Reisenden erfuhr niemand, aber er musste Magier gewesen sein. Niemand sonst hätte in dem Kind, welches dieser fand, eine frisch erwachte magische Begabung erkennen können. Was dieses Erwachen auslöste wird vielleicht ewig Spekulation bleiben. Der Reisende fand das Kind einige Hundert Schritt von einem niedergebrannten Hof entfernt. Noch schwelend und geplündert war das kleine Gehöft, der Junge jedoch völlig unberührt - Was er dort sah, ob er etwas sah, weiß nichtmal er selbst.
Die Vollweise Arlin fand eine Familie in der Akademie, bei seinen Lehrmeistern und Mitschülern. Ausgang war ohnehin die meiste Zeit nicht gestattet und wenn dann um seine Familien zu sehen - Letzteres zu Arlins gelegentlicher Betrübnis, jedoch mehr aus Neid gegenüber den anderen, als dass er selbst irgendwelche schmerzhaften Erinnerungen oder Sehnsucht verspürte. Es war einfach die Tatsache, dass alle Väter, Mütter, Schwestern und Brüder vorweisen konnten, nur er nicht. Aber auch andere Effekte hatte der fehlende Kontakt zur Außenwelt. Zum einen gewann sein Studium viel Zeit, was ihn nicht zum Besten aber zu einem sehr guten Abgänger machte. Zum anderen war der Drang endlich etwas anderes zu sehen als die Mauern der Akademie größer als bei keinem anderen. Mit 18 Jahren war es endlich soweit. Nach der ersten Weihe konnte er endlich die Welt sehen. Viele blieben noch oder kehrten Heim, die meisten verabschiedeten sich Lange und bereiteten ihre Reise vor. Er sagte nur wenigen Lebewohl und ging einfach hinaus, beschritt den nächsten Pfad. Die Richtung mochte einem Beobachter damals wahllos vorgekommen sein, doch das war sie nicht. Unterbewusst lenkten ihn seine Schritte zu der Ruine des Hofes, die ihm beschrieben wurde. Ganz gefahrlos war die Reise in der Wildnis der Talking Island damals für ihn nicht, wurden doch die Abgelegenen Regionen von kleineren Orkstämmen heimgesucht, aber nicht nur deswegen war die Reise eine seelische Anspannung für Arlin. Je näher er seinem vermeindlichen Ziel kam, desto größer wurde seine Furcht davor, was er sehen würde, an was er sich erinnern würde. Die Geschichte war so fern, lag so tief im Dunkeln, vielleicht waren Schrecken verborgen, die er garnicht sehen wollte. Drei alte Ruinen von Höfen fand er in der Gegend - doch nichts geschah. Keine Erinnerung, nichts bekanntes, keine Ahnen, die ihn riefen. Nur Stille, Leere, unverwandte Orte.
Es hieß also vorerst die Zukunft suchen und nicht die Vergangenheit. Die Hoffnung doch noch einen Bruder, oder die Überreste der Eltern zu finden war verloren und der Trieb danach zu suchen versiegte, Arlin wurde sogar glücklich damit von keiner schmerzhaften Vergangenheit zu wissen.

Ein Aufregendes Leben begann, bestehend aus Abenteuern, Kämpfen und Schätzen. Seine jetzigen gefährten lernte er auf seinen folgenden Reisen kennen: Den Ork Waadragor, den er heute stolz Blutsfreund nennt und der ihm zum ersten mal das Gefühl gibt so etwas wie einen Verwandten zu haben auch wenn jene beiden nicht ungleicher sein könnten - und den Zwerg Imbrosch, den die beiden irgendwann mal mitten in einer Schlacht gegen Echsenmenschen trafen und die sich seitdem auch nichtmehr trennen konnten.

Langsam wächst die Macht in Arlin. Während seiner Reisen tötete er viele Kreaturen und kein Tod ging spurlos an ihm vorbei, er selbst lag selber schon einige male im Sterben. Eines Tages während seiner Studien entdeckte er einen kleinen funken Energie, der in jedem Toten zurückblieb - nicht die Seele, keine Magie. Etwas göttliches sowieso nicht, davon hielt Arlin noch nie viel. Es war ein Funken Lebenskraft, die blieb, er nannte sie "das Echo", weil es wie der Klang eines Lebens war, das keinen Ton mehr von sich gibt aber dennoch zu hören bleibt. Er erkannte, dass das Echo nutzbar war, zuerst nur, als Lebensspender und kleine Kraftquelle, jedoch blieb nicht lange verborgen, dass dies auch eine Verbindung zum kalten Totenreich darstellt. Diese Studien um das Reich der Verstorbenen, der Geister und des Vergessens treiben ihn nun im Verborgenen. Langsam verfinstern sich seine Kräfte. Das Wissen um Kälte, Tod und Verfall verfärben seine Kunst langsam ins Graue. Und erneut keimt in ihm der Gedanke, dass es nicht unmöglich ist, seine Familie eines Tages kennen zu lernen....

***

Der junge Zauberer durchlebt eine Veränderung. Die Studien und die Erahrungen in seinem Leben gleichermaßen, sowohl mit Menschen als auch mit Magie und den Gefahren der Welt, lassen ihn ein eigenes Weltbild formen. Kälte und Gleichgütligkeit, gelernt aus dem Alltag und dem Tod, vermischen sich mit Wärme und Freiheit, gelernt aus Liebe und Leben, zu einer Symbiose, die eine Moral eines wahrhaft grauen Magiers entstehen lässt.


de philosophia

Aus den persönlichen Aufzeichnungen Arlins, die von extremen Priestern gerne als ketzerisch betitelt werden.


"Alles strebt nach Gleichgewicht. Ein Pendel schwingt eine Weile und wird irgendwann an einem Punkt ruhen. Wie ein Mensch, der hin- und hergerissen ist zwischen Licht und Dunkelheit ist es erst in Bewegung und neigt sich zwischen Extremen hin und her, bis nach und nach die Kräfte versiegen, die auf das Pendel Einfluss nahmen, als es angestoßen wurde. Das Anstoßen mag durch einen Gott oder eine andere höhere Kraft geschehen sein - Das Ende jedoch ist der transzendente Zustand des Gleichgewichtes wo keine der Kräfte, die Ursprünglich Einfluss nahmen, noch auf den Körper wirken. Jener Körper befindet sich an dieser Stelle in einer Ruhe, die ihm alleine die grundlegensten Gesetze der Welt vorschreiben.

Man erkennt sofort, dass diese "absoluten Mitte" - ein Wortspiel mit inhärentem Paradoxon - in der Praxis ein Grat ist, der zu lebzeiten bei einem Menschen schwerlich erreicht werden kann. Der Lebenswille und die Lebenskraft, die der Toten Materie von der Göttlichkeit eingehaucht wurden und die Säfte in einem Körper wider des natürlichen Gleichgewichtsbestrebens fließen lassen, treibt den Lebenden ständig fort vom schlecht beschreitbaren grauen Weg. Hinzu treiben Verführung und dunkle Triebe, die aus Frustration über diesen Zustand der Unruhe entstehen, das Opfer des Lebens erneut an, in wieder neue Richtungen. Und so pendelt der Mensch um den grauen Pfad herum. Ist es nicht ein grausames Spiel welches die Götter mit dem Menschen treiben, indem sie sich gegen das Urgesetz der Welt auflehnen und der Entropie eine andere Ordnung entgegenstellen wollen, die der ohnehin am Ende im Gleichgewicht entstehenden widerspicht?

Nun hilft es nicht zu lamentieren, da die Schöpfung daher ohnehin ein schlecht durchdachter Akt der Götter war und man sollte nun besser einen Weg suchen, der auch im Leben eine graue absolute Mitte wäre - so gut es eben geht - bis das der Tod den ruhelosen erlöst. Das Reich der Toten und die darin quasi-existierenden Seelen lehren uns ein gleichgültiges, kaltes Schweigen, dass diesen Zustand widerspiegelt. Den Tod jedoch sofort zu suchem um Transzendenz zu erfahren bleibt jedoch gefährlich. Das Pendel abzuschneiden oder anzuhalten bevor es den natürlichen Ruhepunkt erreicht hat mag es auf ewig in Spannung oder Ruhelosigkeit halten, ein Zustand den wir bei allen gestraften Ruhelosen Seelen und Untoten beobachten können. Es mag daher die Simulation einer absoluten Ruhe für die Lebenszeit genügen: Alle entgegengesetzten Kräfte gleichsam zu vereinen, die auf einen Körper wirken lassen ihn am Ende ebenso in Ruhe liegen, als wenn er nie angestoßen worden wäre, in Spannung zwar, jedoch in einem Zustand des Friendes. Gefährlich ist es, denn keine Seite darf überhand gewinnen, sofort würde wieder ein Turbulentes Schwingen eintreten was den Frieden vernichtet, jedoch ist das natürliche stetige Bestreben nach Gleichgewicht der beste Lehrer um den Pfad zu finden.

So hat das Gute wie auch das Böse völlig gleichermaßen Zweck und Nutzen für den Menschen. Er kann von dem einen nehmen, muss aber den gleichen Anteil des anderen auf die andere Seite der Waage legen. So muss der Mensch bescheiden bleiben, will er keine Unnötige Spannung auf der Waage erzeugen...[...]"

***

"Die Zeit tat ihre Pflicht - und verstrich."
- Terry Pratchett

Zeit ist etwas sehr beständiges in unserer Form der Wahrnehmung. In diesem kurzen Abschnitt möchte ich mich einigen Äußerlichkeiten Arlins widmen und wie besagte Zeit und alles was in ihr geschah auch darauf Einfluss nahm. ((und wie schade es ist, dass vieles graphisch nicht darstellbar ist in der L2 Spielwelt - es lebe die Fantasie.))


Ein weiterer Tag in Giran beginnt, die ersten wärmenden Sonnenstrahlen spähen über die Hausdächer der großen Stadt auf den Marktplatz. Ebenso späht Arlin über den Platz, von der großen Treppe hinab, gerade von der Gilde der Zauberer kommend, wo er seit längerem ein Quartier hat. Er blinzelt, der Schlaf ist kurz während seiner Studien. Die beste Zeit um über Tod und Gleichgewicht Erkenntnis zu erlangen ist während des Zwilichts des späten Abends und des frühen Morgens. Nicht viel des vormittaglichen Lichtes wird von seiner dunklen Robe reflektiert. Umso mehr jedoch von der Haut seines Gesichtes - die weite Kapuze ist momentan zurückgeschlagen - die einen herben Kontrast zum Stoff bildet. Erbleicht, aber noch nicht krank - kalt aber noch sehr lebendig. Die Sonnenstrahlen kribbeln einwenig auf seiner Haut, als wenn sie sich beharrlich wehren würde die lebensspendende Wärme mehr als nötig in sich aufzunehmen. Die Magie des Todes hinterlässt ihre Spuren, das gleichgütlige Grau des Grabes färbt ab. Abgenommen hat er - nicht im ungesunden Maße, aber fast irgendwo am Rande davon. Viele Kreaturen sind bereits dadurch gefallen, dass die vampirische Klaue Arlins, der Zauber, der den Lebenden das nimmt was sie Atmen und ihr Herz schlagen lässt, zuschlug - und jenen Wesen die Essenz des Lebens zu rauben sättigt Arlin auf eine sonderbare Weise. Der Appetit auf Brot vergeht schleichend, wenn die Lebenskraft ohne den Umweg von Nahrung und Wasser zu einem gelangt. Die halblangen, dunkelblonden Haare fallen ihm gelegentlich ins Gesicht. Manchmal schert es ihn nicht, manchmal werden sie mit einer ruhigen Handbewegung zurecht gewiesen.
Eine Hand ruht unter der Robe an seinem alten wuchtigem Dolch. Man kann nie wissen wie weit man den dunklen Elfen dieser Stadt trauen kann und ob nicht dieses alte Artefakt Shilens bei der Verteidigung gegen einen heimtückischen Angriff jener, oder anderer übel gesinnter helfen muss. Arlins Blick ist jedoch gelassen, bisweilen sogar ausdruckslos kühl, manchmal unbeabsicht grimmig, wenn er nachdenklich ist. Wie er nun zu den ersten Händlern schreitet trifft er jedoch auf das ein oder andere bekannte Gesicht und die Miene ändert sich immer mal zu einem warmen Lächeln, begleitet von einem wohlwollenden nicken. Selbst Fremde ernten dies hin und wieder, so sie ihm sympathisch erscheinen und sogar diejenigen, die ihm mit Argwohn und Feindseeligkeit begegnen werden höflich und aller Form gebührend gegrüßt.
Ausbrüche in brennende Liebe und kalten Hass sind immer seltener geworden und werden nurnoch von wenigen erlebt. Die Emotionalität von einst ist einer inneren Ruhe gewichen, die bisweilen wie bei jedem mal labiler wird, jedoch täglich wenig zu erschüttern ist. Manche betrachten es mit Sorge als stetig breiter werdende Gleichgütligkeit, jene täuschen sich aber. In der Ruhe liegt die Kraft und die Weisheit und das Gleichgewicht.

***

Viel später, aus den Aufzeichnungen von Arlin Vito

"Endlich ein Ende der Qualen. Es hätte schon viel früher so einfach sein sollen aber Weisheit kommt nicht ohne Preis. Es war ein langer und verworrener Weg, dieser Pfad der so gefürchteten Nekromantie. Zurecht gefürchtet, bringt sie doch soviel Leid und Finsternis mit sich - für die Lebenden. Aber die Sicht ist jetzt klar, nichtmehr verschleiert durch die Verführung der Dunkelheit und nicht geblendet von der ewigen Läuterung des Lichts. Gleichgewicht. Ich habe die Bürde des Lebens endlich abgestreift, nichts mehr Kämpft dagegen an. Kurz davor jedes Gefühl an die Kälte des Bösen und jeden Willen an die sengende Flamme des Guten zu verlieren erkannte ich endlich, dass die Vision zwar die richtige war, aber meine Seele zerfetzt wurde von allem Ungleichgewicht, anstatt dass sie sich davon löste. Was nun? Erleuchtung! Existenz statt Leben. Leben bedeutet ein dasein, dass ständig davon geprägt ist, gegen den Strom der Entropie anzukämpfen und zu Leiden in dieser Spannung, aufgezwungen von den Göttern. Die Alternative hieß alleine dem Strom nachzugeben und sich fortreißen zu lassen, in die Vernichtung. Existenz jedoch ist über das Leben erhaben. Meine Seele ist losgelöst, Transzendent. Kein Leben mehr durchflutet diese Marionette von Körper - ein Fluch? Nein, eine Befreiung! Mit der freien Seele sind auch meine Gefühle frei, die emotionslose Apathie, die sich langsam einschlich ist vergangen, es ist wie eine Wiedergeburt. Mein Wille ist ungebrochen, kein Gott und kein Tod kann mich mehr festhalten. Ich kann diesem Körper Leben einhauchen wann immer ich es will, und einfach ins Jenseits zurückkehren wenn ich schlafen möchte. Oh wie sie zürnen, die Priester und ihre Götter, verbrennen wollen sie meinen Leichnam und binden meine Seele. Was ist das? Neid auf einen Tod ohne das Ende der Existenz? Zorn auf den Verlust einer Seele, die sie in ihre Paradiese einsperren können? Oder nur gekränkter Stolz, dass sich ein Wesen über die Gesetze hinwegzusetzen vermochte? Dennoch ist diese Jagd ungerecht, ich werde schließlich meinen Preis zahlen, denn ewig wird diese freie Existenz auch nicht währen. Ohne jegliche Bindung werde ich irgendwann verblassen wie alle Seelen die ohne Heimat umherirren. Jedoch ohne Schmerz. Man wird mich einfach vergessen und nichtsmehr wird sein. Das ist Trost wie ich ihn mir wünsche. Und bis dahin? Die Geister sind mit mir und die macht der kalten Kunst. Was fange ich damit an, bis zum Verblassen meiner selbst in ferner Zukunft? Das Gleichgewicht hüten und Lehren, viellicht, oder einfach nur beobachten. Ich werde sehen. Freiheit...."