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Torm - Verstoßen und doch heim gefunden - Druckversion

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Torm - Verstoßen und doch heim gefunden - Uziel - 14.12.2006

Eigentlich war meine Geschichte erst eine, die die jedes Beliebigen hätte sein können. Mein Leben begann in einer Siedlung der Orks, der Heimat meiner Stammesgenossen, nahe des Plateaus der Unsterblichen und des Tals der Helden.
Leider stand das Jahr, bei dem ich beginnen will unter einem grausamen Stern und so gefiel es den Göttern, eine große Plage über unserem Stamme loszulassen, auf dass sie wüte und vernichte...
Es war wie ein böser Zauber und nahezu alle Mitglieder unserer Sippschaft erkrankten an der Seuche, die die Leute erst furchtbar entstellte, verwirrte und dann, nach qualvollem Siechtum, endlich sterben ließ. Viele hauchten in dieser Zeit ihre Seelen aus und es dauerte lange, bis etwas geschah, das das Sterben aufhielt.
An einem düsteren Tag im Winter kam plötzlich ein Fremder in unsere Siedlung, er war völlig verhüllt und sprach kein Wort. Sein wallender Mantel verbarg bis auf seine ungefähre Körpergröße alles, was ihn hätte erkennbar machen können. Während die Wachen und Präfekten grimmig nach den Heften ihrer Waffen suchten, bedeutete ihnen der Häuptling mit einer beschwichtigenden Geste zu warten. Sie hätten ohnehin nicht viel bewirkt, da sie durch die Krankheit viel zu geschwächt waren. Langsam aber entschlossen strebten die Schritte des Fremden der Mitte unseres Marktplatzes zu. Die tanzenden Schneeflocken, die jetzt in stetig steigender Zahl aus den Wolken fielen, setzten sich in Hundertschaften auf die Schultern der Anwesenden, doch viele der Korken zitterten so sehr vor Erschöpfung, dass die Flocken gleich herab gleiten mussten, wenn sie erst einen Halt gefunden hatten.
Das Geräusch, das sich in der angespannten Stille von den Schritten der Figur aus den Weg bahnte, verriet, dass er schwere Stiefel tragen musste, die wohl tiefe Spuren im Schnee hinterlassen hätten, wenn nicht die Schleppe des Mantels gewesen wäre, die sie sogleich verwischte. Die Gesichter zeigten nur selten Regung und in allen stand die brennende Erwartung geschrieben, darauf, was in den nächsten Augenblicken geschehen würde.
Die Gestalt ging die letzten gleichmäßigen Schritte bis sie etwa fünf Schritt vor dem Häuptling stehen blieb. Obgleich unter der tief sitzenden Kapuze bloß Schwärze zu sehen war, hatte man das Gefühl, die beiden sähen sich direkt in die Augen. Fast unerträglich langsam holte der Fremde etwas unter seinem Mantel hervor. Mit ausgestreckten Armen hielt er es auf Augenhöhe seines Gegenübers. Alle Augen stierten darauf. Was immer es war, es war verschnürt und in Leinen gewickelt. Der Moment schien ewig zu dauern, dann endlich setzte er es behutsam vor sich in den Schnee. Ein Raunen ging durch die Anwesenden, aber niemand sagte etwas laut. Nachdem er das Päckchen abgesetzt hatte, wandte sich der Fremde zum Gehen. Keines der Augenpaare verlor seine Schritte, bis er die Stadtgrenze passierte. Fast alle atmeten gleichzeitig auf.
Dann blickten alle zum Häuptling. Er versicherte sich der Aufmerksamkeit aller und schritt zu dem Päckchen. Sogleich hob er es auf und roch daran. Er wog es fragend in den Händen und übergab es dann einem der Schamanen, die zu ihm getreten waren. Nachdem alle gespannt warteten, erhob er seine mächtige Stimme und sprach: „Hört mich an, Leute. Die Seher und Wissenden werden sich dieser Gabe annehmen. Heute Abend werden wir in der Halle hören, was sie uns zu sagen haben. Bis dahin geht und ruht! Wir alle sind gezeichnet von Zorn der Götter. Wir alle brauchen Ruhe!“
Damit wandte er sich um und ging davon.
Ich sah in die Gesichter der Leute und fand die meisten davon gezeichnet von der Seuche. Männer und Frauen waren entstellt, Geschwülste durchfurchten ihre Gesichter und Körper. Überall bildeten sich Auswüchse, die aufplatzen und eiterten. Die Haut war überzogen von verkrustetem Blut und Eiter, weil die Leute das Jucken nicht aushielten, ohne sich zu kratzen. Auch mein Gesicht war befallen, aber bisher hielt es sich in Grenzen. Ich hatte großes Glück. Die anderen Kinder des Stammes waren bereits verstorben, weil sie nicht die Widerstandskraft der Erwachsenen hatten. In den Gesichtern meiner Eltern las ich, dass es auch bei mir lediglich eine Frage der Zeit wäre...
Den ganzen Nachmittag über fand ich keine Ruhe und am Abend lief ich schnell zur Halle um einen Platz in den vorderen Reihen zu ergattern. Der Große Seher Pamuk trat vor die Leute und musterte die schlimm zugerichteten Gesichter kurz. Dann begann er zu berichten: „Wie es scheint, war der Besucher ein Heilkundiger! Wir wissen nicht wie, oder warum, aber scheinbar hat uns der Fremde Medizin gebracht. Die Kräuter, die er uns überließ, haben bereits bei zweien von uns die Seuche aufgehalten und diese beiden beginnen nun zu gesunden!“ Raunen durchlief die Reihen, erst ungläubig, dann immer häufiger begleitet von Freudenrufen und Umarmungen. „Wir werden einen nach dem anderen mit den Kräutern behandeln und hoffen, dass wir so in ein paar Wochen von der Plage befreit sind!“ Die Leute begannen zu Strahlen, kehlige Freudenlaute erfüllten den Saal und viele begannen zu tanzen. In all dem Trubel verlor ich den Überblick und weiß von damals nur noch, dass ich am nächsten Tag mit seltsamen Ölen und Pasten beschmiert wurde, biss mir ganz anders war. Danach begannen die Ausschläge zu heilen und tatsächlich nahm unser Städtchen bereits nach wenigen Wochen den gewohnten Alltag wieder auf. Die Krieger übten sich im Kampfe und die Schamanen widmeten sich den Geistern. Es wurde ein rauschendes Fest gegeben, zu Ehren der Götter und der Gesundung durch die Medizin des Fremden, aber sonst blieb alles beim Alten.

Nach einigen Jahren kam der Tag, da ich 17 Sommer zählen sollte. Mit einem groben Schwert bewaffnet machte ich mich auf, um nach dem alten Ritus unseres Stammes einen der wilden Wolfsmänner in den Bergen zu finden und zu erlegen, um als Erwachsener in unserer Sippe anerkannt zu werden. Ich war geschult im Kampfe und bereit für meine Herausforderung. Lange jagte ich durch das Unterholz der dichten Nadelwälder und sog den eisigen Hauch des Winters in meine Lungen ein. Dann endlich sah ich ihn. Es war einer der schwarzbepelzten Wolfsleute. Derer gab es nicht viele und ich würde einen Ehrenpreis erhalten, wenn ich sein Haupt auf dem Marktplatz empor halten könnte. Mein Instinkt war geweckt. Wie ein pirschender Wolf fixierte ich meinen Gegner, noch bemüht ihn nicht auf mich aufmerksam zu machen. Alle meine Sinne schienen tausendfach geschärft. Meine Muskeln zuckten vor Anspannung und mein Herz pumpte ein Meer von heißem Blut durch meine pulsierenden Venen. Der Moment war günstig. Mit einem lauten Brüllen sprang ich direkt in das Sichtfeld des Wolfsmannes und versetzte ihm einen ersten schweren Hieb. Die schwere stumpfe Klinge zerriss seine Haut über dem Brustkorb und ein Schwall dunklen Blutes schoss hervor. Dann jedoch packte ihn die Wut. Mit gefletschten Zähnen schwang er seine Pranken und nur mühsam konnte ich seinen Schlägen ausweichen. Schritt für Schritt drängte er mich in Richtung einer kleinen Böschung und meine Versuche ihn zu treffen scheiterten fast alle. Plötzlich hieb ich mit meinem Schwert gegen etwas Hartes und meine Hand wurde kurz taub. Diesen Moment nutzte mein Gegner, mir die Klauen tief in den Schwertarm zu graben und meine Waffe fiel den Hang hinab. Ich biss die Zähne zusammen. Einen kurzen Moment standen wir Auge in Auge. Sein Atem, der geschwängert war vom Gestank verwesenden Fleischs, schlug mir entgegen und angewidert fasste ich mir ein Herz und schloss meine Hände um seine Kehle. Er riss seine Klauen los und grub sie in meine Seite. Noch während ich aufschrie nahm ich instinktiv all meine Kraft zusammen. Ich konnte sie förmlich fließen spüren. Der Impuls meines Verstandes mischte sich mit der glühenden Wut meines Herzens und manifestierte sich in der bedingungslosen Anspannung jeder einzelnen Faser meiner Muskeln. Noch bevor ich gewahr wurde, dass ich stürzte, fühlte ich sein Genick unter dem Druck meiner Arme brechen. Dann fiel ich. Er musste mich mit letzter Kraft über die Böschung geschoben haben und nun fiel ich einige Momente lang in die Tiefe. Ich schlug auf und verlor die Besinnung…

Als ich meine Augen öffnete lag ich bandagiert in einer Scheune. Um mich herum waren Kühe und Hühner. Ich versuchte mich aufzurichten und fand heraus, dass mein Körper lieber liegen bleiben wollte, denn meine Arme rutschten weg und meine Kraft schien gänzlich geschwunden. Nachdem ich einige Zeit um mich geblickt hatte, betrat ein Mann die Scheune. Ein Mensch. Er musste so um die fünfzig Sommer gesehen haben und war eher schmächtig; aber sind sie das nicht alle? Seine Haare waren bereits silberfarben und sein Gesicht schien eine lange Geschichte erzählen zu können. Aber in seinen Augen spiegelte sich Weisheit und Güte, mehr als ich je zuvor gesehen hatte.
Er grüßte mich in meiner Sprache. Ich sah ihn ungläubig an und erwiderte den Gruß. Er fuhr fort „Ihr habt lange geschlafen. Genauer gesagt drei Tage. Ich hoffe, es geht Euch besser, denn Eure Wunden sahen schlimm aus. Zu Eurem Glück kenne ich mich mit diesen Dingen recht gut aus, sonst wäre es Euch vielleicht nicht anders ergangen, als Eurem schwarzpelzigen Freund…Obgleich den wohl nicht der Sturz tötete, oder?“ Er grinste mich an. Wer zur Hölle war dieser Mann? „Mein Name ist Torm“, sagte ich „habt Dank für Eure Fürsorge.“ „Man nennt mich Pagol, und übrigens,…gern geschehen.“ Erwiderte er und half mir auf die Beine

Ich blieb noch etwa eine Woche bei ihm und sah meine Wunden heilen. Pagol brachte mir vieles bei, über die Wundversorgung, den Heilungsprozess, aber auch den Kampf und dergleichen. Viele der Schwertschwünge, die er mir zeigte, verblüfften mich durch die Art, mit der man eine Waffe kontrollieren und präzisieren konnte, wenn man sich nicht allein auf seine bloße Kraft verließ. Vor allem aber lehrte er mich die ersten Menschenworte. Diese Woche war geprägt von Verbundenheit und einer seltsamen Vertrautheit. Die Zeit verging wie im Fluge und es fiel mir zunächst schwer wieder aufzubrechen, denn dieser alte Kauz hatte mir wirklich das Gefühl vermittelt zu Hause zu sein…
Als ich die letzten Schritte bis zu den Stadttoren heraufkam, liefen mir die beiden Wärter schon entgegen. Mein Stamm hatte mich zwar zum einen vermisst, aber zum anderen war ich freilich mit leeren Händen heimgekehrt und im Gegensatz zu Pagol, waren die Leute hier nicht nur froh, dass ich überlebt hatte, sondern auch enttäuscht. Meine Eltern sahen mir ab diesem Tag nicht mehr in die Augen und den Umstand, dass ich nicht ausgestoßen wurde, verdanke ich wohl lediglich der Tatsache, dass der Stamm zu wenig Männer hatte, seit der großen Seuche. Denn es würde noch einige Jahre dauern, bis die Kinder groß genug wären. Es gab für mich jedenfalls keine zweite Chance. Als Krieger hatte ich versagt.

Aber das hatte nicht nur Nachteile. Zwar war ich eingespannt, wenn es darum ging Männerwerk zu verrichten, also Hütten zu bauen, Bäume zu fällen oder Steine zu tragen, aber sonst krähte kein Hahn mehr nach mir. Die Zeit, die die anderen mit sich verbrachten, oder mit sinnlosen Ringkämpfen vergeudeten, nutzte ich mit dem Verstand. Eine Lichtung, die ein paar Meilen vom Dorf gelegen war diente mir als Oase der Ruhe und des Geistes. Ich versank in Gedanken, übte manchmal mit dem Schwert und trainierte meine Stimme, um jene Worte richtig auszusprechen, die Pagol mir mitgegeben hatte. Sie waren wie ein goldener Schatz für mich; in meinem Innern bewahrte ich sie auf, wie in einer Schatztruhe und diese öffnete ich nur, wenn ich ganz allein und sicher war. Ich ließ sie langsam aus dem Hals, über die Kehle, den Schlund heraufkommen und formte sie voller Begeisterung mit den Lippen. Jedes mal wurde es besser und es machte mir wahnsinnigen Spaß. Die Schwerthiebe vollführte ich mit absoluter Präzision, oder versuchte es zumindest… Es gelang mir immer häufiger, Hand und Auge zu koordinieren. Kein Wunder, dass die Menschen so oft siegten, dachte ich, wer mit solcher Genauigkeit und Zielgerichtetheit kämpft, muss der rohen Gewalt gegenüber im Vorteil sein…
Ich jagte Wolfsmänner und brachte in dieser Zeit hunderte von ihnen zur Strecke. Ich unternahm jedoch niemals den Versuch, meine Beute im Dorf zu zeigen, denn es war mir egal geworden. Fortan gab es Wichtigeres für mich, als dämliche Rituale. Ich wollte ich selbst sein.
Nach einigen Mondläufen hatte ich bereits große Fortschritte gemacht. Sowohl im Sprechen, als auch im Kampf. Immer aber war ich nachts zurückgekehrt, um am nächsten Morgen im Dorf zu sein. Dann blieb ich einige Zeit weg. Erst nur zwei Tage, dann drei, dann eine ganze Woche. Immer wieder kam ich zurück und ging anschließend wieder. Bis ich beschloss irgendwann ganz zu gehen. Diese Leute hatten mir nichts mehr zu geben. Selbst meine Eltern ignorierten mich. Sie hatten einen neuen Sohn und nun war es seine Familie. Ihre Liebe zu mir war an jenem Tag vor etwa einem Jahr gestorben. Und so starben sie für mich…

Kurz bevor ich ging packte ich noch ein paar Habseligkeiten und als ich über den Platz ging, sah ich, dass Borum nicht da war. Er war einer der härtesten Krieger unseres Stammes und stand normalerweise den ganzen Tag beim Schmied und pflegte seine Waffen. Ich dachte nicht weiter nach und fragte einen der Wachleute. Was dann geschah, verschwimmt in meiner Erinnerung. Ich hörte die Wörter „Mensch“ und „Hütte“ und bevor ich etwas sagen konnte rannte ich bereits. Schneller als je zu vor rannte ich und obgleich ich diese Strecke schon seit einem Jahr nicht gegangen war, fanden meine Füße den Weg, als ob ich endlich heim liefe.
Als ich dort ankam, fand ich die Türe eingetreten. Man hörte das Zerbersten von Holz in der Scheune, die Kühe und Hühner rannten wild heraus und gaben angsterfüllte Töne von sich.
Ich trat in die Scheune ein und fand Pagol am Boden liegend. Borum stand über ihn gebeugt und hatte seinen Streithammer zum Schlag erhoben. Als ich eintrat räusperte ich mich laut. Beide Köpfe fuhren herum und blickten mich an. Während ich jedoch in Pagols Blick Erleichterung fand, standen Borum der Zorn und die Verachtung ins Gesicht geschrieben. „Was willst du hier?“ Knurrte er „Hier stirbt nur ein Mensch. Nichts, was Dich interessieren sollte, Versager.“ Ich blickte ihn an. „Er ist nicht nur ein Mensch. Ihm verdanke ich mein Leben.“, sagte ich. „Was ist dein Leben schon wert?“, bekam ich zur Antwort „Er hat uns alle gerettet“, sagte ich etwas übereilt, doch dann wurde mir klar, dass wirklich nur er es gewesen sein konnte, in jener Winternacht. Kein anderer Mensch hätte jemals vom Schicksal unserer Sippe erfahren. Nur er konnte es gewesen sein. Ein Grund mehr sein Leben zu retten…
Borum sah mich an. Er schien sich zu erinnern und was noch bedeutender war, er schien mir tatsächlich zu glauben. Aber es half nichts. „Er ist nur ein Mensch. Wir töten Menschen, weil sie unsere Feinde sind. Dies ist unser Gesetz. Selbst wenn er uns gerettet hat, so beweist das nur, dass er ein törichter Mensch ist, der einen gewaltigen Fehler gemacht hat, denn es ist ein Fehler, seine Feinde zu heilen. Dieser Mensch stirbt jetzt und Du ebenso, wenn Du nicht verschwindest.“
Es half nichts. Noch bevor Borum seinen Hammer heben konnte, hatte ich seine Hand vom Unterarm abgetrennt. Der Hammer fiel dumpf zu Boden und die Finger schlossen sich noch immer fest um den Griff seiner Waffe. Ein Schwall von Blut spritzte durch den Raum und verewigte sich überall an Wänden und Decke. Aber das brach einen Ork noch nicht. Mit einem tief grollenden Schrei sprang er auf mich zu und riss mich um. Wir beide flogen mit gewaltiger Wucht durch die Bretterwand und landeten unsanft auf felsigem Boden. Immer wieder schlug mir Borum Faust und Stumpf ins Gesicht, bis ich vor Blut nichts mehr sehen konnte. Einen Moment lang fühlte ich mich zu schwach. „Sein Blut…“, besann ich mich und machte mir bewusst, dass ich tatsächlich im Vorteil war. Ich stand auf, hielt seinen Arm fest und stieß ihn von mir. Der Blutverlust hatte ihn sichtlich geschwächt. Mit letzter Kraft rannte er auf mich zu und ich ging lediglich zur Seite. Ich machte es kurz: Nachdem er auf den Boden gefallen war, nahm ich seinen Kopf in die Hände und schlug ihn mit aller Kraft auf einen Stein. Er blieb zuckend liegen.
Zurück in der Hütte fand ich Pagol verletzt. Borum hatte ihm wohl sein Bein zertrümmert und selbst seine großen Heilkünste würden Wochen und Monate brauchen, um das zu heilen, falls er es überhaupt konnte. „Was sind Eure wichtigsten Habseligkeiten, Pagol? Wir haben nicht viel Zeit…“ Er dirigierte mich in seiner Hütte zwischen den Regalen hin und her, während ich ihn auf dem Rücken trug. Es sammelte sich einiges an, wir packten es auf sein altes Maultier und machten uns auf den Weg. Lange sprachen wir nichts. Als wir die Hügelkette am Ende des Plateaus der Unsterblichen erreichten, machten wir eine Pause. „Das ist für heute weit genug. Ihr braucht Rast und auch ich muss neuen Atem finden. Ich werde Holz suchen und um Euer Bein kümmert Ihr Euch wohl am besten selbst, denn ich kann Euch da wohl nicht helfen.“ „Danke.“ Sagte er und blickte mich lange an. Er schien zu verstehen, was ich gerade getan hatte, was ich aufgegeben und auf mich geladen hatte und, er schien es zu würdigen. „Woher wusstet Ihr, dass ich das war, vor Jahren?“ fragte er. „War geraten“, grinste ich. Er lächelte. „Warum habt Ihr das damals getan?“, wollte ich wissen. „Ich weiß nicht wirklich. Weil ich es konnte, vielleicht, oder vielleicht eher, weil ich es durfte.“ Er sah mich nachdenklich an. „Und Ihr, mein Freund, warum habt Ihr es getan?“ Weil ich es durfte.“, sagte ich, halb in Gedanken versunken. „Ja, weil ich es durfte!“
Ich holte Holz und machte ein Feuer. Wir aßen von dem Proviant und tranken Wasser, das ich aus einem Bach in der Nähe geholt hatte. „Ich danke Euch über alle Maßen. Euch schickten wohl die Götter.“ „Nein“, sagte ich, „in gewisser Weise hat mich mein Volk selbst geschickt…“ sagte ich. „Ich glaube ich verstehe. Er nannte Euch Versager…Falls ich Euch irgendwie danken kann dann…“ Ich fiel ihm ins Wort: „Das könnt Ihr“, entgegnete ich rasch, „Sagt mir, wo ich nun hingehen soll.“ Ich hob verzweifelt Schultern. Er sah mich erst fragend an und antwortete dann fest: „Irgendwohin.“ Ich stutzte. „Und da wir ja scheinbar das gleiche Ziel haben, lasst uns gemeinsam gehen.“, meinte er grinsend und reichte mir die Hand. Ich musste keinen Augenblick überlegen und schlug ein. „Wenn es nicht zuviel ist, so würde ich Euch um noch etwas bitten…“ „Was immer es ist, mein Freund, es ist mir eine Freude.“ Zaghaft sagte ich: „Lehrt mich Eure Sprache, Pagol, denn ich würde meine gerne vergessen…“
Er starrte mich einen Moment lang an, nickte mir zu und wir schwiegen bis zum nächsten Morgen. Dann brachen wir auf.

Die Tage und Wochen verrannen und Pagols Bein heilte zusehends. Wir zogen von Stadt zu Stadt, begegneten Elfen, Zwergen und Menschen. Der Kampf suchte uns ebenso oft heim, wie die Ruhe, aber am Ende eines jeden Tages, waren wir ein großes Stück vorwärts gegangen und unsere Freundschaft wurde immer stärker. Nachdem wir unsere Reise lange fortgesetzt hatten und immer weiter in das Land der Menschen vordrangen, war bereits sehr viel Zeit vergangen. Irgendwann wurden wir des Umherziehens müde und Pagol beschloss sich in der Nähe einer Stadt Namens Dion anzusiedeln. Wir bauten ein Haus und ließen uns nieder. Es ging uns gut und wir lebten einige Zeit vor uns hin. Pagol lehrte mich die Sprache in all ihren Feinheiten über mehr als fünf Sommer hinweg und endlich konnte ich sie richtig sprechen. Ich pflegte sie und ging täglich unter Menschen und sprach. Ich liebte es zu sprechen.
Ich traf andere Orks, die unabhängig waren und erkannte, wie begrenzt alles gewesen war, wo ich herkam und, dass es andere gab, die mir ähnlich waren. Lange lebte ich bei Pagol und er war mir ein Freund und Vater. Er schulte mich in Sprache und Kampf und hieß mich immer wieder mein Selbst zu finden. Eines Tages, beschloss ich dann, meinen eigenen Weg zu gehen. Ich wollte ein Held werden, nicht für die Welt, sondern für mich und die Freundschaft und, um meinen Vater dereinst stolz zu machen.