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Ketten der Göttin (Sinyeagers Geschichte) - Druckversion

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Ketten der Göttin (Sinyeagers Geschichte) - Sinyeager - 10.12.2007

Wieso sind die hiesigen Dunkelelfen so geworden? Was hat sie in den tausend Jahren unsrer Abwesenheit so verändert? Immer wieder stellte ich mir diese Fragen, denn letztendlich war ich genau aus diesem Grunde hier. Ich sollte die Dunkelelfen dieses Kontinents verstehen lernen und einen Feind bekämpfen. Keinen Drachen oder Zyklopen, sondern einen Dämon, der viel gefährlicher war: Die bittere Eitelkeit und die Verachtung der Dunkelelfen.
Monate war ich schon auf diesem Kontinent und wurde Zeuge vielerlei verachtenswerter und bemitleidenswerter Handlungen zugleich. Ich sah Versklavungen, Verführungen, Mord, Folter, Intrige und jede Menge psychologische Kriegsführung. Die Opfer meiner Geschwister, so nannte ich die hiesigen Dunkelelfen, waren nicht nur angehörige anderer Rassen. Es waren vor allem die eigenen Leute, ja sogar in erster Linie die Eigenen. Woran lag es? War es die blinde Gier nach Macht? Ein Trieb der angeboren war?
Ich lehnte mich über die Unterlagen auf meinem Schreibtisch. Etliche Manuskripte hatte ich gesammelt, um meinen Nachforschungen mehr Gehalt zu geben. Es waren eigene Notizen, aber vor allem Schriftstücke anderer Dunkelelfen. Tagebücher, Briefe, Schmierzettel´. Alles Dokumente, die den Schreiber Kopf und Kragen hätten kosten müssen... und mich übrigens auch, wenn jemand heraus fand, dass ich sie aufbewahrte. Es waren geheime Schreiben. Auf Papier gefasste Gedanken von Dunkelelfen, die ihren Ängsten und Leiden Ausdruck gaben. Bekenntnisse der Schwäche. Etwas, dass in der Gesellschaft der Dunkelelfen dieses Kontinents nicht bloß unüblich war, sondern gar als Tabu galt. Eines dieser Schriften war ein Gedicht, dass ein Diener seiner Jabress widmete. Es war ein Liebesbekenntnis oder besser gesagt das Zeugnis einer tragischen Liebe, die nie erwidert wurde.
  • Du bettest Dein verletzlich' Selbst
    In Kissen aus erkühltem Stahl.

    Feurig Odem der Begierde,
    Flackernd Sehnsucht wird zur Qual.

    Spinnst Dein Netz aus heissen Drähten,
    Lockst mich an mit Deinem Leib.

    Legst mich dann in Schoßes Wiege;
    Vergehst doch selbst in Einsamkeit.

    Geteiltes Leid bleibt halbes Leid
    Schwör'n wir unsren stummen Eid.

    Doch Liebe bleibt des Zwielicht's Kind.
    Ein Schatten bis in Ewigkeit.

Ich laß es mir laut vor und lehnte mich dann in meinem Stuhl zurück. Ich hatte Mitleid mit dem Verfasser, doch das war bisher nur sein Standpunkt. Der Standpunkt der im Gedicht erwähnten Jabress blieb dem Leser und somit auch mir unerschlossen. Litt sie womöglich auch unter dieser Liebe? Schliesslich bezeichnete der Schreiber sie als verletzlich. Oder war sie längst zu einer Maschine der Gesellschaft geworden? Dieser Eindruck bestand in diesem Gedicht durchaus...
Ich griff nach der Karaffe und schenkte mir Milch nach. Es war zwar unüblich solche Gedichte und Bekenntnisse in der Gesellschaft wieder zu finden, doch waren die Dunkelziffern riesig, das bewiesen schon die vielen Gespräche, die ich mit Dunklen führen durfte. Und so sehr ich mich in sie hineinversetzt glaubte, so sehr fiel mir doch jedesmal auf, wie wenig Verständnis ich aufbringen konnte. All diesen Personen fehlte die Selbstachtung, doch der Wunsch geliebt und begehrt zu werden war größer.

Die einen liessen sich versklaven, machten sich gar zu Gegenständen, die gehandelt und begehrt werden konnten. Die andren erhoben sich selber auf einen Altar und machten sich zu Götzenbildern, die verehrt wurden. In beiden Fällen verzerrte es das wahre "Ich" dieser Personen. Es verwischte Ihre Schwächen und ihre Stärken. Es fand eine Verzerrung statt und das paradoxe dabei war, dass alle... egal ob Sklaven oder Herren, mit sich gemeinsam hatten, dass sie sich selber zu Gunsten einer Illusion aufgaben, um am Leben zu bleiben. Wer von Ihnen stirbt also den tragischsten Tod? Die Unterjochten oder die Unterjochenden?

Diese Gesellschaft war ein Ozean ohne Inseln, in denen jeder darum Kämpfe über Wasser zu bleiben. Doch woher kamen die sturmartigen Wellen, die die Opfer unter sich begruben? Entstanden sie nur, weil jeder wild mit den Armen ruderte, um nicht zu ertrinken? Oder entstanden sie tatsächlich, weil die Göttin das Meer mit ihren Winden peitschte? Ich konnte nicht glauben, dass Shilen dies tun sollte. Ich war immer Herr über mein eigenes Handeln, also sollte ich die Verantwortung nicht an eine höhere Macht delegieren. Doch... wenn jeder um sein eigenes Überleben kämpfte... wenn jeder verzweifelt um ein Stück Land in diesem Ozean kämpfte... wieso legten sich alle dann die Ketten der Göttin um?

Ich stand von meinem Tisch auf und sammelte die losen Papiere, die wild verteilt darauf lagen. Sorgsam legte ich sie in einen hölzernen Kasten, der weder mit einem Schloss, noch mit sonst welchen Sicherheitsvorkehrungen versehen war. Es war nicht notwendig, so dachte ich mir. Gelassen ging ich zu meinem Fenster. Unterhalb des Fenstersimses hatte ich eine Nische eingearbeitet, in die der Holzkasten perfekt hinein passte. Darüber legte ich eine Holzplatte, die dem Wandmuster entsprach. Sie rasterte ein und ich klopfte mit der Faust dagegen, um mich zu versichern, dass sie nicht heraus fiel. Es hielt. Ich nickte und blickte nach draußen in die Nacht. Es würde Zeit werden, dass ich mich mit der andren Seite unterhalte. Ich musste endlich mit einem Jabbuk oder einer Jabress ins Gespräch kommen...
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