Fußspuren im Sand der Zeit - Druckversion +- Imoriath Forum (https://imoriath.com/forum) +-- Forum: RP-Bereich (https://imoriath.com/forum/forumdisplay.php?fid=90) +--- Forum: RP Sektion (https://imoriath.com/forum/forumdisplay.php?fid=102) +---- Forum: Charaktergeschichten (https://imoriath.com/forum/forumdisplay.php?fid=105) +---- Thema: Fußspuren im Sand der Zeit (/showthread.php?tid=7386) |
Fußspuren im Sand der Zeit - flicka - 08.02.2012 Eröffnet für Yvaine. OOC-Anmerkung + Gliederung - Yvaine - 08.02.2012 Dankeschön Flicka! So, ich werde hier mal die ganzen Einzelnteile meiner Charstory, die quasi im ganzen Forum verstreut sind, zusammen sammeln, damit man sie auch im später nachlesen kann. Das Ganze wird natürlich auch fortgesetzt. Yva. Fußspuren im Sand der Zeit
______________________________________________ 1 - die Reise beginnt. - Yvaine - 08.02.2012 Alle Reisen haben eine heimliche Bestimmung, die der Reisende nicht ahnt. (Martin Buber) Sie wand den Blick von der leuchtenden Linie ab, zu der die versinkende Sonne den Horizont gemacht hatte und seufzte leise. Hatte sie doch gehofft, dass die ewige Reise endlich einmal zu ende sein würde. Obgleich der relativ milden Temperaturen fröstelte sie bei dem Gedanken an die Gerüchte, die ebenso wie der Wind durch die Stadt wehten. Welche Macht hatte dort ihre Finger im Spiel? Die Rechte der Priesterin wanderte an das silberne Kreuz mit dem Diamant am rechten Kreuzarm, umschlossen es einen Moment, als könne es Wärme spenden. Diese Menschen brauchten etwas Licht. Wärme. Glaube. Zuletzt auch den, an sich selbst. Die Reise ging weiter. Sie hatte gerade erst von Neuem begonnen. 2 - die Reisende - Yvaine - 08.02.2012 Ich will, solang ich hier bin, die Augen auftun, bescheiden sehen und erwarten, was sich mir in der Seele bildet. (Johann Wolfgang v. Goethe) Wie der Zufall es wollte, war das kleine Örtchen Dion der erste Wegpunkt auf ihrer Reise. Zwei Händler waren mit ihrem Karren von Heine aus unterwegs hier hin und nahmen die Priesterin gern mit. Yvaine saß auf beim pferdegezogenen Wagen und blickte in die Landschaft, die immer kühler zu werden schien, je weiter sie sich von Heine entfernte. Als schließlich nach einem guten halben Tag des Weges die ersten Häuser Dions in Sicht kamen, war die Kälte bereits schneidend - drängte sich durch jede Faser der Kleidung und tat im Gesicht weh. Auch hier hatte es also bereits begonnen. Nach einem kurzen Plausch mit den Händlern verabschiedete sie sich. Zwar hatten die Männer sie zu einer Tasse Tee ins hiesige Schankhaus eingeladen, doch galt der erste Weg in der neuen Stadt einem anderen Ort. Yvaine stapfte durch den Schnee, den Weg zur kleinen Kirche empor. Es dämmerte und sie hörte die Stimmen der Personen, bevor sie jene erblickte, gut hundert Meter vor ihr kreuzten sie ihren Weg. Ein Mann wurde abgeführt. Sie konnte nicht viel erkennen, blinzelte gegen die einbrechende Dunkelheit und die Schneeflocken, die sich gar auf ihre Wimpern gelegt hatten. Schwere Ketten hatte man um die Arme und Hände des Mannes gelegt, der den scheinbaren Wachen ergeben folgte. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Zwar war sie nicht in Kenntnis über die Sitten dieses Dorfes und noch weniger darüber, wer dieser Mann war - sie war zu weit weg, um die Gesichtszüge des Fremden zu erkennen und die Fellkaputze über seinem Haupt raubte jede Sicht - doch hatte niemand es verdient, wie ein Hund... sie unterbrach ihren Gedanken und sagte auch nichts, denn Stimmenfetzen drangen an ihr Ohr. Mord? War es dieses Wort, das sie hörte? Eine Tote in der Kirche? Yvaine verharrte, wandte sich abermals zum Haus der Göttin um. Was wurde hier gespielt? Die Welt lag im Chaos, doch was geschah in diesem Dorf? Sie wandte sich den Umstehenden zu, die das Tuscheln begonnen hatten. "Verzeiht meine Neugierde, doch was..." weiter kam sie nicht, die beiden Frauen unterhielten sich so energisch, dass sie die Priesterin nicht einmal bemerkt hatten. "Jaja. Mausetot die Kleine!" Yvaine stapfte abermals zur Kirche empor und trat in die weiche Wärme des Gebäudes ein. Die Wärme und die fühlbare Gottesnähe taten ihr gut. Langsam sah sie sich um. Die Tote lag mit dem Hinterkopf zu ihr. Yvaine sah nur ungebändigte braune Locken. Eine Frau also tatsächlich. Langsam trat sie näher, ruhig und eine Spur feierlich, der fremden Toten zu gedenken und zur Göttin zu beten, als ihr Blick auf das Antlitz der Toten fiel und sie erstarren ließ. Es war ihr, als würde die Kälte mit einer Macht ins Innere der Kirche dringen und mit klammen Fingern durch ihren Brustkorb greifen, das Herz fassen und mit eisernem Griff zerdrücken. Es kostete sie alle Selbstbeherrschung, auf den Füßen zu bleiben. Sie kannte dieses Mädchen. Die Selbstberherrschung wich mit einem Schlag, als eine der Tempelwachen auf sie zu trat, offensichtlich Hilfe anbietend. Yva hörte seine Worte nicht. "Raus..." sprach sie leise und schwer beherrscht. "Lasst mich allein mit ihr. Sofort!" Das letzte Worte war schon fast geschrien. Die Wache, auf einen solchen Ausbruch nicht vorbereitet, fuhr leicht zusammen. "Verzeiht, Wehrteste. Aber ich kann nicht einfach jemand Fremdes allein lassen mit..." weiter kam er nicht. In einer wütenden Bewegung schob sie den schweren Wintermantel beiseite und entblößte das silberne Kreuz um ihren Hals. "Doch vielleicht eine Priesterin Einhasads im Hause ihrer Göttin?" Der Wachmann nickte nur leicht und verließ die Kirche. Es war wohl das Schlimmste, das einer Mutter widerfahren konnte: Das eigene Kind zu verlieren. So auch einer Ziehmutter. Lange Minuten betrachtete die Priesterin das Gesicht der Toten, den entspannten, beinahe erleichterten Ausdruck darauf. Sie schien nicht mit ihrem Tod gerechnet zu haben. Vorsichtig strich sie eine der braunen Korkenzieherlocken aus dem kindlichen Antlitz ihrer einstigen Schülerin, hauchte einen mütterlichen Kuss auf die erkaltete Stirne. "Wer hat dir dies nur angetan, meine Kleine..?" Es war selten vorgekommen, dass Priesterin Yvaine derart die Kontrolle über sich und die einstudierten Werte verloren hatte, die ihre Persönlichkeit sonst stets prägten. Sie versuchte ihre Gedanken zu ordnen, doch waren so viele Fragen da, die sie schier erdrückten. Warum war Tristana hier, in Dion? Was hatte sie hier erlebt? Wer hatte ihr dies angetan? Und warum? Es fiel schwer, diese Fragen beiseite zu drängen - sich auf das zu konzentrieren, für das man bestimmt war. Sie riss die Augen von der Toten los, kniete vor dem Altar und der Statue Einhasads nieder. Sie sprach lautlos, nur die Lippen bewegten sich in stiller Zwiesprache zu jener, der sie diente. Dann küsste sie das Kreuz um ihren Hals und erhob sich mit geschlossenen Augen. "Danke, dass du sie bei dir aufgenommen hast, meine Göttin. Sie war ein gutes Mädchen. Nun endlich ist sie frei und muss nicht mehr davon laufen." Eine gute Stunde später sahen die Tempelwachen die Frau wieder aus der Kirche treten. Sie hatte ihre Trauerarbeit vorerst geleistet und blickte den Männern zwar aus tränengeröteten, aber sehr gütigen Augen entgegen. Mit leiser Stimme stellte sie sich ihnen vor, blickte dann nachdenklich ins Dort herab. "Wer mag es wohl gewesen sein, der eine so junge Frau mit Gewalt aus dem Leben riss? Wer war der Mann, den sie abführten?" Die Wache runzelt die Stirn. "Ihr wisst es nicht? Er ist der Priester hier!" Yvaine schüttelte den Kopf. "Was ist das für eine Zeit, in dem ein Priester Einhasads zu einem Mord verdächtigt wird?" Es lag keine Kritik in diesen milde gesprochenen Worten, doch der Wachmann reagierte trotzdem so, als ob. "Nun, der Stein mit dem sie erschlagen wurde, stammt vom Friedhof. Und der Priester wurde oft mit ihr gesehen." Die Augen der Priesterin verdunkelten sich. Es hatte keinen Sinn, mit diesem Mann zu diskutieren. Die Zeit, die sie dazu aufbringen musste, fehlte ihr gerade. "Wohin bringen sie ihn?" Die Wache gestikulierte in die Ferne. "Vermutlich ins Schloss." Sie nickte nur knapp und wand sich ab. Sie würde sich mit einem Tee im Gasthaus "zum fetten Fasan" aufwärmen und war bereit, dem Festgenommenen in die Augen zu sehen. Schuldig oder nicht - das stand hier noch nicht zur Debatte. 3 - Oh, du steiniger Weg der Pflicht! - Yvaine - 08.02.2012 Ich glaube, daß wenn der Tod unsere Augen schließt, wir in einem Lichte steh'n, von welchem unser Sonnenlicht nur der Schatten ist. (Arthur Schopenhauer)
Früh am nächsten Morgen kehrte die Priesterin nach Dion zurück. Endlich wurden Leute nach dem Ehemann Tristanas ausgesannt. Sie fühlte das zusammengefaltete Pergament in der Manteltasche und so schweiften ihre Gedanken fort von der allgegenwärtigen Kälte zu jenem Mann im Kerker des Schlosses. Es stand Yvaine vollkommen außer Frage, dass er der Mörder des Mädchens sein konnte. Sie hatte die Zeit, die man ihr mit ihm gelassen hatte genutzt, sich dessen zu vergewissern. Es hatte Ehrlichkeit in seinen Augen gestanden, als er ihr gar bei der Göttin seine Unschuld versichert hatte. Und Liebe, als er von dem Mädchen sprach. Iaskells Worte, dass sie wie eine Tochter für ihn geworden war, waren frei von Lüge. Yvaine hatte in sein Herz gesehen und dort das selbe Gefühl zu der Kleinen gefunden, dass in dem ihren vorherrschte. Iaskell Liavern war kein Feind in diesem Kampf - er war ein Verbündeter. Sie betrat die Kirche und wandte ein paar stille Worte an ihre Göttin. Als eine der Tempelwachen eintraten, erhob sie sich wieder von den Knien und begrüßte den Mann. "Ich möchte Euch darüber in Kenntnis setzen, dass ich die Beerdigung leiten werde. Ich werde mich bemühen, den hiesigen Priester bestmöglichst zu vertreten." Der Wachmann nickte. "Wann wird das Mädchen unter die Erde gebracht?" "Die Szeremonie muss leider noch etwas warten, aus Geheiß der Fürstin." Ein deutliches Schlucken ließ den Adamsapfel des Mannes einen Deut hüpfen. "Aber, Werteste.. Verzeiht doch was machen wir wegen... wegen der Verwesung?" Trotz allem blieb sie ruhig, der Blick mit dem sie den Tempelwächter bedachte gütig. "Es sollte bei der derzeitigen Witterung keine Schwierigkeiten machen, eine Leiche kühl zu lagern, meint Ihr nicht?" Der Mann wich ihrem Blicke aus, doch es wurde veranlaßt, den offenen Sarg mit der Toten in einen der ungeheizten Nebenräume zu verlegen. Yvaine verließ die Kirche, kehrte in ihr Zimmer im "fetten Fasan" zurück, sich einen Moment allein mit ihren Gedanken zu gewähren. Die Bitte des Priesters, dass sie die Beerdigungsszeremonie abhalten sollte, lastete schwer auf den schmalen Schultern der Frau. Predigten und Szeremonien waren noch nie etwas gewesen, in dem sie gut war. Yvaine half den Menschen lieber durch unauffälligere Dinge, leistete Trauerarbeit, spendete Trost und brachte sie zurück auf den rechten Weg. Gerade die Beerdigung Tristanas machte ihr Angst. Angst zu versagen, gar die Distanz nicht wahren zu können. Sie wusste, dass sie stark sein musste. Es war immer ein Teil ihrer Berufung gewesen, das Leid der Menschen nicht zu sehr an sich heran zu lassen, um immernoch ihre Bestimmung ausführen zu können. Obgleich sie mehr als dreißig Lenzen zählte, war eine solche Situation völlig neu. Und sie zweifelte daran, bei jener Szeremonie Priesterin sein zu können - und nicht die Mutter, die sie in ihrem Herzen für die Kleine stehts war. Schweren Herzens zog sie ein Pergament hervor und tauchte die Feder in die Tinte. Die ersten Worte der Predigt fielen leicht. Lehrbuchhaft malten sie sich aufs Papier. Doch waren sie kalt und ohne Leben. Standen nicht in Verbindung mit dem, was sie fühlte. Seufzend wanderte der Blick der klare, tiefblauen Augen gen Himmel. "Wenn das eine Prüfung ist, meine Göttin, so ist es eine der Schwersten", hauchte die Priesterin kraftlos. Einen Moment schloss sie die Augen, ehe sie die Feder wieder aufs Papier setzte und neu begann, während sich die Linke um das silberne Kruzifix schloss, fest und haltsuchend. Es war fast wie das erste Mal, als Yvaine in ihrer Zeit des Studierens eine Predigt verfasst hatte. Jedes Wort wurde hinterfragt, nach seiner Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit - ehe es ihr letztlich gelang, Worte der Liebe aufs Papier zu bannen. Diese Worte des Abschieds waren die Richtigen. Und es störte kaum, als eine einzelne Träne die Lettern an einem Flecken des Blattes unleserlich machten - denn diese Worte standen im Herzen. 4 - Reise ins Eis - Yvaine - 08.02.2012 Hoffnung ist der Regenbogen über dem herabstürzenden Bach des Lebens. (Friedrich Wilhelm Nietzsche) Sie verließ das Schloss sehr früh am Morgen nach der Verhandlung um Tristanas Mörder. Sie Sonne war noch nicht einmal aufgegangen, streckte die ersten glutroten Fühler über den Horizont, ohne sich selbst zu zeigen. Niemand außer der Wachen bemerkte das Fortgehen der Priesterin und so hinterließ sie Iaskell Liarven eine klappe Nachricht darüber, wohin sie ging und dass sie versuchen würde, bereits in der Nacht zurück in Dion zu sein. Yvaine brachte es nicht übers Herz, den Priester in seiner ersten Nacht auf freien Fuß zu wecken. Obwohl der Weg kein leichter war - wer überbrachte schon gern die Nachricht über den Tod des eigenen Kindes und der Verurteilung des Schwiegersohnes zum Morde jener? - so fühlte sie sich deutlich freier. Doch dies hielt nicht lang. Der Kopf war leer und offen für diese ganzen Eindrücke, die die Kälte mit sich brachten und die sie zuvor doch nur am Rande wahrgenommen hatte. Bis Gludin reiste sie zu Fuß, was angesichts der Schneemassen recht mühselig war. Angekommen in ihrer alten Heimatsstadt nutze Yvaine das magische Portal bis Schuttgart. Doch von hier würde es zu Fuß weitergehen müssen. Sie lieh sich Schlitten und Kutschpferd und reiste ohne Pause weiter. Obwohl die Sonne über das weiße Land hinein brach, wärmte sie nicht. Ihr Licht tat gut, doch die Kälte blieb, schlich sich unter das Fell des Pferdes, das ihren Schlitten zog und unter sämtliche Kleiderschichten. Die war wahrlich kein normaler Winter. Es war schwierig, das Kutschpferd in einem Tempo zu lenken, in dem es sich durch die Anstrengung zwar wärmte, jedoch nicht schwitze - den der Schweiß würde bei der kürzesten Pause sofort auf der Haut des Tieres zu Eis erstarren. Die Kälte tötete die Tiere nicht - doch machte sie ihnen zu schaffen, wie ein normaler, harter Winter. Yvaine hatte schon harte Winter erlebt, die vor nichts Halt machten. Doch dieser schien anders zu sein. Sie dachte an die Worte der Giraner Stadtwachen. Beinahe jeder wusste, dass der Winter nicht normal war. Doch die Einzigen, die einen Spähtrupp ausgeschickt hatte, schienen laut Wachmann Peter die Dunkelelfen Runes zu sein. Was brachte es, wenn sich die großen Ritter, die starken Krieger und die geschickten Magier ins Warme verkrochen? Es gab einen Feind zu besiegen, der zwar noch unfassbar war, ein großes Unbekannte ohne Gesicht. Doch es gab diesen Feind. Warum zog niemand aus und forschte dort nach, wo die Kälte am Größten war - in den Landen Schuttgarts? Auch die Nachricht, die sie durch Morloc verbreiten lassen hatte, hatte keine Wirkung gezeigt. Die Pergamente an die Schlossherren Imoriaths... verschollen im Nichts. Yvaine schüttelte den Kopf, als sie an einem Wasserfall vorbei kamen, der komplett in Eis erstarrt war. Es brachte nichts, die Sache im Warmen aus zu sitzen. Beten war zwar immer etwas, das half, tröstete, Rat finden ließ. Doch bei so einem Wetterphänomen, dessen Herkunft mit keinen logischen Schlüssen zu erklären war, da konnte Göttlicher Beistand nicht das Einzige sein. Die Reise zog sich und sehr schnell wurde ihr bewusst, dass sie es nicht zur Nacht zurück schaffen würde. An vielen Landstrichen hatte man es aufgegeben, den tiefen Schnee von den Wegen und Straßen zu schaffen. Die Kufen des Schlittens sanken tief ein und das Pferd hatte kräftig zu arbeiten. Oft blieb es stehen, kraftlos, motivationslos, so dass Yvaine vom Kutschbock stieg und es einige Meter führte. Schon bald waren ihre Gewänder bis zu den Knien durchnässt und an ihren Beinen festgefroren. Der Wind blies eisig und biss in ihr Gesicht. Die Sonne stand schon tief und Schlitten und -führerin bewegten sich unaufhörlich auf der Stelle. Die Kräfte neigten sich dem Ende zu und gerade als Yvaine sich zitternd und frierend auf den Schlitten fallen ließ, ein Gebet der Verzweiflung gen Himmel sann und fürchtete, sie würde in der Eiseskälte einfach erfrieren - da schöpfte das Kutschpferd neuen Mut und ackerte sich so tapfer durch den Schnee, als habe es die Verzweiflung seiner Kutscherin gespürt. Es war tiefe Nacht, als die Lichter von Womersberg vor ihnen auftauchten. Yvaine hielt sich nur noch mit Mühe auf dem Sitz, das Pferd taumelte mehr, als das es lief. Doch sie hatten es geschafft. Doch die Bilder, die sie während der Reise gesehen hatte, sie ließen die Priesterin diese Nacht nicht schlafen, egal wie groß ihre Erschöpfung war. Die Menschen, Elfen, Dunkle, Kamael... gar Orks und Zwerge, Völker, die harte Winter gewöhnt waren: einfach in der Bewegung zu Eis erstarrt. Wahllos. Es musste etwas geschehen. Das Land erlag dem Eis und dem Schnee. Es starb. Erfror. Wenn sich nicht endlich jemand dagegen zu wehren versuchte. Nicht der Schnee tötete, nicht die Kälte, nicht das Eis. Es war etwas anderes. Magisches, mystisches... 5 - Wenn Worte Steine sind. - Yvaine - 08.02.2012 Am Ende steht nicht Verlust, sondern Vollendung des Lebens. (unbekannt) Tristanas Familie nahm Yvaine gut und herzlich bei sich auf. Doch obwohl die Priesterin übermüdet und vollkommen unterkühlt war, tat sie in dieser Nacht kein Auge zu. Zu viel beschäftigte sie - der Winter, die anstehende Beerdigung. Die Aufgabe, die ihr bevor stand: Anians Familie zur erklären, dass ihr Sohn zu einem Mörder geworden war. Und das ewig währende Fernweh, das in ihrem Kopf flüsterte, wie ein laues Lüftchen - bereit, sie weiter zu wehen. Nur die Beerdigung noch, und sie konnte endlich der Stimme nachgeben, Dion den Rücken kehren. Doch wollte sie das? Yvaine wusste es nicht. Schließlich striff sie die vielen Decken ab, die sie warm halten sollten. Sie trat ans Fenster, blickte ins Dorf Womersberg heraus. Auch hier hatte der Winter Einbruch gehalten, deutlich schlimmer noch, als in Dion. Die Sonne würde bald aufgehen. Ob man sie bereits vermisste, daheim in Dion? "Daheim!" höhnte die Stimme. "Es gilt weiter zu ziehen. Denk an die Menschen, die dich brauchen - überall in diesem Lande." Yvaine seufzte. Würde es denn nie aufhören? Die Stimme nicht einmal schweigen? Früh am Morgen brach sie zum Hof der Familie Balnar auf. Das Gespräch verlief überraschend gut. Gut, Anians Mutter weinte viel - doch beide Elternteile waren einsichtig und froh über das milde Urteil. Zurück auf dem Hof der Eltern Tristanas entschied sich, dass die Eltern der Toten nicht zur Beisetzung anreisen würden. Der Winter war zu gefährlich fürs Alter und beide waren recht... unbewegt über den Tod der einzigen Tochter. Es schnürte Yvaine das Herz zu, zu überlegen wie sehr sie selbst getrauert hatte, obgleich sie nur Ziehmutter und Lehrerin war. Doch manchesmal brauchte eine Nachricht lange, um vom Gehörten ins Herz zu wandern. Solange man Trauer nicht zu ließ, würde man sie nicht verarbeiten können. Die ungeweinten Tränen waren die, die schmerzten. Gegen Mittag brach Yvaine nach Schuttgart auf. Es war wieder kälter geworden und es schneite. Die Reise wurde beschwerlicher, als sie gedacht hatte. Erst Nachts erreichte sie Schuttgart und konnte das Portal nach Gludin nutzen. Von hier aus würde es am nächsten Morgen nach Dion weiter gehen. Sie kehrte in der hiesigen Taverne ein und tat, wie schon zuvor, kein Auge zu. 6 - Kälte. - Yvaine - 09.02.2012 Hinter jedem Winter steckt ein zitternder Frühling und hinter dem Schleier jeder Nacht verbirgt sich ein lächelnder Morgen. (Khalil Gibran) Die Reise von Gludin nach Dion stellte sich als härter heraus, als jede, die die Priesterin bis dato hinter sich hatte. Sie hatte auf ein Reittier verzichtet und merkte schon nach der ersten Stunde Fußmarsch, dass dies ein Fehler war. Es schneite noch immer und die Bewohner Gludins versuchten den Händlern mit Schaufeln den Weg frei zu halten. Doch sie kamen nur schleppend voran. Schon bald musste Yvaine durch den unberührten Schnee stapfen, der ihre Schritte bremste, fest hielt. Der Schnee war nichts Besonderes. Jeder Winter brachte ihn stets mit sich, so wie der Frühling die Vögel rief. Doch verbunden mit der herrschenden Kälte machte er jeden Schritt zur Qual. Sie war kurz nach Sonnenaufgang aufgebrochen und nun kam sie bereits wieder so langsam voran, dass sie die leuchtende Scheibe über den Himmel wandern sah. Der Schrei eines Raben ließ sie zusammenzucken. Der Vogel landete gut hundert Schritte neben ihr im Schnee, sank ein und schraubte sich mit erschrockenen Flügelschlägen wieder in die Luft, ehe er leise schimpfen weiter zog. Die Tiere hatten überraschend wenig Sorgen mit dem Winter - kaum mehr als in den letzten Wintern. Es erstaunte sie. Keine Geschichte war ihr bekannt von Tieren, die zu Eis erstarrten. War die Natur fähig, Unterschiede zwischen den humanoiden Wesen und den Tieren zu ziehen? Es widersprach jeder Lehre, die ihr bekannt war. Es waren sonderbare Zeiten. Schon der blutige Regen und der ebenso blutrote Nebel waren überirdisch gewesen. Doch hatten sie nicht gerichtet, so wie die Kälte es tat. Zeiten, in denen nichts so wichtig war, wie der Glaube. Es war bereits später Nachmittag, als sie die "zerstörte Wegbiegung" östlich des Fellmere-Sees erreichte. Der Schnee lag noch immer tief und die Kälte tat ihr Werk verantwortungsbewusst: Sie kroch unter die Kleidungsschichten, legte sich um Muskeln und Knochen, ließen letztere knirschen und krachen. Yvaines Atem bildete eine kleine Wolke vor ihr, erhitzt ob der Anstrengung. An einigen Stellen war der Boden unter den Füßen gefroren und einige Male glitte sie aus und schlug der Länge nach auf. Der Schnee auf Gesicht und Haaren taute fast sofort und gefror noch im selben Moment. Beharrlich und gierig zerrten die eisigen Finger des Frostes an der letzten Körperwärme. Yvaine musste einsehen, dass es ein Frevel war, bei diesem Wetter allein zu reisen. Doch nun war es zu spät. Der kürzere der beiden Wege lag vor ihr. Doch es wurde nicht leichter. Bald war es nur noch der eiserne Glaube und die ewig flüsternde Stimme im Kopf, die sie antrieben. Der zerbrechliche, kleine Körper hatte kaum Reserven zu nutzen. Die Einsicht, dass ein kleiner Fußmarsch, der gewöhnlich nicht mehr als vier Stunden in Anspruch nahm, nun ein Kampf um Leben und Tod wurde... sie nagte schwer an Yvaines Geist. Doch auch er gab auf. Bald waren es nur noch die Beine, die sich weiterhin durch den Schnee arbeiteten. Die weiße Pracht raubte ihr sämtliche Orientierung, die frischen Flocken sämtliche Sicht. So kam es, dass sie Gludio nicht erreichte, sondern umging, ohne es zu merken. Dies wiederum raubte das Zeitgefühl, denn sie hatte erwartet, die Lichter Gludios bald vor sich zu sehen, sich aufwärmen zu können. Der Kopf stand still, während die Beine den Körper doch bewegten. Sie merkte kaum, dass sie gegen späten Abend Dion erreichte. Jeder Schritt forderte eine kleine Sekundenpause. Es war schwer, nicht nachzugeben. Nicht aufzugeben und in den Schnee zu sinken. Denn die Erschöpfung frohlockte: "Entspann dich. Lasse Schmerzen und Anstrengung hinter dir..." Der Himmel über ihr war dank der Kälte klar und hell, obgleich bereits der Mond und die ersten zwei Sterne zu sehen waren. Vielleicht war es der Moment, der Kälte zu danken, denn sie ermöglichte den Torwachen eine weite Sicht. Früh sahen sie die Gestalt, deren schwarzer Mantel sich vom restlichen Weiß abhoben. So konnten die Männer zu Hilfe eilen, als sie die kleine Frau zusammenbrechen sahen, den halb erfrorenen Körper aus dem Schnee heben und in den Tempel Einhasads tragen. 7 - Mit Licht und Wärme gegen das Eis. - Yvaine - 12.02.2012 Die Gleichgültigkeit ist wie das Eis (...): Sie tötet alles. (Honoré de Balzac) Es fiel ihr schwer, die warmen Hallen der Dioner Kirche für die klirrende Kälte im Dorf zu verlassen, die sie aus ihrem eisigen Koma gerissen hatten. Doch die Pflicht rief und die Priesterin beugte sich wider Willens. Obgleich ihr Ziel der "fette Fasan" war, verharrte sie, als sie das Wesen auf dem Marktplatz bemerkte. Ein raubkatzenartiger Hund, der aussah, als würde er auf purem Eis bestehen. Stirnrunzeln trat sie langsam näher. Waren nun auch die ersten Tiere zu Eis erstarrt? Oder hatten die Kinder des Dorfes einen der wenigen Ausflüge aus dem Schloss heraus für ein solch makaberes Kunstwerk aus Eis genutzt? Doch als sie auf wenige Meter heran kam, wandte das Tier den Kopf und... schnupperte? Der Priesterin war es, als sei sie gerade innerlich zu Eis erstarrt. Doch das Wesen kam nicht näher, blickte sie aus kalten, eisigen und seltsam... wissenden Augen an. Noch einmal zuckte die Raubtiernase zu einem Schnuppern. Dann blieb der Hund wieder bewegungslos. Yvaine schluckte trocken und trat langsam rückwärts gehend den Rückzug an. In der Taverne angekommen, wandte sie sich dem Wirt zu und erkundigte sich über den Hund, der mitten auf dem Marktplatz saß, als würde ihm die Kälte nichts anhaben sondern vielmehr... gut tun. Der Wirt schüttelte nur den Kopf. "Vielleicht ist auch denen kalt und sie suchen Wärme in den Städten?" er zuckte mit den Schultern, "Ich habe gehört auch in anderen Städten seien welche von ihnen gesehen worden. Bürger haben gar versucht sie zu vertreiben und anzugreifen. Eis, sage ich Euch, Eis. Keine Reaktion, keine Wirkung." Stirnrunzelnd blickte Yvaine aus dem Fenster der Schankstube nach draußen, zu dem unheimlichen Wesen. Dann nahm sie schließlich die Pergamente heraus, sich auf ihre Pflichten besinnend, und gab eins zum Wirt. "Hängt dies bitte hier drinnen aus." Der Mann nickte, überflog das Geschriebene: "Ihr wollt also wirklich ins die kalten Länder vordringen?" zweifelnd musterte er die zerbrechlich wirkende Gestalt der Priesterin vor sich. Sie nickte. "Diese Kälte... ist nicht natürlichem Urspungs. Etwas anderes, uraltes Magisches... Und so sie nicht natürlichen Ursprunges ist, so wird es etwas... oder jemanden geben, der sie beherrscht und gegen uns einsetzt. Ich halte es nicht länger aus, zuzusehen, wie einer nach dem anderen stirbt, durch eine Hand, die so grausam und willkürlich ist. Ich hoffe, dass der ein oder Andere folgen wird." Als die Priesterin die Taverne verließ, fühlte sie deutlich die kalten, harten Augen des Hundes in ihrem Rücken. Augen, die beobachteten. Sie konnte die Gänsehaut, sie ihr bei diesem Gedanken über den Rücken lief, nicht ganz abschütteln. In der Kriegergilde sandte sie Boten aus, die Abschriften der Pergamente in alle Tavernen der Städte bringen sollten, in alle Läden, die noch nicht aufgrund der Kälte geschlossen hatten, eines auch ins Dioner Schloss um die Dioner Bürger zu erreichen, die dort der Kälte trotzten. "Bewegt Euch möglichst unauffällig auf diesem Botengang. Ich habe das Gefühl, dass überall Augen sind, die von einer solchen Exkursion besser nicht erfahren sollten. Und bringt die Pergamente nur in Gebräuden an!" Einer der Boten hob den Einwand: "Aber... auf den Märkten würden sie viel besser gesehen..." Yvaine unterbrach ihn, wenn auch mit einer ruhigen, gütigen Geste. "Vertraut in das Wort einer alten Frau. Solange wir nicht wissen, was uns bedroht und in wie weit es unsere Schritte sieht... sollten wir alle Vorsicht walten lassen, die wir uns herausnehmen können." 8 - Im Eis. / Teil 1 - Yvaine - 21.02.2012 Das, was dem Leben Sinn verleiht, gibt auch dem Tod Sinn. (Antoine de Saint-Exupéry) Kurzer Rückblick: Auf die Botschaft Yvaines hin hatte sich eine kleine Gruppe in der Dioner Kirche zusammen gefunden. Schließlich entschieden sich drei Lichtelfen und ein menschlicher Gardist Heines dazu, die beiden Priester auf ihrer Reise zu begleiten. Eine Dunkle brachte wertvolle Informationen, so auch ein Schreiben der Fürstin. Gaoth selbst unterstützte den Reisetrupp mit Nahrung. Noch in der selben Nacht brach man auf, um im gefrorenen Labyrinth auf einen Mann namens Rafforty zu treffen, welcher wichtige Informationen zum Eis und seiner Bekämpfung hatte. Tatsächlich vertraute Rafforty der Reisetruppe aus Innadriel und den beiden Priestern Einhasads etwas an, das sie in ihrem Kampf gegen das Eis voran brachte. Er sandte sie zu einer Hexe nahe des Elfenbeinturmes... Nachdem die kleine Gruppe von Rafforty die nötigen Informationen bekommen hatten, brachen sie auf zum Elfenbeinturm, den Friedhof zu finden, auf dem sich die Hexe Kalis aufhalten sollte. Ratlos stapften sie durch die Gänge zwischen den Gräbern, frierend, ehe die Hexe vor ihnen auftauchte. Sie.. erschien einfach, aus dem Nichts. Der ein oder andere zuckte erschrocken zusammen. Zwar bot die Hexe den Reisenden keine seltsamen Tränke an, wie die Halbelfe Amandria befürchtet hatte. Doch die Aufgabe, die sie stellte, sorgte für Ratlosigkeit, Unverständnis, ablenende Verzweiflung. Opfer sollen gar gebracht werden, Tiere, die die fehlenden Lettern der geheimen Botschaft mit sich führten. Yvaine war allein der Gedanke zuwider, unschuldige Wesen zu töten. Doch andererseits... es lag das Leben aller auf der Waagschale, welche sich immer weiter gen Boden senkte. Iaskell brauchte lang, eine Entscheidung zu fällen, rief die Moral dieser wahnsinnigen Tat doch einen großen Zwist entgegen. Schließlich fand der Stab der Morgendämmerung in seiner Hand seinen Platz im gefrorenen Boden des abgelegenen Friedhofs. Sollte Tod für Leben eintreten? Glück aus Unglück folgen? Globale Wärme aus konzentrierter Todeskälte? Blieb ihnen eine Wahl? Wenn die Hexe es ihnen abverlangte, dann sollte dieses Opfer gebracht werden. Zu groß war die Gefahr, als dass man Moral und Stolz hätte Einwand erklären lassen - ging es doch um das Schicksal der Welt. Letzten Endes willigte er ein. Yvaine an seiner Hand trat er die Reise an, zu einem Ort, an dem die wilden Bestien noch trotz des Eises rares Futter fanden. Tatsächlich führte der Weg der beiden Menschen zur Farm der wilden Tiere im Norden Runes, und nicht in die Gasthäuser Orens, wie der der Elfen. Der menschliche Gardist Kyoren begleitete sie nicht - zu groß die Treue zu Innadriel, als dass er mit jener brechen würde, die elfischen Mitreisenden zu verlassen. Yvaine war nicht wohl bei dem Gedanken, Tiere zu töten, um an eine Waffe gegen das Eis zu gelangen. Doch widerstrebte es ihr, nichts zu tun und dem eisigen Untergang wissend entgegen zu sehen. Sie hatten nur die Hoffnung, dass die Worte der Hexe die Wahrheit enthielten. Nicht mehr. Die Reise durch die magischen Portale machte ihrem Körper zu schaffen. Die Magie setzte sich tief in Knochen und Muskeln und ein stetiger Kopfschmerz begleitete sie schon bald. Iaskell schien es ähnlich zu gehen. Besorgt sah sie ihn das ein oder andere Mal deutlich strauchelnd aus den Portalen treten und sich auf seinen Stab stützen. Doch es war der schnellste und sicherste Weg. Der Strohhut der verstorbenen Tristana verdeckte den Großteil der Mimik Iaskells, je weiter er ihn ins Gesicht zog. Die Schwäche, die der nagende Frost, die Umstände und Teleports ihm in die Knochen trieben, wurde beinahe nur noch aufgehalten, entgegengestützt durch die altgoldene Paladinrüstung des Ivoire Liavern. Auf den Stab gestützt starrte er dem eisigen Wind ins Gesicht. Die weißen, riesigen Raubkatzen schienen dem allen zu trotzen.. Eigentlich bewundernswert. Beneidenswert. Tiere solcher Reinheit und Schönheit. Er seufzte. Es würden Neue kommen und sie ersetzen. Er hatte sich in eine objektive, rationale Lage zu versetzen. Täte er es nicht, würde es womöglich in der nächsten Zeit keine humanoiden Lebewesen mehr auf dieser Welt geben. Mit Yvaine in seinem Rücken fühlte er sich sicher. Stapfend schritten seine schweren Füße voran, bis er einen ruhigen Augenkontakt zu einem der Tiere hatte, Bedrohung ging von keinem der beiden aus. Einzig und allein stumme Verständigung. Yvaine hielt sich hinter ihm, während der Exekutor sein, wie es schien, grausiges Werk hinter sich brachte. Es war keine einfache Aufgabe, waren diese Tiere doch nicht der Feind, gegen den es eigentlich zu kämpfen galt. Sie waren unschuldige Wesen, nur Figuren dieses Schachbretts, von eisiger Hand geführt. Yvaine tat alles, was in ihrer Macht stand, Iaskell zu unterstützen. Doch das Herz war ihr schwer. Neben dem angreifenden Frost von außen zerschliss ihn, wenn auch unbewusst oder nicht offen erwähnt, noch immer der Tod Tristanas, sowie der Tod Jakelines, seiner eigenen Schwester, durch Freyas Hand. Gedanken, Eindrücke, Emotionen, verbreiteten, vertieften, verliefen sich. War der Tod etwas Unmittelbares? War der Tod etwas Unverzeihliches? War der Tod etwas Herzzerreissendes? Iaskell hatte nie getötet. Nie zum Spaß, nie zur Absicht, nie aus Wut und nie in Not. Nun streckte er seine Finger aus. Daumen und kleiner Finger hielten sich am Handballen, während die übrigen ein Dreieck formten, über die Stirn des Pumas kraulten. Ein Signal des Friedens. Besänftigung von Wildheit. Mit Ruhe und Unterschwelligkeit drang sein Licht in den Schädel der Raubkatze. Hemmte, täubte, lähmte, Regungen, Gedanken, Bewusstsein. Sie schloss die Augen, als die große Katze fast lautlos in den Schnee sank, das Herz aufhörte zu schlagen. Einen Moment verharrte sie, die Eindrücke zu grotesk. Es war nicht ihr Weg, zu töten. Zu vernichten. Leise trat sie an Iaskell heran, eine Hand auf seine Schulter legend. "Heute ist es nicht der Weg, der von Wert ist. Es ist das Ziel." Der Blick der blauen Augen wanderte gen Himmel. "Sie wird in ihrer Güte vergeben. Denn es sind ihre Kinder, die wir zu schützen versuchen. Denen wir diesen eisigen Tod ersparen wollen." Eine Träne rann herab, benetzte das Fell der toten Raubkatze. Mit klammen Fingern durchfuhr sie das weiche Haarkleid des Tieres, bis sie das Halsband fanden, es lösten. Ein kleiner, filigraner Letter war darin graviert. Die Priesterin nahm es an sich und erhob sich wieder aus dem Schnee. Licht flutete erst den Blick, dann das innere Auge, dann die Seele, völlig. Die normale Prozedur, die von den Exekutoren einstudiert wird, zwingt schuldige Subjekte meist lediglich in Trance und Unterbewusstsein, jedoch fiel es Iaskell bei der einfach gestrickten geistlichen Struktur des "nur"-Tieres ebenso leichter, ihm auf sanfte Art und Weise die Peripherie von Geist zu Körper komplett zu entfremden. Als Letzterer nicht einmal vegetative Signale vernomm, verkam er, das Zusammensacken war wohl das Einzige, das Yvaine zu sehen bekam. Er hoffte, dass sie wusste, dass er es friedlich, behutsam zu Ende brachte. Dann stand er auf. Er war leider nicht der einzige, der heute einschlafen müsste. Aber was ist schon ein Dutzend, gegenüber den Millionen der Welt? Buchstabe für Buchstabe würden sie sammeln, bis Iaskell ob des spirituellen Kraftaufwands heiß in seiner goldenen Rüstung wurde. Er hoffte, dass Yvaine etwas mit den Lettern anzufangen wusste. Das letzte Licht des Tages verlosch über dem Horizont, als die beiden Priester abermals bei der Hexe Kalis ankamen. Kein Blut klebte an ihren Händen, doch Trauer lag in Yvaines Seele. Dennoch, die Tiere hatten einen ruhigen, sanften Tod gefunden. Sie hatte für jede einzelne ihrer Seelen gebetet, ihnen die letzte Reise geleitet. Der Friedhof wirkte noch unheimlicher bei Dunkel. Obgleich der Mond sich im Schnee fand und für kaltes Licht sorgte, wirkte dieser Friedhof nicht wie ein heiliger Ort Einhasads. Yvaine konnte nicht beschreiben, warum. "Hexe Kalis?" Wieder erschien die Frau auf die selbe magische Art und dieses Mal erschrak keiner der Beiden. Die Lettern wurden übergeben. "Die Wurzeln werden die Lösung bringen" lautete der Rat der Hexe. Die Wurzeln der Menschen... fanden sich wohl im fernen Lomeria, auf der sprechenden Insel. |