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Dobluth
#1
[Bild: headder.gif]

I. Reflektion des Schmerzes

Nebelschwaden auf heißem Dampf stiegen aus dem Badezuber und hüllten den nackten Leib des Mädchens ein. Schützten, vor fremden Blicken. Trotz dessen hielten die wachen, rotbraunen Augen über dem Rand des Tonbechers die Menschenfrau fest, wenn auch nur kurz. Dann huschten sie weiter, durchmaßen den Raum. Doch niemand sonst war dort. So kehrten sie zum halbleeren Weinhumpen zurück und verweilten auf der purpurnen, schimmernden Oberfläche, auf der sein Atem leichte Wellen zog.
Langsam senkte der Dunkle den Tonbecher. Lautlos setzte er ihn ab und hob den Blick wieder gen des Mädchens das, schemenhaft wie ein Wassergeist, abermals in den Zuber eintauchte, bis das Wasser, und nicht nur der Dampf, ihren geschundenen Körper ganz erfasste.
Der Dunkle schluckte leicht in der Erinnerung an die Striemen von Peitschenhieben, Dolchklingen und anderen spitzen Gegenständen, die ein bizzares Muster auf der unschuldig hellen Haut der Frau hinterlassen hatten. Doch waren diese Narben alt.
Die Sklavin hob den Blick. Sie schien sich sicher gefühlt zu haben und erschrak nicht über die wachen Augen, die sie studierten. Doch traf jener Blick ihn tief, weckte längst Vergessenes… Langsam schlossen sich die Lider des Dunklen über dem Schmerz, der kurz in dessen Antlitz getreten war…

~~~

Langsam öffneten sich die Augen des Knaben wieder. Er hatte sie geschlossen, um den Hieb nicht sehen zu müssen, der auf die zarte dunkelhaarige Menschin niedergegangen war. Der wütende Blick der Mutter bohrte sich förmlich in den seinen als sie die Peitsche sinken ließ. „Was ist es denn, was dein Wissen so sehr begehrt, Dalhar*? Es reicht, dass du weißt, dass du ein Dobluth* bist!“ Abermals hob sie die Hand gen das Mädchen, welches in weiser Voraussicht den Kopf zur Seite duckte. „Mutter! Hör auf die Sklavin zu schänden!“ Der Schlag blieb ungetan ob des Rufes, doch brachte er dem armen Mädchen einen herben Stoß gegen die Schulter ein, der sie auf den Steinfußboden beförderte.
„Hinaus!“ donnerte die Stimme der Dunklen. Mit zittrigen Knien erhob sich die zarte Frau, knickste artig, was beinahe grotesk schien ob der geröteten Wange und den frischen Peitschenhieben unter der aufgeplatzten Robe am Rücken, ehe sie aus dem Raum hastete.
Betont langsam wandten sich die schwarzen Augen Nindyn Dobluth dem Kind vor ihr zu. Es war nur zu offensichtlich, dass ihre Wut nunmehr ungeteilt war. „Ich soll sie verschonen? Was nimmst du dir heraus, Dalhar? Willst du die Schläge an ihrer Stelle tragen?“ –sie schnaubte laut, ehe sie fortfuhr: „Wohl kaum!“ Kyorlin schluckte trocken ehe er nickte. „Wird sie dann frei sein?“
Die Dunkle schmunzelte. So schnell wie sich ein Sommergewitter verzog, verschwand die Wut aus ihren Zügen und machte etwas anderem Platz. Einem Ausdruck, der dem Kind nicht minder Angst ein jagte. „So schließen wir einen Packt, Kyorlin Dobluth. Du wirst ihre Schläge tragen. Dann wirst du sie fortschicken dürfen.“ Die feingliedrige Rechte Nindyns offenbarte die helle Handfläche. Kyorlin schlug ein ohne zu zögern. Ohne nachzudenken…

~

Sie hatte ihn wahrlich nicht verschont. Ein Wimmern klang über die blassen Lippen des Jungen, als er die feucht schimmernden Steinstufen herabstieg. Er musste sich beim Betreten des Kellers an der kalten Mauer stützen. Der Rücken unter der Gewandung nass und klebrig vor Blut. Nur zu schwer, ein weiteres schmerzvolles Seufzen zu unterdrücken, als er die schwere Tür aufstieß, welche vergittert, jedoch nicht abgeschlossen war.
Die Menschenfrau kauerte in einer der Ecken des kalten und feuchten Raumes. Die dunklen Haare fielen locker ins Gesicht, verdeckten fast das lederne Halsband, das sie an jenes Haus band. Die Szene hatte etwas so Selbstverständliches, dass Kyorlin beinahe humorlos aufgelacht hatte, verboten es ihm jedoch die Schmerzen, die sich wie Blitze durch den dünnen Knabenkörper zogen.
Als der Blick der Frau den Jungen vor sich fasste, stand sie eilig auf, knickste brav. „Ihr wünscht, junger Meister?“ Er erschauderte ob dieser Ansprache und ob des Zustands des Mädchens. Jung war sie, doch die Stufe zur heranreifenden Frau war bereits übertreten. Ihr Alter war keine Relation zu seinem eigenen. Die Jahre der Menschen, ihr Leben… Das Kind das vor der Menschin stand, war doch älter als die Väter der Väter ihrer Generationen waren.
Die Menschenfrau stand abwartend still, sie fragte nicht noch einmal, hatte sie doch gelernt nur zu sprechen, wenn sie gefragt wurde. Die Augen hielt sie unterwürfig gesenkt, doch hob sie sie ungläubig an, als er sprach, leise und emotionslos. Auch hörten die Beine auf zu zittern. „Verschwinde. Lauf. Irgendwo hin, wo man gut zu dir ist.“ Es dauerte einen Moment, ehe die Starre von ihr abfiel. War es doch ein Befehl, der ausgesprochen wurde. Und so folgte sie, hastig klangen die stolpernden Schritte über den Gang, die Treppe hinauf und verklungen.

~

Ein unwirsches Knurren war die einzige Reaktion des Vaters auf die blutigen Striemen auf dem Rücken des Knaben. Velkyn Dobluth deutete Kyorlin wortlos, sich zu setzen. Eine wütende Geste riss dem Jungen die Reste des zerfetzten Hemdes vom Rücken, ehe er sich den Wunden annahm. Velkyns Fähigkeit, frische Narben vollkommen verschwinden zu lassen, hatte Kyorlin immer wieder verblüfft. So auch der Gedanke, dass Velkyn mehr war, als ein einfacher Heiler. Dass er Feinden keinen guten Stand geben würde, sollten sie dem scheinbar unbewaffteten Quacksalber zunahe kommen. Doch sprach der Vater nie darüber. So war sich Kyorlin sicher, dass nicht einmal Nindyn davon wusste. Doch hütete er sich zu fragen.
Die Prozedur war langwierig und schmerzhaft, doch als Velkyn schließlich die Hände von Kyorlins Rücken nahm, zeugte lediglich noch das getrocknete Blut von den Verletzungen. Doch der Schmerz verschwand nicht. Nur der Körperliche. „Du hast richtig gehandelt, Dalharuk*“ Ungläubig blickte der Junge seinen Vater an. „Aber…“ Velkyn schüttelte müde den Kopf. „Nau*, Kyorlin. In dir sehe ich jene Ehre, die meinem Hause inne wohnte, ehe es unter der Fuchtel deiner Mutter zu dem wurde, was es heute ist… Das Hause Dobluth…“ Er seufzte leise, Also, was wolltest du heute von ihr wissen?” Was soll das alles? Dobluth? Das kann doch nicht unser Name sein! Er bedeutet Verräter!“ Beinahe empört war die Stimme des Jungen. …und das mit Recht. Der Vater schmunzelte. Doch das ist eine andere Geschichte. Ich werde dir die erzählen, die du gerade hören willst. Velkyn setzte sich zurück, sah seinen Sohn aufmerksam an. Du wirst dich nicht an das Dorf erinnern, von dem wir kommen, Kyorlin. Du warst sehr klein damals noch. Wir… wurden verstoßen. Dazu verdammt, von fortan den Namen Dobluth zu tragen. Und so fügten wir uns. Zogen fort und begannen neu. In jenem Wald… Eine weitgreifende Geste umfasste den kleinen Raum, die Dachkammer Velkyns, doch Kyorlin sah auch den düsteren Wald um die kleine Villa herum in seinem inneren Auge. Der Ort, an dem er aufgewachsen war. Für ihn gab es keinen anderen. So bin auch ich… ein Dobluth? Verstoßener…? Verräter..? -fast schüchtern. So ließ die Frage Velkyn schmunzeln. O Kyorlin, mein Sohn, du bist stehts das, was du aus dir machst. Langsam erhob sich der Vater. Ja, ussta’Dalharuk*, es ist an der Zeit. Du bist fast ein Mann und ich will nicht, dass dir etwas Derartiges einmal widerfahren muss. Was genau er mit „Derartiges“ meinte, ließ Velkyn offen. Er ging auf den Rüstungsständer zu, nahm den dünnen Ledertoso herunter und ließ die Hand über das weiche Leder der Rüstung streichen. Kyorlins Blick folgte ihm, sichtlich verwirrt. Als Maldril seinen Sohn wieder ansah und eben diesen Ausdruck in seinem Antlitz sah, musste er unweigerlich lächeln. Xas, ich bin mir sicher, es ist die richtige Zeit, dich mein kleines Geheimnis zu lehren. Doch vorerst habe ich noch eine Frage an dich, usst’Dalharuk: Warum hast du dich derartig für die Rothe* aufgeopfert? Immerhin ist sie nur eine Rivvil*.“
Kyorlin wusste ob jener Frage. Er hatte sich ja sogar erwartet. Sie ist Besitz des Hauses. Es ist eine Schande, seine eigenen Besitztümer zu verschandeln. Eine Rothe die verwundet und geschändet ist… in schlechtem Zustand ist… hüllt ein Haus nicht gerade in ein gutes Licht, naut?“ Velkyn Gesicht wurde ernst. Er nickte sacht. Xas, es ist wahrlich an der Zeit. Du bist sehr weise für dein Alter, Dalharuk. Langsam wandte er sich ab, striff das Hemd ab und legte den Ledertorso an. Treffe mich zur achten Stunde auf der Lichtung, Kyorlin. Und achte darauf, dass dich keiner dorthin aufbrechen sieht.
Mit jenen Worten schloss sich die Tür hinter der schlanken Gestalt des Heilmagiers Velkyn. Zurück blieb ein Junge, der noch immer auf die Stelle starrte, an der der Vater gerade noch stand. Der Blick ging ins Leere doch projektierte noch deutlich das Bild, das sich gerade eingebrannt hatte: wie Narben von unzähligen Peitschenhieben auf dem Rücken des Vaters. “Besitz des Hauses...“ formten die blassen Lippen des Jungen. Doch nunmehr galt jene Bezeichnung nicht länger nur der Rivvil…


~~~

”Ehrenwerter Herr? Was ist mit Euch?” Kyorlin öffnete die Augen wieder. Es brauchte etwas, ehe er sich dem Humpen Wein in seiner Rechten entsann. Ebenso der unbekleideten Menschin vor sich. Eilig riss er den eigenen Mantel vom Stuhl und warf ihn dem Mädchen über. Natürlich, sie waren allein. Doch kam die Geste beinahe aus einem Instinkt heraus. Er kannte die Geschichte des Mädchens… Lustsklavin… So grotesk kam es ihm vor, sie so nackt vor sich stehen zu sehen. Er hatte keinen Blick für den makellosen und wohlgeformten Körper seiner Rothe. Sogar die Idee jenen Leib einem sexuellen Gedanken zu bedenken schien ihm fremd. “Nau, es ist schon gut, Faera. Bade weiter…“ Artig ob jenen Worten nickte die Frau. ”Natürlich, ehrenwerter Herr…” Wie selbstverständlich striff sie den Mantel im Herumdrehen ab, legte ihn noch im Gehen sorgsam zusammen und legte jenes Stoffpäckchen auf eine der Bänke. Die Menschin stieg ohne mit der Wimper zu zucken zurück in das Wasser, welches fast zu kochen schien, ein wohliges Seufzen auf den vollen Lippen. Nichtmal eine winzige Brandblase erschien auf der hellen Haut des Mädchens, makellos wie zuvor. Nur der Rücken verunziert ob der Spuren, die die alte Herrin hinterlassen hatte. Die Hitze des Wassers schien eher zu gefallen als zu schmerzen. Doch solche kleinen „Wunder“ erstaunten Kyorlin längst nicht mehr. Schien doch das Feuer selbst in jenem Wesen zu wohnen.

Der Dunkle senkte abermals den Blick auf seinen Wein, strich sich eine der langen rotbraunen Haarsträhnen aus dem Gesicht. Er dachte an jenes, was sich ihm in dieser Kindheitsnacht offenbart hatte. Dass sein Vater ein Assassine war. Mühselig und hart die folgenden Jahre, in denen Maldril seinen Sohn zu dem drillte, was er nun war: ein begnadeter Schattenkrieger und Dolchkämpfer.

Die Sklavin, die er mit dem eigenen, kindlichen Körper bei der Mutter mit Schlägen freigekauft hatte, war schon nach nur einem Tag zurück gekehrt. Gebunden, durch das Halsband. Durch den gebrochenen Willen. Auf die nur allzu kurze Lebzeit…


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--- Kyorlin
--- Sprechpartner (wechselnd)

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Dobluth - Verstoßener
Dalhar - Kind
Dalharuk - Sohn
Nau - nein / Naut - nicht
usst - mein/s
Rothe - (Vieh/) hier: Sklave
Rivvil - Mensch [/SIZE]
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#2
INPUT?!
Jail is so boring...^^
[Bild: plzh.jpg]
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#3
II. Blick durch den Rauch

Der Schneesturm legte sich langsam wieder. Bald senkten sich die Flocken wieder behutsam auf die dicke weiße Decke und es dauerte nicht lange, bis sich die ersten Gestalten auf der vom Schnee verborgenen Straße Runes zeigten. Händler breiteten wieder geschäftig ihre Ware aus und der ein oder andere Krieger, der in die Taverne geflüchtet war, zeigte die nun nicht mehr von der Kälte, sondern vom guten Weine, rote Nase in der frostig kalten Abendluft.
Kyorlin trat vom Fenster zurück. Leicht fröstelnd zog der Dunkle die Schultern hoch und trat auf den Kamin zu. Das Feuer brannte nicht richtig, schon seit einigen Stunden. Die Flammen waren nur klein, obgleich ihnen genug Holz geboten war. Fast schienen sie zu schlafen…
Kyorlin ließ sich auf das Fell vor dem Kamin sinken, zog es dicht an das Feuer. Er beugte sich herab und blies etwas Luft zwischen Scheite und Asche. Die Flammen regten sich nicht minder. Etwas dichter rückte der Dunkle an den Kamin, flüsternd: “Brenne weiter… Du willst doch nicht, dass auch sie schwächer wird…“ Absurd jene Szene und Kyorlin musste kurz daran denken, wie lächerlich es wirken müsste. Dennoch… nach ein paar Senkungen schlangen sich die Feuerzungen wieder fester um die Holzscheite. Kyorlin war nicht einmal verwundert.
Der Dunkle erhob sich und reckte die Glieder. Die Winterkälte tat nicht gut. Langsam trat er zum Bett und warf einen Blick auf die Menschin. Faera lag auf dem Bauch, das Gesicht schmückte ein unschuldiges Lächeln. Auch im Schlaf reckte das Mädchen seinen wohlgeformten Körper in einer lasziven Pose, so wie es ihr einst gelehrt wurde. Die dünne Wolldecke offenbarte mehr als sie verdeckte. Kyorlin lufte die Decke und studierte den Rücken des Mädchens. Beinahe makellos und ohne Narben war er, die Haut weiss und unberührt. Der Shamane Kartesh hatte gute Arbeit geleistet, die letzten äußerlichen Spuren der Vergangenheit als Lustsklavin waren verschwunden. Waren doch nur noch die eingebrannten Runensymbole an den Schulterblättern, die Kyorlin daran erinnerte, welches grausames Bild der Rücken der Frau einst darstellte. Die dunkle Farbe, die Kartesh auf jene aufgetragen hatte, war getrocknet, die Färbung jener unverändert. Würde das eintreten, das Kyorlin sich erhoffte, so würden die Runen eine rote Färbung annehmen. Dann würden vielleicht auch die Wunden geheilt werden können, die man nicht sah. Faera würde lernen, Schmerz als Schmerz zu empfinden. Nicht länger als Glück oder Belohnung. Ein weitgehend normales Leben führen können…
Kyorlin senkte die Wolldecke wieder über den Leib Faeras und breitete eine weitere, dickere Decke über sie, trotz der Tatsache, dass es tatsächlich wärmer geworden war. Das Mädchen rührte sich nicht, gefangen in dem von Kartesh herbeigeführten magischen Schlaf. Zwei Tage würde sie schlafen, ehe es gewiss sein würde, ob die Behandlung erfolgreich war. Kyorlin trat einen Schritt zurück, ließ sich auf einen der Sessel sinken und spielte mit der Flasche orkischen Schnapps, die noch immer auf dem Tisch stand. Warum tat er das alles?
Es war nicht das erste Mal, dass er sich jene Frage stellte. Auch Kartesh hatte sie gestellt. War Faera doch nur eine Rivvil, ihr Leben vergänglich und nichts wert. Doch es steckte mehr hinter diesem Mädchen… Sie empfindet Schmerz als Glück. Als Belohnung gar. Ich will mir gar nicht erst vorstellen müssen, was jenes in den Händen der meisten Dunklen bedeuten würde. Eine verstümmelte oder entstellte Sklavin lässt auf einen Herrn schließen, der unkontrolliert ist. Seine Wut nicht im Zaum halten kann. Unbeherrscht ist. Jenes offenbart Schwäche.“ Ähnliche Worte hatte er an Kartesh gerichtet und Kyorlin erschrak fast, als ihm bewusst wurde, dass er sie gerade laut zu sich selbst gesprochen hatte, einer kleinen Rechtfertigung gleich. Schwäche… ja, welch ein Wort! Ließ Faera selbst doch ihn offenbaren, dass er keineswegs gefühlskalt war. War sie doch die Brücke in seine Vergangenheit. Versuchte er gar, die Verfehlen der Mutter, seines Blutes, an ihr wieder gut zu machen? Kyorlin runzelte die Stirn, versuchte jenen Gedanken zu verscheuchen. Doch er blieb. Beständig und stur. Auch er trug Narben. Doch niemand würde sie je zu sehen bekommen.

~

Es Klopfte. Kyorlins Kopf fuhr hoch, als fühle er sich in seinen Gedanken ertappt. “Xas?“-fragend.
Eine recht kleine Dunkle trat ein. Sie wirkte sehr alt – doch auf eine merkwürdige Art und Weise auch zeitlos. “Jabress* Bekea Xa'los?“ Die Fremde nickte, trat ungefragt ein, zog die Tür hinter sich zu. Der Blick aus den alten und weisen Augen huschte abschätzend über Faera, doch schien die alte Magierin schnell zu erkennen, dass das Mädchen nicht aufwachen würde.
“Setzt Euch doch.“ Kyorlin zog einen Sessel zurecht. Die Fremde kam der Aufforderung nach, streckte die offensichtlich müden Beine etwas. “Verzeiht mein spätes Eintreffen.“ Bekea machte eine erklärende Geste zum Fenster heraus. “Doch ist meine Zeit knapp bemessen. Warum also, ersucht Ihr die Hilfe eines Orakels?“
Kyorlin zog sich selbst einen Sessel heran, musterte die Fremde langsam. Sie schien in der Tat schon sehr sehr alt zu sein. Das Haar umrahmte das Gesicht lang, weiß und wallend. Doch trotz der Jahrhunderte ziere keine einzige Falte das weise Antlitz. Das eigentliche Alter der Frau war nur für Dunkle so ersichtlich. Die Seherin trug viel Schmuck, etliche Ketten und an jedem Finger einen Ring. Die kleine Sichel eines Halbmondes zierte in Form einer Tätowierung ihre Stirn. “Ich wünsche meinen Heimatort zu sehen.“
Die Alte nickte wissend. “Xas, ich spürte etwas in diese Richtung. Unruhe führt Euer junges Herz an jenen Ort, in Euren Träumen, habe ich Recht?“ Er nickte sacht. “Allgegenwärtigkeit der Kindheit… Das ist es, was ich fühle…“ Die Wahrsagerin schloss die Augen. Sekunden verstrichen. Minuten…
Gerade als Kyorlin fürchtete, die Alte sei eingeschlafen, hob sich schließlich der Arm der Dunklen. Obgleich die Augen geschlossen, so fand die Hand die Stirne Kyorlins, legte sich flächig darüber. “Lass mich Euch zeigen, was ich sehe…“ Zuerst erstaunt schloss auch Kyorlin die Augen. Wartete. Einige Momente blieb es dunkel, ehe sich unter den Lidern ein Bild abzeichnete. Schemenhaft zuerst, dann klarer. Und als das Bild fast ganz klar erkennbar war, fühlte Kyorlin eine Art Sog, die ihn erfasste. Fast schmerzhaft. “Was…?“ Und nur eine Sekunde später wurde es wirklich schmerzhaft. Der Ursprung dieses Gefühles war nicht auszumachen. Fast war es ihm, als würde sein Innerstes nach außen gekrempelt, sein Äußeres nach innen. Kyorlin wollte die Augen aufreißen, doch es ging nicht, die Lider schienen wie über dem Augapfel fest.
Doch so schnell wie jenes Gefühl kam, so schnell ging es. Kyorlin stand auf dem kleinen Platz vor der alten Villa, der Wald dunkel wie je. Es war Nacht und einige Sterne leuchteten schüchtern. Der Blick des Dunklen hob sich, maß das Gebäude und Kyorlin stellte erschüttert fest, dass es verfallen war. Seine Schritte brachten ihn näher heran, so dass er vor einem der Fenster im ersten Stock stand. Eine Hand rückte in sein Blickfeld – seine eigene – die über das Glas rieb, bis er hinein sehen konnte, Staub und Schmutz verschwunden war. Das Haus stand leer. Kyorlin trat wieder zurück, hob die Augen am Gebäude empor. Da! Tatsächlich. Hinter den Fenstern des Dachzimmers glimmte ein flackerndes Licht. Rauch schlich sich aus dem Kamin. “Velkyn…Vater!“ Doch bevor er einen weiteren Gedanken fassen konnte, wurde er abermals von Schmerz eingehüllt. Als Kyorlin die Augen öffnete, materialisierte sich der Kamin des eigenen Zimmers vor ihm. Er wand den Blick und sah in die Augen der Seherin. Es wurde Zeit…

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--- Kyorlin
--- Sprechpartner (wechselnd)

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Jabress – Frau/Dame [/SIZE]
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#4
Schöne Geschichte, macht Spaß sie zu lesen, weiter so Wink

*Platzhalter dalässt*

[Bild: 856_psp_lemmings_05.jpg]

[Bild: 2.png]


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#5
III. Traumsequenzen

Das Licht im Zimmer war gedimmt. Lyrienn saß auf einem der Sessel, eine halb leere Flasche teuren Wein in der Hand und schien vor sich hin zu starren. Der Dunkle auf dem Bett rührte sich kaum. Der noch vor einigen Stunden fliegende Atem, das Zittern des Fiebers, das Frieren - es schien sich gelegt zu haben. Das Mittel, das die Heilmagierin ihm gegeben hatte, half. Der Körper nahm den bereits aufgegebenen Kampf gegen das Gift wieder auf.

Reglos schien er, nur das leichte Heben und Senken der Brust zeugte von Leben. Etwas gesunde Farbe war ins feingeschnittene Gesicht zurück gekehrt. Trügerisch, doch wurde das Bild von der Blutbesudelten weißen Rüstung getrübt. Der Anschlag hatte nicht ihm gegolten...

So reglos Kyorlin für den Betrachter schien, so quälten doch Träume ihn. Tief war sein Schlaf, doch nicht komatiös. Erinnerungen.. Fetzen...

~

"Ich habe dich erwartet." Langsam drehte sich Velkyn um. Er hatte dem Eintretenden den Rücken zugewandt, vertrauensvoll, schien er doch zu wissen, wer der Besucher war. Das Gesicht des alten Dunklen war reglos. Emotionslos. Nur die Augen funkelten spöttisch und erfreut zugleich. "Du bist ein stattlicher Mann geworden, Kyorlin. Ein guter Assassine, wie mir scheint. Ich habe dich eben kaum nähekommen gehört. Doch hatte ich dich erwartet..."
Kyorlin trat langsam näher, einen ungläubigen Ausdruck auf dem Gesicht. Wie konnte er...? "Aber.. Vater... Wie...?" Der Dunkle, der soeben noch als "stattlicher Mann" bezeichnet wurde, glich plötzlich wieder einem Knaben, dem so vertrauten Antlitz des Vaters nach Jahrhunderten erstmals gegenüber.
Velkyn lachte leise. "Du musst wissen, dass wir gemeinsame Bekannte haben, Dalharuk. Bekea gehört gewiss nicht zu den Verschwiegensten von ihnen."


~

Kartesh hatte ganze Arbeit geleistet. Als Faera erwachte, erwachte sie nicht als Sklavin, sondern als das Mädchen, das vor den Einflüssen der beiden Vorbesitzerinnen in ihr innewohnte. Thilia. Panisch reagierte sie auf den Anblick des Orks und des Dunklen an ihrem Bett. Es war ein etwas anderes Ergebnis, als Kyorlin erwartet hatte, doch war es gut. Für den Moment. Er nahm ihr das Halsband ab, ließ sie frei, trotz der Proteste des Shamanen. Sie würde ihren Weg gehen. Das Gewissen wog ihm weniger schwer, als er das Mädchen in die Kutsche steigen sah. Als sie zum Hause der Eltern Richtung Goddard reiste. Es war ein neuer Anfang. Für sie, Thilia. Doch auch für ihn.

~

"Nindyn..." Der Vater seufzte. Deine Mutter ist seit etwas mehr als einem Mond nicht mehr hier."
"Ist sie.. tot?"
"Ich wünschte sie wäre es..."
Velkyn ignorierte den aufgebrachten Blick des Sohns.
"Ich habe sie verstoßen. Und du wirst mich verstehen, wenn ich dir zeige, warum..."

Velkyn führte ihn in eines der Nebenzimmer. Kyorlin ließ den Blick über die spärlichen Einrichtungsgegestände schweifen, ehe er eine Bewegung ausmachte. In dem schmalen Bett lag jemand. Die dünne Decke hob und senkte sich in ruhigen, regelmäßigen Abständen. Velkyn folgte dem Blick des Sohnes.
"Tritt ruhig näher. Sie hat einen auffallend tiefen Schlaf."
Langsam trat Kyorlin auf das Bett zu, strich die Decke herunter und erstarrte. Das ruhig schlafende Gesicht unter der Decke war das einer durchaus sehr hübschen Dunklen. Doch was ihn erschrecken ließ war, dass er einen Augenblick das Gefühl hatte, in einen Spiegel zu blicken. Die feinen Züge des Gesichtes im Gegensatz zu den hohen Wangenknochen stehend, die großen Augen und das lange, feine Haar... Sie sah ihm so ähnlich. Doch wie konnte es? Es gab keinen anderen Dobluth seiner Generation! Ungläubig starrte er auf das im Schlaf lächelnde Antlitz der jungen Frau, fast unschuldig schien es. Eine lange Zeit stand er einfach da, blickte sie an. Seine Schwester.

"Sie muss geboren sein, als du schon fort warst. Etwas über ein Jahrhundert... Ich fand sie erst vor etwas über einem Mond..."
Kyorlin formte die einzelne Silbe, jenes Wort, jene Frage tonlos: "Wo?"
"Im Kerker... Sie war an einer der Wände gefesselt und halb verdurstet. Als ich sie hinaus führte und sie die Sonne sah, zum ersten Mal in ihrem Leben sah... weinte sie..."
Kyorlin sah deutlich, wie der Vater um Fassung rang. Die rotbraunen Augen glitten über die Dunkle. Seine Schwester. "Dalninil*."
"Ich möchte dir noch etwas zeigen..." Velkyn trat an die Dunkle heran, striff das Hemd über ihrem Rücken hoch...

Die Schritte des Dunklen hallten laut durch das Treppenhaus. Ungewohnt für den Assasinen. Laut fiel die Tür ins Schloss. Laut hallte der unterdrückte Schrei durch den Wald. Auf der Veranda brach Kyorlin in die Knie, auf die Dielen starrend. Fassungslos. Eingebrannt im inneren Auge das groteske Muster aus uralten und noch frischen Peitschennarben auf dem zarten Frauenrücken. "Ussta'Dalninil... ssin..." hauchte er immer wieder, so auch den Namen der Schwester: "Su'aco..." Der Blick ging ins Leere.
Stunde um Stunde verging, der Dunkle kniete weiterhin ungläubig murmelnd auf dem Holzboden, ehe er abermals die Hand des Vaters auf der Schulter spürte. Und er verstand Velkyns Handeln. Oh ja, wie gut verstand er es.
Ungläubig fasste Kyorlin sich über die nasse Wange. Tränen waren etwas, das der Dunkle Jahrhunderte lang nie gekannt hatte.


~


Er wusste nicht, was ihn bewegt hatte, die Hallen des Hauses Renor'Anon aufzusuchen. Doch als er Lyrienn gegenüber stand, wusste er es wieder. Sie gingen den Weg aus der Stadt heraus, die Festungswälle entlang. Kyorlin war es, als könne er in ihrer Nähe kaum atmen. "Die Luft scheint viel dünner hier draußen..." bemerkte er, beiäufig, weil es ihm in den Sinn kam. Lyrienn hielt an, musterte ihn besorgt. "Ist Euch nicht wohl?" Er überspielte es, gekonnt, wie er es gewohnt war. Was war an dieser Frau, das ihn so berührte? Er wusste es nicht. Erst als sie ihn küsste. Sie hatte etwas getan, das noch keiner zuvor gewagt hatte. Und das mit jeder ihrer unendlich langen Wimper, jedem ihrer seidigen Haar, jedem Herzschlag und gar jeder Narbe. Sie hatte sein Herz berührt.
"Ist das deine Wahl, ussta'Ssin*?"
Er musste es wissen, hören...
"Das ist es."
Und die Luft ströhmte wieder in seine Lungen.


~

Er sah Faera in der Giraner Schankstube wieder. Spöttisch sprach er sie mit ihrem alten Namen an. Er wollte Gewissheit, wissen ob es ihr gut ging. "Ungehobelte gauer Wurm! Was denkst du, wen du vor dir hast, Bediensteter! Ich werde dich bestrafen!" Sie schien irre, ohne Zweifel. Doch er spielte ihr Spiel mit, neugierig, was ihn erwartete, doch auch sicher, dass sie ihm nichts tun würde. Auch als Faera seinen eigenen Dolch auf den vom Bade nackten Oberkörper richtete, rührte er sich nicht, provozierte sie weiter.
"Wenn du hier ansetzt und nach oben stößt, etwas nach links, so dürfte es tödlich sein ohne Euch einen großen Kraftakt abzuverlangen, Herrin."
Die Spitze der schmalen Klinge traf an der gezeigten Stelle, doch drang sie nicht ins Fleisch, ritzte die Haut nur minimal und ließ einen kleinen Blutstropfen über die fein definierten Brustmuskeln rinnen. Der Dolch entglitt den schmalen Fingern des Mädchens.
"Zum Töten muss man geboren sein, Faera."


~

Es war bereits spät, als der Dunkle in der Taverne eintraf. Das Licht drinnen war schummrig und außer ein paar schon recht angeheiterter Zwerge sah er keine Gäste. Kyorlin trat zum Wirt und ließ sich ein paar Pergamente, Tinte und Feder geben. Er steuerte einen Tisch am Ende des Raumes an und blickte einige Zeit schweigend in die Flamme. Wie würde sie reagieren? So früh, dass es fast eilig wirkte? Er seufzte leise und beugte sich über die Pergamente, betrachtete den Federkiel beim Eintauchen in die Tinte, nachdenklich. War es doch richtig, wenn es das war, was er wollte...

Einige zerknüllte Pergamente später stand das Schreiben. Endlich. Der Dunkle wirkte fahrig und müd, die leeren Weinflaschen am Boden deuteten darauf hin, dass das Schreiben des Briefes ihn einiges an Goldstücke gekostet hatte, ehe er sicher war, den Boten auf die Reise zu schicken. Er deutete der Bediensteten, dass der Tisch frei werden würde. Und während die Frau noch damit beschäftigt war, zerknülltes Pergament und leere Flaschen einzusammeln, wechselte das Pergament bereits den Besitzer. "Eilt Euch." mahne Kyorlin den Boten. Er sah ihm lange nach.

[Bild: pergament.gif]

Wie würde sie reagieren? Er wusste es nicht. Die kühle Winterluft verscheuchte den Alkohol, klärte die Sinne. War es zu früh? "Kyorlin du Narr!" schalt er sich. Vermutlich würde sie ihn nur auslachen...


~

Die Gestalt die auf den Tempel zu trat, ging schleppend. Die Wache runzelte die Stirn, besah sich den Dunklen. Er hielt den rechten Arm in einer unnatürlichen, angespannten Geste vom Körper weg, sichtlich bemüht mit jedem Tritt so wenig Muskeln wie möglich zu spannen. Blass war er und Bluttropfen glänzte auf den schmalen Lippen.
"Wer seit Ihr, Fremder?" Nie im Leben dachte der Wachmann daran, diese Gestalt in den Tempel der Mutter zu lassen. Als Antwort kam nur ein heiseres Husten. Ein Schwall Blut drang aus Nase und Mund. Die Wache senkte den Blick auf die Rechte, sah die beiden Nadeln, die durch den Handschuh traten und verstand, welches Totbringende sie in sich trugen.


~

Der Blick der dunklen Heilerin war voll Sorge. Doch tat sie routiniert ihre Arbeit, kämpfte gegen das Gift, das unaufhaltsam durch die Adern des Dunklen rann. Betete. Doch Kyorlin nahm es in Kauf, jeden der Schmerzen, die seinen Körper aufzufressen schienen. Auszusaugen. Er nahm sie hin, begrüßte sie fast, nur um diesen einen Wunsch erfüllt zu sehen. Einmal noch in Lyrienns unbeschreibliche Augen sehen. Zu danken für die kurze, doch so schöne Zeit. Er hatte keine Angst vor der Kälte, die seinen Körper einnahm. Keine Angst vor der Dunkelheit, vor dem Tode gar. Nur hatte er Angst, dass dieser eine Wunsch ungehört verklingen würde. Mehr als der körperliche Schmerz traf die Gewissheit, dass diese eine, so wichtige Frage an Lyrienn ungestellt bleiben würde...

~

Doch von alle dem ahnte jene Dunkle nichts. Langsam erhob sie sich, strich dem Schlafenden eine Strähne des rotbraunen Haares aus dem Gesicht, das sich im Traume leicht regte. Sie sann nach Rache...


[Bild: linie.gif]

--- Kyorlin
--- Sprechpartner (wechselnd)

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ussta'Ssin - meine Schöne
Dalninil - Schwester [/SIZE]
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#6
*klatsch und Platzhalter aufstell*


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ich mag Züge
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#7
IV. Velkyn

Es war früh, als der Dunkle die verstaubten Treppen der alten Villa empor stieg. Der Morgen dämmerte und er fühlte sich gleichsam erfüllt, wie auch leer. Der Wunsch Kyorlins, sich um den kranken Sklaven des Tempels zu kümmern, war ausgeführt. Er würde weiterhin auf den Gesundheitszustand des Fremden sehen, war es doch des Sohnes Wunsch.
Er würde nicht fragen, wer der Dunkle wirklich war, wie er hieß oder warum er hier war, als Sklave. Das stand ihm nicht zu. Er würde ihn Nika* nennen. Fremder. Ein Heilmagier, der seine Pflichten erfüllte, war ein guter Heilmagier. Soweit sogut. Venkyn seufzte.

Abermals hatten ihn seine Füße am Tempel vorbei getragen. Abermals hatte der Mut gefehlt. Kyorlin hatte Recht. Es war nicht die Zeit, die fehlte. Er war der Mut. Abermals aufseufzend sank der Dunkle in einen der Sessel, starrte in das erloschene Feuer. "Du bist nicht schuldig an ihren Vergehen..." Zu deutlich dröhnte die Stimme des Sohnes in seinem Kopf. Er wägte die Worte ab. Aber und abermals...

Nun, er war der verstoßenen Ehefrau gefolgt. Des Sohnes wegen. Auch aus Liebe... Er lächelte leicht. Liebe... es war mehr als dreihundert Jahre her, doch er wusste, dass es damals Liebe war, die über den Blutverrat der eigenen Frau hat hinwegsehen lassen. Damals noch...

Jahre um Jahre verstrichen. Aus Liebe würde Blindheit. Sturheit. Nicht sehen zu wollen. Er schloss sich in seinen Räumen ein. Verschloss sich selbst. Sah den Sohn nicht heranwachsen. Erst als er schon fast zu spät war, sich das Kind, törricht und naiv, anstelle einer Rivvil hatte auspeitschen lassen, sah er die Aufgaben, die ein Vater hatte. Und führte sie aus.

Nachdenklich wanderte der Blick des Dunklen zum Fenster heraus. In der Schwärze des Waldes konnte man das Morgenrot nur erahnen. Velkyn lächelte leicht. Ja, er hatte jene Aufgabe ausgeführt. Der Sohn war ein junger Mann geworden und er ließ ihn ziehen- war es doch besser. So auch er.
Lange Jahre war Velkyn fort, zog durch die Länder wie ein Vagabund. Heimatloser. Verstößener. Dobluth...
Lange Jahre, in den Augen eines unwissenden Rivvil. Nicht doch für einen Dunklen. Er kehrte zurück zu jener Villa im Walde, schloss sich ein. Ließ die Atemzüge verstreichen. Vergaß seine Aufgabe als Heilmagier.

So war es Kyorlin, der die blinden Augen des Vaters öffnete. Als die alte Wahrsagerin Bekea ihn aufsuchte und von dem Aufbruch des Sohns berichtete, besann er sich, wer er war. Doch noch mehr Nachricht brachte sie, ließ ihn ihre Gedanken sehen. Und er folgte ihnen, nicht glaubend, was er sah.

Die Schritte trugen Velkyn durch jede Kammer, jeden Gang des alten Hauses bis hinunter in den Kerker. Er konnte sich nicht besinnen, je einmal dort gewesen zu sein. Doch er fand die Prophezeihung Bekeas, in Form einer Dunklen, fast zu Tode geprügelt in eine der Zellen. Sie war dem Sohn wie aus dem Gesicht geschnitten- geboren und gezeugt, währen Velkyn selbst ziellos umher strolchte. Von einem der Lustsklaven, die sich Nindyn seit einiger Zeit hielt.

"Nindyn... Ich habe sie verstoßen." So hatte er das Wort an Kyorlin gerichtet, als der Sohn eingetroffen war. Es war nicht ganz die Wahrheit. Er hatte sie verstoßen wollen. Doch es kam zum Kampf. Nindyn war stehts eine begabte Kampfmagierin und so sah er nichts anderes, als sein Leben zu schützen. Ein Dolch flog, fand sein Ziel. Tötete. Rächte. Den Verrat des Blutes, den Verrat an Ehemann und Familie. Den Verrat an der dunklen Göttin selbst.
...eine Rache, die für immer ein Geheimnis bleiben sollte. Sowie auch der Vater Su'acos...

"Du bist nicht schuldig an ihren Vergehen..." Nein, er war es nicht. Er hatte Frevel geführt, doch nicht verraten, was sein Blut war. Kyorlin hatte Recht. Doch nach dreihundert Jahren Schweigen ist es schwer, die richtigen Worte zu finden.


[Bild: linie.gif]

--- Velkyn
--- Kyorlin

---ooc---
Diese Charstory ist nicht komplett, ich weiss. Es geht mir hier auch vielmehr darum, gewisse Hintergrund-Infos preiszugeben. Meinen gesamten Kyo-Plot aufzutippen, ich glaube das übersteigt sogar meiner zeitlichen Mittel. Ich hoff das Lesen macht trotzdem Freude und beantwortet die ein oder andere Frage.

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