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Die Geschichte von Istal – oder Endloser Zorn
#1
Istal - Endloser Zorn

Der junge Mann hielt in seinen Bewegungen inne, jede Muskelfaser seines Körpers war gespannt und seine Augen suchten die Umgebung ab. Mit all seinen Sinnen horchte er nach draußen, in die ihn umgebende Natur. Die Wellen tief unter ihm brandeten gegen die sicher tausend Fuß hohen Klippen, der Mond war gerade untergegangen und Morgennebel zog auf. Die ersten Vögel erwachten bei dem sich erst schwach andeutenden Sonnenlicht. Nie herrschte Windstille an diesen Klippen, wirklich niemals. So auch an diesem Tag wenngleich er auch bis eben nur schwach geweht hatte, so kam nun Wind auf, der die Tautropfen von den Blättern wehte und sie in sein Gesicht nieder regnen ließ. Noch immer zeigte der Körper des jungen Mannes keine Regung. Sein Herz pochte lauter als sonst, der Wind, welcher landeinwärts blies und die Wellen, die gegen die Klippen brandeten, machten es unmöglich viel zu hören- kein guter Ort. Der Geruch von nasser Rinde und Blättern sowie einer salzigen Meeresbriese lag in der Luft, unmöglich viel mehr als das wahrzunehmen- kein guter Ort. Alles an diesem Ort missfiel dem jungen Krieger. Er fühlte das nebelfeuchte Gras unter seinen Fußsohlen, welches alle Schritte so sehr dämpfte, dass er keinen sich nähernden Feind hätte bemerken können. Doch er erwartete keinen Feind…

Ungern erinnert er sich an diesen Tag seiner Jugend zurück. Ein kalter Schauer überläuft ihn stets, wenn er es doch tut. Die Härchen in seinem Nacken und auf seinen Armen sträuben sich und alles um ihn herum erscheint ihm dann dunkler und bedrohlicher. Er kann die Schreie erneut hören, das Blut abermals aus den toten Körpern rinnen sehen. Bis zum heutigen Tage hat er viele getötet, doch die Erinnerungen an diesen einen Tag plagen ihn noch immer, gerade dann, wenn er wie jetzt, untätig herumsitzt und erst recht, wenn seine Sinne vom Wein vernebelt sind.

…er erwartete das schönste und erhabenste Geschöpf, welches je in diesem Teil Adens wandelte. So empfand er zumindest. Die Zeit war schneller verstrichen als es ihm vorkam, die ersten Sonnenstrahlen stachen schon in seine empfindlichen Augen. Wo blieb sie nur? Dann- ein helles Lachen in seinem Rücken. Sie nannte ihn einen unaufmerksamen Krieger. Es war ihm egal, sie durfte ihn nennen, wie immer sie wollte. Der Ort war ihre Wahl gewesen, sie sagte, er sei schön. Schön war er zweifellos, doch zu gefährlich, zu nahe an der Bergkette, die ihr Land von dem der Feinde trennte. Er hörte nicht, wie sie sich ihm näherte, dennoch wusste er, dass sie es tat. Sie schlich sich gerne an und er gönnte ihr diesen Spaß. Als sich endlich ihre schlanke Hand an seinen Hals legte, überlief ihn ein wohliger Schauer. Er wagte es kaum, sich zu ihr umzuwenden, erst als sie ihre Hand in seine legte und ihn so förmlich darum bat, gab er nach. Was er sah, verschlug ihm die Sprache, sie war noch schöner als sonst. Eine leichte rote Seidenrobe, am Kragen so wie am Saum besetzt mit perfekten schwarzen Perlen und an den Ärmeln mit filigranen Stickereien versehen, lag eng an der wohl geformten Figur der jungen Dunkelelfe an, keine Waffen zeichneten sich darunter ab. Sie sah so verletzlich aus, gänzlich im Kontrast zu ihm, der stets schwer gerüstet war, stets Schwert und Schild trug und niemals den geringsten Zweifel an sich und seinem Handwerk aufkommen lies. Sie löste ihre hochgesteckten Haare und diese flossen wie ein schwarzer Strom über ihre Schultern und ihren Rücken. In der Linken hielt sie den kleinen Dolch, der eben noch ihre Frisur an Ort und Stelle gehalten hatte und so lächelte sie ihn tadelnd und dennoch lieblich an. Konnte sie seine Gedanken lesen? Er hatte sie für töricht gehalten, so schutzlos hierher zu kommen. Ihr Lächeln glich einer Aufforderung, der junge Dunkelelf verstand sie gut und kam ihr nur zu gerne nach. Seine Hand in ihrem Nacken, forderte er einen Kuss, doch der Dolch, der sich unbemerkt an seine Kehle angeschmiegt hatte, erinnerte ihn daran, wer sie war, und so war sie es, die Priesterin Shilens, die den Zeitpunkt bestimmte, an dem er sie küssen durfte.

Der Wein schmeckt bitter, oder ist es erst die Erinnerung, die ihn bitter werden lässt? Überall um ihn herum vergnügen sich die Dunkelelfen, sie feiern ausgelassen. Sie haben allen Grund dazu, immerhin gibt es einen Sieg zu feiern. Seine Augen wandern durch den Raum, eine heruntergewirtschaftete Taverne in einem heruntergekommenen Ort, fern der großartigen Hauptstadt der Dunkelelfen. Er ist der einzige, der alleine an einem Tisch sitzt. Niemand wagt es, das Wort an ihn zu richten, wenn er in dieser Stimmung ist, sie wissen weshalb. Nur der Wirt, ein Zwerg, spricht ihn ungeniert immer wieder an, unnötig, er weiß längst, wann er die Karaffe mit neuem Wein aufzufüllen hat. Der Dunkelelf lässt die Worte über sich ergehen, eine Antwort scheint der schmierige Zwerg gar nicht zu erwarten, er tut einfach, was er immer tut, nachschenken.

Lange Minuten standen sie beisammen, ohne ein Wort zu sprechen. Die Sonne hatte sich zur Hälfte über den Horizont erhoben und blendete ihn- kein guter Ort. Doch ihre Nähe ließ ihn alle Vorsicht, all die Lehrstunden vergessen. Das Surren des ersten Pfeils hörte keiner von beiden. Pfeile von der richtigen Hand und mit dem richtigen Bogen abgeschossen, fliegen beinahe lautlos. Sie musste ihn erst bemerkt haben, als die Spitze sich einen Weg zwischen ihren Schulterblättern hindurch zu ihrem Herzen suchte, das sah er in ihren Augen und gleich darauf spürte er den Ruck, der durch ihren Körper ging, kurz bevor das dunkle Feuer in ihren Augen erlosch und sie leblos in seinen Armen zusammensackte. Einen Atemzug lang hielt er sie noch in seinen Armen, bevor ihm sein Instinkt sagte: „Lass sie los!“, kurz bevor ihn der zweite Pfeil ebenso niederstrecken konnte. Die wunderschöne Dunkelelfe fiel in das nebelfeuchte Gras und wären ihre Augen nicht erloschen gewesen, so hätte man denken können, sie ruhe sich aus. Der Krieger hechtete mit den Reflexen einer Raubkatze in den spärlichen Schatten, den die Bäume noch boten, sein Blick fiel noch einmal auf das Wesen, das dort im Gras lag, und als ihm das dünne Rinnsal Dunkelelfischen Blutes, welches sich nun Richtung Klippenrand schlängelte, endgültig sagte, dass sie tot sei, befiehl in ein Rausch, der dem eines Berserkers gleichkam. Nichts außer Shilen selbst hätte ihn in diesem Moment davon abhalten können, aus dem Halbdunkel heraus, direkt in die Richtung, aus der die Geschosse abgefeuert worden waren zu stürmen. Ganz entgegen jedem Training, ganz entgegen jeder Vorsicht. Seiner Kehle entrang sich ein gequälter Fluch, der zu seinem Schlachtruf werden sollte.

„Oloth plynn dos…“ murmelt er. Ja, die Dunkelheit hat sie, die wunderschöne Priesterin, welche nun an Shilens Seite weilt, aufgenommen und er hat ihre beiden Mörder der Dunkelheit übergeben, wo sie ewige Qualen erleiden. Er leert den Becher und wischt sich die letzten Tropfen Wein mit dem Handrücken aus den Mundwinkeln. Die Karaffe ist leer, der Zwerg weiß es und will sie gerade auffüllen, als ihn der Blick des Dunklen trifft. Er hält in seinem Tun inne, unbehaglich windet er sich und wagt es nicht, in die kalten unerbittlichen Augen des Mannes zu blicken. Mit gesenktem Kopf zieht sich der Wirt rückwärts gehend hinter seinen Tresen zurück. Es hat den Anschein, als wolle er sich dort verstecken. Der Krieger streckt seinen Nacken und seine Schultern, um die verspannten Muskeln zu lockern. Der Kampf ist leicht gewesen, doch die Stunden, in denen er nun schon bewegungslos dasitzt, haben die Muskeln hart werden lassen. Er lehnt sich zurück, rutscht im Stuhl vor und streckt die Beine aus, den Kopf überstreckt nach hinten hängend, spürt er, wie das Blut den Wein verdrängt.

Die Sonne stach in seine Augen, dennoch konnte er die Mörder überdeutlich erkennen, sie standen da, sehr ruhig mit freundlichen Gesichtern und jeder der beiden legte erneut einen Pfeil auf die Sehne, um auch sein Herz zum Stillstand zu bringen. Zwei Lichtelfen, zwei verfluchte Lichtelfen, hatten ihr das Leben genommen und jetzt trachteten sie nach seinem. Für die beiden Mörder musste der Tod, den sie der Priesterin beschert hatten, wie ein Geschenk gewesen sein, schnell und schmerzlos. Doch ihr eigener Tod würde nicht ohne Schmerzen über sie kommen und ganz gewiss würde er nicht schnell vonstatten gehen. An die folgenden Minuten konnte er sich kaum noch zurückerinnern, wie er den beiden Pfeilen entgangen war, blieb ihm ungewiss. Alles woran er sich noch entsinnen konnte, war, dass er, als die Sonne sich gänzlich über den Horizont erhoben hatte, über und über von hellem Elfenblut bedeckt, inmitten einer riesigen Blutlache stand. An den Stämmen der Bäume rings um ihn herum, klebte nicht weniger blut und selbst von den tief hängenden Zweigen, von denen am frühen Morgen noch der Tau getropft war, prasselten nun Blutstropfen auf ihn hernieder. Die Gliedmaßen der beiden Lichtelfen lagen dicht beieinander, dort wo sie gestanden hatten, doch hätte er nicht gewusst, dass es Elfen gewesen waren, hätte er nun nicht mehr sagen können, was sie einmal gewesen waren. Er musste noch lange nach deren Tod auf sie eingeschlagen haben, um sie derart zu verstümmeln. Irgendwann, die Sonne stand bereits hoch am Himmel, das Blut auf seiner Rüstung, das nicht sein eigenes war, war längst getrocknet, wurden die beiden von einer Tempelwache gefunden. Die Priesterin wurde bereits vermisst, denn ihre Weihe stand kurz bevor. Man fand sie in seinen Armen, bleich und kalt. Die Wachen waren entsetzt von dem Massaker, in dem man die beiden vorfand und so wurde sein Name von den Wachen um eine eitere Silbe erweitert, die sich allmählich durchsetzte. Von nun an wurde er Istal genannt und diesen Namen trug er zurecht. Wann immer er von diesem Tage an kämpfte, tat er es ohne Erbarmen, mit endloser Wut. Nicht mehr in dieser blinden Rage, doch mit dem unerbittlichen Willen zu siegen, koste es was es wolle. Bald schon wagte es niemand mehr, mit ihm zu trainieren, weil derjenige um sein Leben fürchten musste. Schnell war er vom einfachen Krieger zum Kommandanten aufgestiegen, doch wann immer er einen Kampf ausgefochten hatte, verfiel er danach in eine Art Lethargie.

Er ächzt, als er den Kopf wieder in die richtige Position bringt. Sein Schädel fühlt sich an, als hätte ein Katapult ihn getroffen. Er hat geschlafen, die Lethargie schwindet und Unruhe macht sich in ihm breit. „Wir brechen auf!“ brüllt er, nachdem er sich vom Tisch erhoben hat. Seine Männer stehen bereits marschbereit in einer Linie. Dreißig Dunkelelfen, alle wissen, was passiert, wenn der Kommandant wieder wach wird. Sie werden weiterziehen und den nächsten Kampf suchen.

Das war vor 3 Jahrzehnten und der Tod der Priesterin, an dem er sich die Schuld gab, lag beinahe ebenso lange zurück. Nun war die Zeit gekommen, etwas in seinem Leben zu ändern. Er hatte sein Kommando abgegeben und beschlossen, einige Zeit durch Aden zu wandern. Jetzt steht er am Ausgang der Stadt, den Schild auf den Rücken geschnallt, das Schwert in der Scheide. Voll gerüstet wie immer, doch diesmal zieren keinerlei Abzeichen seine Brust. ...

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„Oloth plynn dos…“ = Darkness take you (ein Segen für Dunkelelfen und ein Fluch für alle Nicht- Dunkelelfen.)
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Für alle die ungern lange Texte im Forum lesen, oder denen meine Formatierung nicht passt, habe ich Istals Geschichte nochmals als PDF hochgeladen. Ich hoffe man kann sie problemlos herunterladen.
Hätte ich das am Anfang schreiben sollen? :tongue:
Lob und Kritik sind gerne gesehen ob hier oder per PN jedoch bitte ich darum mich nicht in aller Öffentlichkeit zu steinigen. Danke :]
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Die Geschichte von Istal – oder Endloser Zorn - von Istal - 23.04.2007, 11:28

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