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Gladhol elen - lachender Stern
#3
-Wieder einige Jahrhunderte nach den Geschehnissen um die Priesterin.-
Dankbar, einen ordnenden Einmerker erhalten zu haben, reicht die Biographin weitere Blätter zur Reinschrift.

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Heute habe ich mich entschlossen, ein weiteres Konvolut an Aufzeichnungen vorzulegen. Es scheint mir aus zweierlei Gründen lohnenswert: erstens schließt es zeitlich an den Weggang aus dem elterlichen Hause und die Ausbildung zur Priesterin an, zweitens, und dies ist zugleich der Grund warum ich etwas mit der Herausgabe zögerte, fehlt ausgerechnet das, was ich am ehesten erwartet hätte.
Denn üblicherweise lassen Priesterinnen und Priester ihre Hinwendung zu ihrer jeweiligen Gottheit mit einem einschneidendem Erlebnis beginnen, also einer Erleuchtung oder Vision, mal mehr, mal weniger glaubhaft.
Das war es auch, was ich in den Pergamenten zu finden suchte. In den Jahren in Giran notierte die Priesterin jedoch nur - mir mit der Zeit allzu auffällig - Banales.
Wollte sie zukünftigen Lesern etwas verbergen? Gar auf eine falsche Spur führen?
Ich habe es bislang nicht herausfinden können und nehme den Leser nun mit, die kommenden Ereignisse hinzunehmen, vielleicht führt uns einst eine Spur auf diesen Gedanken zurück.


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Rekonstruiert nach Tagebuchnotizen. Giran, wenige Tage vor der Weihung zur Priesterin.

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*hohe, kristallene Stimme in weitem Saal erklingt*

Ilu Ilúvatár en káre eldain a fírimoin
ar antaróta mannar Valion: númessier.
Toi aina, mána, meldielto – enga morna:
talantie.
En kárielto eldain Isil, hildin Úr-anar.
Toi írimar. Ilyain antalto annar lestanen
Ilúvatáren, Ilu vanya, fanya, eari,
i mar, ar ilqa ímen. Írima ye Númenor.
Nan úye sére indo-ninyan símen, ullume;
ten sí ye tyelma, yéva tyel ar i narquelion,
íre ilqa yéva nótina, hostainiéva, yallume:
ananta úva táre fárea, ufárea!
Man táre antáva nin Ilúvatar, Ilúvatar
enyáre tari tyel, íre Aanarinya qeluva?


(Der Allvater erschuf die Welt für Elben und Sterbliche und er gab sie in die Hände der Herren: Sie sind im Westen.
Sie sind heilig, gesegnet und geliebt - außer die Dunkle:
Sie ist gefallen.
Für die Elben erschufen Sie den Mond, doch für die Menschen die rote Sonne:
welche schön sind. Allen gaben sie in Maßen die Gaben
des Allvaters. Die Welt ist schön, der Himmel, die Meere,
die Erde und alles was in ihnen ist. Lieblich ist das Land des Westens.
Doch mein Herz ruhet hier nicht auf ewig,
denn hier ist Vergehen, und es wird ein Ende sein und das Schwinden,
wenn alles gezählt ist, und zuletzt alles erfasst wird,
aber es wird nicht genug sein, nicht genug.
Was wird der Vater, oh Vater, mir geben,
an jenem Tag jenseits des Endes, wenn meine Sonne vergeht?

Anmerkung: die Übersetzung gebe ich den des alten Quenya unkundigen Lesern zur Hand. Sie orientiert sich stärker und bewußt am ursprünglichen Wortlaut, als in bekannten Transskriptionen. Das verdeutlicht, wie sehr die Genese der Elfen über verschiedene Sagenkreise hinweg immer wieder auf einen gemeinsamen Ursprung zurückzuführen ist.)

"Wohl gesprochen!" Zufrieden kommentiert Magister Esriel, der immer Gutmütige, die in wohlgesetztem Quenya rezitierten Verse aus der Schöpfungsgeschichte der Elfen. "Bei Corax dem Allvater! Da haben wir ja nun doch wieder etwas gefunden, worin auch unsere Novizin Gefallen und Fleiß walten lässt". Doch kaum hat sich eben jene des Lobes erfreut, als die schweren Flügel zum Lehrsaal mitten in der abendlichen Lehrstunde mit lautem Knall aufliegen.

Schnell noch verneigen sich Magister und Schülerschar artig vor der Äbtissin des Tempels zu Giran, als diese eine bestimmte Novizin bereits ins Auge fasst: "Samiris! Vor die Türe!"
Hochrot an all die kleinen Vergehen denkend folgt sie stumm der gestrengen Tempelvorsteherin, gefolgt von ihrem Mentor Esriel. Ängstlich versucht sie sich zu erinnern, wo ihr Fehler lag: bei der letzten nächtlichen Erkundung zum Verhalten feierlauniger Stadtbewohner vielleicht einen Ziegel auf dem Dach zur Kammer abgetreten zu haben? Beim gestrigen Betreten unerlaubter Bibliotheksbereiche mitsamt Lektüre verbotener Werke ausgerechnet die Bücher "Liebesgedichte aus Heine, von Iomel Güldenglanz, neu aufgelegt vom aufstrebenden Barden Scion" mit den "Coniurationes Demonum, ohne Urheber" vertauscht zu haben, als jemand sie beinahe erwischt hätte? Sie weiß es nicht und auf dem Flur stehen schon weitere finster dreinblickende Gestalten.

Wenige Tage vor ihrer Prüfung (die sie sicher zu bestehen glaubt, es sind ja noch ein paar Nächte übrig, um mit dem Lernen endlich anzufangen...), nun das! "Achtkantig wird man mich hinauswerfen, mit Schimpf und Schande davonjagen" geben ihr die Schuldgefühle ein.

"Samiris! Wahrlich, vieles was man euch hätte austreiben sollen, ist nicht einmal mir gelungen. Doch habt ihr gerade in der letzten Zeit nach Auskunft eurer Lehrer zumindest in einigen Bereichen Ernst und Geschick bewiesen. Auch ist nicht entgangen, daß ihr bei der Bekämpfung widernatürlicher Manifestationen sehr getreu den Lehren folgt und Corax zur Ehre den Kampf gegen die unreine Magie mit großem Mut und Wille führt. Noch in dieser Stunde werdet ihr in Begleitung dieser beiden Brüder und unserer Schwester aufbrechen, einen besonderen Auftrag zur Ehre unseres Gottes ausführen."

Verblüfft über die plötzliche Wende blickt sie in die verwegenen Gesichter der hinter der Äbtissin stehenden drei Gestalten. Narben, Verbrennungen in den Gesichtern der beiden Männer, die reiche, mit Schutzzeichen des Corax versehene Robe der Priesterin, Schwerter, die nicht im blauen Glanz der Rapiere geckenhafter Sonntagsmagier auf Girans Treppen schimmern, sondern die Aura vieler Kämpfe tragen, lassen eine verschworene Kampfgemeinschaft erkennen.

"Nun geht in Eure Kammer, packt das nötigste zusammen, für eine Vorstellung wird unterwegs genug Zeit sein, die Zeit drängt!" Gerade will die vor Verblüffung stumme Novizin dem Folge leisten, als die Äbtissin noch einmal das Wort ergreift und die Hand ihr auf das Haupt legt: "Faer i-vagolammaeg! Von jetzt an seid ihr eine Priesterin des Corax! Laßt Euch von seinem Pfad auch in dunkelster Stunde nicht abdrängen."

"Niemals, Äbtissin!" mit einer Verbeugung macht sich die frisch Geweihte davon, nicht mehr den Satz wahrnehmend, den jene streng an ihren Mentor richtet:

"Hatte ich euch nicht aufgetragen ihr dieses schreckliche Wort auszutreiben?!"


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Nur wenige Tage später, irgendwo in den Nordlanden.

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"Sie kommen."
Noch ehe die Priesterin irgendetwas vernommen hätte, hatten wohl schon Vögel, Wind und Erde dem meist stummen Begleiter die Ankunft weiterer Elfen verkündet.
Sie nannten ihn nur Lasta, kurz für Lastalaica, doch war er ein Priester, wie sie ihn bis dahin nie zuvor gesehen hatte. Sein grünes Gewand (hatte er überhaupt noch ein anderes?), sein Stab, seine geschmeidige Art sich zu bewegen, ließen vermuten, daß er in einem früheren Leben den Waldläufern angehörte. Jenen war er in den Künsten des Spähens offenbar ebenbürtig, so zumindest nahm es die Priesterin wahr.

Silivren mit seinen zusammengekniffenen Augen, der für einen Elfen sehr dunklen Haut und der rauhen Stimme, die den Wind des Nordens mit sich zu tragen schien, erinnerte sie eher an den verwegenen Kapitän eines der schnellen Kuriersegler der Menschen. Und doch waren es Priester des Corax, nur so ganz anders als die, die sie aus Giran bislang kannte.

Nur Zahmena, die strahlend weiße Priesterin, war ganz so, wie sie sich immer eine Istyarien (und sich selbst so gerne ) vorstellte: die Aura priesterlichen Wissens gelassen tragend, weltgewandt und doch Ernst im Glauben.

Nun standen sie hier im Schatten der Bäume, die Kreuzung im lichten Walde beobachtend. Doch noch nicht einmal als sie den schlanken Krieger und eine schon fast als dünn zu bezeichnende Kriegerin sah, konnte sie deren schnellen Schritte vernehmen. Trotz schwerer Rüstung, Schild und Schwert am Rücken tragend, bewegten sie sich federnd, lautlos auf die Gruppe zu.
Würde nun offenbar, wo ihre Reise hinführte?
Sie wußte, nun waren die sorglosen Jugendjahre vorüber, von nun an würde sie die Ernsthaftigkeit der Priesterschaft mit Inbrunst verkörpern. Sie setzte die bei den anderen heimlich abgeschaute ernsthafte Miene gerade auf, als sie eines bekannten Grinsens gewahr wurde, das unweigerlich ansteckten mußte...
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