03.08.2007, 14:38
Noch am gleichen Abend fand viel Bewegung im Fort statt. Hunderte Frauen, Kinder, Schwache und Landvieh wurden eingelassen und den fensterlosen Gebäuden zugewiesen. Mir wurde erklärt, dass es auf der uns abgewandten Ostseite doch noch etwas wie ein Dorf gibt, in dem das Alltagsleben am Tage stattfindet.
Diese Menschen gehen mit bemerkenswerter Fassung und Routine vor. Ich suche die Angst in ihren Augen, doch ich finde keine. Eigentlich sollte es mich nicht verwundern. Diese Menschen kämpfen schon seit Jahren. Für sie ist es genau so zum Alltag geworden wie das Melken der Kuh.
Mir wurde das Westtor zugewiesen. Der rothaarige Führer bat meinen Begleiter mit ihm zum Osttor zu kommen. Es war eine freundliche Bitte, doch in Wirklichkeit nur eine reine Sicherheitsmaßnahme. Sie wollten sicher gehen, dass Der Verlorene und ich nicht Seite an Seite waren, wenn die Hölle los brach. Ich kann es ihnen nicht verübeln. An ihrer Stelle hätte ich uns auch nicht getraut.
Die Männer haben sich mit Speeren und Schwertern ausgestattet und auf den Palisadenwällen verteilt. Es verwunderte mich zuerst keine Frauen unter den Kriegern zu sehen, doch dann fiel mir ein, dass Menschen eine eigenartige Form des Stolzes besaßen und eine noch eigenartigere Form der Geschlechtertrennung. Kein Wunder, dass ihre Kriegsaufgebote stets ineffizient waren. Sie brachten ihre Frauen und Kinder nie mit in den Krieg, weil sie von vorne rein damit rechneten verlieren zu können und so erhofften den Erhalt ihrer Rasse zu garantieren. Menschen unter sich mochten auf solche Formen Rücksicht nehmen. In den Augen eines Oroka war es nur naiv und dumm. Hier nahm es gar ein hohes Maß an Absurdität an. Der Feind waren Ungeheuer. Würde die Verteidigung fallen würden auch die andren sterben. Dieses Fort wäre eine eigens gewählte Todesfalle.
Ich blicke mich zu beiden Seiten um. Das Vertrauen der Menschen scheint wirklich gering. Zu meiner Rechten steht der Griesgram. Er blickt nach vorne, doch ich bin mir sicher, dass er öfter prüfend zu mir blickt, wenn ich gerade in Gedanken bin. Zu meiner Linken steht der dunkelhäutige Krieger mit den Stoppelhaaren und verteilt weitere Anweisungen.
Ich verschränke die Arme und blicke nach vorne auf die weite Ebene und die Wälder am Fusse der Berge. Von den Angreifern keine Spur.
"Hier." Der dunkelhäutige ist an mich heran getreten und hält mir einen der Speere entgegen. Ich mustere ihn abfällig mit fragendem Blick. "Wir sitzen im gleichen Boot. Auch Ihr solltet mit uns kämpfen.", erklärt er mit ernster Stimme.
"Dieser Kampf ist der Eure und nicht der meinige!", entgegne ich kühl.
"Also werdet Ihr nur zusehen?!", fragt er ungläubig.
Ich nicke.
Kopfschüttelnd wendet er sich ab und geht auf seine Position. Die Menschen stehen jeweils fünf Schritt voneinander entfernt auf den Palisaden. Vereinzelte Speerträger haben sich in den Gassen dahinter positioniert. Scheinbar rechnen sie damit, dass einige der Angreifer es bis über die Palisaden schaffen könnten.
Die Silhouetten der Berge sind unlängst in schwaches Sonnenlicht getaucht. Die letzten Strahlen brechen sich an ihren Umrissen und ein Teppich aus Schatten schiebt sich rasant über die grasbedeckte Ebene.
Die Nacht bricht an.
- - - - -
Der zunehmende Mond liegt irgendwo hinter dichten Wolken, die nur selten einen Lichtschein hindurch lassen. Die Ebene ist in gänzliches Schwarz getaucht. Man kann anhand des Windes nur erahnen, dass die Grashalme sich wie Wellen des Meeres zu einem lautlosen Takt wiegen. Ab und an sehe ich schattenhafte Gestalten über die Felder huschen. Nur Einbildung. Meine Anspannung spielt mir einen Streich.
Ein unterdrücktes hyänenhaftes Kichern erklingt.
"Sie sind da.", krächzt eine unangenehme Stimme zu meiner Rechten.
Wo? Ich sehe nichts. Ich lausche, doch höre ich nur das stete Blasen des Windes.
"Macht Euch bereit, es geht gleich los!"
Ich spähe angestrengt am Schein der brennenden Fackeln hinaus, um etwas zu erkennen. Neugierig erlaube ich mir an die Palisaden heran zu treten. Dann brechen die Wolken auseinander und tausende in unsre Richtung starrende Augenpaare reflektieren den weissen Mondschein. Es scheint fast so als sei die ganze Ebene voll von Haarigen Kreaturen, die ungeduldig um uns lauern.
Wenn es um das gesamte Fort so ausschaut, dann müssen es an die zwölftausend sein.
"Wieso habt ihr keine Bogenschützen?", ich blicke fragend zu meiner Linken.
"Wir haben es aufgegeben ihre Zahl klein halten zu wollen. Die Menge spielt keine Rolle, so lange es nicht einmal jeder Fünfte von Ihnen über die Palisaden schafft. Ausserdem können sie nicht alle auf einmal kommen. Die letzten Reihen der Ungeheuer kommen gar nicht zum Zug, bis die Sonne auf geht."
"Ist das so?", ich wende meinen Blick wieder nach vorne und im nächsten Augenblick bricht die Horde in hyänenhaftes Gegacker aus. Die felligen Kreaturen mit den großen Gebissen setzen sich in Bewegung.
"Haltet die Speere bereit!", der Ruf wird entlang der Befestigung weitergetragen.
Die Kreaturen scheinen unheimlich agil. Kampfeswut und eine unstillbare Gier blitzen in Ihren weit aufgerissenen Augen auf und die wagemutigsten springen bereits über die speerbesetzten Gruben, um sich mit ihren langen Krallen in die hölzernen Stämme der Palisaden zu graben. Ein wildes Gedrängel herrscht und einzelne Angreifer werden von nachdrängenden Artgenossen in die Gruben gestoßen. Schmerzensschreie erklingen. Das Chaos bricht aus, doch nimmt es dem Angriff nichts von seiner beeindruckenden Ausstrahlung.
Die Ungeheuer, die es schafften an die Palisaden heran zu hechten und nun schneller als erwartet herauf klettern, werden bereits von den spitzen Speeren der Verteidiger erwartet. Es war nicht einmal notwendig den kletternden Fellknäueln einen tödlichen Stoß zu verpassen. Es reichte vollkommen aus, dass sie verwundet herab fielen und bestenfalls noch einige ihrer Artgenossen im Fall mit sich nahmen.
Und obwohl alles für die Menschen so glatt verläuft vermisse ich die Zuversicht in ihren Blicken. Statt dessen sehe ich müde Augen. Ausgelaugte Mienen, die einer blutigen Routine folgen, die sie sich nicht ausgesucht haben. Augen in denen keine Hoffnung liegt, diesen ewigen Kampf je enden zu lassen.
Und tatsächlich Dauert der Kampf Stunden an. Verteidiger stoßen mit ihren Speeren herab, als wären sie Bauern, die die Erde umpflügen. Hieb um Hieb, eine halbe Ewigkeit lang, bis sie abgelöst werden, um sich weiter hinten zu postieren.
Blut spritzt. Todesschreie erklingen. Doch es bietet sich mir ein verzerrtes Bild des Krieges. Keine Leidenschaft brennt in denen, die mit jedem Hieb ein Leben nach dem anderen auslöschen. Kein Kerbholz kann diese Zahlen fassen und doch vermögen die Herzen dieser Menschen mit keinem Stolz gefüllt zu werden.
Ich beobachte und denke. Stunden.
- - - - -
Vier Stunden müssen vergangen sein. Die Nächte zu dieser Jahreszeit hier im Norden sind kurz. Doch nicht für diese Menschen. Es erscheint mir wie eine Ewigkeit und kein Ende in Sicht. Der Sturm der Ungeheuer hält an, mit ungemindertem Nachdruck.
Ohne Reue oder Trauer um ihre Kameraden steigen sie über ihre Kadaver. Goldene Gier liegt in ihren Augen und doch haben sich die Kräfte verlagert.
Es liegt nicht daran, dass die Menschen müder geworden sind. Es ist die bloße Tatsache, dass keine ausgehobenen Gräben mehr existierten. Sie waren bis zum Anschlag und noch weiter mit Kadavern der Ungeheuer gefüllt. Sie bauten sich ihre eigene Rampe aus Leichen ohne sich dessen wirklich bewusst zu sein.
Der Dunkelhäutige hatte sich geirrt. Die Anzahl spielt doch eine Rolle. Gleichzeitig bin ich mir aber sicher, dass er nicht damit gerechnet hatte. Verzweiflung liegt in seinem Blick, während er versucht die Angreifer mit dem Speer abzuwehren, die immer mehr Halt unter den Füssen haben. Einige klettern bereits über die angespitzten Pfähle.
Rechts von mir erklingt ein lauter Fluch. Griesgram hat sich den Speer aus den Händen reissen lassen und zieht hektisch sein Schwert. Zu beiden Seiten hieven sich die kleinen behaarten Ungeheuer hoch und ich bin nicht länger nur Zuschauerin.
Ich löse die Schnalle an meinem Waffengurt und mache meinen Dolch griffbereit. Ächzend und sabbernd drehen sich die ersten Kreaturen zu mir. Ihre Augen weiten sich und starren mich noch größer an als zuvor. Einer der Angreifer weicht gar in Furcht vor mir zurück und überschlägt sich rückwärts, ehe er die tote Rampe herunterpurzelt. Die andren erstarren.
Was hat das zu bedeuten? Wieso greifen sie mich nicht an?
Ich blicke angestrengt zu ihnen. Mache gar einen Schritt auf sie zu. Sie weichen zurück. Zwei weitere fallen rückwärts die Rampe herab und reissen einige ihrer Artgenossen mit sich.
Das kann nicht sein!
Ich blicke mich zu allen Seiten um, um mich zu vergewissern, dass dies keine Einbildung ist. Zu meiner Linken droht der Dunkelhäutige überwältigt zu werden. Mit Mühe erwehrt er sich den langen Krallen der Kreaturen. Hinter mir eilen die Speerträger der hinteren Reihen herbei, um ihre Kameraden zu unterstützen. Zu meiner Rechten wirbelt Griesgram mit dem Schwert um sich und schlitzt gleich zwei der Kreaturen auf, ehe er ungläubig zu mir starrt und das eigenartige Schauspiel wahr nimmt.
Ich muss etwas tun! Wie sieht es aus, wenn ich jetzt nichts tue? Sie werden denken ich sei mit diesen Kreaturen im Bunde!
Hastig ziehe ich meinen Dolch. Ein Kampfesschrei untermalt meine Wut, die schlagartig durch meine Adern schiesst. Ich lande einen tödlichen Hieb nach dem andren. Die Kreaturen wehren sich nicht einmal.
Ich ziele nach ihren Hälsen, ihrem Nacken, schlitze ihnen die Bäuche auf und zertrümmere ihre Schädel. Ich bade mich regelrecht in ihrem Blut und dennoch wehren sie sich weiter nicht.
Wehrt Euch verdammt!
Ich werde nur noch wütender. Rasend. Ein Werkzeug des Todes.
Die Speerträger hinter mir wagen es nicht näher zu treten. Es ist nicht einmal mehr notwendig. In meiner blinden Wut habe ich bereits die Gegner von Griesgram und Dunkelhaut eliminiert. Ich leiste die Arbeit von Dreien und vermag es nicht mich zu stoppen.
Ein Signalhorn erklingt. Ich nehme es nicht einmal wahr.
"Die Nordseite bricht ein!", ein letztes Mal blickt Dunkelhaut zu mir. Auch das merke ich nicht. Dann winkt er die Nachhut zu sich und hastet mit ihnen zum Nordwall.
Wehrt Euch! Panik paart sich mit meiner Wut.
Wehrt Euch! Meine Hiebe vermögen es nicht sie dazu zu bewegen.
Wehrt Euch! Ich verliere das Gefühl für die Zeit.
Irgendwann lassen die Wellen nach. Die Kreaturen fliehen. Es sind immer noch tausende, doch sie fürchten den Tag. Erschöpft sinke ich zu Boden.
"Wieso wehrt Ihr Euch nicht?", wispere ich verzweifelt.
Stille kehrt ein. Dann geht die Sonne auf.
To be continued
OOT: Danke Aadieson.
Werd die Farbe des Verlorenen ein wenig aufhellen. Hatte sowohl an meinem TFT, als auch an meinem Röhrie keine Probleme, deswegen dachte ich es wäre ok. Umso mehr danke ich für den Hinweis!
Es ist gut Möglich, dass der Verlorene "Gemeinsamkeiten" mit der Wolfskreatur hat. Natürlich würde ich es an dieser Stelle nie verraten! *gg*
Aber es wird noch in dem gleichen Kapitel "Eine Reise" aufgedeckt werden.
Insgesamt sind Acht Teile geplant, bis das Kapitel sein Ende findet.
Freue mich, dass die Geschichte ein wenig Interesse weckt =)
Diese Menschen gehen mit bemerkenswerter Fassung und Routine vor. Ich suche die Angst in ihren Augen, doch ich finde keine. Eigentlich sollte es mich nicht verwundern. Diese Menschen kämpfen schon seit Jahren. Für sie ist es genau so zum Alltag geworden wie das Melken der Kuh.
Mir wurde das Westtor zugewiesen. Der rothaarige Führer bat meinen Begleiter mit ihm zum Osttor zu kommen. Es war eine freundliche Bitte, doch in Wirklichkeit nur eine reine Sicherheitsmaßnahme. Sie wollten sicher gehen, dass Der Verlorene und ich nicht Seite an Seite waren, wenn die Hölle los brach. Ich kann es ihnen nicht verübeln. An ihrer Stelle hätte ich uns auch nicht getraut.
Die Männer haben sich mit Speeren und Schwertern ausgestattet und auf den Palisadenwällen verteilt. Es verwunderte mich zuerst keine Frauen unter den Kriegern zu sehen, doch dann fiel mir ein, dass Menschen eine eigenartige Form des Stolzes besaßen und eine noch eigenartigere Form der Geschlechtertrennung. Kein Wunder, dass ihre Kriegsaufgebote stets ineffizient waren. Sie brachten ihre Frauen und Kinder nie mit in den Krieg, weil sie von vorne rein damit rechneten verlieren zu können und so erhofften den Erhalt ihrer Rasse zu garantieren. Menschen unter sich mochten auf solche Formen Rücksicht nehmen. In den Augen eines Oroka war es nur naiv und dumm. Hier nahm es gar ein hohes Maß an Absurdität an. Der Feind waren Ungeheuer. Würde die Verteidigung fallen würden auch die andren sterben. Dieses Fort wäre eine eigens gewählte Todesfalle.
Ich blicke mich zu beiden Seiten um. Das Vertrauen der Menschen scheint wirklich gering. Zu meiner Rechten steht der Griesgram. Er blickt nach vorne, doch ich bin mir sicher, dass er öfter prüfend zu mir blickt, wenn ich gerade in Gedanken bin. Zu meiner Linken steht der dunkelhäutige Krieger mit den Stoppelhaaren und verteilt weitere Anweisungen.
Ich verschränke die Arme und blicke nach vorne auf die weite Ebene und die Wälder am Fusse der Berge. Von den Angreifern keine Spur.
"Hier." Der dunkelhäutige ist an mich heran getreten und hält mir einen der Speere entgegen. Ich mustere ihn abfällig mit fragendem Blick. "Wir sitzen im gleichen Boot. Auch Ihr solltet mit uns kämpfen.", erklärt er mit ernster Stimme.
"Dieser Kampf ist der Eure und nicht der meinige!", entgegne ich kühl.
"Also werdet Ihr nur zusehen?!", fragt er ungläubig.
Ich nicke.
Kopfschüttelnd wendet er sich ab und geht auf seine Position. Die Menschen stehen jeweils fünf Schritt voneinander entfernt auf den Palisaden. Vereinzelte Speerträger haben sich in den Gassen dahinter positioniert. Scheinbar rechnen sie damit, dass einige der Angreifer es bis über die Palisaden schaffen könnten.
Die Silhouetten der Berge sind unlängst in schwaches Sonnenlicht getaucht. Die letzten Strahlen brechen sich an ihren Umrissen und ein Teppich aus Schatten schiebt sich rasant über die grasbedeckte Ebene.
Die Nacht bricht an.
- - - - -
Der zunehmende Mond liegt irgendwo hinter dichten Wolken, die nur selten einen Lichtschein hindurch lassen. Die Ebene ist in gänzliches Schwarz getaucht. Man kann anhand des Windes nur erahnen, dass die Grashalme sich wie Wellen des Meeres zu einem lautlosen Takt wiegen. Ab und an sehe ich schattenhafte Gestalten über die Felder huschen. Nur Einbildung. Meine Anspannung spielt mir einen Streich.
Ein unterdrücktes hyänenhaftes Kichern erklingt.
"Sie sind da.", krächzt eine unangenehme Stimme zu meiner Rechten.
Wo? Ich sehe nichts. Ich lausche, doch höre ich nur das stete Blasen des Windes.
"Macht Euch bereit, es geht gleich los!"
Ich spähe angestrengt am Schein der brennenden Fackeln hinaus, um etwas zu erkennen. Neugierig erlaube ich mir an die Palisaden heran zu treten. Dann brechen die Wolken auseinander und tausende in unsre Richtung starrende Augenpaare reflektieren den weissen Mondschein. Es scheint fast so als sei die ganze Ebene voll von Haarigen Kreaturen, die ungeduldig um uns lauern.
Wenn es um das gesamte Fort so ausschaut, dann müssen es an die zwölftausend sein.
"Wieso habt ihr keine Bogenschützen?", ich blicke fragend zu meiner Linken.
"Wir haben es aufgegeben ihre Zahl klein halten zu wollen. Die Menge spielt keine Rolle, so lange es nicht einmal jeder Fünfte von Ihnen über die Palisaden schafft. Ausserdem können sie nicht alle auf einmal kommen. Die letzten Reihen der Ungeheuer kommen gar nicht zum Zug, bis die Sonne auf geht."
"Ist das so?", ich wende meinen Blick wieder nach vorne und im nächsten Augenblick bricht die Horde in hyänenhaftes Gegacker aus. Die felligen Kreaturen mit den großen Gebissen setzen sich in Bewegung.
"Haltet die Speere bereit!", der Ruf wird entlang der Befestigung weitergetragen.
Die Kreaturen scheinen unheimlich agil. Kampfeswut und eine unstillbare Gier blitzen in Ihren weit aufgerissenen Augen auf und die wagemutigsten springen bereits über die speerbesetzten Gruben, um sich mit ihren langen Krallen in die hölzernen Stämme der Palisaden zu graben. Ein wildes Gedrängel herrscht und einzelne Angreifer werden von nachdrängenden Artgenossen in die Gruben gestoßen. Schmerzensschreie erklingen. Das Chaos bricht aus, doch nimmt es dem Angriff nichts von seiner beeindruckenden Ausstrahlung.
Die Ungeheuer, die es schafften an die Palisaden heran zu hechten und nun schneller als erwartet herauf klettern, werden bereits von den spitzen Speeren der Verteidiger erwartet. Es war nicht einmal notwendig den kletternden Fellknäueln einen tödlichen Stoß zu verpassen. Es reichte vollkommen aus, dass sie verwundet herab fielen und bestenfalls noch einige ihrer Artgenossen im Fall mit sich nahmen.
Und obwohl alles für die Menschen so glatt verläuft vermisse ich die Zuversicht in ihren Blicken. Statt dessen sehe ich müde Augen. Ausgelaugte Mienen, die einer blutigen Routine folgen, die sie sich nicht ausgesucht haben. Augen in denen keine Hoffnung liegt, diesen ewigen Kampf je enden zu lassen.
Und tatsächlich Dauert der Kampf Stunden an. Verteidiger stoßen mit ihren Speeren herab, als wären sie Bauern, die die Erde umpflügen. Hieb um Hieb, eine halbe Ewigkeit lang, bis sie abgelöst werden, um sich weiter hinten zu postieren.
Blut spritzt. Todesschreie erklingen. Doch es bietet sich mir ein verzerrtes Bild des Krieges. Keine Leidenschaft brennt in denen, die mit jedem Hieb ein Leben nach dem anderen auslöschen. Kein Kerbholz kann diese Zahlen fassen und doch vermögen die Herzen dieser Menschen mit keinem Stolz gefüllt zu werden.
Ich beobachte und denke. Stunden.
- - - - -
Vier Stunden müssen vergangen sein. Die Nächte zu dieser Jahreszeit hier im Norden sind kurz. Doch nicht für diese Menschen. Es erscheint mir wie eine Ewigkeit und kein Ende in Sicht. Der Sturm der Ungeheuer hält an, mit ungemindertem Nachdruck.
Ohne Reue oder Trauer um ihre Kameraden steigen sie über ihre Kadaver. Goldene Gier liegt in ihren Augen und doch haben sich die Kräfte verlagert.
Es liegt nicht daran, dass die Menschen müder geworden sind. Es ist die bloße Tatsache, dass keine ausgehobenen Gräben mehr existierten. Sie waren bis zum Anschlag und noch weiter mit Kadavern der Ungeheuer gefüllt. Sie bauten sich ihre eigene Rampe aus Leichen ohne sich dessen wirklich bewusst zu sein.
Der Dunkelhäutige hatte sich geirrt. Die Anzahl spielt doch eine Rolle. Gleichzeitig bin ich mir aber sicher, dass er nicht damit gerechnet hatte. Verzweiflung liegt in seinem Blick, während er versucht die Angreifer mit dem Speer abzuwehren, die immer mehr Halt unter den Füssen haben. Einige klettern bereits über die angespitzten Pfähle.
Rechts von mir erklingt ein lauter Fluch. Griesgram hat sich den Speer aus den Händen reissen lassen und zieht hektisch sein Schwert. Zu beiden Seiten hieven sich die kleinen behaarten Ungeheuer hoch und ich bin nicht länger nur Zuschauerin.
Ich löse die Schnalle an meinem Waffengurt und mache meinen Dolch griffbereit. Ächzend und sabbernd drehen sich die ersten Kreaturen zu mir. Ihre Augen weiten sich und starren mich noch größer an als zuvor. Einer der Angreifer weicht gar in Furcht vor mir zurück und überschlägt sich rückwärts, ehe er die tote Rampe herunterpurzelt. Die andren erstarren.
Was hat das zu bedeuten? Wieso greifen sie mich nicht an?
Ich blicke angestrengt zu ihnen. Mache gar einen Schritt auf sie zu. Sie weichen zurück. Zwei weitere fallen rückwärts die Rampe herab und reissen einige ihrer Artgenossen mit sich.
Das kann nicht sein!
Ich blicke mich zu allen Seiten um, um mich zu vergewissern, dass dies keine Einbildung ist. Zu meiner Linken droht der Dunkelhäutige überwältigt zu werden. Mit Mühe erwehrt er sich den langen Krallen der Kreaturen. Hinter mir eilen die Speerträger der hinteren Reihen herbei, um ihre Kameraden zu unterstützen. Zu meiner Rechten wirbelt Griesgram mit dem Schwert um sich und schlitzt gleich zwei der Kreaturen auf, ehe er ungläubig zu mir starrt und das eigenartige Schauspiel wahr nimmt.
Ich muss etwas tun! Wie sieht es aus, wenn ich jetzt nichts tue? Sie werden denken ich sei mit diesen Kreaturen im Bunde!
Hastig ziehe ich meinen Dolch. Ein Kampfesschrei untermalt meine Wut, die schlagartig durch meine Adern schiesst. Ich lande einen tödlichen Hieb nach dem andren. Die Kreaturen wehren sich nicht einmal.
Ich ziele nach ihren Hälsen, ihrem Nacken, schlitze ihnen die Bäuche auf und zertrümmere ihre Schädel. Ich bade mich regelrecht in ihrem Blut und dennoch wehren sie sich weiter nicht.
Wehrt Euch verdammt!
Ich werde nur noch wütender. Rasend. Ein Werkzeug des Todes.
Die Speerträger hinter mir wagen es nicht näher zu treten. Es ist nicht einmal mehr notwendig. In meiner blinden Wut habe ich bereits die Gegner von Griesgram und Dunkelhaut eliminiert. Ich leiste die Arbeit von Dreien und vermag es nicht mich zu stoppen.
Ein Signalhorn erklingt. Ich nehme es nicht einmal wahr.
"Die Nordseite bricht ein!", ein letztes Mal blickt Dunkelhaut zu mir. Auch das merke ich nicht. Dann winkt er die Nachhut zu sich und hastet mit ihnen zum Nordwall.
Wehrt Euch! Panik paart sich mit meiner Wut.
Wehrt Euch! Meine Hiebe vermögen es nicht sie dazu zu bewegen.
Wehrt Euch! Ich verliere das Gefühl für die Zeit.
Irgendwann lassen die Wellen nach. Die Kreaturen fliehen. Es sind immer noch tausende, doch sie fürchten den Tag. Erschöpft sinke ich zu Boden.
"Wieso wehrt Ihr Euch nicht?", wispere ich verzweifelt.
Stille kehrt ein. Dann geht die Sonne auf.
To be continued
OOT: Danke Aadieson.
Werd die Farbe des Verlorenen ein wenig aufhellen. Hatte sowohl an meinem TFT, als auch an meinem Röhrie keine Probleme, deswegen dachte ich es wäre ok. Umso mehr danke ich für den Hinweis!
Es ist gut Möglich, dass der Verlorene "Gemeinsamkeiten" mit der Wolfskreatur hat. Natürlich würde ich es an dieser Stelle nie verraten! *gg*
Aber es wird noch in dem gleichen Kapitel "Eine Reise" aufgedeckt werden.
Insgesamt sind Acht Teile geplant, bis das Kapitel sein Ende findet.
Freue mich, dass die Geschichte ein wenig Interesse weckt =)