09.05.2008, 20:23
Dieser Geschichte voran geht Folgendes:
Stiller Abschied
Ein aufmerksamer Beobachter, irgendwo in den Büschen versteckt, könnte denken es handle sich um ein Deja-vue. Die Frau, die hochaufgerichtet an der Klippe stand. Und doch war etwas anders. Jedoch erst auf den zweiten Blick. Die Dunkle hatte den Blick auf den Horizont gerichtet, ein trauriges Lächeln auf den feinen Gesichtszügen. Ein Lächeln das wirkte, als fühle es sich wohl dort.
Es war nun schon etliche Monde her, dass sie so dort gestanden hatte. Damals war sie kaum mehr, als etwas Haut, gespannt über Knochen. Ausgemerkelt war die Kriegerin gewesen. Von der Zeit die hinter ihr lag. Von der Schwangerschaft. Es war, als habe der Körper bereits aufgegeben, was nur noch der Geiste am Leben hielt. Sie war hier her gekommen um zu sterben. Doch nicht einfach nur das, nein. Um sich zu opfern. Ein Opfer für die große Göttin, die sie verraten hatte. Ein Verrat, der so tief ging, dass sie dieses letzte, endgültige Opfer für das einzig Wahre ansah. Das Messer an Rylarts Kehle. Das Kind, dass sie fortgegeben hatte… Der Verlust der Lebenskraft, des Willens, des Stolzes. Es waren nur kleine Opfer gewesen. In ihren Augen nicht angemessen. Nicht genug. Bei weitem nicht. Sie war gesprungen, hatte ihr Opfer gebracht. Und eine wohlige Dunkelheit, voll von Wärme, hatte sie umschlossen.
Doch der dürre Körper war durch das Wasser, das aus dieser Höhe wie Stahl wirken musste, gedrungen, als wenn es Nichts wäre. Sie hatte Rylart gesehen. Und den Jungen, Talmyn, in den Armen des Sklaven Bjarthur. Sie sah ihre Eltern, ihre Schwester Tulua. Und sie dachte: Sterben ist nicht schlimm. So gleitete sie, gefangen in Impressionen. Erinnerungen. Hierhin und dorthin. Und spürte keinen Schmerz, kein Leid. Keine Traurigkeit.
Doch dann durchstieß sie ein schrecklicher, stechender Schmerz, direkt durch ihre Brust. Und Taliciana spürte noch mehr. Spürte das Blut durch ihre Adern pulsieren, den warmen Sand unter ihren Händen, die Sonne auf dem Gesicht und das Klopfen des Herzes, unter den gebrochenen Rippen. Shilen hatte Talicianas Opfer nicht angenommen. Diese Erkenntnis zauberte ein trauriges Lächeln auf ihr Gesicht. Taliciana wälzte sich auf den Bauch und zog sich langsam an die Wasserkante heran. Wieder war es, als würden mehrere Klingen ihre Brust durchboren. Doch sie genoss den Schmerz formlich. Denn er zeigte ihr, dass sie lebte. Die Dunkle blickte ins Wasser, welches ruhig da lag. Das Gesicht, das ihr entgegenblickte, wirkte fremd. „Talith…“ flüsterte sie und blickte in die einst saphierblauen Augen, welche nun fast schwarz waren, so schwarz, dass der Übergang von Iris zur Pupille beinahe verschwunden war. Das einst schwarze Haar hatte schon lange wieder seine Naturfarbe angenommen, dennoch wirkte das Weiss nun viel heller und leuchtender als zuvor. Die einst dunkelroten Lippen wirkten farblos, obgleich sie trotzt der starken Gewichtsabnahme nichts von ihrer Fülle eingebüßt hatten. Dennoch wirkte das Gesamtbild, dass sich der Dunklen dort bot, als sei sie eine völlig andere Person. Verändert durch Geschehnisse, verändert durch die Zeit. „Talith..“ wiederholte sie. Ein Kosename, den ihre Mutter ihr gegeben hatte. Und das würde sie nun ersteinmal sein. Denn Taliciana war tot. Es war besser, wenn ihre Feinde dies dachten.
Es hatte sich viel in den letzte Monden ereignet. Jene Dunkle trug nun eine unsichtbare Maske mit dem Namen „Talith Faer’Oloth“, eine dunkle Magierin aus reichem Hause. Ayween Faer’Oloth – so hieß die junge Dunkle, eine Anwärtin zur Priesterin Shilens, der sie ihre neue Identität verdankte. Jene war ihrem neuen Erscheinungsbild so ähnlich war, dass niemand daran zweifelte, dass Taliciana ihre ältere Schwester war. Zwischen den beiden Frauen entstand ein Vertrauensverhältnis, ja tiefe Freundschaft. Für Taliciana war es so, als habe sie wirklich ihre jüngere Schwester wiedergefunden.
Doch die Masquerade hielt nicht lang. Sie bröckelte. Zuerst langsam, als sie den Magier Venorik kennenlernte. Sie wollte über ihn erfahren, wie das Hause Renor’Anon zu ihrem Tod stand. Ob sie gesucht worden war. Doch erfahren hatte sie etwas ganz anderes, längst vergessenes… Venorik hatte sofort erkannt, dass die prunkvollen und teuren Gewänder nicht zu Taliciana passten. Er hatte Recht, denn das Hause Zilv’mur’ss war nie reich gewesen und Taliciana fühlte sich in jenen Gewändern nicht wohl. Dies war die erste Veränderung die mit der Dunklen vor sich ging. Die zweite war, dass sich die starken Muskeln nach und nach zurueck bildeten. Taliciana übte verbissen die Kenntnisse der dunklen Magie, doch es wurde immer deutlicher, dass sie einfach keine Magierin war. Als ein vehlgeleiteten magisches Geschoss, das Venorik eigentlich verteidigen sollte, den Magier schwer verletzte, gab Taliciana auf. Zuerst erwarb sie eine günstige Rüstung und einige Wochen später zog sie schließlich fort, trainierte wieder mit den Zwillingsschwertern und bemerkte, dass sie nicht länger Talith Faer’Oloth war. Und es eigentlich nie gewesen. Es brachte nichts, sich selbst etwas vorzumachen. Sowie Venorik. Ayween hatte sie gewarnt. Er gehörte dem Hause an, welches sie am liebsten tot sehen würde. Doch sie schlug die Warnung der Jüngeren in den Wind. Ayween gab nicht auf und es gab einen hässlichen Streit zwischen den beiden Dunklen. Und auch zwischen Taliciana und Venorik kam es beinahe jedes Mal, wenn sie sich sahen, zu schlimmen Auseinandersetzungen. Das tiefe Vertrauen dass sich zwischen ihnen aufgebaut hatte, wurde auf die Probe gestellt und Taliciana begriff: Wie sollte er ihr vertrauen, wenn er noch immer nicht wusste, wer sie wirklich war? Doch Venorik zog seine Schlüsse. Er entsagte dem Glauben an die Göttin Shilen. Jener Göttin, der Taliciana wohlgesonnen sein wollte… Ayween hatte Recht behalten mit ihren Warnungen.
Einige Wochen später brach Taliciana auf. Sie trainierte mehr denn je und verbrachte den Rest ihrer Zeit im Tempel und sprach zu Shilen. Suchte um Rat.
Als sie wiederkam, traf sie in der Taverne auf Ayween und Venorik. Und es endete wie es enden musste. Venorik mache ihr schwere Vorwürfe. „Seit Ihr diese Rüstung tragt, seit Ihr nicht mehr Ihr selbst!“ Sie wollte ihm so gern sagen, dass er Unrecht hatte. Dass sie gerade in dieser schweren Rüstung sie selbst war. Doch sie tat es nicht. Sie wollte ihn nicht verlieren. Doch das hatte sie bereits… Dadurch, dass sie ihm nicht gleich die Wahrheit gesagt hatte. Aber hätte er dann überhaupt noch ein Wort mit ihr gewechselt? Der Feindin seines Hauses. Taliciana Zilv’mur’ss, der Shilenverräterin. Sie wusste es nicht. Doch es war zu spät. Taliciana hatte ihm nicht gesagt. Sie hatte ihm Vorwürfe gemacht, war dann gegangen. Ohne auszusprechen, was ausgesprochen werden musste.
Sie fühlte sich allein, diesen Morgen an der Klippe. Die ersten Vögel hatten bereits begonnen zu singen. Der Blick der Dunklen ruhte auf dem Horizont. „Taliciana Zilv’mur’ss“ murmelte sie, „die letzte Tochter eines zerfallenen Hauses… der letzte vergessene Schatten…“ Sie war nicht Talith Faer’Oloth. Und sie würde es nicht länger sein. Die Sonne zog hinter dem Horizont empor und verlier der Linie ein mystisches Leuchten. Doch jenes währte nur einen Augenblick. Dann blitzte die Linie kurz auf. Beinahe wie ein stilles Zugeständnis, bevor sich die Sonne endlich an den Himmel empor schlich. Taliciana schloss die Augen. Das Lächeln auf ihrem Gesicht hatte sich verändert. Es war nicht länger traurig, sondern nun eher dankbar. Langsam nickte sie, die Lippen formten ein lautloses Wort: „Xas…“ Dann öffnete sie die Lider wieder und eine Träne funkelte verstohlen in jedem der nachtschwarzen Augen. Noch einmal nickte sie und wandte sich schließlich langsam herum, den Blick auf den Tempel gerichtet. Wenn Shilen diesen Weg für sie vorbestimmt hatte, würde sie ihn gehen…
Stiller Abschied
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Ein aufmerksamer Beobachter, irgendwo in den Büschen versteckt, könnte denken es handle sich um ein Deja-vue. Die Frau, die hochaufgerichtet an der Klippe stand. Und doch war etwas anders. Jedoch erst auf den zweiten Blick. Die Dunkle hatte den Blick auf den Horizont gerichtet, ein trauriges Lächeln auf den feinen Gesichtszügen. Ein Lächeln das wirkte, als fühle es sich wohl dort.
Es war nun schon etliche Monde her, dass sie so dort gestanden hatte. Damals war sie kaum mehr, als etwas Haut, gespannt über Knochen. Ausgemerkelt war die Kriegerin gewesen. Von der Zeit die hinter ihr lag. Von der Schwangerschaft. Es war, als habe der Körper bereits aufgegeben, was nur noch der Geiste am Leben hielt. Sie war hier her gekommen um zu sterben. Doch nicht einfach nur das, nein. Um sich zu opfern. Ein Opfer für die große Göttin, die sie verraten hatte. Ein Verrat, der so tief ging, dass sie dieses letzte, endgültige Opfer für das einzig Wahre ansah. Das Messer an Rylarts Kehle. Das Kind, dass sie fortgegeben hatte… Der Verlust der Lebenskraft, des Willens, des Stolzes. Es waren nur kleine Opfer gewesen. In ihren Augen nicht angemessen. Nicht genug. Bei weitem nicht. Sie war gesprungen, hatte ihr Opfer gebracht. Und eine wohlige Dunkelheit, voll von Wärme, hatte sie umschlossen.
Doch der dürre Körper war durch das Wasser, das aus dieser Höhe wie Stahl wirken musste, gedrungen, als wenn es Nichts wäre. Sie hatte Rylart gesehen. Und den Jungen, Talmyn, in den Armen des Sklaven Bjarthur. Sie sah ihre Eltern, ihre Schwester Tulua. Und sie dachte: Sterben ist nicht schlimm. So gleitete sie, gefangen in Impressionen. Erinnerungen. Hierhin und dorthin. Und spürte keinen Schmerz, kein Leid. Keine Traurigkeit.
Doch dann durchstieß sie ein schrecklicher, stechender Schmerz, direkt durch ihre Brust. Und Taliciana spürte noch mehr. Spürte das Blut durch ihre Adern pulsieren, den warmen Sand unter ihren Händen, die Sonne auf dem Gesicht und das Klopfen des Herzes, unter den gebrochenen Rippen. Shilen hatte Talicianas Opfer nicht angenommen. Diese Erkenntnis zauberte ein trauriges Lächeln auf ihr Gesicht. Taliciana wälzte sich auf den Bauch und zog sich langsam an die Wasserkante heran. Wieder war es, als würden mehrere Klingen ihre Brust durchboren. Doch sie genoss den Schmerz formlich. Denn er zeigte ihr, dass sie lebte. Die Dunkle blickte ins Wasser, welches ruhig da lag. Das Gesicht, das ihr entgegenblickte, wirkte fremd. „Talith…“ flüsterte sie und blickte in die einst saphierblauen Augen, welche nun fast schwarz waren, so schwarz, dass der Übergang von Iris zur Pupille beinahe verschwunden war. Das einst schwarze Haar hatte schon lange wieder seine Naturfarbe angenommen, dennoch wirkte das Weiss nun viel heller und leuchtender als zuvor. Die einst dunkelroten Lippen wirkten farblos, obgleich sie trotzt der starken Gewichtsabnahme nichts von ihrer Fülle eingebüßt hatten. Dennoch wirkte das Gesamtbild, dass sich der Dunklen dort bot, als sei sie eine völlig andere Person. Verändert durch Geschehnisse, verändert durch die Zeit. „Talith..“ wiederholte sie. Ein Kosename, den ihre Mutter ihr gegeben hatte. Und das würde sie nun ersteinmal sein. Denn Taliciana war tot. Es war besser, wenn ihre Feinde dies dachten.
Es hatte sich viel in den letzte Monden ereignet. Jene Dunkle trug nun eine unsichtbare Maske mit dem Namen „Talith Faer’Oloth“, eine dunkle Magierin aus reichem Hause. Ayween Faer’Oloth – so hieß die junge Dunkle, eine Anwärtin zur Priesterin Shilens, der sie ihre neue Identität verdankte. Jene war ihrem neuen Erscheinungsbild so ähnlich war, dass niemand daran zweifelte, dass Taliciana ihre ältere Schwester war. Zwischen den beiden Frauen entstand ein Vertrauensverhältnis, ja tiefe Freundschaft. Für Taliciana war es so, als habe sie wirklich ihre jüngere Schwester wiedergefunden.
Doch die Masquerade hielt nicht lang. Sie bröckelte. Zuerst langsam, als sie den Magier Venorik kennenlernte. Sie wollte über ihn erfahren, wie das Hause Renor’Anon zu ihrem Tod stand. Ob sie gesucht worden war. Doch erfahren hatte sie etwas ganz anderes, längst vergessenes… Venorik hatte sofort erkannt, dass die prunkvollen und teuren Gewänder nicht zu Taliciana passten. Er hatte Recht, denn das Hause Zilv’mur’ss war nie reich gewesen und Taliciana fühlte sich in jenen Gewändern nicht wohl. Dies war die erste Veränderung die mit der Dunklen vor sich ging. Die zweite war, dass sich die starken Muskeln nach und nach zurueck bildeten. Taliciana übte verbissen die Kenntnisse der dunklen Magie, doch es wurde immer deutlicher, dass sie einfach keine Magierin war. Als ein vehlgeleiteten magisches Geschoss, das Venorik eigentlich verteidigen sollte, den Magier schwer verletzte, gab Taliciana auf. Zuerst erwarb sie eine günstige Rüstung und einige Wochen später zog sie schließlich fort, trainierte wieder mit den Zwillingsschwertern und bemerkte, dass sie nicht länger Talith Faer’Oloth war. Und es eigentlich nie gewesen. Es brachte nichts, sich selbst etwas vorzumachen. Sowie Venorik. Ayween hatte sie gewarnt. Er gehörte dem Hause an, welches sie am liebsten tot sehen würde. Doch sie schlug die Warnung der Jüngeren in den Wind. Ayween gab nicht auf und es gab einen hässlichen Streit zwischen den beiden Dunklen. Und auch zwischen Taliciana und Venorik kam es beinahe jedes Mal, wenn sie sich sahen, zu schlimmen Auseinandersetzungen. Das tiefe Vertrauen dass sich zwischen ihnen aufgebaut hatte, wurde auf die Probe gestellt und Taliciana begriff: Wie sollte er ihr vertrauen, wenn er noch immer nicht wusste, wer sie wirklich war? Doch Venorik zog seine Schlüsse. Er entsagte dem Glauben an die Göttin Shilen. Jener Göttin, der Taliciana wohlgesonnen sein wollte… Ayween hatte Recht behalten mit ihren Warnungen.
Einige Wochen später brach Taliciana auf. Sie trainierte mehr denn je und verbrachte den Rest ihrer Zeit im Tempel und sprach zu Shilen. Suchte um Rat.
Als sie wiederkam, traf sie in der Taverne auf Ayween und Venorik. Und es endete wie es enden musste. Venorik mache ihr schwere Vorwürfe. „Seit Ihr diese Rüstung tragt, seit Ihr nicht mehr Ihr selbst!“ Sie wollte ihm so gern sagen, dass er Unrecht hatte. Dass sie gerade in dieser schweren Rüstung sie selbst war. Doch sie tat es nicht. Sie wollte ihn nicht verlieren. Doch das hatte sie bereits… Dadurch, dass sie ihm nicht gleich die Wahrheit gesagt hatte. Aber hätte er dann überhaupt noch ein Wort mit ihr gewechselt? Der Feindin seines Hauses. Taliciana Zilv’mur’ss, der Shilenverräterin. Sie wusste es nicht. Doch es war zu spät. Taliciana hatte ihm nicht gesagt. Sie hatte ihm Vorwürfe gemacht, war dann gegangen. Ohne auszusprechen, was ausgesprochen werden musste.
Sie fühlte sich allein, diesen Morgen an der Klippe. Die ersten Vögel hatten bereits begonnen zu singen. Der Blick der Dunklen ruhte auf dem Horizont. „Taliciana Zilv’mur’ss“ murmelte sie, „die letzte Tochter eines zerfallenen Hauses… der letzte vergessene Schatten…“ Sie war nicht Talith Faer’Oloth. Und sie würde es nicht länger sein. Die Sonne zog hinter dem Horizont empor und verlier der Linie ein mystisches Leuchten. Doch jenes währte nur einen Augenblick. Dann blitzte die Linie kurz auf. Beinahe wie ein stilles Zugeständnis, bevor sich die Sonne endlich an den Himmel empor schlich. Taliciana schloss die Augen. Das Lächeln auf ihrem Gesicht hatte sich verändert. Es war nicht länger traurig, sondern nun eher dankbar. Langsam nickte sie, die Lippen formten ein lautloses Wort: „Xas…“ Dann öffnete sie die Lider wieder und eine Träne funkelte verstohlen in jedem der nachtschwarzen Augen. Noch einmal nickte sie und wandte sich schließlich langsam herum, den Blick auf den Tempel gerichtet. Wenn Shilen diesen Weg für sie vorbestimmt hatte, würde sie ihn gehen…