17.06.2008, 16:51
12: Das Zeugnis des Vertrauens
Benji erntete einen überraschten Blick der dunkelelfischen Torwächterin als er selbstsicher neben ihr erschien. Seine Kluft war dunkel und er trug offen ein Ritterschwert, welches auf seinem Rücken befestigt war. Kein Umhang verbarg seine Gestalt, leichte Platten ließen seine Schultern breiter wirken und seine Hände waren in dicken Handschuhen versteckt. Sein Haar hatte er zu einem Zopf gebunden, der verfranzt auf der linken Schulter lag. Es wirkte viel dunkler, beinah grünlich und hatte einen metallischen Schimmer ~ das Ergebnis von Graubarts Geheimtinktur mit der er eigentlich seinen Bart einfärbte.
Die gesamte Aufmachung wirkte grob und zwergisch, aber Zweckmäßig. Mit einem übertrieben lässigem Gang stiefelte Benji durch die dunkelelfischen Gassen, jeder Schritt von ihm war deutlich zu hören, er gab sich wirklich mühe nicht mehr so leichtfüßig wie sonst über den Boden zu gleiten, eher wie ein Söldner der zu viel Eisen in den Schuhen hatte ~ was beinah der Wahrheit entsprach: Benjis Schuhe hatten Metallkappen und die Schuhsohle war höher als sonst, ebenfalls aus Metall. Das machte ihn um eine Daumenlänge größer.
„Du biast doch Schauspieler, nutz‘ des doch einfoach.“, Graubart hielt Benji seinen Aushang in dem er Gaukler und Künstler suchte vor die Nase. „Ick geb‘ dir auch ne Vakleidung.“
Benji legte nachdenklich seine Hand ans Kinn: „Wenn ich nicht überzeugend bin, wird das ‚Publikum‘ aber nicht nur mit Tomaten werfen.“ Schlimmer noch, er würde wohl nie lebend aus der Stadt der Dunklen herauskommen.
„‘Ne bessre Feurprob‘ wirste ned bekomm’n. Wenn du die Überzeugen tust, kannst auch auf der Bühn‘ jeden überzeugn.“ Graubart öffnete bereits seine persönliche Schatzkammer und suchte eine Söldnerrüstung zusammen.
Benji musterte die Rüstungsteile skeptisch, aber was sollte man schon gegen den Dickkopf eines Zwerges machen? „Und die Narbe? Da wird mich doch trotzdem jeder erkennen.“
„Des machma schon.“, klang es dumpf aus der Schatzkammer und Graubart holte ein paar Phiolen aus seiner Alchemiesammlung, darunter auch das Haarfärbemittel. „Doa tun wir einfoach wos druff tun, die werdn dich ned erkenn. Der Rest ist Schauspielgeschick von dir, junger Bursch‘“
Benji erinnerte sich noch sehr gut an den brennenden Schmerz in seinem Gesicht, zum Glück war die äußerliche Missbildung nicht von dauerhafter Natur, ihm blieb nur noch dieser Tag, bis er wieder wie vorher aussehen würde. Hoffentlich lief er so nicht Galenya über den Weg, die würde schreiend davonrennen oder ihn für einen Halbork halten und ihn töten.
Der Gedanke an sie gab ihm neue Kraft. Er musste zuerst alle Aufgaben bewältigen um an das Zeugnis des Vertrauens zu gelangen. Langsam hegte er einen Gewissen Groll gegen Terry der ihn herum scheuchte. Doch ohne dieses Schreiben würde er nie an die Geheimnisse der Schatzsucher gelangen.
Begleitet von einem metallischen Klang bei jedem Schritt steuerte Benji zielstrebig auf den kleinen Shilen Tempel der Stadt zu. Er wusste ganz genau, dass es außerhalb einen viel größeren und mächtigeren Tempel gab, aber dort musste er zum Glück nicht hin. Eine der Tempelwachen hielt ihn auf und musterte ihn skeptisch. Der durchtrainierte Dunkelelf fragte mit grimmigem Blick: „Was wollt ihr hier, rivvil? Euch ist der Zutritt um Tempel nicht gestattet!“
Benji grinste überheblich und antwortete mit einer heiser klingenden, rauhen Stimme: „Ich soll hier im Auftrag von dem Priester Hollint aus Oren meine Hilfe anbieten, das Vertrauen vom Tetrarch gewinnen, aber das kennt ihr sicher schon. Beinah jedes Rundohr bekommt diesen Auftrag.“, mit einem Augenzwinkern schob er sich an der Tempelwache vorbei und betrat den Tempel.
Er legte zwei Finger an seine Stirn zum Gruß und sprach direktmit den Tetrarchen. Dieser rümpfte die Nase, das Schmieröl und die feine Erde, welche Benjis Haut den restlichen Söldnertouch geben sollten rochen nicht besonders gut. Dennoch blieb der Vorsteher des Tempels freundlich, besonders als Benji ihm das Schreiben von Hollint vor die Nase hielt. Tetrarch Thifiel entsandte Benji nach Dion in die Dunkelelfengilde zu Meister Clayton.
Dieser wollte den dreckigen Söldner, der da vor ihm erschien und die Hässlichkeit in Person war schnell wieder loswerden und so sandte er Benji an unterschiedliche Orte, damit dieser ein paar Kreaturen für ihn erlegte und ihre Essenzen zu ihm zurückbrachte. Die Verwünschungen gegenüber den Menschen ignorierte Benji gewissenhaft, der Söldner den er spielte war nicht besonders intelligent und verstand die Beleidigungen nicht einmal. So konnte Benji Konflikten aus dem Weg gehen und beantwortete das alles nur mit einem dämlichen Grinsen.
Nach einigen Stunden erfolgreicher Jagd wurde er von Clayton auch wieder zurück zum Tetrarchen gesandt, welcher ihm dafür dankte, dass mit diesen Essenzen ein von Menschen gebannter Dunkler wieder freikommen könnte. Angedeutet hatte er dies schon vorher, aber Benji zuckte nur mit den Schultern und nahm das Schreiben an Hollint entgegen, welches der Tetrarch ihm aushändigte. Benji konnte sich keine Gedanken um die Machenschaften der Dunklen machen, es war allerhöchste Zeit hier zu verschwinden ~ die Wirkung des Hässlichkeitselixieres würde bald nachlassen. Dann durfte er nicht mehr hier sein.
Benji schlurfte gerade wieder aus dem Tempel, als er am Ende der ewiglangen Treppe eine seltsame Person entdeckte. Sie war mit dem Rücken zu ihm gewandt und schien in einem Buch vertieft zu sein. Ihr Lieblingsplatz am Mahnmal Shilens. Er ging weiter, wollte sich nichts anmerken lassen. Jedoch war sein Blick wie gebannt. Hier stimmte etwas nicht.
Was zum Henker machte Viridis hier?
Benji musste sich nun stark konzentrieren nicht aus seiner Rolle zu fallen und schlurfte weiter die Treppenstufen hinunter, der Blick der Tempelwache bohrte sich in seinen Rücken. Der Templer würde nicht zulassen das Benji irgendwo anders als zur Torwächterin ging. Aber war er denn so blind die Elfe inmitten der Stadt der Dunklen zu übersehen?
Als Benji an ihr vorbeiging hob sie den Kopf, dass metallende Geräusch bei jedem seiner Schritte nervte sie. Verärgert blickte sie den ihr unbekannten Söldner an. Neben ihr saß ein Menschenjunge, ihr Sklave. Benji spürte seinen Dolch in seinem Stiefel deutlich, er wollte in seine Hand. Wollte sie töten, hier und jetzt. Damit alles ein Ende hatte.
Das war nicht Viridis, es war seine Jabress, die ihm noch immer als die Elfe erschien. Scheinbar ein Zauber der in seinem Kopf verankert war, denn wie sollte sie wissen das er hier war? Das der Menschenjunge, welcher auf den Namen Kestal hörte bei ihr war, verriet sie ~ alle Erinnerungen an Benjis Gefangenschaft waren mit einem Schlag so klar, er hätte danach greifen können.
Benji zwang sich weiterzugehen, er wandte den Blick von der Scheinelfe und dem Menschenjungen ab und steuerte auf die Torwächterin zu. Heute war nicht der Tag um es zu beenden, nicht hier. Das wäre auch sein Ende gewesen. Galenya…
Am nächsten Tag war Benji wieder ganz er selbst, auch äußerlich. Allerdings war er bereits wieder auf fremden Boden: Dem Orkland. Laut Hollint musste er dem Anführer der Orks, Kakai, einen Besuch abstatten um auch sein Vertrauen zu gewinnen. Benji hatte die Kapuze nicht auf dem Kopf und endlich auch wieder seine Haare geschnitten. Er wollte den Orks keinen Grund geben misstrauisch zu werden, so versuchte er möglichst unauffällig zu wirken: Kein verstecken unter der Kapuze, kein zugeschnürter Mantel.
Die Heimat der Orks, von hier kamen die Angreifer Runes. Benji war alles andere als wohl zumute. Hatte er bei den Dunkelelfen noch Angst und Bange wegen seiner ehemaligen Jabress, war es hier der Gestank des Kampfes der seine Sinne benebelte. Orks bedeuteten Krieg und Benji war nur ein kleiner Fisch, den eine Grünhaut mit dem kleinen Finger zerquetschen vermochte.
In gebrochenem orkisch versuchte Benji den Wachen am Eingang des großen Gebäudes zu verstehen zu geben, dass er ohne böse Absicht gekommen war. Das Schreiben Hollints war ihm keine Hilfe, konnten sie doch das menschliche Gekritzel des Einhasad-Priesters nicht entziffern. Die beiden Wachposten unterhielten sich aber scheinbar auch gar nicht über seine Worte, dass er mit Kakai sprechen müsste: Einer der beiden deutete auf die Narbe in Benjis Gesicht und plapperte dabei aufgeregt auf den Anderen ein. Dieser wiederum schüttelte mit dem Kopf und begann Benji mit der Spitze seines Speeres zu pieken, während er um ihn herumlief und ihn skeptisch begutachtete.
Benji hob die Hände, um verstehen zu geben das er weder bewaffnet war, noch irgendwelche anderen versteckten Absichten hatte. Warum waren die Beiden nur so aufgeregt? Sicher war es nicht die klügste Idee eines Menschen einfach so zu den Orks zu spazieren und ausgerechnet nach Kakai zu fragen. Aber irgendetwas schien an ihm anders zu sein.
Der Wachposten mit dem Speer zog Benji an den Haaren und musterte diese skeptisch, ohne diese loszulassen trottete er los, in das Gebäude hinein. Mit einem Schmerzenslaut griff Benji in sein Haar: „He, loslassen!“, jaulte er beinahe und stolperte dem Ork hinterher. Dieser marschierte einfach weiter, die Schräge hinauf bis zum Thronsaal Kakais. Dort angekommen schleuderte er Benji vor die Füße des orkischen Anführers und erzähle ihm mindestens so aufgeregt wie zuvor sein Kumpane von der Entdeckung.
Währenddessen stand Benji wieder auf und klopfte sich den Staub von der Hose, versuchte irgendein Wort zu verstehen, aber die Aussprache des Wachsoldaten war weitaus schlimmer als eine unleserliche Handschrift eines Orken. Benji fand außerdem das der Wachposten ganz schön nuschelte, was vielleicht auch an den fehlenden Zähnen liegen konnte. Also wartete Benji ab, blickte dabei zwischen Kakai und dem Ork hin und her. Der Flammenfürst sagte vorerst aber nichts, hörte seinem Soldaten zu.
Nachdem dieser aber endlich fertig war, blickte Kakai auf Benji herab. Sein Blick durchbohrte ihn beinah. Benji erwiederte diesen Blick und schaute nicht weg. Es war ein stummes Wetstarren, Benji war nicht bereit nachzugeben. Ihm stand bereits Schweiß auf der Stirn, als Kakai sich endlich rührte und zu sprechen begann: „Thok, er ist es nicht. Aber er hat einen ebensolch starken Willen.“ Die Worte in Handelssprache waren wohl mehr an den Wachmann gerichtet, doch Kakai fuhr fort, dieses mal zu Benji: „Ich gebe dir ein Amulett mit, bringe es zu Manakia in Giran, er wird dich prüfen. Und nun geh, Mensch!“ Die letzten Worte waren mehr eine Drohung denn einer Bitte.
Benji nickte verstehend, nahm das Amulett mit den orkischen Runen entgegen und verschwand eiligst. Auch wenn er nicht verstand um wen oder was es hier ging, so wollte er das ganze auch nicht ausreizen. Umso schneller er diese Aufgabe erledigt hatte, umso eher erhielt er das Zeugnis des Vertrauens.
Die orkische Torwächterin musterte ihn mit einer verspielten Neugier, ehe sie ihn nach Giran sandte. Irgendwie waren diese Orks seltsam… und es wurde noch schlimmer. Der Schamane Manakia in Giran schenkte Benji etwa den gleichen durchdringenden Blick wie es zuvor Kakai tat. Er sprach nicht viel, dachte scheinbar über das Auftauchen Benjis nach und über irgendetwas, dass er mit ihm verband. Aber auch er sprach nicht aus was er dachte. Stattdessen entsandte er Benji in den Todespass um Wildschweine zu erlegen, in dessen Körpern sich Totems befanden.
Benji dachte immer wieder daran, dass er für so etwas keine Zeit hatte. Galenya wartete in Rune auf ihn und er jagte Wildchweine. Die Keiler waren starke Gegner, besonders durch ihre Größe. Aber Benji war geschickt und unter Einsatz von Akrobatik konnte er seinen Dolch oft genug zwischen die Augen der Biester rammen ohne von ihren Hauern erfasst zu werden. Einen halben Tag später erschien er wieder bei Manakia, der mit einem Anflug von Überraschung den Sack mit den zehn Totems entgegen nahm. „Du bist ein schneller Jäger. Hier ist noch ein Amulett. Bringe es Kakai und er wird sich erkenntlich zeigen.“ Ein nachdenklicher Blick Manakias folgte Benji die Straße herab als er sich erneut zum Orkdorf aufmachte.
Kakai konnte kaum glauben, dass Benji es geschafft hatte. Mürrisch gab er ihm jedoch das Schreiben für Hollint und verwies ihn darauf, dass er sich als nächstes bei den Zwergen einen Namen machen musste. Aber das war nun wirklich die leichteste Aufgabe. Etwas besser gelaunt ließ sich Benji von der Torwächterin direkt in die Zwergenheimat teleportieren.
Durch den Kontakt zum alten Graubart kannte ihn der ein oder andere Zwerg hier bereits und so war Benji auch schnell wieder verschwunden ~ mit einer neuen Aufgabe. Diese führte ihn in den Cruma Turm, er sollte ganz bestimmte Steine aus den wandernden Felsen namens Porta holen.
Wenig später war Benji von dreien dieser Monster umzingelt: „Mit einem Dolch gegen Steinwesen, ich hatte schon mal bessere Ideen.“, schalt Benji sich selbst und sprang über einen der wandelnden Felsmassen, um Abstand zu gewinnen. Einholen würden diese langsamen Kreaturen ihn sowieso nie… da blitzte ein blauer Kreis um ihn auf, als hätte er eine Fluchtrolle gebrochen und wenig später war er in bläuliches Licht gehüllt. „Was zum Henker…“, konnte er gerade noch aussprechen als er sich an einem anderen Ort wiederfand.
Direkt vor den Steinwesen!
Diese Kreaturen hatten scheinbar die Eigenschaft ihre flüchtende Beute wieder zu sich zu teleportieren und machten davon auch häufig gebrauch. Benji wurde schon ganz schwindelig, als er dann auch noch einen Schlag abbekam hatte er völlig die Orientierung verloren. Instinktiv versenkte er den Dolch in den glimmenden Augenhöhlen der Portas, seine Rettung. Sie zerfielen und gaben das Preis, wonach die Zwerge für ihre Konstruktion gesucht hatten.
„Jetzt weiß ich auch, warum diese Dinger Porta heißen.“, grummelte Benji als er die Portsteine übergab und sich einen Eisbeutel an den Kopf hielt. Dieser dröhnte und schmerzte, aber das wäre morgen wieder vorbei erklärten ihm die Zwerge.
Bis morgen wollte Benji aber nicht warten, er eilte zurück zu Hollint und übergab ihm nun auch die Schriften der Orks und Zwerge. Hollint nickte zufrieden: „Nun noch eine Reise. Du musst zurück in deine Heimat und dort zum Hohepriester im Einhasad Tempel, er wird dir das Zeugnis ausstellen.“
Benji seufzte. Er war völlig erledigt und ein Blick in seinen sehr schmal gewordenen Geldbeutel zeigte ihm nur was er sowieso schon vermutet hatte: Er war quasi pleite. Das viele teleportieren während der gesamten Suche vom Siegel des Suchers bis zum Zeugnis des Vertrauens hatte all seine Reserven verbraucht. Er würde es gerade noch von der Insel wieder zurück nach Rune zu Galenya schaffen. Danach war vielleicht noch für ein Essen Geld da.
Benji hatte die Hände in den Hosentaschen, als er endlich den Einhasad Tempel auf der Insel betrat. Der Hohepriester kannte Benji noch sehr gut, er hatte ihm damals versucht Anstand beizubringen. Bis auf die Kunst des Schreibens war davon aber nie etwas hängen geblieben. Der rothaarige Junge von damals war allerdings zu einem stattlichen jungen Mann herangewachsen, was er ihm auch gleich auf die Nase binden musste.
„Scheint, als wäre aus dir doch noch etwas geworden. Ich hörte du hast das Vertrauen der Völker für dich gewinnen können. Dafür hast du dir das hier redlich verdient.“ Benji nahm das Zeugnis des Vertrauens entgegen, hob den Blick aber nicht. Er konnte seinem alten Lehrmeister einfach nicht in die Augen sehen. Nicht jetzt wo er ein Mörder war. Benji hätte nie gedacht, dass er ihm gegenüber so ein schlechtes Gewissen haben könnte.
„Irgendwas bedrückt dich doch, mein Junge. Vielleicht solltest du den singenden Wasserfällen einen Besuch abstatten. Dort wo wir dich fanden.“, der Hohepriester legte väterlich seine Hand auf Benjis Schulter. Dieser nickte dazu, warum war er eigentlich nicht selbst darauf gekommen?
Dorthin noch, aber danach sofort nach Rune.
Benji erntete einen überraschten Blick der dunkelelfischen Torwächterin als er selbstsicher neben ihr erschien. Seine Kluft war dunkel und er trug offen ein Ritterschwert, welches auf seinem Rücken befestigt war. Kein Umhang verbarg seine Gestalt, leichte Platten ließen seine Schultern breiter wirken und seine Hände waren in dicken Handschuhen versteckt. Sein Haar hatte er zu einem Zopf gebunden, der verfranzt auf der linken Schulter lag. Es wirkte viel dunkler, beinah grünlich und hatte einen metallischen Schimmer ~ das Ergebnis von Graubarts Geheimtinktur mit der er eigentlich seinen Bart einfärbte.
Die gesamte Aufmachung wirkte grob und zwergisch, aber Zweckmäßig. Mit einem übertrieben lässigem Gang stiefelte Benji durch die dunkelelfischen Gassen, jeder Schritt von ihm war deutlich zu hören, er gab sich wirklich mühe nicht mehr so leichtfüßig wie sonst über den Boden zu gleiten, eher wie ein Söldner der zu viel Eisen in den Schuhen hatte ~ was beinah der Wahrheit entsprach: Benjis Schuhe hatten Metallkappen und die Schuhsohle war höher als sonst, ebenfalls aus Metall. Das machte ihn um eine Daumenlänge größer.
„Du biast doch Schauspieler, nutz‘ des doch einfoach.“, Graubart hielt Benji seinen Aushang in dem er Gaukler und Künstler suchte vor die Nase. „Ick geb‘ dir auch ne Vakleidung.“
Benji legte nachdenklich seine Hand ans Kinn: „Wenn ich nicht überzeugend bin, wird das ‚Publikum‘ aber nicht nur mit Tomaten werfen.“ Schlimmer noch, er würde wohl nie lebend aus der Stadt der Dunklen herauskommen.
„‘Ne bessre Feurprob‘ wirste ned bekomm’n. Wenn du die Überzeugen tust, kannst auch auf der Bühn‘ jeden überzeugn.“ Graubart öffnete bereits seine persönliche Schatzkammer und suchte eine Söldnerrüstung zusammen.
Benji musterte die Rüstungsteile skeptisch, aber was sollte man schon gegen den Dickkopf eines Zwerges machen? „Und die Narbe? Da wird mich doch trotzdem jeder erkennen.“
„Des machma schon.“, klang es dumpf aus der Schatzkammer und Graubart holte ein paar Phiolen aus seiner Alchemiesammlung, darunter auch das Haarfärbemittel. „Doa tun wir einfoach wos druff tun, die werdn dich ned erkenn. Der Rest ist Schauspielgeschick von dir, junger Bursch‘“
Benji erinnerte sich noch sehr gut an den brennenden Schmerz in seinem Gesicht, zum Glück war die äußerliche Missbildung nicht von dauerhafter Natur, ihm blieb nur noch dieser Tag, bis er wieder wie vorher aussehen würde. Hoffentlich lief er so nicht Galenya über den Weg, die würde schreiend davonrennen oder ihn für einen Halbork halten und ihn töten.
Der Gedanke an sie gab ihm neue Kraft. Er musste zuerst alle Aufgaben bewältigen um an das Zeugnis des Vertrauens zu gelangen. Langsam hegte er einen Gewissen Groll gegen Terry der ihn herum scheuchte. Doch ohne dieses Schreiben würde er nie an die Geheimnisse der Schatzsucher gelangen.
Begleitet von einem metallischen Klang bei jedem Schritt steuerte Benji zielstrebig auf den kleinen Shilen Tempel der Stadt zu. Er wusste ganz genau, dass es außerhalb einen viel größeren und mächtigeren Tempel gab, aber dort musste er zum Glück nicht hin. Eine der Tempelwachen hielt ihn auf und musterte ihn skeptisch. Der durchtrainierte Dunkelelf fragte mit grimmigem Blick: „Was wollt ihr hier, rivvil? Euch ist der Zutritt um Tempel nicht gestattet!“
Benji grinste überheblich und antwortete mit einer heiser klingenden, rauhen Stimme: „Ich soll hier im Auftrag von dem Priester Hollint aus Oren meine Hilfe anbieten, das Vertrauen vom Tetrarch gewinnen, aber das kennt ihr sicher schon. Beinah jedes Rundohr bekommt diesen Auftrag.“, mit einem Augenzwinkern schob er sich an der Tempelwache vorbei und betrat den Tempel.
Er legte zwei Finger an seine Stirn zum Gruß und sprach direktmit den Tetrarchen. Dieser rümpfte die Nase, das Schmieröl und die feine Erde, welche Benjis Haut den restlichen Söldnertouch geben sollten rochen nicht besonders gut. Dennoch blieb der Vorsteher des Tempels freundlich, besonders als Benji ihm das Schreiben von Hollint vor die Nase hielt. Tetrarch Thifiel entsandte Benji nach Dion in die Dunkelelfengilde zu Meister Clayton.
Dieser wollte den dreckigen Söldner, der da vor ihm erschien und die Hässlichkeit in Person war schnell wieder loswerden und so sandte er Benji an unterschiedliche Orte, damit dieser ein paar Kreaturen für ihn erlegte und ihre Essenzen zu ihm zurückbrachte. Die Verwünschungen gegenüber den Menschen ignorierte Benji gewissenhaft, der Söldner den er spielte war nicht besonders intelligent und verstand die Beleidigungen nicht einmal. So konnte Benji Konflikten aus dem Weg gehen und beantwortete das alles nur mit einem dämlichen Grinsen.
Nach einigen Stunden erfolgreicher Jagd wurde er von Clayton auch wieder zurück zum Tetrarchen gesandt, welcher ihm dafür dankte, dass mit diesen Essenzen ein von Menschen gebannter Dunkler wieder freikommen könnte. Angedeutet hatte er dies schon vorher, aber Benji zuckte nur mit den Schultern und nahm das Schreiben an Hollint entgegen, welches der Tetrarch ihm aushändigte. Benji konnte sich keine Gedanken um die Machenschaften der Dunklen machen, es war allerhöchste Zeit hier zu verschwinden ~ die Wirkung des Hässlichkeitselixieres würde bald nachlassen. Dann durfte er nicht mehr hier sein.
Benji schlurfte gerade wieder aus dem Tempel, als er am Ende der ewiglangen Treppe eine seltsame Person entdeckte. Sie war mit dem Rücken zu ihm gewandt und schien in einem Buch vertieft zu sein. Ihr Lieblingsplatz am Mahnmal Shilens. Er ging weiter, wollte sich nichts anmerken lassen. Jedoch war sein Blick wie gebannt. Hier stimmte etwas nicht.
Was zum Henker machte Viridis hier?
Benji musste sich nun stark konzentrieren nicht aus seiner Rolle zu fallen und schlurfte weiter die Treppenstufen hinunter, der Blick der Tempelwache bohrte sich in seinen Rücken. Der Templer würde nicht zulassen das Benji irgendwo anders als zur Torwächterin ging. Aber war er denn so blind die Elfe inmitten der Stadt der Dunklen zu übersehen?
Als Benji an ihr vorbeiging hob sie den Kopf, dass metallende Geräusch bei jedem seiner Schritte nervte sie. Verärgert blickte sie den ihr unbekannten Söldner an. Neben ihr saß ein Menschenjunge, ihr Sklave. Benji spürte seinen Dolch in seinem Stiefel deutlich, er wollte in seine Hand. Wollte sie töten, hier und jetzt. Damit alles ein Ende hatte.
Das war nicht Viridis, es war seine Jabress, die ihm noch immer als die Elfe erschien. Scheinbar ein Zauber der in seinem Kopf verankert war, denn wie sollte sie wissen das er hier war? Das der Menschenjunge, welcher auf den Namen Kestal hörte bei ihr war, verriet sie ~ alle Erinnerungen an Benjis Gefangenschaft waren mit einem Schlag so klar, er hätte danach greifen können.
Benji zwang sich weiterzugehen, er wandte den Blick von der Scheinelfe und dem Menschenjungen ab und steuerte auf die Torwächterin zu. Heute war nicht der Tag um es zu beenden, nicht hier. Das wäre auch sein Ende gewesen. Galenya…
Am nächsten Tag war Benji wieder ganz er selbst, auch äußerlich. Allerdings war er bereits wieder auf fremden Boden: Dem Orkland. Laut Hollint musste er dem Anführer der Orks, Kakai, einen Besuch abstatten um auch sein Vertrauen zu gewinnen. Benji hatte die Kapuze nicht auf dem Kopf und endlich auch wieder seine Haare geschnitten. Er wollte den Orks keinen Grund geben misstrauisch zu werden, so versuchte er möglichst unauffällig zu wirken: Kein verstecken unter der Kapuze, kein zugeschnürter Mantel.
Die Heimat der Orks, von hier kamen die Angreifer Runes. Benji war alles andere als wohl zumute. Hatte er bei den Dunkelelfen noch Angst und Bange wegen seiner ehemaligen Jabress, war es hier der Gestank des Kampfes der seine Sinne benebelte. Orks bedeuteten Krieg und Benji war nur ein kleiner Fisch, den eine Grünhaut mit dem kleinen Finger zerquetschen vermochte.
In gebrochenem orkisch versuchte Benji den Wachen am Eingang des großen Gebäudes zu verstehen zu geben, dass er ohne böse Absicht gekommen war. Das Schreiben Hollints war ihm keine Hilfe, konnten sie doch das menschliche Gekritzel des Einhasad-Priesters nicht entziffern. Die beiden Wachposten unterhielten sich aber scheinbar auch gar nicht über seine Worte, dass er mit Kakai sprechen müsste: Einer der beiden deutete auf die Narbe in Benjis Gesicht und plapperte dabei aufgeregt auf den Anderen ein. Dieser wiederum schüttelte mit dem Kopf und begann Benji mit der Spitze seines Speeres zu pieken, während er um ihn herumlief und ihn skeptisch begutachtete.
Benji hob die Hände, um verstehen zu geben das er weder bewaffnet war, noch irgendwelche anderen versteckten Absichten hatte. Warum waren die Beiden nur so aufgeregt? Sicher war es nicht die klügste Idee eines Menschen einfach so zu den Orks zu spazieren und ausgerechnet nach Kakai zu fragen. Aber irgendetwas schien an ihm anders zu sein.
Der Wachposten mit dem Speer zog Benji an den Haaren und musterte diese skeptisch, ohne diese loszulassen trottete er los, in das Gebäude hinein. Mit einem Schmerzenslaut griff Benji in sein Haar: „He, loslassen!“, jaulte er beinahe und stolperte dem Ork hinterher. Dieser marschierte einfach weiter, die Schräge hinauf bis zum Thronsaal Kakais. Dort angekommen schleuderte er Benji vor die Füße des orkischen Anführers und erzähle ihm mindestens so aufgeregt wie zuvor sein Kumpane von der Entdeckung.
Währenddessen stand Benji wieder auf und klopfte sich den Staub von der Hose, versuchte irgendein Wort zu verstehen, aber die Aussprache des Wachsoldaten war weitaus schlimmer als eine unleserliche Handschrift eines Orken. Benji fand außerdem das der Wachposten ganz schön nuschelte, was vielleicht auch an den fehlenden Zähnen liegen konnte. Also wartete Benji ab, blickte dabei zwischen Kakai und dem Ork hin und her. Der Flammenfürst sagte vorerst aber nichts, hörte seinem Soldaten zu.
Nachdem dieser aber endlich fertig war, blickte Kakai auf Benji herab. Sein Blick durchbohrte ihn beinah. Benji erwiederte diesen Blick und schaute nicht weg. Es war ein stummes Wetstarren, Benji war nicht bereit nachzugeben. Ihm stand bereits Schweiß auf der Stirn, als Kakai sich endlich rührte und zu sprechen begann: „Thok, er ist es nicht. Aber er hat einen ebensolch starken Willen.“ Die Worte in Handelssprache waren wohl mehr an den Wachmann gerichtet, doch Kakai fuhr fort, dieses mal zu Benji: „Ich gebe dir ein Amulett mit, bringe es zu Manakia in Giran, er wird dich prüfen. Und nun geh, Mensch!“ Die letzten Worte waren mehr eine Drohung denn einer Bitte.
Benji nickte verstehend, nahm das Amulett mit den orkischen Runen entgegen und verschwand eiligst. Auch wenn er nicht verstand um wen oder was es hier ging, so wollte er das ganze auch nicht ausreizen. Umso schneller er diese Aufgabe erledigt hatte, umso eher erhielt er das Zeugnis des Vertrauens.
Die orkische Torwächterin musterte ihn mit einer verspielten Neugier, ehe sie ihn nach Giran sandte. Irgendwie waren diese Orks seltsam… und es wurde noch schlimmer. Der Schamane Manakia in Giran schenkte Benji etwa den gleichen durchdringenden Blick wie es zuvor Kakai tat. Er sprach nicht viel, dachte scheinbar über das Auftauchen Benjis nach und über irgendetwas, dass er mit ihm verband. Aber auch er sprach nicht aus was er dachte. Stattdessen entsandte er Benji in den Todespass um Wildschweine zu erlegen, in dessen Körpern sich Totems befanden.
Benji dachte immer wieder daran, dass er für so etwas keine Zeit hatte. Galenya wartete in Rune auf ihn und er jagte Wildchweine. Die Keiler waren starke Gegner, besonders durch ihre Größe. Aber Benji war geschickt und unter Einsatz von Akrobatik konnte er seinen Dolch oft genug zwischen die Augen der Biester rammen ohne von ihren Hauern erfasst zu werden. Einen halben Tag später erschien er wieder bei Manakia, der mit einem Anflug von Überraschung den Sack mit den zehn Totems entgegen nahm. „Du bist ein schneller Jäger. Hier ist noch ein Amulett. Bringe es Kakai und er wird sich erkenntlich zeigen.“ Ein nachdenklicher Blick Manakias folgte Benji die Straße herab als er sich erneut zum Orkdorf aufmachte.
Kakai konnte kaum glauben, dass Benji es geschafft hatte. Mürrisch gab er ihm jedoch das Schreiben für Hollint und verwies ihn darauf, dass er sich als nächstes bei den Zwergen einen Namen machen musste. Aber das war nun wirklich die leichteste Aufgabe. Etwas besser gelaunt ließ sich Benji von der Torwächterin direkt in die Zwergenheimat teleportieren.
Durch den Kontakt zum alten Graubart kannte ihn der ein oder andere Zwerg hier bereits und so war Benji auch schnell wieder verschwunden ~ mit einer neuen Aufgabe. Diese führte ihn in den Cruma Turm, er sollte ganz bestimmte Steine aus den wandernden Felsen namens Porta holen.
Wenig später war Benji von dreien dieser Monster umzingelt: „Mit einem Dolch gegen Steinwesen, ich hatte schon mal bessere Ideen.“, schalt Benji sich selbst und sprang über einen der wandelnden Felsmassen, um Abstand zu gewinnen. Einholen würden diese langsamen Kreaturen ihn sowieso nie… da blitzte ein blauer Kreis um ihn auf, als hätte er eine Fluchtrolle gebrochen und wenig später war er in bläuliches Licht gehüllt. „Was zum Henker…“, konnte er gerade noch aussprechen als er sich an einem anderen Ort wiederfand.
Direkt vor den Steinwesen!
Diese Kreaturen hatten scheinbar die Eigenschaft ihre flüchtende Beute wieder zu sich zu teleportieren und machten davon auch häufig gebrauch. Benji wurde schon ganz schwindelig, als er dann auch noch einen Schlag abbekam hatte er völlig die Orientierung verloren. Instinktiv versenkte er den Dolch in den glimmenden Augenhöhlen der Portas, seine Rettung. Sie zerfielen und gaben das Preis, wonach die Zwerge für ihre Konstruktion gesucht hatten.
„Jetzt weiß ich auch, warum diese Dinger Porta heißen.“, grummelte Benji als er die Portsteine übergab und sich einen Eisbeutel an den Kopf hielt. Dieser dröhnte und schmerzte, aber das wäre morgen wieder vorbei erklärten ihm die Zwerge.
Bis morgen wollte Benji aber nicht warten, er eilte zurück zu Hollint und übergab ihm nun auch die Schriften der Orks und Zwerge. Hollint nickte zufrieden: „Nun noch eine Reise. Du musst zurück in deine Heimat und dort zum Hohepriester im Einhasad Tempel, er wird dir das Zeugnis ausstellen.“
Benji seufzte. Er war völlig erledigt und ein Blick in seinen sehr schmal gewordenen Geldbeutel zeigte ihm nur was er sowieso schon vermutet hatte: Er war quasi pleite. Das viele teleportieren während der gesamten Suche vom Siegel des Suchers bis zum Zeugnis des Vertrauens hatte all seine Reserven verbraucht. Er würde es gerade noch von der Insel wieder zurück nach Rune zu Galenya schaffen. Danach war vielleicht noch für ein Essen Geld da.
Benji hatte die Hände in den Hosentaschen, als er endlich den Einhasad Tempel auf der Insel betrat. Der Hohepriester kannte Benji noch sehr gut, er hatte ihm damals versucht Anstand beizubringen. Bis auf die Kunst des Schreibens war davon aber nie etwas hängen geblieben. Der rothaarige Junge von damals war allerdings zu einem stattlichen jungen Mann herangewachsen, was er ihm auch gleich auf die Nase binden musste.
„Scheint, als wäre aus dir doch noch etwas geworden. Ich hörte du hast das Vertrauen der Völker für dich gewinnen können. Dafür hast du dir das hier redlich verdient.“ Benji nahm das Zeugnis des Vertrauens entgegen, hob den Blick aber nicht. Er konnte seinem alten Lehrmeister einfach nicht in die Augen sehen. Nicht jetzt wo er ein Mörder war. Benji hätte nie gedacht, dass er ihm gegenüber so ein schlechtes Gewissen haben könnte.
„Irgendwas bedrückt dich doch, mein Junge. Vielleicht solltest du den singenden Wasserfällen einen Besuch abstatten. Dort wo wir dich fanden.“, der Hohepriester legte väterlich seine Hand auf Benjis Schulter. Dieser nickte dazu, warum war er eigentlich nicht selbst darauf gekommen?
Dorthin noch, aber danach sofort nach Rune.