16.07.2008, 20:17
28: Der Ruf des Blutes
Ein hämmernder Schmerz in seinem Kopf war das erste was Benji begrüßte als er wieder zu Sinnen kam. Seine rechte Hand schob sich zu seinem Hinterkopf, auf dem er lag. Damit tastete er diesen ab, etwas Blut blieb auf seinen Fingern zurück. Hatte er nicht einen Handschuh angehabt? Die Kälte die ihn umgab machte es klar: Er war vollkommen nackt.
Die Stirn runzelnd betrachtete Benji seine rechte Hand, bewegte die Finger prüfend. Kein Schmerz, keine Wunde mehr. Die Knochen schienen wieder zusammen gewachsen zu sein… und er hatte die Hand schon vollkommen abgeschrieben, dachte er könnte sie nie wieder bewegen. Was in drei Teufels Namen war geschehen?
Er setzte sich auf, der Schmerz in seinem Kopf trieb ihn beinahe wieder zur Ohnmacht. Es dauerte seine Zeit bis er sich dann ohne Schwindelgefühl umblicken konnte. Seine Kleidung lag verstreut in der kleinen Zelle Lomerias in die er am frühen Tag gebracht wurde. Langsam kam die Erinnerung an den Tag zurück, aber ihm war noch nicht ganz schlüssig, warum die Überreste einer ihm fremden Robe auch in der Zelle lagen.
Benji war morgens in Lomeria angekommen und hatte sich in die Taverne der Stadt begeben um seinen Hunger zu stillen, was er nach der erfolglosen Suche nach Galenyas Kriegshorn am Tag zuvor nicht mehr getan hatte.
Dummerweise war dies die Taverne in der Galenya und Tameriel unter gekommen waren. Tameriel erwartete den Menschen bereits im Schankraum und machte auf sich aufmerksam, indem er ein Lied pfiff, welches Benji einst auf seiner alten Panflöte gespielt hatte.
Benjis 2-Tage Bart und die Augenringe sorgten zusätzlich dafür, dass er schlecht gelaunt wirkte. In Gegenwart des Elfen war er es aber sowieso automatisch. Dass er ihn nun direkt reizte machte es nicht besser. Mürrisch blickte Benji den Elfen an. Dieser hörte gar nicht mehr damit auf frech zu dem Menschen zu sein.
„Friss Fliegendreck.“, beantwortete Benji das nur und starrte wieder auf seine Tischplatte vor sich. Aber so schnell gab Tameriel nicht auf.
„Du warst zu Elfen aber auch schon mal netter.“
Vor seinem geistigen Auge schnitt Benji bereits die Ohren des Elfen ab: „Ahja, das weißt auch gerade du so genau.“
Tameriel grinste triumphierend: „Man erfährt viel, wenn man einem gebrochenem Herzen zuhört. Wie war doch gleich ihr Name? Viridis?“
Benji schlug mit der geballten linken Faust auf den Tisch. Tameriel mischte sich eindeutig zu sehr in sein Leben ein und jetzt überschritt er auch noch diese Grenze. Tameriel setzte nach: „Uhhhh, Volltreffer.“
Damit hatte er zumindest die ungeteilte Aufmerksamkeit des Menschen, ging zu ihm und reichte ihm ein kleines Säckchen. „Soll ich dir geben.“, war der einzige Kommentar dazu.
Benji’s Hand verkrampfte sich als er das Säckchen darin hielt. Es war leicht und er ahnte bereits was es war. Mit den Zähnen zog er die Schnur des Säckchens auf, da er die rechte Hand nicht mehr bewegen konnte. Ein kurzer Blick hinein gab ihm die Gewissheit. Es war das Mundstück, welches er Galenya geschenkt hatte. Benji schnürte es die Kehle zu.
Tameriel war nun zum Tresen gegangen und sprach zu der Schankwirtin: „Bringt dem Honigmäulchen oben doch einen warmen Met und mir bitte ein Wasser.“
Benji steckte das Säckchen kommentarlos in eine seiner Gürteltaschen. Das war also ihre Antwort. Sie wollte ihn nie wieder sehen, würde ihn nie wieder rufen wollen. Es war aus und vorbei. Benji spürte ein Kribbeln in seiner rechten Hand, das sich langsam über den ganzen Arm ausbreitete. Wut stieg langsam in ihm hoch, der Schatten breitete sich in ihm aus…
„Das ist alles? Sie gibt dir das Mundstück zurück um nicht in Versuchung zu geraten wieder zu dir zu gehen und das ist alles?“, Tameriel war erbost, leise fügte er an: „Sie hat Recht, du liebst sie nicht mehr.“
„Bist du jetzt zufrieden?“, Benji schloss die Augen und versuchte den langsam aufsteigenden Zorn zurückzudrängen.
„Nein!“, Tameriel hatte bereits die ersten Probleme seine übliche Überheblichkeit auszuspielen.
„Was willst du dann?“
„Das du aufhörst ihr weh zu tun! Ich werde nicht länger dabei zusehen wie ihr Herz immer mehr unter dir blutet!“
Benji legte seine Stirn auf den Tisch: „Ihre Aussage ist doch klar, sie will mich nicht mehr wieder sehen.“
Tameriel rang um Fassung: „Ja wie denn auch! Du hast sie doch fortgeschickt!“
„Es ist die einzige Möglichkeit, dass sie überlebt, wenn sie nicht bei mir ist! Und das habe ich ihr bereits gesagt!“, Benji öffnete seine Augen wieder ihm wurde schon ganz warm als sein Herz schneller schlug und der Zorn durch seinen Hals zu seinem Kopf kroch.
„Aber ich würde es wagen. Ich würde für sie kämpfen, Benji. Für die Frau die ich liebe…“, Tameriel schluckte schwer.
Der Zorn flammte auf. Benji sprang auf und riss den Tisch dabei um, schleuderte ihn zur Seite. Tameriel stützte daraufhin seine Stirn in die Hand und schüttelte nur den Kopf über diesen Wutausbruch des Menschen.
Benji rang mit seiner Fassung, starrte auf den Boden, während schwarzer Nebel aus seiner rechten Hand strömte. Die Emotionen rauschten wie ein Karussell in seinem Kopf: „Du hast sie allein gelassen…“
Tameriel hob den Blick nicht als er antwortete: „Ja… das habe ich. Jahrelang, habe sie in dem Glauben gelassen, tot zu sein. Aber ich versuche wenigstens wieder gut zu machen, was ich in ihr angerichtet habe.“
Benji spürte, wie sich sein Blickfeld langsam verdunkelte als der Schatten in ihm die Kontrolle übernahm. Er schloss die Augen, atmete schwer du es bildete sich bereits Schweiß auf seiner Stirn: „Ich brauche noch… etwas… Zeit.“
„Meinst du, die findest du, wenn du ihr sagst, dass es bereits zu spät ist?“, Tameriel blickte wieder zu Benji.
In jenem Moment öffnete Benji, nein der Assassine, die nachtschwarzen Augen und funkelte den Elfen böse an.
„So ist es doch! Sie glaubt jenen Worten!“, Tameriel hatte die Veränderung noch nicht wahrgenommen.
Der Mensch zuckte mit den Schultern und hob einen Mundwinkel, man konnte nun eine gewisse Arroganz in seinen Zügen erkennen. Der müde Poet war vertrieben.
„Dir ist es also egal… verstehe…“, Tameriel kratzte sich am Kinn.
Der Assassine stiefelte an dem Elfen vorbei, ging die Treppe hinauf und ignorierte den Elfen. Galenya musste dort oben sein und sie war noch immer auf seiner Todesliste eingebrannt.
Als Benji an Tameriel vorbei ging, wurde diesem erst bewusst mit wem er es da nun zu tun hatte. Er erhob sich rasch: „Das wirst du nicht tun!“
Aber der Mensch ignorierte ihn, er war nicht auf seiner Liste. Während er die Treppe hinaufging wurden die Schatten um ihn herum immer mehr.
„Zurück!“, brüllte Tameriel ihm nach, „Willst du sie umbringen?“
„Xas.“, der Mensch betrachtete die Türen der Unterkunftsräume, in einem davon war Galenya, er spürte es förmlich.
Tameriel sprintete die Stufen hinauf, ergriff den Menschen an der Kapuze und versuchte ihn wieder hinabzuzerren. Wenigstens kam der Assassine gehörig ins schwanken, musste einen Schritt zurückgehen, bevor er dann herumwirbelte und mit der rechten Faust, in der sich die Schatten gesammelt hatten, nach dem Elfen schlug. Der Elf duckte sch gelassen darunter weg und zog weiter an dem Menschen, wollte ihn die Treppen hinunterzerren.
Der Mensch wollte eigentlich nichts weiter als diesen lästigen Elfen loswerden, er ergriff mit der linken Hand das Treppengeländer und setzte mit einem Tritt nach. Tameriel musste nach dem Treffer eine Hand von Benjis Nacken lösen um sich selbst am Geländer fest zu halten, sonst wäre er selbst gestürzt.
Der Elf war eindeutig zu hartnäckig, also ergriff der Assassine mit der rechten Hand, die bei jeder Bewegung knirschte den Elfen am Kragen. Dann schleuderte er das Langohr gegen die Wand, das Kräfteverhältnis war zu Tameriels Ungunsten verteilt, aber er krallte sich weiterhin an Benji fest, sodass die beiden Männer zusammenkrachten. Der Mensch hatte das Ziehen des Elfs genutzt und seinen Körper gegen ihn krachen lassen ~ mit dem Ellenbogen voran.
Mit einem lauten Krachen schlug Tameriel nun also nicht nur gegen die Wand, der Ellenbogen des Menschen bohrte sich auch noch in seine Rippen. Geistesgegenwärtig zog er jedoch den Fuß hoch und stemmte diesen gegen Benjis Schienbein. Während Tameriel nach Luft rang, ratterte der Assassine ein paar Stufen hinab, ehe er sich erneut am Geländer festhalten konnte um einen kompletten Sturz zu verhindern. Die Schattenflammen schlugen zornig aus.
Tameriel zog sein Schwert, das war weit mehr als eine Prügelei mitten auf den Stufen einer Gasthaustreppe. Die linke Hand presste er auf seine Rippen und keuchte: „Verschwinde!“
Doch der Mensch wandte sich, untermalt von einem zornigen Ausruf, wieder dem Elfen zu und streckte ihm die rechte Handfläche entgegen. Aus dieser traten peitschende Schattententakel heraus und schossen auf den Elfen zu. Tameriel konnte gerade noch ausweichen, nutzte die Drehung um mit der flachen Seite des Schwertes nach der Hand zu schlagen, mit der sich Benji am Geländer festhielt.
Ein dumpfer Schmerzenslaut folgte diesem Angriff, der Mensch rutschte ab und kugelte geräuschvoll die Treppen hinunter. Tameriel ließ sein Schwert auch schon wieder fallen und griff mit der Hand nach den Schattententakeln, die sich um seinen Hals gewickelt hatten, japste nach Luft.
In diesem Moment stürmten zwei Wachen in die Taverne, die Prügelei war laut genug gewesen um sie draußen zu hören. Benji lag gekrümmt am Boden, hielt sich den schmerzenden Kopf mit beiden Händen. Die Schatten verschwanden so schnell, wie sie gekommen waren.
Tameriel keuchte stark, die Wachen standen bereits bei Benji: „Bringt… ihn… weg… WEIT weg… von dieser Taverne… schnell…“ Panik stand in seinem Gesicht, er hatte endlich verstanden wie gefährlich dieser Schatten in Benji sein konnte.
Benji öffnete seine himmelblauen Augen und blickte in die Gesichter der beiden Wachleute. Eine der Wachen erkannte ihn und meinte: „He, den hab’ ich doch schon mal gesehen, ist das nicht der Sohn des alten Wolfes? Lass’ uns den Taugenichts hier raus bringen.“ Ohne zu zögern ergriff die beiden ihn an den Armen und zerrten ihn hinaus. Benji konnte das nur mit einem Zappeln beantworten.
Tameriel stand noch zitternd da und blickte Benji an. Dieser schaute ihn aus himmelblauen Augen zornig an, bis die Tavernentür zuschlug. Jetzt hatten die Tratschweiber ja wieder was zu erzählen über ihn. Großartig.
„Lasst mich los!“, beschwerte Benji sich, aber die Wachen schleiften ihn direkt zur Kriegergilde, dort gab es ein paar Zellen. Die Gerüchte darum, dass Benjis Vater ein Werwolf gewesen sein soll, schienen auch jetzt ~ 10 Jahre nach dem Tod von Benjis Mutter ~ noch aktuell zu sein. Man legte ihm eine Halsschelle aus Silber um den Hals, schnürte seine Hände auf den Rücken, ebenfalls mit Silberreifen.
Dazu konnte Benji innerlich nur die Augen rollen. Als wäre er ein Werwolf, also wirklich. Die sollten ihm lieber etwas anlegen um den Schatten zu bändigen. Aber der gab zu Glück erst mal Ruhe. Benji hatte etwas Zeit um nachdenken, irgendwann nickte er ein. Im Sitzen war nicht gut Schlafen, aber was blieb ihm anderes übrig?
Nun war er hier, splitternackt, aber noch immer in der Zelle. Was war geschehen? Benji blickte sich noch einmal genauer um. Die Silberreife waren verbogen, aufgerissen. Seine Kleidung war noch ganz, lag aber herum... und dann die zerfetzte Robe. Benji nahm ein Stoffstück in die rechte Hand, die ja auf wundersame weise verheilt war. Er musterte den leichten Stoff genau. Kein Zweifel, er gehörte einer Dunkelelfe. „Was zum Werwolf?“
„Mehr fällt dir dazu nicht ein?“, der Waldelf lehnte an der Zellenwand, seine rechte Gesichtshälfte blutete stark, als hätten sich mehrere Krallen dort hineingebohrt.
Überrascht blickte Benji auf: „Was machst du denn hier? Ich dachte…“, doch der Waldelf deutete nur auf Benjis Gürteltaschen: „Du hast doch das Mundstück dabei.“ Benji nickte verstehend.
„Was ist hier passiert?“, fragte Benji seinen nur für ihn sichtbaren Begleiter ahnungslos.
„Woran erinnerst du dich, seitdem du hier in der Zelle bist?“, der Waldelf verschränkte die Arme. Trotz seines verletzten Erscheinungsbildes blieb er ruhig.
Benjis Rechte glitt wieder zu seinem Hinterkopf: „Ich habe abends Besuch bekommen… von der Dunklen, die bei dem Ritual mitwirken will… hmm… sie hat mich gefragt ob ich mich nun entschieden hätte…“
Benji blickte nachdenklich zu dem Waldelfen hin, dieser drehte nur auffordernd die Hand in der Luft, als wolle er sagen ‚Nur weiter’.
„Sie kam in die Zelle und ist mir auf die Pelle gerückt… dann war da nur noch Angst.“, Benji legte die linke Hand auf seine Brust, dort wo die große Narbe war. Auch diese war besser verheilt als vorher. Er erinnerte sich nur schemenhaft daran, dass die Hand der Dunkelelfe darauf lag. Seine Angst vor Dunkelelfen war wieder durchgebrochen, er hatte es nicht länger unterdrücken können.
Benji bildete sich ein Kloß im Hals: „Lass mich raten… er hat die Kontrolle übernommen?“ Ihm missfiel der Gedanke das der Schatten nun eine eigene Persönlichkeit zu haben schien.
Der Waldelf nickte knapp und zeigte auf die Stelle, an der Benji gesessen hatte, als er noch gefesselt war. „Dort hat sie dich verführt, dein dunkles Ebenbild scheint ja total auf Dunkelelfen abzufahren… sie hat mich unsanft aus meinen Träumen geweckt mit ihren dreckigen Füßen. Dann durfte ich mir das direkt mit ansehen.“ In seiner Stimme schwang etwas Verächtliches, Angewidertes mit. Dann schüttelte er sich wie ein nasser Hund.
Benji wurde schlagartig schlecht: „Verführt?! Ich hoffe das ist ein Scherz!“
Der Waldelf schüttelte mit dem Kopf: „Ich wünschte es wäre so, aber du hast ihr wie ein willenloser Hund aus der Hand gefressen und dir dann genommen, was deine menschlichen Gelüste haben wollten. Sogar als ich dir eine schallende Ohrfeige gab, ließt du nicht von ihr ab… stattdessen haben mich diese Schattenfäden fast zerrissen!“
Benji musste sich wieder hinsetzen, das war zuviel für ihn. Angewidert warf er den Stofffetzen der dunkelelfischen Robe hinter sich. Er wurde blass.
„Tut mir Leid wegen der Beule an deinem Kopf, aber mir fiel nichts Besseres ein, als den Silberreif nach dir zu werfen, du warst vollkommen….besessen.“
Für Benji brach eine Welt zusammen, er drehte sich von dem Waldelfen weg und entleerte mit einem Mal seinen Magen. Danach war ihm immer noch schlecht, er brauchte eine Dusche. „Ich muss hier raus…“, keuchte er, sammelte seine Kleidung mit zitternden Händen zusammen und zog diese wieder an.
Die Wachen waren nicht besonders gründlich gewesen und so fand Benji noch eine Fluchtrolle in seinem Schuh. Er brach das Siegel und huschte mitten in der Nacht aus Lomeria heraus, zu den singenden Wasserfällen.
Ein herumstreunender Junge rannte zum Leuchtturm der sprechenden Insel und überreichte bei Sonnenaufgang ein Pergament auf dem in zittrigen Lettern folgendes stand:
Wenn alle gefunden, die wir benötigen, werde ich beim Wolf auf die Magie warten die Opium mir versprach.
Ein hämmernder Schmerz in seinem Kopf war das erste was Benji begrüßte als er wieder zu Sinnen kam. Seine rechte Hand schob sich zu seinem Hinterkopf, auf dem er lag. Damit tastete er diesen ab, etwas Blut blieb auf seinen Fingern zurück. Hatte er nicht einen Handschuh angehabt? Die Kälte die ihn umgab machte es klar: Er war vollkommen nackt.
Die Stirn runzelnd betrachtete Benji seine rechte Hand, bewegte die Finger prüfend. Kein Schmerz, keine Wunde mehr. Die Knochen schienen wieder zusammen gewachsen zu sein… und er hatte die Hand schon vollkommen abgeschrieben, dachte er könnte sie nie wieder bewegen. Was in drei Teufels Namen war geschehen?
Er setzte sich auf, der Schmerz in seinem Kopf trieb ihn beinahe wieder zur Ohnmacht. Es dauerte seine Zeit bis er sich dann ohne Schwindelgefühl umblicken konnte. Seine Kleidung lag verstreut in der kleinen Zelle Lomerias in die er am frühen Tag gebracht wurde. Langsam kam die Erinnerung an den Tag zurück, aber ihm war noch nicht ganz schlüssig, warum die Überreste einer ihm fremden Robe auch in der Zelle lagen.
Benji war morgens in Lomeria angekommen und hatte sich in die Taverne der Stadt begeben um seinen Hunger zu stillen, was er nach der erfolglosen Suche nach Galenyas Kriegshorn am Tag zuvor nicht mehr getan hatte.
Dummerweise war dies die Taverne in der Galenya und Tameriel unter gekommen waren. Tameriel erwartete den Menschen bereits im Schankraum und machte auf sich aufmerksam, indem er ein Lied pfiff, welches Benji einst auf seiner alten Panflöte gespielt hatte.
Benjis 2-Tage Bart und die Augenringe sorgten zusätzlich dafür, dass er schlecht gelaunt wirkte. In Gegenwart des Elfen war er es aber sowieso automatisch. Dass er ihn nun direkt reizte machte es nicht besser. Mürrisch blickte Benji den Elfen an. Dieser hörte gar nicht mehr damit auf frech zu dem Menschen zu sein.
„Friss Fliegendreck.“, beantwortete Benji das nur und starrte wieder auf seine Tischplatte vor sich. Aber so schnell gab Tameriel nicht auf.
„Du warst zu Elfen aber auch schon mal netter.“
Vor seinem geistigen Auge schnitt Benji bereits die Ohren des Elfen ab: „Ahja, das weißt auch gerade du so genau.“
Tameriel grinste triumphierend: „Man erfährt viel, wenn man einem gebrochenem Herzen zuhört. Wie war doch gleich ihr Name? Viridis?“
Benji schlug mit der geballten linken Faust auf den Tisch. Tameriel mischte sich eindeutig zu sehr in sein Leben ein und jetzt überschritt er auch noch diese Grenze. Tameriel setzte nach: „Uhhhh, Volltreffer.“
Damit hatte er zumindest die ungeteilte Aufmerksamkeit des Menschen, ging zu ihm und reichte ihm ein kleines Säckchen. „Soll ich dir geben.“, war der einzige Kommentar dazu.
Benji’s Hand verkrampfte sich als er das Säckchen darin hielt. Es war leicht und er ahnte bereits was es war. Mit den Zähnen zog er die Schnur des Säckchens auf, da er die rechte Hand nicht mehr bewegen konnte. Ein kurzer Blick hinein gab ihm die Gewissheit. Es war das Mundstück, welches er Galenya geschenkt hatte. Benji schnürte es die Kehle zu.
Tameriel war nun zum Tresen gegangen und sprach zu der Schankwirtin: „Bringt dem Honigmäulchen oben doch einen warmen Met und mir bitte ein Wasser.“
Benji steckte das Säckchen kommentarlos in eine seiner Gürteltaschen. Das war also ihre Antwort. Sie wollte ihn nie wieder sehen, würde ihn nie wieder rufen wollen. Es war aus und vorbei. Benji spürte ein Kribbeln in seiner rechten Hand, das sich langsam über den ganzen Arm ausbreitete. Wut stieg langsam in ihm hoch, der Schatten breitete sich in ihm aus…
„Das ist alles? Sie gibt dir das Mundstück zurück um nicht in Versuchung zu geraten wieder zu dir zu gehen und das ist alles?“, Tameriel war erbost, leise fügte er an: „Sie hat Recht, du liebst sie nicht mehr.“
„Bist du jetzt zufrieden?“, Benji schloss die Augen und versuchte den langsam aufsteigenden Zorn zurückzudrängen.
„Nein!“, Tameriel hatte bereits die ersten Probleme seine übliche Überheblichkeit auszuspielen.
„Was willst du dann?“
„Das du aufhörst ihr weh zu tun! Ich werde nicht länger dabei zusehen wie ihr Herz immer mehr unter dir blutet!“
Benji legte seine Stirn auf den Tisch: „Ihre Aussage ist doch klar, sie will mich nicht mehr wieder sehen.“
Tameriel rang um Fassung: „Ja wie denn auch! Du hast sie doch fortgeschickt!“
„Es ist die einzige Möglichkeit, dass sie überlebt, wenn sie nicht bei mir ist! Und das habe ich ihr bereits gesagt!“, Benji öffnete seine Augen wieder ihm wurde schon ganz warm als sein Herz schneller schlug und der Zorn durch seinen Hals zu seinem Kopf kroch.
„Aber ich würde es wagen. Ich würde für sie kämpfen, Benji. Für die Frau die ich liebe…“, Tameriel schluckte schwer.
Der Zorn flammte auf. Benji sprang auf und riss den Tisch dabei um, schleuderte ihn zur Seite. Tameriel stützte daraufhin seine Stirn in die Hand und schüttelte nur den Kopf über diesen Wutausbruch des Menschen.
Benji rang mit seiner Fassung, starrte auf den Boden, während schwarzer Nebel aus seiner rechten Hand strömte. Die Emotionen rauschten wie ein Karussell in seinem Kopf: „Du hast sie allein gelassen…“
Tameriel hob den Blick nicht als er antwortete: „Ja… das habe ich. Jahrelang, habe sie in dem Glauben gelassen, tot zu sein. Aber ich versuche wenigstens wieder gut zu machen, was ich in ihr angerichtet habe.“
Benji spürte, wie sich sein Blickfeld langsam verdunkelte als der Schatten in ihm die Kontrolle übernahm. Er schloss die Augen, atmete schwer du es bildete sich bereits Schweiß auf seiner Stirn: „Ich brauche noch… etwas… Zeit.“
„Meinst du, die findest du, wenn du ihr sagst, dass es bereits zu spät ist?“, Tameriel blickte wieder zu Benji.
In jenem Moment öffnete Benji, nein der Assassine, die nachtschwarzen Augen und funkelte den Elfen böse an.
„So ist es doch! Sie glaubt jenen Worten!“, Tameriel hatte die Veränderung noch nicht wahrgenommen.
Der Mensch zuckte mit den Schultern und hob einen Mundwinkel, man konnte nun eine gewisse Arroganz in seinen Zügen erkennen. Der müde Poet war vertrieben.
„Dir ist es also egal… verstehe…“, Tameriel kratzte sich am Kinn.
Der Assassine stiefelte an dem Elfen vorbei, ging die Treppe hinauf und ignorierte den Elfen. Galenya musste dort oben sein und sie war noch immer auf seiner Todesliste eingebrannt.
Als Benji an Tameriel vorbei ging, wurde diesem erst bewusst mit wem er es da nun zu tun hatte. Er erhob sich rasch: „Das wirst du nicht tun!“
Aber der Mensch ignorierte ihn, er war nicht auf seiner Liste. Während er die Treppe hinaufging wurden die Schatten um ihn herum immer mehr.
„Zurück!“, brüllte Tameriel ihm nach, „Willst du sie umbringen?“
„Xas.“, der Mensch betrachtete die Türen der Unterkunftsräume, in einem davon war Galenya, er spürte es förmlich.
Tameriel sprintete die Stufen hinauf, ergriff den Menschen an der Kapuze und versuchte ihn wieder hinabzuzerren. Wenigstens kam der Assassine gehörig ins schwanken, musste einen Schritt zurückgehen, bevor er dann herumwirbelte und mit der rechten Faust, in der sich die Schatten gesammelt hatten, nach dem Elfen schlug. Der Elf duckte sch gelassen darunter weg und zog weiter an dem Menschen, wollte ihn die Treppen hinunterzerren.
Der Mensch wollte eigentlich nichts weiter als diesen lästigen Elfen loswerden, er ergriff mit der linken Hand das Treppengeländer und setzte mit einem Tritt nach. Tameriel musste nach dem Treffer eine Hand von Benjis Nacken lösen um sich selbst am Geländer fest zu halten, sonst wäre er selbst gestürzt.
Der Elf war eindeutig zu hartnäckig, also ergriff der Assassine mit der rechten Hand, die bei jeder Bewegung knirschte den Elfen am Kragen. Dann schleuderte er das Langohr gegen die Wand, das Kräfteverhältnis war zu Tameriels Ungunsten verteilt, aber er krallte sich weiterhin an Benji fest, sodass die beiden Männer zusammenkrachten. Der Mensch hatte das Ziehen des Elfs genutzt und seinen Körper gegen ihn krachen lassen ~ mit dem Ellenbogen voran.
Mit einem lauten Krachen schlug Tameriel nun also nicht nur gegen die Wand, der Ellenbogen des Menschen bohrte sich auch noch in seine Rippen. Geistesgegenwärtig zog er jedoch den Fuß hoch und stemmte diesen gegen Benjis Schienbein. Während Tameriel nach Luft rang, ratterte der Assassine ein paar Stufen hinab, ehe er sich erneut am Geländer festhalten konnte um einen kompletten Sturz zu verhindern. Die Schattenflammen schlugen zornig aus.
Tameriel zog sein Schwert, das war weit mehr als eine Prügelei mitten auf den Stufen einer Gasthaustreppe. Die linke Hand presste er auf seine Rippen und keuchte: „Verschwinde!“
Doch der Mensch wandte sich, untermalt von einem zornigen Ausruf, wieder dem Elfen zu und streckte ihm die rechte Handfläche entgegen. Aus dieser traten peitschende Schattententakel heraus und schossen auf den Elfen zu. Tameriel konnte gerade noch ausweichen, nutzte die Drehung um mit der flachen Seite des Schwertes nach der Hand zu schlagen, mit der sich Benji am Geländer festhielt.
Ein dumpfer Schmerzenslaut folgte diesem Angriff, der Mensch rutschte ab und kugelte geräuschvoll die Treppen hinunter. Tameriel ließ sein Schwert auch schon wieder fallen und griff mit der Hand nach den Schattententakeln, die sich um seinen Hals gewickelt hatten, japste nach Luft.
In diesem Moment stürmten zwei Wachen in die Taverne, die Prügelei war laut genug gewesen um sie draußen zu hören. Benji lag gekrümmt am Boden, hielt sich den schmerzenden Kopf mit beiden Händen. Die Schatten verschwanden so schnell, wie sie gekommen waren.
Tameriel keuchte stark, die Wachen standen bereits bei Benji: „Bringt… ihn… weg… WEIT weg… von dieser Taverne… schnell…“ Panik stand in seinem Gesicht, er hatte endlich verstanden wie gefährlich dieser Schatten in Benji sein konnte.
Benji öffnete seine himmelblauen Augen und blickte in die Gesichter der beiden Wachleute. Eine der Wachen erkannte ihn und meinte: „He, den hab’ ich doch schon mal gesehen, ist das nicht der Sohn des alten Wolfes? Lass’ uns den Taugenichts hier raus bringen.“ Ohne zu zögern ergriff die beiden ihn an den Armen und zerrten ihn hinaus. Benji konnte das nur mit einem Zappeln beantworten.
Tameriel stand noch zitternd da und blickte Benji an. Dieser schaute ihn aus himmelblauen Augen zornig an, bis die Tavernentür zuschlug. Jetzt hatten die Tratschweiber ja wieder was zu erzählen über ihn. Großartig.
„Lasst mich los!“, beschwerte Benji sich, aber die Wachen schleiften ihn direkt zur Kriegergilde, dort gab es ein paar Zellen. Die Gerüchte darum, dass Benjis Vater ein Werwolf gewesen sein soll, schienen auch jetzt ~ 10 Jahre nach dem Tod von Benjis Mutter ~ noch aktuell zu sein. Man legte ihm eine Halsschelle aus Silber um den Hals, schnürte seine Hände auf den Rücken, ebenfalls mit Silberreifen.
Dazu konnte Benji innerlich nur die Augen rollen. Als wäre er ein Werwolf, also wirklich. Die sollten ihm lieber etwas anlegen um den Schatten zu bändigen. Aber der gab zu Glück erst mal Ruhe. Benji hatte etwas Zeit um nachdenken, irgendwann nickte er ein. Im Sitzen war nicht gut Schlafen, aber was blieb ihm anderes übrig?
Nun war er hier, splitternackt, aber noch immer in der Zelle. Was war geschehen? Benji blickte sich noch einmal genauer um. Die Silberreife waren verbogen, aufgerissen. Seine Kleidung war noch ganz, lag aber herum... und dann die zerfetzte Robe. Benji nahm ein Stoffstück in die rechte Hand, die ja auf wundersame weise verheilt war. Er musterte den leichten Stoff genau. Kein Zweifel, er gehörte einer Dunkelelfe. „Was zum Werwolf?“
„Mehr fällt dir dazu nicht ein?“, der Waldelf lehnte an der Zellenwand, seine rechte Gesichtshälfte blutete stark, als hätten sich mehrere Krallen dort hineingebohrt.
Überrascht blickte Benji auf: „Was machst du denn hier? Ich dachte…“, doch der Waldelf deutete nur auf Benjis Gürteltaschen: „Du hast doch das Mundstück dabei.“ Benji nickte verstehend.
„Was ist hier passiert?“, fragte Benji seinen nur für ihn sichtbaren Begleiter ahnungslos.
„Woran erinnerst du dich, seitdem du hier in der Zelle bist?“, der Waldelf verschränkte die Arme. Trotz seines verletzten Erscheinungsbildes blieb er ruhig.
Benjis Rechte glitt wieder zu seinem Hinterkopf: „Ich habe abends Besuch bekommen… von der Dunklen, die bei dem Ritual mitwirken will… hmm… sie hat mich gefragt ob ich mich nun entschieden hätte…“
Benji blickte nachdenklich zu dem Waldelfen hin, dieser drehte nur auffordernd die Hand in der Luft, als wolle er sagen ‚Nur weiter’.
„Sie kam in die Zelle und ist mir auf die Pelle gerückt… dann war da nur noch Angst.“, Benji legte die linke Hand auf seine Brust, dort wo die große Narbe war. Auch diese war besser verheilt als vorher. Er erinnerte sich nur schemenhaft daran, dass die Hand der Dunkelelfe darauf lag. Seine Angst vor Dunkelelfen war wieder durchgebrochen, er hatte es nicht länger unterdrücken können.
Benji bildete sich ein Kloß im Hals: „Lass mich raten… er hat die Kontrolle übernommen?“ Ihm missfiel der Gedanke das der Schatten nun eine eigene Persönlichkeit zu haben schien.
Der Waldelf nickte knapp und zeigte auf die Stelle, an der Benji gesessen hatte, als er noch gefesselt war. „Dort hat sie dich verführt, dein dunkles Ebenbild scheint ja total auf Dunkelelfen abzufahren… sie hat mich unsanft aus meinen Träumen geweckt mit ihren dreckigen Füßen. Dann durfte ich mir das direkt mit ansehen.“ In seiner Stimme schwang etwas Verächtliches, Angewidertes mit. Dann schüttelte er sich wie ein nasser Hund.
Benji wurde schlagartig schlecht: „Verführt?! Ich hoffe das ist ein Scherz!“
Der Waldelf schüttelte mit dem Kopf: „Ich wünschte es wäre so, aber du hast ihr wie ein willenloser Hund aus der Hand gefressen und dir dann genommen, was deine menschlichen Gelüste haben wollten. Sogar als ich dir eine schallende Ohrfeige gab, ließt du nicht von ihr ab… stattdessen haben mich diese Schattenfäden fast zerrissen!“
Benji musste sich wieder hinsetzen, das war zuviel für ihn. Angewidert warf er den Stofffetzen der dunkelelfischen Robe hinter sich. Er wurde blass.
„Tut mir Leid wegen der Beule an deinem Kopf, aber mir fiel nichts Besseres ein, als den Silberreif nach dir zu werfen, du warst vollkommen….besessen.“
Für Benji brach eine Welt zusammen, er drehte sich von dem Waldelfen weg und entleerte mit einem Mal seinen Magen. Danach war ihm immer noch schlecht, er brauchte eine Dusche. „Ich muss hier raus…“, keuchte er, sammelte seine Kleidung mit zitternden Händen zusammen und zog diese wieder an.
Die Wachen waren nicht besonders gründlich gewesen und so fand Benji noch eine Fluchtrolle in seinem Schuh. Er brach das Siegel und huschte mitten in der Nacht aus Lomeria heraus, zu den singenden Wasserfällen.
Ein herumstreunender Junge rannte zum Leuchtturm der sprechenden Insel und überreichte bei Sonnenaufgang ein Pergament auf dem in zittrigen Lettern folgendes stand:
Wenn alle gefunden, die wir benötigen, werde ich beim Wolf auf die Magie warten die Opium mir versprach.