12.08.2008, 00:40
III. -Aufbruchstimmung
Du wirst keine neuen Meere entdecken,
solange du nicht den Mut hast,
die Küste aus den Augen zu verlieren.
Nun war es also an der Zeit, das Vergangene Gegenwart werden zu lassen. Er hatte Recht gehabt, von Anfang an. "Drachenjägerin" - welch irrtümlicher Name für meine Berufung. Dennoch dachte ich immer, dass es der wohl Passenste war. "Drachenforscherin". Ja, das war es wohl eher. Aber eigentlich war es nur eine Art Flucht, vor dem Geschehenen. Dem Trauma eines kleinen Kindes, das nicht wusste wohin. Alleingelassen, auf sich gestellt, zwischen Trümmern der Vergangenheit. Das jemanden brauchte, der ihm seinen Weg zeigte, damit es ihn gehen konnte. Den Weg zurück - obgleich ich doch kaum angekommen war.
"Kriegerin". Noch so ein Begriff. Ein Wort, das so viel aussagte, doch auch irgendwie... garnichts offenbarte von dem, was es für mich bedeutete. Was machte eine Kriegerin aus? Die beiden Äxte an meinem Gürtel? Die Wurfäxte in den Stiefelschaften? Oder die Hallebarde in der Rückenhalterung? Nein... das war nicht alles. Dennoch das Erste, was man sah. Arlin hatte mich einst für eine Stadtwache gehalten... Welch groteske Idee! Dennoch... das Erste, was man sah...
Meine Gedanken schweiften ab, als ich betont langsam meinen schmalen Reiseproviant packte. Er hatte es tatsächlch geschafft, dass ich endlich meinen Mut gesammelt hatte, mich dem Geist der Vergangenheit zu stellen. Abzuschließen. Vielleicht offene Fragen zu klären. Zu verstehen.
Es würde kein leichter Schritt werden, nein. Das war es nie - nicht bis hier hin. Ich hatte Angst. Was würde mich erwarten? Wie würde ich darauf reagieren? Ich wusste es nicht. Es war diese Ungewissheit, die ich fürchtete. Nicht planen zu können. Ich war nicht alleine. Doch diese Tatsache nahm mir meine Angst nicht. Nein, sie war eher der Grund dazu, dass ich diese Reise überhaupt antrat.
Die Angst war gegenwärtig, begann krampfend im Magen und zog hoch, bis sie meinen Hals verschloss, mich würgte. Sie wuchs. Doch fast.. genoss ich sie. Sie ließ mich reisen, noch bevor ich aufgebrochen war.
Ließ mich wieder durch die Augen eines Kindes sehen, dass auf die Überreste seiner Heimat blickte. Den Blick über die rauchenden Ruinen wandern ließ und begriff, dass nichts mehr wie vorher war. Dass es die Liebsten nie wieder sehen würde. Auf eigenen Beinen stand. Ganz plötzlich... allein war.
Ich war nie wieder zurück gekehrt - nach Hause. Nach Hause! - wie das klang! - Warum? Ich wusste es nicht. Aus Angst? Vielleicht. Vielleicht auch, weil ich abgeschlossen hatte, mit der Vergangenheit. Abgeschlossen mit Dingen, die doch für mich immernoch Gegenwart waren. Die eben nicht abgeschlossen waren.
Ich war nicht allein. Dass Arlin mir angeboten hatte, mich auf dieser besonderen Reise zu begleiten, hatte mich überrascht. Ich kannte den auffällig; jedoch nicht ungesund; bleichen Mann zu wenig um zu sagen zu können, warum er mir jenes angeboten hatte. Ich kannte ihn gut genug, um ihm zu vertrauen. Auch wenn ich noch immer das Gefühl hatte, dass er jemand... anderes war, als er zugab. Dieses Gefühl beschlich mich bereits bei unserer ersten Begegnung. Er wusste zu viel, auch über Dinge, die keiner sagte. Die verborgen bleiben sollten. Er sprach sie aus, als Selbstverständlichkeit. Und machte sie zu Selbstverständlichkeiten. Und diese Kenntnisse über Magie und die Kreaturen, die sie hervorbrachte. Über die Menschen und darüber, was Magie aus ihnen machen konnte. Oder vielmehr die Macht, Magie zu beherrschen... Vielleicht täuschte ich mich auch und Arlin war nicht mehr, als ein belesener Wanderer, der einfach schon recht viel herumgekommen war. Jedenfalls war meine Neugierde immerfort geweckt, einem möglichen Geheimnis auf die Spur zu kommen. Nicht, dass es mich störte, dass er mich begleiten wollte - geradezu erfreut über die Reise zu sein schien. Ich wusste, dass er mir Kraft geben wollte und - wie ich immerwieder erstaunt feststellte - schon gab. Ich werde dir alles an Trost und Unterstützung geben, zu dem ich in der Lage bin. Ich erinnerte mich seiner Worte gut, da sie ehrlich waren, da das Schmunzeln seine Lippen bei ihnen verlassen hatte. Bei jedem Anderen wär ich sicherlich aufgefahren, hätte ihn gefragt, was beim Namen der Götter ihm den Anschein gab, ich würde Trost nötig haben. Doch nicht bei Arlin, der mit jedem forschenden Blick in mich hineinzusehen schien - in meine Seele - und sah, dass ich Angst hatte. Eure Furcht ist ein Zeichen, dass Ihr auf dem richtigen Weg seit... Ich würde ihn bei Gelegenheit fragen, auf welchem Weg er war...
Ich hatte seltsam tief geschlafen diese Nacht. Die durchwachten Stunden über den Karten, den Plänen der Reise hatten ihre Wirkung gezeigt. Doch war es kein Schlaf einer Erschöpften, sondern ein seltsam tiefer, traumloser Schlaf. Ich fühlte mich weitaus erholter und wacher, als schon seit langem. Der Tatendrang und die Aufbruchsstimmung verdrängten die Angst vor dem Ungewissen.
Ich warf einen Blick auf die Karte, die auf dem kleinen Tisch in meinem gemieteten Zimmer lag, zog in Gedanken die Linien nach, die meine Feder auf ihr gezogen hatte... Die Tinte war an einigen Stellen verwischt, die Linie zittrig, doch wurd sie sicherer, je dichter sie ihrem Ziel kam...
Ich knotete den kleinen Beutel mit Brotlaibern und Schinken an meinen Gürtel, nahm den Wasserschlauch und hängte ihn mir quer über den Torso. Ein prüfender Blick an mir herunter... die dünne braune lederne Rüstung schmiegte sich fest an meinen Körper, schmeichelte - und ersetzte die Drachenlederrüstung für diese Reise gut. Die Schuhe fest aber bequem, fast kniehoch fixierten sie die beiden Wurfäxte an meinen Waden. Der Aufbruch nahte. Das spürte ich mit jedem Blick zur Tür heraus, mit jedem Schritt durch das Gasthaus, mit jedem Luftzug, den ich nahm, als ich schließlich auf den Stufen der Haustür stand. Es war soweit. Die Reise begann. Wohin? Eine merkwürdige Frage. Doch ich bin mir sicher das die einzig wirklich passende und sichere Antwort darauf wäre: "in die Vergangenheit."
Wie reißt das wilde Spiel
an meinem müden Herz,
wie weit entfernt und unbewußt
ruht nun der sanfte Schmerz.
Ist jene Stimmung Spielerei,
so spült sie mich doch hin.
Gelöst von Trauer -beinah frei
vergeß ich wer ich bin.
Fast glaub ich dieses Ungewiss
ist mehr als ich ertragen kann.
Mich treibt das Blut nun fort.
Ich taumel, stürze, halte mich
doch wehe voller Zuversicht
zurück - an jenen Ort.
Du wirst keine neuen Meere entdecken,
solange du nicht den Mut hast,
die Küste aus den Augen zu verlieren.
Nun war es also an der Zeit, das Vergangene Gegenwart werden zu lassen. Er hatte Recht gehabt, von Anfang an. "Drachenjägerin" - welch irrtümlicher Name für meine Berufung. Dennoch dachte ich immer, dass es der wohl Passenste war. "Drachenforscherin". Ja, das war es wohl eher. Aber eigentlich war es nur eine Art Flucht, vor dem Geschehenen. Dem Trauma eines kleinen Kindes, das nicht wusste wohin. Alleingelassen, auf sich gestellt, zwischen Trümmern der Vergangenheit. Das jemanden brauchte, der ihm seinen Weg zeigte, damit es ihn gehen konnte. Den Weg zurück - obgleich ich doch kaum angekommen war.
"Kriegerin". Noch so ein Begriff. Ein Wort, das so viel aussagte, doch auch irgendwie... garnichts offenbarte von dem, was es für mich bedeutete. Was machte eine Kriegerin aus? Die beiden Äxte an meinem Gürtel? Die Wurfäxte in den Stiefelschaften? Oder die Hallebarde in der Rückenhalterung? Nein... das war nicht alles. Dennoch das Erste, was man sah. Arlin hatte mich einst für eine Stadtwache gehalten... Welch groteske Idee! Dennoch... das Erste, was man sah...
Meine Gedanken schweiften ab, als ich betont langsam meinen schmalen Reiseproviant packte. Er hatte es tatsächlch geschafft, dass ich endlich meinen Mut gesammelt hatte, mich dem Geist der Vergangenheit zu stellen. Abzuschließen. Vielleicht offene Fragen zu klären. Zu verstehen.
Es würde kein leichter Schritt werden, nein. Das war es nie - nicht bis hier hin. Ich hatte Angst. Was würde mich erwarten? Wie würde ich darauf reagieren? Ich wusste es nicht. Es war diese Ungewissheit, die ich fürchtete. Nicht planen zu können. Ich war nicht alleine. Doch diese Tatsache nahm mir meine Angst nicht. Nein, sie war eher der Grund dazu, dass ich diese Reise überhaupt antrat.
Die Angst war gegenwärtig, begann krampfend im Magen und zog hoch, bis sie meinen Hals verschloss, mich würgte. Sie wuchs. Doch fast.. genoss ich sie. Sie ließ mich reisen, noch bevor ich aufgebrochen war.
Ließ mich wieder durch die Augen eines Kindes sehen, dass auf die Überreste seiner Heimat blickte. Den Blick über die rauchenden Ruinen wandern ließ und begriff, dass nichts mehr wie vorher war. Dass es die Liebsten nie wieder sehen würde. Auf eigenen Beinen stand. Ganz plötzlich... allein war.
Ich war nie wieder zurück gekehrt - nach Hause. Nach Hause! - wie das klang! - Warum? Ich wusste es nicht. Aus Angst? Vielleicht. Vielleicht auch, weil ich abgeschlossen hatte, mit der Vergangenheit. Abgeschlossen mit Dingen, die doch für mich immernoch Gegenwart waren. Die eben nicht abgeschlossen waren.
Ich war nicht allein. Dass Arlin mir angeboten hatte, mich auf dieser besonderen Reise zu begleiten, hatte mich überrascht. Ich kannte den auffällig; jedoch nicht ungesund; bleichen Mann zu wenig um zu sagen zu können, warum er mir jenes angeboten hatte. Ich kannte ihn gut genug, um ihm zu vertrauen. Auch wenn ich noch immer das Gefühl hatte, dass er jemand... anderes war, als er zugab. Dieses Gefühl beschlich mich bereits bei unserer ersten Begegnung. Er wusste zu viel, auch über Dinge, die keiner sagte. Die verborgen bleiben sollten. Er sprach sie aus, als Selbstverständlichkeit. Und machte sie zu Selbstverständlichkeiten. Und diese Kenntnisse über Magie und die Kreaturen, die sie hervorbrachte. Über die Menschen und darüber, was Magie aus ihnen machen konnte. Oder vielmehr die Macht, Magie zu beherrschen... Vielleicht täuschte ich mich auch und Arlin war nicht mehr, als ein belesener Wanderer, der einfach schon recht viel herumgekommen war. Jedenfalls war meine Neugierde immerfort geweckt, einem möglichen Geheimnis auf die Spur zu kommen. Nicht, dass es mich störte, dass er mich begleiten wollte - geradezu erfreut über die Reise zu sein schien. Ich wusste, dass er mir Kraft geben wollte und - wie ich immerwieder erstaunt feststellte - schon gab. Ich werde dir alles an Trost und Unterstützung geben, zu dem ich in der Lage bin. Ich erinnerte mich seiner Worte gut, da sie ehrlich waren, da das Schmunzeln seine Lippen bei ihnen verlassen hatte. Bei jedem Anderen wär ich sicherlich aufgefahren, hätte ihn gefragt, was beim Namen der Götter ihm den Anschein gab, ich würde Trost nötig haben. Doch nicht bei Arlin, der mit jedem forschenden Blick in mich hineinzusehen schien - in meine Seele - und sah, dass ich Angst hatte. Eure Furcht ist ein Zeichen, dass Ihr auf dem richtigen Weg seit... Ich würde ihn bei Gelegenheit fragen, auf welchem Weg er war...
Ich hatte seltsam tief geschlafen diese Nacht. Die durchwachten Stunden über den Karten, den Plänen der Reise hatten ihre Wirkung gezeigt. Doch war es kein Schlaf einer Erschöpften, sondern ein seltsam tiefer, traumloser Schlaf. Ich fühlte mich weitaus erholter und wacher, als schon seit langem. Der Tatendrang und die Aufbruchsstimmung verdrängten die Angst vor dem Ungewissen.
Ich warf einen Blick auf die Karte, die auf dem kleinen Tisch in meinem gemieteten Zimmer lag, zog in Gedanken die Linien nach, die meine Feder auf ihr gezogen hatte... Die Tinte war an einigen Stellen verwischt, die Linie zittrig, doch wurd sie sicherer, je dichter sie ihrem Ziel kam...
Ich knotete den kleinen Beutel mit Brotlaibern und Schinken an meinen Gürtel, nahm den Wasserschlauch und hängte ihn mir quer über den Torso. Ein prüfender Blick an mir herunter... die dünne braune lederne Rüstung schmiegte sich fest an meinen Körper, schmeichelte - und ersetzte die Drachenlederrüstung für diese Reise gut. Die Schuhe fest aber bequem, fast kniehoch fixierten sie die beiden Wurfäxte an meinen Waden. Der Aufbruch nahte. Das spürte ich mit jedem Blick zur Tür heraus, mit jedem Schritt durch das Gasthaus, mit jedem Luftzug, den ich nahm, als ich schließlich auf den Stufen der Haustür stand. Es war soweit. Die Reise begann. Wohin? Eine merkwürdige Frage. Doch ich bin mir sicher das die einzig wirklich passende und sichere Antwort darauf wäre: "in die Vergangenheit."
Wie reißt das wilde Spiel
an meinem müden Herz,
wie weit entfernt und unbewußt
ruht nun der sanfte Schmerz.
Ist jene Stimmung Spielerei,
so spült sie mich doch hin.
Gelöst von Trauer -beinah frei
vergeß ich wer ich bin.
Fast glaub ich dieses Ungewiss
ist mehr als ich ertragen kann.
Mich treibt das Blut nun fort.
Ich taumel, stürze, halte mich
doch wehe voller Zuversicht
zurück - an jenen Ort.