04.10.2008, 02:51
VI. -Drachenkrieger
Ich betrachtete ihn lange. Er saß unten am Strand, starrte vor sich hin, auf das sich vom sanften Wind kräuselnde Wasser. Nun war es soweit, ich würde meinen Weg alleine fort setzen. Ich war wütend. Verletzt. Über das letzte Gespräch. Arlin hatte mir den Pfad auf die andere Seite gezeigt und langsam begriff auch ich, dass dies mein Talent war.
Doch je offener mir die andere Seite stand, umso größer wurden die stillen Fragen, die mich im Bezug auf meinen Meister quälten. Es gab jene Momente, in denen er mir nah war und ich das Gefühl hatte, dass er jenes auch wollte. Doch immer wenn ich mich diesem Gefühl hingeben wollte, zog er sich zurück, erinnerte mich daran, dass er mein Lehrer war. Dass die Reise weiter ging. Dieser nahtlose, plötzliche Übergang war etwas, das ich nicht verstand. Es machte mich wütend, verletzte mich. Und genau diese Wut wies mir den Weg zu jener Prüfung, die er mir auferlegt hatte. Der Weg in die Vergangenheit - zu jenem Ort der mein Leben für immer verändert hatte: Die Höhle des Drachen.
Arlin hatte gesagt es wäre vielleicht nötig, dass ich jenen Teil des Weges alleine ging. So brach ich auf. Ich beschwerte die alte Karte mit einem Stein, so dass Arlin sie finden würde. Die verblassten Linien würden ihm den Weg weisen, wenn er folgen würde. Ein Fleck aus rotem Siegelwachs malte schillernd eine markierung an dem Punkt, an dem die Höhle lag. Die Reise würde 2 Tage dauern, wenn man eilte. Vielleicht auch 3, wenn man es nicht tat. Ich brach auf.
Die Tage waren vergangen. ohne dass ich es bemerkt hatte. Meine Füße trugen mich zuverlässig, und meine Erwartung stieg an einen Punkt, an dem ich weder Müdigkeit noch Hunger oder Durst gewiss war. Ähnlich wie damals, als wir ausgezogen waren, um den Drachen zu erlegen. Ich erkannte Weggabelungen und merkte nicht, dass meine Schritte schneller wurden.
Als ich den Wasserfall bereits sehen konnte, traf ich auf eine Frau. Sie sammelte Pilze im Unterholz, den Herbst und das gute Wetter nutzend. Ich sprach sie an, auf den Wasserfall deutend: "Eine schöne Gegend hier, oder?" Die Frau richtete sich auf und musterte mich skeptisch. "Ihr meint diesen verfluchten Wasserfall, mhm?" Ich nickte und konnte nur zu genau beobachten, wie sich die Mine der Alten verdunkelte. Fast wie Wolken über den Himmel jagen, wenn ein Gewitter droht. Doch war es nicht Zorn, sondern Angst, die ich auf ihren Zügen erkannte, während das faltige Gesicht schnell an Farbe verlohr. "Geht nich da hin, Kind!" -rief sie aus, bevor ihre Stimme leise wurde: "Es spukt dort!" Meine Antwort auf diese Warnung ließ sie noch einen Deut blasser werden. "Ich weiss." sagte ich schlicht, ehe ich weiter ging.
Die alte Frau lief einige Meter hinter mir her. "So warte doch! Willst du dich denn umbringen?" Sie schien so in Angst versunken, dass sie die höflichen Floskeln ganz vergaß und nun viel mehr wie eine Mutter wirkte, die der erwachsenen Tochter eine Dummheit ausreden wollte. Ich blieb stehen, wandte mich jedoch nicht um, ehe sie wieder neben mir stand. Der Pilzkorb baumelte ungeachtet an ihrem Arm und ich sah, dass sie mir nur bis knapp zu den Schultern reichte.
"Hast du denn die Geschichten nicht gehört? Von dem Geisterkrieger?" Ich sah sie ruhig an. "Nein. Doch vermutlich werdet Ihr sie mir erzählen..."
Und das tat sie. Sie berichtete von einem Hühnen, fast sieben Fuß* groß und breit gebaut mit wehendem nussbraunem Haar und Augen wie Feuer. Eine große Axt schwingend mit einem eingravierten Drachen am Blatt solle er in der Höhle unter dem Wasserfall spuken und jeden verjagen, der auch nur in die Nähe dieser alten Drachenhöhle kam. Ein Krieger, wie nur ein böser Gott ihn geschaffen haben konnte.
Wieder reagierte ich anders, als sie vielleicht erwartet hatte. Ein Lächeln schlich sich auf meine Züge. "Ja, wenn man ihn nicht kannte, konnte er einem eine ganz schöne Furcht einjagen." Ihre Augen wurden groß. "Der...Geisterkrieger..?" Ich lächelte sie matt an. "Eine rastlose Seele, nicht von der einen Seite gewichen, doch auch nicht auf der anderen Angekommen. Gefangen im Hier, obgleich er tod ist. Berold, der Drachenkrieger. Er hält sich fest an dem, das noch lebt. Durch welche Adern noch Blut pulsiert. Unerreichbar für ihn..." Ich verstummte, als ich den Blick der Alten gewahr wurde, welche nun mich ansah, als wäre ich ein Geist. Ich hatte mich hinreissen lassen von jenen Gedanken. Das durfte nicht passieren. Sie verstanden es nicht...
...und richtig. Die pure Panik erschien in ihren Augen, und auf eine so eigentümliche Art und Weise komisch, drückte sie den Korb mit den gesammelten Pilzen eng an den Körper. "Verfluchtes Teufelspack..." hörte ich sie murmeln, als sie davon eilte.
Ich setzte meinen Weg fort, suchte mir ein Nachtquartier auf einigen Farnen, als es dämmerte. Das Rauschen des Wasserfalls lullte mich ein und ich fühlte mich auf eine irrsinnige Art wohl und geborgen.
Am Morgen, so sagte ich mir, würde ich die Höhle betreten, Kontakt zu dem aufnehmen, was mich verließ.
*Fuß
1 Fuß= 30,46cm
Ich betrachtete ihn lange. Er saß unten am Strand, starrte vor sich hin, auf das sich vom sanften Wind kräuselnde Wasser. Nun war es soweit, ich würde meinen Weg alleine fort setzen. Ich war wütend. Verletzt. Über das letzte Gespräch. Arlin hatte mir den Pfad auf die andere Seite gezeigt und langsam begriff auch ich, dass dies mein Talent war.
Doch je offener mir die andere Seite stand, umso größer wurden die stillen Fragen, die mich im Bezug auf meinen Meister quälten. Es gab jene Momente, in denen er mir nah war und ich das Gefühl hatte, dass er jenes auch wollte. Doch immer wenn ich mich diesem Gefühl hingeben wollte, zog er sich zurück, erinnerte mich daran, dass er mein Lehrer war. Dass die Reise weiter ging. Dieser nahtlose, plötzliche Übergang war etwas, das ich nicht verstand. Es machte mich wütend, verletzte mich. Und genau diese Wut wies mir den Weg zu jener Prüfung, die er mir auferlegt hatte. Der Weg in die Vergangenheit - zu jenem Ort der mein Leben für immer verändert hatte: Die Höhle des Drachen.
Arlin hatte gesagt es wäre vielleicht nötig, dass ich jenen Teil des Weges alleine ging. So brach ich auf. Ich beschwerte die alte Karte mit einem Stein, so dass Arlin sie finden würde. Die verblassten Linien würden ihm den Weg weisen, wenn er folgen würde. Ein Fleck aus rotem Siegelwachs malte schillernd eine markierung an dem Punkt, an dem die Höhle lag. Die Reise würde 2 Tage dauern, wenn man eilte. Vielleicht auch 3, wenn man es nicht tat. Ich brach auf.
Die Tage waren vergangen. ohne dass ich es bemerkt hatte. Meine Füße trugen mich zuverlässig, und meine Erwartung stieg an einen Punkt, an dem ich weder Müdigkeit noch Hunger oder Durst gewiss war. Ähnlich wie damals, als wir ausgezogen waren, um den Drachen zu erlegen. Ich erkannte Weggabelungen und merkte nicht, dass meine Schritte schneller wurden.
Als ich den Wasserfall bereits sehen konnte, traf ich auf eine Frau. Sie sammelte Pilze im Unterholz, den Herbst und das gute Wetter nutzend. Ich sprach sie an, auf den Wasserfall deutend: "Eine schöne Gegend hier, oder?" Die Frau richtete sich auf und musterte mich skeptisch. "Ihr meint diesen verfluchten Wasserfall, mhm?" Ich nickte und konnte nur zu genau beobachten, wie sich die Mine der Alten verdunkelte. Fast wie Wolken über den Himmel jagen, wenn ein Gewitter droht. Doch war es nicht Zorn, sondern Angst, die ich auf ihren Zügen erkannte, während das faltige Gesicht schnell an Farbe verlohr. "Geht nich da hin, Kind!" -rief sie aus, bevor ihre Stimme leise wurde: "Es spukt dort!" Meine Antwort auf diese Warnung ließ sie noch einen Deut blasser werden. "Ich weiss." sagte ich schlicht, ehe ich weiter ging.
Die alte Frau lief einige Meter hinter mir her. "So warte doch! Willst du dich denn umbringen?" Sie schien so in Angst versunken, dass sie die höflichen Floskeln ganz vergaß und nun viel mehr wie eine Mutter wirkte, die der erwachsenen Tochter eine Dummheit ausreden wollte. Ich blieb stehen, wandte mich jedoch nicht um, ehe sie wieder neben mir stand. Der Pilzkorb baumelte ungeachtet an ihrem Arm und ich sah, dass sie mir nur bis knapp zu den Schultern reichte.
"Hast du denn die Geschichten nicht gehört? Von dem Geisterkrieger?" Ich sah sie ruhig an. "Nein. Doch vermutlich werdet Ihr sie mir erzählen..."
Und das tat sie. Sie berichtete von einem Hühnen, fast sieben Fuß* groß und breit gebaut mit wehendem nussbraunem Haar und Augen wie Feuer. Eine große Axt schwingend mit einem eingravierten Drachen am Blatt solle er in der Höhle unter dem Wasserfall spuken und jeden verjagen, der auch nur in die Nähe dieser alten Drachenhöhle kam. Ein Krieger, wie nur ein böser Gott ihn geschaffen haben konnte.
Wieder reagierte ich anders, als sie vielleicht erwartet hatte. Ein Lächeln schlich sich auf meine Züge. "Ja, wenn man ihn nicht kannte, konnte er einem eine ganz schöne Furcht einjagen." Ihre Augen wurden groß. "Der...Geisterkrieger..?" Ich lächelte sie matt an. "Eine rastlose Seele, nicht von der einen Seite gewichen, doch auch nicht auf der anderen Angekommen. Gefangen im Hier, obgleich er tod ist. Berold, der Drachenkrieger. Er hält sich fest an dem, das noch lebt. Durch welche Adern noch Blut pulsiert. Unerreichbar für ihn..." Ich verstummte, als ich den Blick der Alten gewahr wurde, welche nun mich ansah, als wäre ich ein Geist. Ich hatte mich hinreissen lassen von jenen Gedanken. Das durfte nicht passieren. Sie verstanden es nicht...
...und richtig. Die pure Panik erschien in ihren Augen, und auf eine so eigentümliche Art und Weise komisch, drückte sie den Korb mit den gesammelten Pilzen eng an den Körper. "Verfluchtes Teufelspack..." hörte ich sie murmeln, als sie davon eilte.
Ich setzte meinen Weg fort, suchte mir ein Nachtquartier auf einigen Farnen, als es dämmerte. Das Rauschen des Wasserfalls lullte mich ein und ich fühlte mich auf eine irrsinnige Art wohl und geborgen.
Am Morgen, so sagte ich mir, würde ich die Höhle betreten, Kontakt zu dem aufnehmen, was mich verließ.
*Fuß
1 Fuß= 30,46cm