20.11.2008, 23:00
30: Der schwarze Wolf
Hätte ich geahnt, dass mich das Erbe meines Vaters eines Tages doch noch ereilt, wäre ich möglicherweise einen anderen Weg gegangen. Aber dafür war es nun zu spät. Es ärgert mich beinahe mehr, dass die Bewohner Lomerias Recht hatten: Mein Vater war ein Mörder. Die Geschichte um den Werwolf an den Wasserfällen war nicht erfunden. Er war es gewesen, er hatte sie umgebracht. Warum nur ließ er mich zurück? Wo er seine Frau getötet hatte, warum ließ er seinen Sohn am Leben? Ich wünschte er hätte s nicht getan. Heute wäre ich gerne tot.
Die Nacht war grau und Wolkenbedeckt, ich spürte das es Neumond war. Wie passend. Mein Helm lag neben mir im Schnee und ich saß einfach da und starrte auf das Dorf vor mir im Tal. Die Berge her im Norden Imoriaths waren wie ein Schutzwall für das Reich der Zwerge und heute gaben sie mir Schutz vor neugierigen Blicken. Tränen rannen meine Wangen unaufhörlich hinab, doch man hörte keinen Laut. Es war eine stumme Trauer für eine stumme Frau.
Als hätte es mich nicht schon hart genug getroffen, dass Morn vor einigen Tagen sein Leben für uns ließ. Der junge Magier hatte sich uns angeschlossen in einem der Dörfer an der Grenze Schuttgards. Ein paar Trunkenbolde wollten den hageren Kerl gerade auseinander nehmen, weil sie ihm vorwarfen er würde beim Kartenspiel mit seiner Magie betrügen. Kyrie, Evana und ich waren gerade erst in das Gasthaus eingetroffen, draußen fegte ein kalter Sturm und die Kleine brauchte dringend ein warmes Bett. Ich wusste nicht warum, aber ich half dem Magier aus der Situation. Er schien beeindruckt zu sein und bettelte förmlich darum uns ab sofort begleiten zu dürfen.
Durch ihn lernte ich viel über Fabelwesen und Legenden, aber mir wurde auch wieder bewusst wie wenig ich die Magie wirklich verstand… und die Magier. Ich glaube Morn hatte immer gewusst welches Geheimnis ich mit mir herumgeschleppt habe. Er sprach immer wieder davon, dass man aus allem einen Nutzen ziehen könnte, wenn man es nur zuließe. Leider verhinderte das nicht seinen Tod. Ein Tod den man hätte verhindern können.
Die kleine Evana hatte Morn schnell in sein Herz geschlossen und er versuchte der nicht mal zweijährigen Halbelfe die Magie nahe zu legen. Außerdem war er ein guter Babysitter und seine Gute Nacht Geschichten verfehlten nie ihre Wirkung. Morn war immer für einen Spaß zu haben und holte auch mich oft aus meinen Depressionen heraus. Er war ein Freund, ein Teil der Familie. Dafür gab er sein Leben: Für uns.
Die Bilder hängen mir noch immer im Kopf. Die Metue aufgebrachter Menschen mit Fackeln, Mistgabeln und was sie sonst schnell zur Hand gehabt haben, hing uns im Nacken. Sie wollten uns nicht länger dulden, wollten uns nicht nur loswerden sondern gar umbringen. Sie hatten Angst, das roch ich. Angst vor der Geisterfrau und dem schwarzen Ritter. Sogar Evana wurde als Bastardkind und Hexe beschimpft. Menschen sind so leicht zu beeinflussen.
Morn hatte es gewagt sich diesen Bauerntölpeln in den Weg zu stellen. Wir brauchten Zeit um über die morsche Brücke quer über eine der Klippen zu gelangen ohne das die Meute diese in Brand steckte. Der Magier verhalf uns zu dieser Zeit und bezahlte teuer dafür. Ich wäre am liebsten in Raserei verfallen um ihn zu retten… aber ich hatte Evana auf dem Arm und auch Kyrie war ohne mich verloren. Ich musste eine Entscheidung treffen… Es tut mir so Leid Morn.
Mein Gesicht versinkt in meinen Händen, beinahe graben sich die Metallklauen an den schwarzen Panzerhandschuhen in mein Fleisch. Aber ich spüre es kaum, es ist zu kalt hier draußen. Meine Finger sind bereits taub, ein Wunder das meine Tränen noch nicht gefroren sind. Ein kurzer Seufzer dringt an mein Ohr und Evana dreht sich auf die andere Seite in dem Schlafsack aus schwarzem Schafsfell, welcher um meinen Oberkörper gebunden ist. Körperwärme heißt das Stichwort, ich könnte es mir nicht verzeihen wenn sie sich etwas abfriert oder sonst etwas tut. So nah an meinem Körper ist sie in Sicherheit, so hoffe ich jedenfalls. Sie hat doch sonst niemanden mehr…
Kyrie, sie nannten sie die Geisterfrau. Vielleicht war sie auch nicht mehr. Nach dem Unglück vor zwei Jahren sprach sie nie wieder ein Wort. Sie wirkte immer abwesend, so sehr verletzt, dass nichts auf der Welt ihr ein Lächeln schenken konnte ~ außer die Geburt von Evana. Sie hatte sich liebevoll um ihre Tochter gekümmert, doch auch mit ihr sprach sie nie. Ich lernte aus ihren Augen zu lesen, auch wenn es dort nie viel gab. Kyrie war wie tot. Eine Elfe die nur noch lebte, weil ihr Körper es so wollte. Kyries Geist war längst fort, jedenfalls kam es mir so vor.
Ich schiebe eine von Evanas goldenen Locken wieder in den Schlafsack hinein, obwohl sie eine Halbelfe ist, sieht sie aus wie ihre Mutter. Den menschlichen Anteil kann man eigentlich nicht erkennen. Lediglich die paar Worte, die sie ab und zu über die Lippen bringt zeugen von Morns Geduld ihr Sprechen beizubringen. Außerdem hört Evana mir immer zu, wenn ich Selbstgespräche führe…
Doch wie soll ich ihr erklären, dass ihre Mutter nie wieder kommen wird? Allein der Gedanke daran treibt mich in den Wahnsinn. Es ist vielleicht ein Tageslauf her, als ich Kyrie fand. Meine Finger zittern immer noch. Das war keine Welt in die ein Kind, dass gerade erst Laufen gelernt hat, hineingehört. Ich hoffe nur, dass sie nicht verstanden hatte was geschehen ist. Wie konnte Kyrie nur vor ihren Augen… den Gedanken kaum zu Ende gedacht mache ich mich ganz klein, wie ein schwarzer Panzer um Evana herum, möchte sie komplett schützen. Nie soll ihr etwas geschehen, nie soll sie je wieder solches Leid erfahren. Sie ist doch noch so jung…
Ich kann nicht anders und stimme zu einem traurigen Wolfsgeheul an, in der Ferne gibt es eine Antwort von den Schneewölfen: Wir trauern mit dir um deine Familie, schwarzer Wolf. Evana schläft weiter und das ist gut so. Ich möchte nicht, dass sie in die gelben Wolfsaugen schaut welche ich gerade habe. Ich will nicht, dass sie je erfährt was das Erbe meines Vaters mit mir macht wenn ich zornig bin. Ich will nur, dass sie glücklich wird.
Deswegen reisen wir zurück. Zurück in wärmere Gefilde, zurück nach Giran.
Hätte ich geahnt, dass mich das Erbe meines Vaters eines Tages doch noch ereilt, wäre ich möglicherweise einen anderen Weg gegangen. Aber dafür war es nun zu spät. Es ärgert mich beinahe mehr, dass die Bewohner Lomerias Recht hatten: Mein Vater war ein Mörder. Die Geschichte um den Werwolf an den Wasserfällen war nicht erfunden. Er war es gewesen, er hatte sie umgebracht. Warum nur ließ er mich zurück? Wo er seine Frau getötet hatte, warum ließ er seinen Sohn am Leben? Ich wünschte er hätte s nicht getan. Heute wäre ich gerne tot.
Die Nacht war grau und Wolkenbedeckt, ich spürte das es Neumond war. Wie passend. Mein Helm lag neben mir im Schnee und ich saß einfach da und starrte auf das Dorf vor mir im Tal. Die Berge her im Norden Imoriaths waren wie ein Schutzwall für das Reich der Zwerge und heute gaben sie mir Schutz vor neugierigen Blicken. Tränen rannen meine Wangen unaufhörlich hinab, doch man hörte keinen Laut. Es war eine stumme Trauer für eine stumme Frau.
Als hätte es mich nicht schon hart genug getroffen, dass Morn vor einigen Tagen sein Leben für uns ließ. Der junge Magier hatte sich uns angeschlossen in einem der Dörfer an der Grenze Schuttgards. Ein paar Trunkenbolde wollten den hageren Kerl gerade auseinander nehmen, weil sie ihm vorwarfen er würde beim Kartenspiel mit seiner Magie betrügen. Kyrie, Evana und ich waren gerade erst in das Gasthaus eingetroffen, draußen fegte ein kalter Sturm und die Kleine brauchte dringend ein warmes Bett. Ich wusste nicht warum, aber ich half dem Magier aus der Situation. Er schien beeindruckt zu sein und bettelte förmlich darum uns ab sofort begleiten zu dürfen.
Durch ihn lernte ich viel über Fabelwesen und Legenden, aber mir wurde auch wieder bewusst wie wenig ich die Magie wirklich verstand… und die Magier. Ich glaube Morn hatte immer gewusst welches Geheimnis ich mit mir herumgeschleppt habe. Er sprach immer wieder davon, dass man aus allem einen Nutzen ziehen könnte, wenn man es nur zuließe. Leider verhinderte das nicht seinen Tod. Ein Tod den man hätte verhindern können.
Die kleine Evana hatte Morn schnell in sein Herz geschlossen und er versuchte der nicht mal zweijährigen Halbelfe die Magie nahe zu legen. Außerdem war er ein guter Babysitter und seine Gute Nacht Geschichten verfehlten nie ihre Wirkung. Morn war immer für einen Spaß zu haben und holte auch mich oft aus meinen Depressionen heraus. Er war ein Freund, ein Teil der Familie. Dafür gab er sein Leben: Für uns.
Die Bilder hängen mir noch immer im Kopf. Die Metue aufgebrachter Menschen mit Fackeln, Mistgabeln und was sie sonst schnell zur Hand gehabt haben, hing uns im Nacken. Sie wollten uns nicht länger dulden, wollten uns nicht nur loswerden sondern gar umbringen. Sie hatten Angst, das roch ich. Angst vor der Geisterfrau und dem schwarzen Ritter. Sogar Evana wurde als Bastardkind und Hexe beschimpft. Menschen sind so leicht zu beeinflussen.
Morn hatte es gewagt sich diesen Bauerntölpeln in den Weg zu stellen. Wir brauchten Zeit um über die morsche Brücke quer über eine der Klippen zu gelangen ohne das die Meute diese in Brand steckte. Der Magier verhalf uns zu dieser Zeit und bezahlte teuer dafür. Ich wäre am liebsten in Raserei verfallen um ihn zu retten… aber ich hatte Evana auf dem Arm und auch Kyrie war ohne mich verloren. Ich musste eine Entscheidung treffen… Es tut mir so Leid Morn.
Mein Gesicht versinkt in meinen Händen, beinahe graben sich die Metallklauen an den schwarzen Panzerhandschuhen in mein Fleisch. Aber ich spüre es kaum, es ist zu kalt hier draußen. Meine Finger sind bereits taub, ein Wunder das meine Tränen noch nicht gefroren sind. Ein kurzer Seufzer dringt an mein Ohr und Evana dreht sich auf die andere Seite in dem Schlafsack aus schwarzem Schafsfell, welcher um meinen Oberkörper gebunden ist. Körperwärme heißt das Stichwort, ich könnte es mir nicht verzeihen wenn sie sich etwas abfriert oder sonst etwas tut. So nah an meinem Körper ist sie in Sicherheit, so hoffe ich jedenfalls. Sie hat doch sonst niemanden mehr…
Kyrie, sie nannten sie die Geisterfrau. Vielleicht war sie auch nicht mehr. Nach dem Unglück vor zwei Jahren sprach sie nie wieder ein Wort. Sie wirkte immer abwesend, so sehr verletzt, dass nichts auf der Welt ihr ein Lächeln schenken konnte ~ außer die Geburt von Evana. Sie hatte sich liebevoll um ihre Tochter gekümmert, doch auch mit ihr sprach sie nie. Ich lernte aus ihren Augen zu lesen, auch wenn es dort nie viel gab. Kyrie war wie tot. Eine Elfe die nur noch lebte, weil ihr Körper es so wollte. Kyries Geist war längst fort, jedenfalls kam es mir so vor.
Ich schiebe eine von Evanas goldenen Locken wieder in den Schlafsack hinein, obwohl sie eine Halbelfe ist, sieht sie aus wie ihre Mutter. Den menschlichen Anteil kann man eigentlich nicht erkennen. Lediglich die paar Worte, die sie ab und zu über die Lippen bringt zeugen von Morns Geduld ihr Sprechen beizubringen. Außerdem hört Evana mir immer zu, wenn ich Selbstgespräche führe…
Doch wie soll ich ihr erklären, dass ihre Mutter nie wieder kommen wird? Allein der Gedanke daran treibt mich in den Wahnsinn. Es ist vielleicht ein Tageslauf her, als ich Kyrie fand. Meine Finger zittern immer noch. Das war keine Welt in die ein Kind, dass gerade erst Laufen gelernt hat, hineingehört. Ich hoffe nur, dass sie nicht verstanden hatte was geschehen ist. Wie konnte Kyrie nur vor ihren Augen… den Gedanken kaum zu Ende gedacht mache ich mich ganz klein, wie ein schwarzer Panzer um Evana herum, möchte sie komplett schützen. Nie soll ihr etwas geschehen, nie soll sie je wieder solches Leid erfahren. Sie ist doch noch so jung…
Ich kann nicht anders und stimme zu einem traurigen Wolfsgeheul an, in der Ferne gibt es eine Antwort von den Schneewölfen: Wir trauern mit dir um deine Familie, schwarzer Wolf. Evana schläft weiter und das ist gut so. Ich möchte nicht, dass sie in die gelben Wolfsaugen schaut welche ich gerade habe. Ich will nicht, dass sie je erfährt was das Erbe meines Vaters mit mir macht wenn ich zornig bin. Ich will nur, dass sie glücklich wird.
Deswegen reisen wir zurück. Zurück in wärmere Gefilde, zurück nach Giran.