24.11.2008, 02:41
Die Schritte der schweren Schuhe waren kaum zu hören. Obgleich es spät war, waren noch viele Leute auf dem Giraner Markt. Neugierige Blicke hefteten sich auf die Frau, die sich unter dem Baume sinken ließ, die Augen schloss. Nein, dies war nicht der rechte Ort. Verband sie zwar viel hier mit ihm, doch auch mit Ghad. War der Lärm zu groß, um in sich zu gehen. Sie erhob sich wieder. Wo bist du nur? Wo kann ich dich finden, Ben?
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Als sie in Dion ankam, war bereits Nacht. Gewiss, sie hatte beschlossen, jenen Schritt ohne Ghad zu tun. Gewiss war auch er in Dion. Doch nicht an jenem Ort, zu dem es Galenya zog. Jener Ort, der ihr helfen würde. Sie ließ sich ins Gras sinken. Trotz des nahen Winters war es trocken, sogar eisfrei, so dass die edle Rüstung nicht verunziert wurde. Eine schöne Rüstung war es, die Ghad's Rüstbauer für Galenya angefertigt hatte, aus weichem Leder. Obgleich jene Rüstung aus Leder war, war sie doch eher wie eine Robe geschnitten. Die hellen Rottöne fingen das Licht der Laterne auf, die an der geschlossenen Türe des Waffenladen hing.
Es fiel ihr schwer, die Gedanken der Vergangenheit zuzu wenden, in jenem Augenblick, wo doch die Gegenwart so präsent war, Ghad nur einige Kilometer entfernt. Doch hatte sie eine Aufgabe...
Das Siegel zu finden, von dem Ghad sprach. Benji- die Erinnerung an ihn, die Liebe zu ihm, in Gegenständen gebannt. Es war schwer, hatte er doch alle Gegenstände, die sie verbanden, bei sich getragen. Die Flöte, die sie ihm geschnitzt hatte, das Mundstück jener zerstörten... die Verlobungsringe... Dennoch war ihre Suche nicht erfolglos geblieben. Galenya griff in die Taschen des Mantels, breitete die gefundenen Gegenstände vor sich aus: eine schlichte Panflöte aus hellem Holz, ein kleines, aus ebenso hellem Holz geschnitztes Schiffchen... und ein Dolch. Letzterer war kunstvoll geschmiedet, dünne, fließende Linien zierten ihn, ebenso wie einige Runen. Dunkelelfische Runen. Waren es die richtigen Schlüssel? Galenya lehnte den Kopf zurück, gegen den Stamm des Baumes in ihrem Rücken, schloss die Augen.
Ja, es war jener Ort gewesen, an dem er sich zugetragen hatte, der wohl schwerste Moment Galenyas jungen Lebens. Der Ort, an dem Ben sich den eigenen Dolch in den Leib gerammt hatte, sein Blut ins Gras gesickert war. Als sie zum aber und abersten Male sicher gewesen war, ihn verloren zu haben. Nun war sie wieder hier, zum ersten Mal seit jenem Tage. Und der Schmerz erwachte- unweigerlich- wieder in ihrer Brust. Hatte sie ihn nun doch wirklich verloren. Unwiederbringlich. Endgültig. Die Liebe zu Benji, die nach wie vor dort war, in ihr, wo sie doch hingehörte, sie erwachte. Das Sehnen, Vermissen... Dass ihre Wangen nass wurden vor Tränen, dass merkte sie kaum. Nur er hatte gerade Platz in ihren Gedanken, es war ihre Aufgabe... das alles, noch einmal zu durchleben.. den richtigen Schlüssel zu finden, für jenes Ritual. Das Ritual, das ihr Ben zurückbringen würde, wenn auch nur für einen Augenblick. Sie würde es ihm sagen können... alles... dass sie für ihn zurückgekehrt war... bereit seine Frau zu werden... Ihm Ruhe zu bringen, nach dieser schrecklichen Zeit, in der der Dunkle in ihm gewohnt hatte... Eine Liebe so tief... so unbeschreiblich. Doch viel mehr als das wollte sie ihm sagen... Dass sie nun ein neues Glück gefunden hatte... sie wollte Benji bitten, sie frei zu geben... um ihn in liebevoller Erinnerung behalten zu können... Ewig lieben, wie sie es versprochen hatte... auch als Frau eines Anderen.
Galenya tastete nach der Panflöte, strich mit der Hand darüber, sanft mit den Fingerkuppen das Holz nachfahrend und so an den Anfang der Geschichte zurückkehrend... Das Herz so rastlos, so einsam, als sie an jenem Tag die Handelsstadt betrat... Friede und Ruhe fand, in den simplen Klängen einer Panflöte... Trost... Geborgenheit.
Galenya... welch ein schöner Name... wie der einer Galeonsfigur an einem prunkvollen Schiff...
Die Finger Galenyas nahmen das kleine Holzschiff vorsichtig an sich. So sanft waren jene Worte damals.. so tief hatten sie sich in ihr Herz geschrieben... Die Stunden am Strand mit ihm... die langen, zärtlichen Gespräche in den Sonnenuntergang hinein... durch die Nacht... in den Morgen. Und immerfort zogen die großen Segelschiffe... mit einem einzigen Ziel: Dem Horizont entgegen, die Segel gebläht. Wofür kämpft du?
Es war auch jener Strand gewesen, als der Ork sie angegriffen hatte... Jene Ufer, an denen Benji sie gefunden hatte, halbtod. Wie tief war der Schmerz gewesen, ihn haltlos weinend am eigenen Krankenlager zu sehen... doch fast noch tiefer der, der Erkenntnis... Dass der Dunkle noch immer Gewalt über den Liebsten hatte... Ihn zu einer gefährlichen Waffe machte. Dass sie ihn nicht halten konnte... Galenyas Finger umschlossen den Dolch der Dunklen so fest, dass die Handknöchel weiß wurden. Sie hatten gekämpft. Galenya. Michael. Opium. Kyrie. Doch sie hatten verloren... Benji war tot...
Galenya schluckte schwer, als die Stadt vor den Augen wieder Gestalt annahm. Jetzt erst hörte sie dass eigene Schluchzen. Mit zitternden Fingern strich sie die drei Gegenstände zurück in die Manteltasche, zog den selbigen eng um sich, als wolle sie eins mit der dicken Schurwolle werden. Ja.. diese Gegenstände waren wahrlich der Schlüssel zu dem, was sie zu finden suchte. Benji. So würde sie ihn finden.
Nach einigen Stunden in jener stillen Eindacht erhob sie sich. Die Schritte trieben sie Stadtauswärts zu jener Ritualstätte, an der Ghad auf sie warten würde. Nur einmal verharrte sie auf diesem Weg, an einem Rosenbeet. Eine halbgeöffnete, tiefrote Rosenknospe schien ihr Interesse geweckt. Galenya beugte sich herab, brach den Stiel entzwei und bettete die Rose auf der Handfläche. Das Eis, welches die Knospe sicher einschloss, taute rasch. Die Rose, die so schön, so zeitlos ausgesehen hatte, lag bloß. So bloß nun auch die Zeichen der Zeit auf jener, die beigen Flecken der Vergänglichkeit auf den blutroten Blättern. Mit zitternden Fingern und sehr vorsichtig ließ Galenya auch diesen Gegenstand in der Tasche des Mantels verschwinden. Ihre Gedanken waren noch immer beim Schicksal der Rose, als sie den Berg zur Ritualstätte empor ging.
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--- Gesprochenes
--- Gedanken
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Als sie in Dion ankam, war bereits Nacht. Gewiss, sie hatte beschlossen, jenen Schritt ohne Ghad zu tun. Gewiss war auch er in Dion. Doch nicht an jenem Ort, zu dem es Galenya zog. Jener Ort, der ihr helfen würde. Sie ließ sich ins Gras sinken. Trotz des nahen Winters war es trocken, sogar eisfrei, so dass die edle Rüstung nicht verunziert wurde. Eine schöne Rüstung war es, die Ghad's Rüstbauer für Galenya angefertigt hatte, aus weichem Leder. Obgleich jene Rüstung aus Leder war, war sie doch eher wie eine Robe geschnitten. Die hellen Rottöne fingen das Licht der Laterne auf, die an der geschlossenen Türe des Waffenladen hing.
Es fiel ihr schwer, die Gedanken der Vergangenheit zuzu wenden, in jenem Augenblick, wo doch die Gegenwart so präsent war, Ghad nur einige Kilometer entfernt. Doch hatte sie eine Aufgabe...
Das Siegel zu finden, von dem Ghad sprach. Benji- die Erinnerung an ihn, die Liebe zu ihm, in Gegenständen gebannt. Es war schwer, hatte er doch alle Gegenstände, die sie verbanden, bei sich getragen. Die Flöte, die sie ihm geschnitzt hatte, das Mundstück jener zerstörten... die Verlobungsringe... Dennoch war ihre Suche nicht erfolglos geblieben. Galenya griff in die Taschen des Mantels, breitete die gefundenen Gegenstände vor sich aus: eine schlichte Panflöte aus hellem Holz, ein kleines, aus ebenso hellem Holz geschnitztes Schiffchen... und ein Dolch. Letzterer war kunstvoll geschmiedet, dünne, fließende Linien zierten ihn, ebenso wie einige Runen. Dunkelelfische Runen. Waren es die richtigen Schlüssel? Galenya lehnte den Kopf zurück, gegen den Stamm des Baumes in ihrem Rücken, schloss die Augen.
Ja, es war jener Ort gewesen, an dem er sich zugetragen hatte, der wohl schwerste Moment Galenyas jungen Lebens. Der Ort, an dem Ben sich den eigenen Dolch in den Leib gerammt hatte, sein Blut ins Gras gesickert war. Als sie zum aber und abersten Male sicher gewesen war, ihn verloren zu haben. Nun war sie wieder hier, zum ersten Mal seit jenem Tage. Und der Schmerz erwachte- unweigerlich- wieder in ihrer Brust. Hatte sie ihn nun doch wirklich verloren. Unwiederbringlich. Endgültig. Die Liebe zu Benji, die nach wie vor dort war, in ihr, wo sie doch hingehörte, sie erwachte. Das Sehnen, Vermissen... Dass ihre Wangen nass wurden vor Tränen, dass merkte sie kaum. Nur er hatte gerade Platz in ihren Gedanken, es war ihre Aufgabe... das alles, noch einmal zu durchleben.. den richtigen Schlüssel zu finden, für jenes Ritual. Das Ritual, das ihr Ben zurückbringen würde, wenn auch nur für einen Augenblick. Sie würde es ihm sagen können... alles... dass sie für ihn zurückgekehrt war... bereit seine Frau zu werden... Ihm Ruhe zu bringen, nach dieser schrecklichen Zeit, in der der Dunkle in ihm gewohnt hatte... Eine Liebe so tief... so unbeschreiblich. Doch viel mehr als das wollte sie ihm sagen... Dass sie nun ein neues Glück gefunden hatte... sie wollte Benji bitten, sie frei zu geben... um ihn in liebevoller Erinnerung behalten zu können... Ewig lieben, wie sie es versprochen hatte... auch als Frau eines Anderen.
Galenya tastete nach der Panflöte, strich mit der Hand darüber, sanft mit den Fingerkuppen das Holz nachfahrend und so an den Anfang der Geschichte zurückkehrend... Das Herz so rastlos, so einsam, als sie an jenem Tag die Handelsstadt betrat... Friede und Ruhe fand, in den simplen Klängen einer Panflöte... Trost... Geborgenheit.
Galenya... welch ein schöner Name... wie der einer Galeonsfigur an einem prunkvollen Schiff...
Die Finger Galenyas nahmen das kleine Holzschiff vorsichtig an sich. So sanft waren jene Worte damals.. so tief hatten sie sich in ihr Herz geschrieben... Die Stunden am Strand mit ihm... die langen, zärtlichen Gespräche in den Sonnenuntergang hinein... durch die Nacht... in den Morgen. Und immerfort zogen die großen Segelschiffe... mit einem einzigen Ziel: Dem Horizont entgegen, die Segel gebläht. Wofür kämpft du?
Es war auch jener Strand gewesen, als der Ork sie angegriffen hatte... Jene Ufer, an denen Benji sie gefunden hatte, halbtod. Wie tief war der Schmerz gewesen, ihn haltlos weinend am eigenen Krankenlager zu sehen... doch fast noch tiefer der, der Erkenntnis... Dass der Dunkle noch immer Gewalt über den Liebsten hatte... Ihn zu einer gefährlichen Waffe machte. Dass sie ihn nicht halten konnte... Galenyas Finger umschlossen den Dolch der Dunklen so fest, dass die Handknöchel weiß wurden. Sie hatten gekämpft. Galenya. Michael. Opium. Kyrie. Doch sie hatten verloren... Benji war tot...
Galenya schluckte schwer, als die Stadt vor den Augen wieder Gestalt annahm. Jetzt erst hörte sie dass eigene Schluchzen. Mit zitternden Fingern strich sie die drei Gegenstände zurück in die Manteltasche, zog den selbigen eng um sich, als wolle sie eins mit der dicken Schurwolle werden. Ja.. diese Gegenstände waren wahrlich der Schlüssel zu dem, was sie zu finden suchte. Benji. So würde sie ihn finden.
Nach einigen Stunden in jener stillen Eindacht erhob sie sich. Die Schritte trieben sie Stadtauswärts zu jener Ritualstätte, an der Ghad auf sie warten würde. Nur einmal verharrte sie auf diesem Weg, an einem Rosenbeet. Eine halbgeöffnete, tiefrote Rosenknospe schien ihr Interesse geweckt. Galenya beugte sich herab, brach den Stiel entzwei und bettete die Rose auf der Handfläche. Das Eis, welches die Knospe sicher einschloss, taute rasch. Die Rose, die so schön, so zeitlos ausgesehen hatte, lag bloß. So bloß nun auch die Zeichen der Zeit auf jener, die beigen Flecken der Vergänglichkeit auf den blutroten Blättern. Mit zitternden Fingern und sehr vorsichtig ließ Galenya auch diesen Gegenstand in der Tasche des Mantels verschwinden. Ihre Gedanken waren noch immer beim Schicksal der Rose, als sie den Berg zur Ritualstätte empor ging.
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