01.12.2008, 20:27
Rot flackerte das Licht einzelner, einst langer Kerzen, diejenigen, die verblieben sind, während andere schon verbrannten. Das warme, edel scheinende Zimmer schützte gut vor dem Unwetter draussen, dem prasselnden Regen, der auf die Fenster hämmerte, einzig und allein das Geräusch hielt den kleinen Menschenjungen, nicht einmal 10 Jahre alt, vom Schlafen ab, immer wieder quälte er sich, drehte sich im Bett herum, fand doch keine Ruhe.
Es war bestimmt eine ganze Stunde, die vergang, bis ein älterer Herr, auf dessen Kopf sich nur noch wenige Haare fanden, jedes einzelne Grau bis Weiss, behutsam ins Zimmer trat und dem Jungen ein Glas warmer Milch auf den Nachttisch direkt neben dem Bett stellte, bevor er sich einen Stuhl holte und sich neben dem Bett niederliess, vorerst schweigend.
"Scheußliche Nacht ... Habe sie oft genug selbst erlebt ... Nicht so sicher wie wir jetzt sind."
Drangen die kehlig heiseren Worte aus dem Mund des Alten, die keine Antwort bekamen.
"Willst du ... eine Geschichte hören?"
Die nächsten Momente galten der Stille, die einzig und allein die Regentropfen durchbrachen, bevor sich das Kind noch einmal im Bett umdrehte, dann wohl die Augen öffnete und in Richtung des Alten sah, sich dann langsam aufsetzte, und anfing, zu trinken.
"Du... ich will dir von einem Wesen erzählen, dem ich selbst einmal begegnete. Ich meine ... es ist schon lange her ... aber ... hat mich wirklich zum Staunen gebracht."
Die Faszination, die sich in den blassen Augen spiegelte, war nicht abzusehen, verschwand aber wieder in einem langsamen Blinzeln der faltigen Lider. Die junge Hand hingegen stellte das Glas zurück auf den Tisch und kuschelte sich zurück in die Decke, begleitet von einem leichten Zittern.
"Jaja..."
"Gut."
Der Alte lehnte sich zurück und schloss die Augen, atmete einmal tief durch und begann, zu erzählen.
"Sag mir ... was ist das Kleinste ... was du dir vorstellen kannst?"
"Wie ... eine Maus?"
"Kleiner."
"Ein Kiesel?"
"Viel kleiner ... So klein, dass du es nicht sehen kannst, so dass du dir nicht sicher sein kannst, ob es überhaupt da ist."
"Luft?"
"Luft ... trifft es gut."
Inmitten den Wörtern fand eine weitere Kerze ihr Ende, erlosch, nur noch eine einzige spendete dem Raum spärliches Licht, Licht, das wohl das Kind beruhigen sollte, ihm zu leichterem Schlaf verhielf.
"Und dann stell dir vor... Von so etwas unendlich Kleinem... gibt es unendlich viel. Teilchen, eines hier, eines da, überall auf der Welt, allein anscheinend bedeutungslos, schwach, inexistent..."
"Die ist langweilig..."
"Ja...", seufzte der Alte und öffnete kurz seine Augen, um aus dem Fenster zu blicken, der Regen milderte sich nicht. "Umso schneller wirst du schlafen..."
Macht nutzt den ab, der sie nicht besitzt.
Giulio Andreotti