07.01.2009, 14:23
II. Blick durch den Rauch
Der Schneesturm legte sich langsam wieder. Bald senkten sich die Flocken wieder behutsam auf die dicke weiße Decke und es dauerte nicht lange, bis sich die ersten Gestalten auf der vom Schnee verborgenen Straße Runes zeigten. Händler breiteten wieder geschäftig ihre Ware aus und der ein oder andere Krieger, der in die Taverne geflüchtet war, zeigte die nun nicht mehr von der Kälte, sondern vom guten Weine, rote Nase in der frostig kalten Abendluft.
Kyorlin trat vom Fenster zurück. Leicht fröstelnd zog der Dunkle die Schultern hoch und trat auf den Kamin zu. Das Feuer brannte nicht richtig, schon seit einigen Stunden. Die Flammen waren nur klein, obgleich ihnen genug Holz geboten war. Fast schienen sie zu schlafen…
Kyorlin ließ sich auf das Fell vor dem Kamin sinken, zog es dicht an das Feuer. Er beugte sich herab und blies etwas Luft zwischen Scheite und Asche. Die Flammen regten sich nicht minder. Etwas dichter rückte der Dunkle an den Kamin, flüsternd: “Brenne weiter… Du willst doch nicht, dass auch sie schwächer wird…“ Absurd jene Szene und Kyorlin musste kurz daran denken, wie lächerlich es wirken müsste. Dennoch… nach ein paar Senkungen schlangen sich die Feuerzungen wieder fester um die Holzscheite. Kyorlin war nicht einmal verwundert.
Der Dunkle erhob sich und reckte die Glieder. Die Winterkälte tat nicht gut. Langsam trat er zum Bett und warf einen Blick auf die Menschin. Faera lag auf dem Bauch, das Gesicht schmückte ein unschuldiges Lächeln. Auch im Schlaf reckte das Mädchen seinen wohlgeformten Körper in einer lasziven Pose, so wie es ihr einst gelehrt wurde. Die dünne Wolldecke offenbarte mehr als sie verdeckte. Kyorlin lufte die Decke und studierte den Rücken des Mädchens. Beinahe makellos und ohne Narben war er, die Haut weiss und unberührt. Der Shamane Kartesh hatte gute Arbeit geleistet, die letzten äußerlichen Spuren der Vergangenheit als Lustsklavin waren verschwunden. Waren doch nur noch die eingebrannten Runensymbole an den Schulterblättern, die Kyorlin daran erinnerte, welches grausames Bild der Rücken der Frau einst darstellte. Die dunkle Farbe, die Kartesh auf jene aufgetragen hatte, war getrocknet, die Färbung jener unverändert. Würde das eintreten, das Kyorlin sich erhoffte, so würden die Runen eine rote Färbung annehmen. Dann würden vielleicht auch die Wunden geheilt werden können, die man nicht sah. Faera würde lernen, Schmerz als Schmerz zu empfinden. Nicht länger als Glück oder Belohnung. Ein weitgehend normales Leben führen können…
Kyorlin senkte die Wolldecke wieder über den Leib Faeras und breitete eine weitere, dickere Decke über sie, trotz der Tatsache, dass es tatsächlich wärmer geworden war. Das Mädchen rührte sich nicht, gefangen in dem von Kartesh herbeigeführten magischen Schlaf. Zwei Tage würde sie schlafen, ehe es gewiss sein würde, ob die Behandlung erfolgreich war. Kyorlin trat einen Schritt zurück, ließ sich auf einen der Sessel sinken und spielte mit der Flasche orkischen Schnapps, die noch immer auf dem Tisch stand. Warum tat er das alles?
Es war nicht das erste Mal, dass er sich jene Frage stellte. Auch Kartesh hatte sie gestellt. War Faera doch nur eine Rivvil, ihr Leben vergänglich und nichts wert. Doch es steckte mehr hinter diesem Mädchen… Sie empfindet Schmerz als Glück. Als Belohnung gar. Ich will mir gar nicht erst vorstellen müssen, was jenes in den Händen der meisten Dunklen bedeuten würde. Eine verstümmelte oder entstellte Sklavin lässt auf einen Herrn schließen, der unkontrolliert ist. Seine Wut nicht im Zaum halten kann. Unbeherrscht ist. Jenes offenbart Schwäche.“ Ähnliche Worte hatte er an Kartesh gerichtet und Kyorlin erschrak fast, als ihm bewusst wurde, dass er sie gerade laut zu sich selbst gesprochen hatte, einer kleinen Rechtfertigung gleich. Schwäche… ja, welch ein Wort! Ließ Faera selbst doch ihn offenbaren, dass er keineswegs gefühlskalt war. War sie doch die Brücke in seine Vergangenheit. Versuchte er gar, die Verfehlen der Mutter, seines Blutes, an ihr wieder gut zu machen? Kyorlin runzelte die Stirn, versuchte jenen Gedanken zu verscheuchen. Doch er blieb. Beständig und stur. Auch er trug Narben. Doch niemand würde sie je zu sehen bekommen.
~
Es Klopfte. Kyorlins Kopf fuhr hoch, als fühle er sich in seinen Gedanken ertappt. “Xas?“-fragend.
Eine recht kleine Dunkle trat ein. Sie wirkte sehr alt – doch auf eine merkwürdige Art und Weise auch zeitlos. “Jabress* Bekea Xa'los?“ Die Fremde nickte, trat ungefragt ein, zog die Tür hinter sich zu. Der Blick aus den alten und weisen Augen huschte abschätzend über Faera, doch schien die alte Magierin schnell zu erkennen, dass das Mädchen nicht aufwachen würde.
“Setzt Euch doch.“ Kyorlin zog einen Sessel zurecht. Die Fremde kam der Aufforderung nach, streckte die offensichtlich müden Beine etwas. “Verzeiht mein spätes Eintreffen.“ Bekea machte eine erklärende Geste zum Fenster heraus. “Doch ist meine Zeit knapp bemessen. Warum also, ersucht Ihr die Hilfe eines Orakels?“
Kyorlin zog sich selbst einen Sessel heran, musterte die Fremde langsam. Sie schien in der Tat schon sehr sehr alt zu sein. Das Haar umrahmte das Gesicht lang, weiß und wallend. Doch trotz der Jahrhunderte ziere keine einzige Falte das weise Antlitz. Das eigentliche Alter der Frau war nur für Dunkle so ersichtlich. Die Seherin trug viel Schmuck, etliche Ketten und an jedem Finger einen Ring. Die kleine Sichel eines Halbmondes zierte in Form einer Tätowierung ihre Stirn. “Ich wünsche meinen Heimatort zu sehen.“
Die Alte nickte wissend. “Xas, ich spürte etwas in diese Richtung. Unruhe führt Euer junges Herz an jenen Ort, in Euren Träumen, habe ich Recht?“ Er nickte sacht. “Allgegenwärtigkeit der Kindheit… Das ist es, was ich fühle…“ Die Wahrsagerin schloss die Augen. Sekunden verstrichen. Minuten…
Gerade als Kyorlin fürchtete, die Alte sei eingeschlafen, hob sich schließlich der Arm der Dunklen. Obgleich die Augen geschlossen, so fand die Hand die Stirne Kyorlins, legte sich flächig darüber. “Lass mich Euch zeigen, was ich sehe…“ Zuerst erstaunt schloss auch Kyorlin die Augen. Wartete. Einige Momente blieb es dunkel, ehe sich unter den Lidern ein Bild abzeichnete. Schemenhaft zuerst, dann klarer. Und als das Bild fast ganz klar erkennbar war, fühlte Kyorlin eine Art Sog, die ihn erfasste. Fast schmerzhaft. “Was…?“ Und nur eine Sekunde später wurde es wirklich schmerzhaft. Der Ursprung dieses Gefühles war nicht auszumachen. Fast war es ihm, als würde sein Innerstes nach außen gekrempelt, sein Äußeres nach innen. Kyorlin wollte die Augen aufreißen, doch es ging nicht, die Lider schienen wie über dem Augapfel fest.
Doch so schnell wie jenes Gefühl kam, so schnell ging es. Kyorlin stand auf dem kleinen Platz vor der alten Villa, der Wald dunkel wie je. Es war Nacht und einige Sterne leuchteten schüchtern. Der Blick des Dunklen hob sich, maß das Gebäude und Kyorlin stellte erschüttert fest, dass es verfallen war. Seine Schritte brachten ihn näher heran, so dass er vor einem der Fenster im ersten Stock stand. Eine Hand rückte in sein Blickfeld – seine eigene – die über das Glas rieb, bis er hinein sehen konnte, Staub und Schmutz verschwunden war. Das Haus stand leer. Kyorlin trat wieder zurück, hob die Augen am Gebäude empor. Da! Tatsächlich. Hinter den Fenstern des Dachzimmers glimmte ein flackerndes Licht. Rauch schlich sich aus dem Kamin. “Velkyn…Vater!“ Doch bevor er einen weiteren Gedanken fassen konnte, wurde er abermals von Schmerz eingehüllt. Als Kyorlin die Augen öffnete, materialisierte sich der Kamin des eigenen Zimmers vor ihm. Er wand den Blick und sah in die Augen der Seherin. Es wurde Zeit…
--- Kyorlin
--- Sprechpartner (wechselnd)
[SIZE=30]*
Jabress – Frau/Dame [/SIZE]
Der Schneesturm legte sich langsam wieder. Bald senkten sich die Flocken wieder behutsam auf die dicke weiße Decke und es dauerte nicht lange, bis sich die ersten Gestalten auf der vom Schnee verborgenen Straße Runes zeigten. Händler breiteten wieder geschäftig ihre Ware aus und der ein oder andere Krieger, der in die Taverne geflüchtet war, zeigte die nun nicht mehr von der Kälte, sondern vom guten Weine, rote Nase in der frostig kalten Abendluft.
Kyorlin trat vom Fenster zurück. Leicht fröstelnd zog der Dunkle die Schultern hoch und trat auf den Kamin zu. Das Feuer brannte nicht richtig, schon seit einigen Stunden. Die Flammen waren nur klein, obgleich ihnen genug Holz geboten war. Fast schienen sie zu schlafen…
Kyorlin ließ sich auf das Fell vor dem Kamin sinken, zog es dicht an das Feuer. Er beugte sich herab und blies etwas Luft zwischen Scheite und Asche. Die Flammen regten sich nicht minder. Etwas dichter rückte der Dunkle an den Kamin, flüsternd: “Brenne weiter… Du willst doch nicht, dass auch sie schwächer wird…“ Absurd jene Szene und Kyorlin musste kurz daran denken, wie lächerlich es wirken müsste. Dennoch… nach ein paar Senkungen schlangen sich die Feuerzungen wieder fester um die Holzscheite. Kyorlin war nicht einmal verwundert.
Der Dunkle erhob sich und reckte die Glieder. Die Winterkälte tat nicht gut. Langsam trat er zum Bett und warf einen Blick auf die Menschin. Faera lag auf dem Bauch, das Gesicht schmückte ein unschuldiges Lächeln. Auch im Schlaf reckte das Mädchen seinen wohlgeformten Körper in einer lasziven Pose, so wie es ihr einst gelehrt wurde. Die dünne Wolldecke offenbarte mehr als sie verdeckte. Kyorlin lufte die Decke und studierte den Rücken des Mädchens. Beinahe makellos und ohne Narben war er, die Haut weiss und unberührt. Der Shamane Kartesh hatte gute Arbeit geleistet, die letzten äußerlichen Spuren der Vergangenheit als Lustsklavin waren verschwunden. Waren doch nur noch die eingebrannten Runensymbole an den Schulterblättern, die Kyorlin daran erinnerte, welches grausames Bild der Rücken der Frau einst darstellte. Die dunkle Farbe, die Kartesh auf jene aufgetragen hatte, war getrocknet, die Färbung jener unverändert. Würde das eintreten, das Kyorlin sich erhoffte, so würden die Runen eine rote Färbung annehmen. Dann würden vielleicht auch die Wunden geheilt werden können, die man nicht sah. Faera würde lernen, Schmerz als Schmerz zu empfinden. Nicht länger als Glück oder Belohnung. Ein weitgehend normales Leben führen können…
Kyorlin senkte die Wolldecke wieder über den Leib Faeras und breitete eine weitere, dickere Decke über sie, trotz der Tatsache, dass es tatsächlich wärmer geworden war. Das Mädchen rührte sich nicht, gefangen in dem von Kartesh herbeigeführten magischen Schlaf. Zwei Tage würde sie schlafen, ehe es gewiss sein würde, ob die Behandlung erfolgreich war. Kyorlin trat einen Schritt zurück, ließ sich auf einen der Sessel sinken und spielte mit der Flasche orkischen Schnapps, die noch immer auf dem Tisch stand. Warum tat er das alles?
Es war nicht das erste Mal, dass er sich jene Frage stellte. Auch Kartesh hatte sie gestellt. War Faera doch nur eine Rivvil, ihr Leben vergänglich und nichts wert. Doch es steckte mehr hinter diesem Mädchen… Sie empfindet Schmerz als Glück. Als Belohnung gar. Ich will mir gar nicht erst vorstellen müssen, was jenes in den Händen der meisten Dunklen bedeuten würde. Eine verstümmelte oder entstellte Sklavin lässt auf einen Herrn schließen, der unkontrolliert ist. Seine Wut nicht im Zaum halten kann. Unbeherrscht ist. Jenes offenbart Schwäche.“ Ähnliche Worte hatte er an Kartesh gerichtet und Kyorlin erschrak fast, als ihm bewusst wurde, dass er sie gerade laut zu sich selbst gesprochen hatte, einer kleinen Rechtfertigung gleich. Schwäche… ja, welch ein Wort! Ließ Faera selbst doch ihn offenbaren, dass er keineswegs gefühlskalt war. War sie doch die Brücke in seine Vergangenheit. Versuchte er gar, die Verfehlen der Mutter, seines Blutes, an ihr wieder gut zu machen? Kyorlin runzelte die Stirn, versuchte jenen Gedanken zu verscheuchen. Doch er blieb. Beständig und stur. Auch er trug Narben. Doch niemand würde sie je zu sehen bekommen.
~
Es Klopfte. Kyorlins Kopf fuhr hoch, als fühle er sich in seinen Gedanken ertappt. “Xas?“-fragend.
Eine recht kleine Dunkle trat ein. Sie wirkte sehr alt – doch auf eine merkwürdige Art und Weise auch zeitlos. “Jabress* Bekea Xa'los?“ Die Fremde nickte, trat ungefragt ein, zog die Tür hinter sich zu. Der Blick aus den alten und weisen Augen huschte abschätzend über Faera, doch schien die alte Magierin schnell zu erkennen, dass das Mädchen nicht aufwachen würde.
“Setzt Euch doch.“ Kyorlin zog einen Sessel zurecht. Die Fremde kam der Aufforderung nach, streckte die offensichtlich müden Beine etwas. “Verzeiht mein spätes Eintreffen.“ Bekea machte eine erklärende Geste zum Fenster heraus. “Doch ist meine Zeit knapp bemessen. Warum also, ersucht Ihr die Hilfe eines Orakels?“
Kyorlin zog sich selbst einen Sessel heran, musterte die Fremde langsam. Sie schien in der Tat schon sehr sehr alt zu sein. Das Haar umrahmte das Gesicht lang, weiß und wallend. Doch trotz der Jahrhunderte ziere keine einzige Falte das weise Antlitz. Das eigentliche Alter der Frau war nur für Dunkle so ersichtlich. Die Seherin trug viel Schmuck, etliche Ketten und an jedem Finger einen Ring. Die kleine Sichel eines Halbmondes zierte in Form einer Tätowierung ihre Stirn. “Ich wünsche meinen Heimatort zu sehen.“
Die Alte nickte wissend. “Xas, ich spürte etwas in diese Richtung. Unruhe führt Euer junges Herz an jenen Ort, in Euren Träumen, habe ich Recht?“ Er nickte sacht. “Allgegenwärtigkeit der Kindheit… Das ist es, was ich fühle…“ Die Wahrsagerin schloss die Augen. Sekunden verstrichen. Minuten…
Gerade als Kyorlin fürchtete, die Alte sei eingeschlafen, hob sich schließlich der Arm der Dunklen. Obgleich die Augen geschlossen, so fand die Hand die Stirne Kyorlins, legte sich flächig darüber. “Lass mich Euch zeigen, was ich sehe…“ Zuerst erstaunt schloss auch Kyorlin die Augen. Wartete. Einige Momente blieb es dunkel, ehe sich unter den Lidern ein Bild abzeichnete. Schemenhaft zuerst, dann klarer. Und als das Bild fast ganz klar erkennbar war, fühlte Kyorlin eine Art Sog, die ihn erfasste. Fast schmerzhaft. “Was…?“ Und nur eine Sekunde später wurde es wirklich schmerzhaft. Der Ursprung dieses Gefühles war nicht auszumachen. Fast war es ihm, als würde sein Innerstes nach außen gekrempelt, sein Äußeres nach innen. Kyorlin wollte die Augen aufreißen, doch es ging nicht, die Lider schienen wie über dem Augapfel fest.
Doch so schnell wie jenes Gefühl kam, so schnell ging es. Kyorlin stand auf dem kleinen Platz vor der alten Villa, der Wald dunkel wie je. Es war Nacht und einige Sterne leuchteten schüchtern. Der Blick des Dunklen hob sich, maß das Gebäude und Kyorlin stellte erschüttert fest, dass es verfallen war. Seine Schritte brachten ihn näher heran, so dass er vor einem der Fenster im ersten Stock stand. Eine Hand rückte in sein Blickfeld – seine eigene – die über das Glas rieb, bis er hinein sehen konnte, Staub und Schmutz verschwunden war. Das Haus stand leer. Kyorlin trat wieder zurück, hob die Augen am Gebäude empor. Da! Tatsächlich. Hinter den Fenstern des Dachzimmers glimmte ein flackerndes Licht. Rauch schlich sich aus dem Kamin. “Velkyn…Vater!“ Doch bevor er einen weiteren Gedanken fassen konnte, wurde er abermals von Schmerz eingehüllt. Als Kyorlin die Augen öffnete, materialisierte sich der Kamin des eigenen Zimmers vor ihm. Er wand den Blick und sah in die Augen der Seherin. Es wurde Zeit…
--- Kyorlin
--- Sprechpartner (wechselnd)
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Jabress – Frau/Dame [/SIZE]