Galenya - Das Herz einer Kriegerin

[Galenya]

Schier in Schock versunken blickte Galenya auf die zuschlagende Tür, hörte die schnellen Schritte der Lederschuhe, die die Treppe in die Taverne hinunter eilten. Die schwere Eingangstür schlug zu. Sie war wieder alleine. Galenya nahm den Blick von der Tür, durch die Benji gerade verschwunden war. Ja, richtig. Benji. Der Verlobte, der ihr als tot erklärt wurde. Sie senkte den Blick, tappte wie durch Watte auf den Sessel zu und ließ sich wieder darauf sinken. Ihre Gedanken, die eben noch gerast hatten, standen still auf dem einen Punkt: Er lebte! Und war zu ihr zurück gekehrt.
Gelanye schloss die Augen und langsam kehrten die Erinnerungen zurück. Sie ließ es geschehen...

Es war früher Nachmittag. Galenya war nach Giran gereist. Morloc, der Marktschreier mit den vielen anderen, teils widersprüchlichen Identitäten erwartete sie, doch sie hatte längst vergessen, dass er die Kräuter bewahrte, die die Shamanin für sie und das Kind abgegeben hatte. Ihre Schritte trugen sie an zwei Menschen vorbei, eine junge, hübsche und leichtbekleidete Frau, die auf einen am Boden sitzenden Mann einredete, der in eine Plattenrüstung gekleidet war, das Gesicht vom Helm verborgen. Ein Ritter, wie es schien. Und wie man es einer Lady beibrachte, verneigte sich Galenya vor dem Unbekannten knapp, grüßte mit dem gewohnten "Seyd gegrüßt, Sire." ehe sie zum Baum trat, sich unter jenem niederließ.

Einen Moment betrachtete die weiter die scheinbar vergebenen Versuche der jungen Frau, den Ritter zu einer Unterhaltung zu überreden, ehe Morloc sie ansprach, ihr, wie einem Knaben fast, die Pranke auf die Schulter schlug. "Lady Galenya von Drachenfels? Ich habe Eure Lieferung."
Galenya, die ob des doch so verhassten Namens etwas zusammengezuckt war - vielleicht auch ob des überraschenden Schlages auf die ungepanzerte Schulter - hob den Blick. Sie sah nicht, dass die Worte des Marktschreiers auch die Ohren des Ritters geweckt zu haben schien, der ihnen nun unverblümt lauschte.
"Galenya Draug... wenn es keine Umstände bereitet, alter Freund." schmunzelte sie, nahm den ihr hingehaltenen Beutel entgegen.

Sie löste die Schnüre, blickte hinein. Die Kräuter sahen gut aus. Ein Tee würde ihr und dem Kind gewiss gut tun. Es war kälter geworden. Sie zog fröstelnd die Schultern hoch, als ein Schatten auf sie fiel. Rasch erhob sie sich, blickte in blaue Augen, die sie durch das Visier des Helmes musterten. Es durchfuhr sie die Gewissheit: Das Blau der Augen, die Lippen. Und als er zu sprechen begann: Die Stimme, die Art zu reden. Sie kannte diesen Mann. Doch... woher? Sie überspielte das Gefühl.

Der Mann verneigte sich vor ihr, höflich. Sie fragte ihn nach den aktuellen Vorkommnissen in Oren und war überrascht, dass er nachfragte, warum sie, als Lady nicht dort war. Und warum sie kein Schwert, sondern einen Stab am Gürtel trug. Galenya antwortete ruhig auf jede Frage, auch wenn es sie wunderte, wie gesprächig der Ritter war, der doch zuvor in der beobachteten Unterhaltung mit der jungen Frau so wortkarg schien. Sie waren mitten im Gespräch, Galenya lud den Fremden gerade auf einen Meth in der Schankstube ein, als hinter ihnen der Tumult los brach.

Ein Mann in halbwegs beschmutzen Kleidern, der äußerst ungepflegt wirkte, hastete vorbei, ein anderer, scheinbar ein Ritter, hinterher.
"Haltet den DIEB!" rief er, und Galenyas Gegenüber zögerte nicht lange. Mit einer Schnelligkeit, die sie zuvor nur an angreifenden Tieren beobachtet hatte, war er heran und brachte den Dieb zu Fall, landete auf ihm kniend und die Handschuhe, die sonderbarer Weise mit Kralenähnlichen Messern gespickt waren, an jedem Finger eins dieser totbringenden Waffen, an den Hals des Flüchtigen gedrückt. Fasziniert hielt sich Galenya im Hintergrund. Der fremde Ritter übergab den flüchtigen Dieb den herbeieilenden, erhob sich und verschwand im Markttreiben. Verwirrt versuchte Galenya, ihn in der Masse an Geschäftigen zu erspähen, doch der Fremde blieb verschwunden. Verwirrt setzte sie ihren Weg in die Schankstube fort.

Eine gute Stunde später entspannte Galenya bei einem Glas eiskaltem Wassers in der Taverne. Sie blickte auf den sich doch schon deutlich wölbenden Bauch hinab, die Begegnung mit dem Fremden schon fast vergessen, als eben jener Mann die Schankstube betrat, zielsicher auf ihren Tisch zusteuerte. Sie nickte ihm höflich zu, wartete, bis er sich einen Humpen Zwergenbier bestellt hatte.

"Wie war Euer Name noch gleich, Lady?"
"Den, den ich trage, oder den, den ich mich gern genannt weiss?" Sie schmunzelte.
Der Gegenüber, noch immer den Helm auf dem Kopf, blieb ernst, soweit sie dies den wenigen Gesichtszügen erlesen konnte.
"Den Mann in Giran habt Ihr verbessert, soweit ich mich erinnere...
"Nennt mich Galenya Draug." Erwiederte sie, hob das Glas und tat einen Schluck, leicht schmunzelnd. Ein Schmunzeln, dass ihr im nächsten Augenblick vergehen sollte.
Der Fremde nahm den Helm ab, eine lagsame, träge Bewegung, während er sprach: "Ich wusste nicht, dass du mich in meiner Abwesenheit geheiratet hast, Galenya..."
Das Glas fiel klirrend zu Boden und zersprang, als Galenya sich ihrem totgeglaubten Verlobten gegenüber sah. Das rote Haar war nun lang und er trug einen dünnen Bart, die damals frische Narbe, die das Gesicht zweizuteilen schien, war verheilt und blasser. Doch war er es, ohne Zweifel. Galenya konnte nicht anders, als Benji anzustarren.

~~~

Sie führte ihn nach oben, in das angemietete Zimmer, wo sie sich auf den Sessel sinken ließ, ungläubig ob dem, was sie sah. Er lebt...
Benji trat hinter ihr ins Zimmer, sich nicht weiter umsehend. Zielsicher kam er auf sie zu, kniete vor ihr nieder und bettete den Kopf in ihren Schoss, den Augenblick allein genießend, wärend Galenya die Hand in das weiche rote und doch so lang gewordene Haar vergrub, die Gedanken in ihrem Kopf rasten. Das kann nicht sein.. du bist tot... tot tot tot.... Doch er war es nicht. Er war hier. Bei ihr. Lebte... Galenya fühlte sich wie betäubt.

Natürlich folgten Vorwürfe und Fragen. Wo er war, warum er sich nicht gemeldet hatte, sie in dem Glauben gelassen hatte, er wäre tot. Doch schien es unmöglich, wirklich wütend zu sein... Wo er doch hier war, das Gesicht an ihrem Bauch vergrub und ihr immerfort seine Liebe zu hauchend.
Was hast du denn gedacht? Während du dir ne schöne Zeit gemacht hast, habe ich um dich getrauert, dich nie ganz loslassen können... Wäre Ghad nicht gewesen, wäre ich gar gestorben!" Während sie seinen Namen sprach, wusste sie, dass es ein Fehler war. Benji sah sie an, die Stimme plötzlich fast scheidend. "Ghad?" Und als hätte er mit eben diesem Namen alle begründeten Vorwürfe verworfen, alle unbeantwortete Fragen vergessen gemacht, stand sie langsam auf, senkte den Blick.
"Aye... der Mann, der mich wieder aufbaute, da war... ein Freund war, von einer Sorte ich nie einen hatte... Der Mann... dessen Sohn unter meinem Herzen wächst..."

Etwas zerbracht. Benji nahm den Helm vom Boden, wohin er ihn vorher achtlos hatte sinken lassen, setzte ihn noch im Laufen über das rote Haar. Ohne sie nur noch einmal anzusehen, verschwand er.

Galenya riss sich aus den Erinnerungen. Eine seltsame Taubheit erfüllte sie. Ghad und der Kampf, den sie für dieses neue Glück gefochten hatte, alles schien nicht vergleichbar mit dem, was sie mit Ben damals erlebt hatte. Es wirkte nichtig, nun, wo sie wusste, wie es noch immer um ihr Herz stand. Unfair un brutal war es, Ghad gegenüber. Dem ungeborenen Sohn gegenüber. Doch sie wusste keinen anderen Weg als den zurück zu dem Punkt, an dem sie losgegangen war. Bevor sie auf Ghad begegnet war...


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--- Gesprochenes
--- Gesprochenes Galenya
--- Gedanken
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