20.08.2009, 16:21
III. Die Sache mit dem Glühen...
Eines heißen Augustabend, der Zwerg Luebbert ließ sich gerade die letzten Sonnenstrahlen auf die gut gebräunte Leibesmitte scheinen, kam ein Alchemist des Weges, um im Städtchen Rune Quartier zu nehmen. Der alte, bärtige Mann, schob ein kleines, klirrendes Wägelchen vor sich her, pries laut prahlend seine Wahre an. Luebbert erhob ich, knöpfte das Hemd zu und streckte sich gähnend, um die letzte Faulheit zu verscheuchen. Doch verscheuchte er allerhöchstens den vierten, fünften und sechsten Hemdknopf – von oben gezählt. Ein Moment verging, in dem der Zwerg sich überlegend durch den sorgsam gepflegten Bart strich, in Folge über den sorgsam genährten Bauch. „Potzblitz!“ entfuhr es ihm. Mit kaputtem Hemd könne er sich im Hause der Wölfe natürlich nicht blicken lassen! „HEH DA!“ klang es durch die ruhigen Gassen Runes, gefolgt von einem eilig rennenden Zwerg, der die Beine so hoch hob, dass er Mühe hatte, nicht auf den wehenden Bart zu treten. Der Alchemist verstummte und blieb stehen, stirnrunzelnd dem herandüsenden Zwerg betrachtend. Jener kam auch gerade zur rechten Zeit in einer kleinen Staubwolke auf der knochentrockenen Straße zum stehen, um nicht in den mit Glas beladenen Wagen zu krachen. „Heh da, habt Ihr Knöpfe, Brüderchen?“ Der Alte schüttelte den Kopf. „Ich bin ein fahrender Alchemist – kein Nähstübchen, werter Zwerg.“ Doch dieser hörte ihm nicht einmal zu. Die Neugierde des Zwerges richtete sich ganz auf die kleinen, filigranen Glasarbeiten auf dem Wägelchen: Phiolen, Pipetten und weitere Dinge, von denen ein normaler Dahergelaufener nicht einmal den Namen wusste. Der Zwerg auch nicht. Doch das tat nicht zur Sache, denn jenem war gerade ein ganz anderer Gedanke gekommen. Das leuchtende Amulett der ehrenwerten Dunklen Teshira und die Gedanken seines Bruders im Geiste, dem Wolfsschmied Kathir, fiel Luebbert wieder ein. Wie sonst konnte man einen Gegenstand zum Leuchten bringen, wenn nicht durch einen… Glühwurm! Aufgeregt zeigte Luebberts stattlicher Zeigefinger auf das dünne Glas, so dicht, dass er es fast nicht berührte. Kurz stand beinahe Panik in den Augen des Alchemisten. „Waaas kostet das da? Und das und das und…“
Kaum eine halbe Stunde später wanderte ein leise klirrender Karton die Straßen Runes entlang, auf die Hallen des Hauses Barra’Kal’Dakan zu. Der Karton rollte mit dem Fuß ein Bierfass vor sich her. Die Wache musterte jenen mit einem skeptischen Blick, ging dann leicht in die Hocke und erkannte schließlich einen allzu bekannten Zwergenbart unter der Pappe. Kopfschüttelnd hielt er dem zwergenhohen Pappkarton die Türe auf, fast erleichtert, dass der Zwerg hinter den ganzen gläsernen Behältnissen dieses Mal die Tür nicht selbst schließen – bzw. zuknallen- konnte.
Als eine der Rothen einige Stunden später in die Schmiede trat, um jene zu fegen, bot sich dem Mädchen ein sehr spezielles Bild: Luebbert, der Zwerg, saß mitten im Raum, zwischen einer großen Menge an Glasscherben und mit leicht angesengtem Bart, wie hypnotisiert auf einen in einer frisch verschweißten und vorsichtig rundgedengelten Phiole steckenden Punkt starrend. „Leuchte…“ drang es leise grollend zwischen den langen Barthaaren hervor. Neugierig kniete sich sie Sklavin nieder, betrachtete ein kleines und deutlich totes Glühwürmchen hinter Glas. Luebbert ließ den Kopf hängen, blickte der kopfschüttelnden Sklavin hinterher. Da war ein Denkfehler… unbewusst angelten die dicken Zwergenfinger nach dem Bierfass…
Ein paar weitere Stunden und angesengte Barthaare später schien es vollbracht. Die kleine runde Kugel leuchtete. Zufrieden lächelnd betrachtete Luebbert sein Werk und das Glühwürmchen, das nach dem Hineinfriemeln durch das kleine und vorher doch vergessene Luftloch tatsächlich noch lebte und leuchtete. „Das muss ich den Brüdern in der Schänke zeigen!“ lachte der Zwerg stolz, nahm sein „Glühwurmamulett“ und öffnete die Tür zur Schmiede. Als er jedoch wieder in die gläserne Kugel sah, war das Leuchten verschwunden – durch das viel zu große Luftloch in die Nacht entschwunden. Luebbert zog eine Flunsch.
Doch Luebbert wär kein Zwerg, wenn ihm nicht ständig neue und viel viel bessere Ideen kamen. Leise grummelnd zog er sich abermals in die Schmiede zurück und köpfte die Glaskugel kurzerhand. Prüfend hielt er die halbe Kugel ins Licht. Es war vollbracht! Fröhlich pfeiffend marschierte der Zwerg zur Taverne.
Etliche und etliche halbe Kugeln Zwergenschnapps später sah man den Wirt und eine seiner stärkeren Schankmaiden einen deutlich sternenhagelvollen Zwerg aus der Schankstube tragen. „Hiiiier ablegen!“ kommandierte er, leise lallend. Gerade wollten sich die Träger abwenden, da: „SEHT! Ich habe es gefunden!!! Das Leuchten in der Kugel! Ich bin ein Gehenie!“ Verwundert blickten sich Wirt und Schankmaid um – und brachen in tränenreiches Lachen aus: Lag da doch der Zwerg Luebbert mitten auf der Straße in Rune und hielt die halbe ganze Kugel aus Glas vor den Mond. Wie stolz war er! „Das musssich meinm Brüderschen zeischen… Wennisch wieder selba lauffen kann!“