19.04.2011, 19:27
Tag Neun
Dicke Wolken hingen an diesem Morgen über Rune, tauchten die erwachende Stadt in graues Zwielicht, welches den Tagesanbruch wie späten Nachmittag aussehen ließen.
Am vergangenen Abend hatte Dilquiri sieben Boten ausgesandt, die die einzelnen Mitglieder des Rates von Rune an jenem tristen Morgen zusammenrufen sollten.
Schwere Regentropfen begleiteten die einzelnen Ratsmitglieder auf ihrem Weg über die lange Brücke, welche sie zum Schloss führte. Dort befand sich die Ratskammer. Ein riesiger Saal. Prunkvoll ausgestattet. Seit es den Rat gab, entsprach er den Ansprüchen der Ratsmitglieder. Denn es war nicht entscheidend, was für Dinge in diesem Saal beschlossen wurden. Es war entscheidend, ob der Vanilleduft die Gemüte beruhigt, die Samtkissen ihre beleibten Körper gut auf den großen Sesseln betteten und der Wein vorzüglich war.Dementsprechend waren die Ausdrücke ihrer Gesichter als sie einen tristen, kahlen Raum betraten, der so gänzlich gar nicht dem entsprach, welcher sich in ihrer Erinnerung eingenistet hatte. Teilweise entgleisten diese Gesichtszüge sogar, öffneten sich Münder und verharrten einige Herzschläge lang in dieser Position.Der Saal war leer, kahl, als hätte sich eine Heuschreckenplage über seine Einrichtung hergemacht. Selbst der Kamin schien wie verschwunden, setzte sich überhaupt nicht mehr von der Mauer ab, schien mit dieser zu verschmelzen, jetzt wo kein stattliches Geweih mehr über ihm hing. Alles wirkte so trist wie der Morgengrauen, der diesen Tag eröffnete.
Nachdem der erste Schrecken überwunden war und sich einige Ratsmitglieder mit dem Gedanken trösteten, dass sie sicherlich einen neuen, viel mehr ausgeschmückten Saal erhalten würden, entdecken sie die drei Dunkelelfen nahe dem großen Fenster, welches einen Blick auf Rune gestattete. Eine Frau und zwei Männer. Zwei bewaffnete Männer. Beide waren sie Bogenschützen, was nur ob des Umstandes, dass sie ihre Bögen und jeweils einen Pfeil in den Händen hielten, erkennbar war.
Die Dunkle war in eine schlichte und dennoch elegante Robe gekleidet. Ihr Blick lag auf den Ratsmitgliedern, die sich wie scheues Vieh gegen die mittlerweile geschlossene Tür drängten.„Guten Morgen, meine Herren“, erhob Masafae ihre Stimme, ein Lächeln auf den Lippen.
Den Anwesenden war in diesem Augenblick anzusehen, dass sie ihre Überlebenschancen durchgingen, ebenso wie ihre Fluchtmöglichkeiten. Doch keiner von ihnen rührte sich.
„Ich werde die Herren nicht lange aufhalten und gleich zur Sache kommen“, sprach die Dunkle dann weiter und rollte ein Pergament, das sie in den Händen hielt auf, den Ratsmitgliedern die beschriebene Seite mit dem auffälligen Wachssiegel des Fürsten präsentierend.„Auf Erlass des Fürsten wird der Rat von Rune mit sofortiger Wirkung aufgelöst und heute Abend neu gegründet“, berichtete Masafae dann.
Ungläubiges Raunen ging durch die sieben Ratsmitglieder.„Keiner von euch wird in diesen neuen Rat gerufen“, setzte die Dunkle dann fort.
Aus dem Unglauben wurde Entsetzen. Aufgebrachte Blicke trafen auf Masafae.„Hat jemand einen Einwand?“, fragte sie dann höflich einige Augenblicke später.
Die beiden Bogenschützen betrachteten die Ratsmitglieder aufmerksam, lauernd, als wünschten sie sich, jemand hätte Einwände. Doch keiner von ihnen war lebensmüde genug. Niemand brachte ein Wort zustande.
Immer noch entließen die grauen Wolken pralle Regentropfen als die Ratsmitglieder erneut über die Brücke schritten. Sieben an der Zahl. Sieben, die soeben ihres Amtes enthoben worden waren.Ein Tisch aus Schwarzholz empfing die geladenen Gäste an diesem Abend.
Nach einem wolkenverhangenen Morgen war der Tag unerwartet warm gewesen. Jetzt tauchte die Sonne die Straßen Runes sowie die Mauern des Schlosses in ein glühendes Orange, dem Land die letzten Reste ihrer Wärme schenkend.
Ein Mensch und ein Zwerg betraten den Raum als letztes und wurden von fünf Dunkelelfen empfangen. Doch sie schienen keinesfalls überrascht. Weshalb auch. Sie wussten schließlich, wer für ihre Lebenskosten aufkam.„Nun, dann sind wir vollzählig“, erhob eine die Dunkle mit den schneeweißen Haaren, Dilquiri, ihre Stimme.„Ich bin erfreut, dass der neue Rat von Rune so unproblematisch zusammenfinden konnte…“, begann sie eine kleine Ansprache, in der sie Anwesenden vorstellte.
Fünf Dunkelelfen der Gemeinschaft Olath Kyorlen hatten einen festen Platz als Ratsmitglied erhalten.Brulgosch zu Mithrilfaust, ein Zwerg von Adel, der sich in Rune mit einem Laden eingenistet hatte, in dem seine Angestellten mit Gewürzen, Kräutern und Plunder handelten, hatte ebenso einen Platz im Rat erhalten. Für ihn eine angenehme Position, denn er würde sich aus allen Angelegenheiten raushalten und sich der Mehrheit anschließen. Zweifelsohne.Wulfgar zu Runa, ein Mensch, der seinen Stand durch seine Geburt erhalten hatte und nicht darum kämpfen musste. Zum Glück. Schlachtfelder lagen ihm sowieso nicht. Er freute sich auf die Zusammenarbeit mit den Dunklen. Schließlich musste er sein Zeichen nur zur richtigen Zeit unter die vorgetragenen Beschlüsse setzen. Eine angenehme Aufgabe.
Wenn du einer Person voll und ganz vertraust,
bekommst du entweder einen Freund fürs Leben
oder eine Lektion fürs Leben.
bekommst du entweder einen Freund fürs Leben
oder eine Lektion fürs Leben.