10.05.2011, 23:21
Tag Dreißig
Schweigend senkte sich der Abend über die Stadt. Die letzten Sonnenstrahlen wurden durch das Verschließen der massigen Portale des Tempels aus diesem ausgesperrt. Die Dunkelelfen hatten sich bereits in diesem versammelt.
Die Wände des Tempels waren geschwärzt worden. Alle Anzeichen, die noch auf einen Einhasad-Tempel schließen ließen, waren entfernt. Stattdessen prangte an der Stirnseite des Tempels ein großes Zeichen Shilens, vor dem ein steinerner Opferaltar aufgebaut wurde. Hand- und Fußfesseln sowie Blutrinnen befanden sich an diesem. Die Wände waren gesäumt von kleineren Statuetten Shilens, zwischen denen rechteckige Aufbauten an der Wand stehen, die jedoch durch schwarze Samttücher verdeckt waren. Die Mitte des Tempels bildete eine große, rechteckige Fläche, welche am Rand von mehreren steinernen Sitzbänken umrandet war. Bis auf jene Seite des Altars.
Kohlebecken, in denen magische Flammen blau leuchteten, tauchten den Saal in ein kaltes Zwielicht, welches den Schatten Leben einzuhauchen schien. Dicht drängten sich die Schatten an die Grenzen, an welchen die Feuer ihre Kraft verloren und die Dunkelheit des Innenraums nicht mehr verdrängen konnten – oder wollen?
Die Flammen der Kohlebecken nahe dem Altar schienen stärker zu leuchten als alle anderen, wobei ihr Licht dabei unendlich kühler wirkte als jenes der übrigen Kohlebecken.
Sechs Dunkle waren erwählt worden, eine besondere Aufgabe während dieser Zeremonie zu übernehmen. Dilquiri trat vor den Altar, betrachtete die anwesenden Dunklen. Vor allem jene sechs Erwählten erhielten ihre Aufmerksamkeit. Xissdrossg, Masafae, Edonil, Balaezth, Sadrezzan und Rhylorasz. Die Schwestern hatten auf diese Dunklen gedeutet bevor die Zeremonie begonnen hatte. Ebenso hatten sie Dilquiri die Aufgaben mitgeteilt, die diese verteilen müsste. Wie übereifrige Mütter mit eindringlichen, zischelnden Stimmen hatten vier der acht Schwestern Dilquiri auf diese Zeremonie vorbereitet.
„Bevor wir mi der Weihung des Tempels beginnen können, bitte ich euch, eine bestimmte Aufstellung einzunehmen“, begann Dilquiri nach einer leichten Verbeugung als Begrüßung. Dann dirigierte sie die ausgewählten Dunklen so, dass sie in einem V, dessen Spitze sich einige Schritte vor dem Altar befand, standen.
Nachdem alle ihre Position gefunden hatten, schloss Dilquiri für die Dauer eines Herzschlages die Augen, schien noch einmal tief einzuatmen, um sich in dem Moment, in sie die Augen wieder öffnete, zum Altar umzudrehen und ihre linke Hand zu dem Zeichen Shilens an der Wand anzuheben.
„Große Mutter, unser aller Göttin und Herrin unseres Schicksals. Wir loben dich und preisen dich sowie deinen Namen. Unter deiner Pracht sind wir hier vor dich getreten, um dir zu Ehren diese Hallen als neue heilige Stätte zu weihen, auf dass sie als neuer Tempel deine Macht, Stärke und der Welt deine Größe beweise“, sprach Dilquiri dann, während die anwesenden Dunkelelfen ihren Worten folgten, das Zeichen an der Wand betrachteten.
Dann drehte sich Dilquiri wieder zu den Dunklen um, diese betrachtend. Die Zeremonie konnte beginnen. Sie sollte beinahe die gesamte Nacht dauern. Die Domänen Shilens wurden geehrt sowie genährt durch den Glauben der Dunklen. Magie erfüllte das Innere des Tempels, glomm in unregelmäßigen Abständen mal stärker, mal schwächer auf. Sie manifestierte sich gelegentlich wie ein stummer Gast, der um die Anwesenden tanzte, sie umgarnte, um sich dann der Zeremonie hinzugeben und in diese einzufließen.
Begonnen wurde mit der Domäne des Wissensdurstes und dem Streben nach Vollkommenheit. Folianten, gefüllt mit uralten Schriften, in Regalen, die noch vor der Zeremonie durch Samtvorhänge verdeckt waren, sollten fortan an das Wissen der Dunklen nähren und diese auf ihrem Weg zur Perfektion voran bringen.
Für die zweite Domäne, jene der Rache und Vergeltung, wurde ein durch Zauber gebändigtes Tier geopfert, seiner Lebensenergie durch Zauber vierer Gestalten - die Hälfte der in der vorangegangenen Nacht angekommenen ‚Schwestern‘ - beraubt während der Zeremonie.
Danach wurde ein männlicher Mensch, der offenbar unter Zaubern oder vielleicht sogar Drogen stand, in den Tempel geführt. Wären Priester Einhasads anwesend gewesen, hätten sie den Mensch als einen der ihren ausweisen können. Der Leichnam des Tieres war entfernt worden. Der Mensch erhielt einen Platz auf dem Altar, an welchen er gekettet worden war. Schmerz und Leid wurden ihm geschenkt. Schmerz und Leid machten die dritte Domäne aus, welche nun Teil der Zeremonie geworden war.
Dann war es soweit, dass die Dunklen einen geringen Teil ihres Blutes gaben, einen Teil ihrer Macht opferten, um die Shilens innerhalb dieses Tempels zu stärken. Denn die vierte Domäne, welche Dominanz und die eigene Stärke beinhaltete, verlangte es so. So gaben jeder der erwählten sechs Dunkelelfen sowie Dilquiri einige Tropfen seines Blutes in eine Schale, so dass es Shilen als ein weiteres Opfer dargereicht werden konnte.
Tief in der Nacht endete die Zeremonie, die magischen Flammen in den Kohlebecken waren beinahe erloschen. Das Zeichen Shilens an der Wand hatte ein dunkelrotes Leuchten angenommen, welches fortan den Innenraum des Tempels mit dem Schein eines Schleiers aus Blut erfüllen sollte.
„Es ist geschehen. Die große Mutter, die von uns allen geehrte Göttin, hat diese Hallen als Heim für ihren Glauben angenommen und diesem Tempel sowie uns ihren Segen geschenkt. Gehet nun und lasst unsere Schwestern und Brüder wissen, dass sie hier eine neue, weitere Stätte für ihren Glauben finden“, mit diesen Worten beendete Dilquiri die Zeremonie.
Die acht Schwestern, die eigens für die Vorbereitung und Durchführung dieses Ritus angereist waren, verließen noch in dieser Nacht Rune, um an jenen Ort zurück zu kehren, von welchem sie gekommen waren. Um wieder zu ehrfürchtigem Geflüster zu werden, welches Legenden, Mythen und Wahrheit nicht voneinander zu trennen vermochte.
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OOC: Nochmals vielen Dank an die Teilnehmer für das stimmungsvolle RP.