Dion

[Xarona]

Am späten Nachmittag des gleichen Tages, an dem das geheime Treffen im Schloßkeller stattfand...



Drei Zwerge und die Dunkle Xarona stehen vor dem inneren Tor von Schloß Dion.

"Ich habe einen Sonderauftrag für euch. Sucht euch den Wagen, der im schlechtesten Zustand ist von allen. Richtet ihn so her, dass er voll und schwer beladen den Weg einmal quer durch das Land bis in den hohen Norden ohne Unfälle übersteht," sagt sie ruhig und ohne übertriebenes Gehabe.

"Aber," hebt der scheinbar Älteste der Zwerge an, "wir haben hier genug Wagen, die die Strecke ohne Weiteres schaffen würden."

Xarona lächelt. "Weißt du, Piral, es ist manchmal nicht gut, zu viel zu wissen. Das gibt nur Streit. Ich habe einfach nicht vor, unseren Kunden zu allem Überfluss auch noch einen Wagen zu schenken. Der Wagen soll am Ende der Lieferung schlicht und einfach nicht mehr viel taugen. Darum sollt ihr ja einen nehmen, der jetzt mehr oder minder nicht mehr zu gebrauchen ist."

Der Angesprochene nickt langsam, als setze ich eine Erkenntnis durch.

"Gut," fährt Xarona fort. "Bringt den Wagen in den Stall an der Westmauer. Dort ist im Moment wenig untergestellt, aber es ist warm und ihr könnt in Ruhe arbeiten. Piral, du kommst noch auf ein Wort mit mir, ihr beiden sucht schon mal zusammen, was ihr braucht. Schlachtet meinethalben die Wagen aus, mit denen die letzten Lieferungen hier ankamen."

Alle drei Zwerge nicken und die beiden jüngeren machen sich auf den Weg, ihre Anweisungen auszuführen. Piral folgt schließlich Xarona, als diese sich auf den Weg macht, die Burgmauer zu erklimmen.

Oben angekommen, wendet er sich ohne zu Zögern an die Dunkle. "Ich nehme an, es geht mal wieder um eine weniger korrekte Lieferung?"

"Ganz genau. Ein altes Bündnis wird wiederbelebt. Wir sollen einiges an Waffen an ein paar Orks liefern. Die Waffen sollen jedoch auf dem Wagen nicht zu sehen sein, auch nicht, wenn die Ladung genauer untersucht wird. Der Wagen wird zwar unter Bewachung die Strecke hinter sich bringen, aber es geht durch teils rauhes Gebiet."

"Verstehe. An was hattest du gedacht?"

Die Dunkle mokiert sich nicht ob der Vertrautheit, mit der der Zwerg sie behandelt. Stattdessen blickt sie hinüber zur Stadt, während sie in zögerlichem Ton antwortet.

"Verbaut so viel wie möglich von den Waffen direkt im Wagen. Als Achse, als Achsnagel, Zierrat oder was auch immer. Dann setzt ihr einen doppelten Boden ein. Legt ihn gut mit Stroh aus, dass nicht klappert, wenn die Straße mal nicht so gut ist. Darüber legt dann ein paar Getreidesäcke, um den Höhenunterschied zu tarnen. Hinten auf den Wagen kommen ein paar Fässer. Trockenobst, Dörrfleisch, vielleicht zwei Fässer Wein. Die Fässer macht ihr doppelwandig, aber nicht bis oben hin. Polstert diese ebenfalls mit Stroh ab. Auch Kisten mit was auch immer. Verteilt die ganze Lieferung über den ganzen Wagen."

"Du gehst dies Mal aber wirklich ganz sicher."

"Es muss so sein. Wie lange werdet ihr brauchen?"

"Zu dritt? Eine Woche. Vielleicht weniger. Kommt darauf an, wie gut in Schuss der Wagen jetzt ist."

"Was würdest du brauchen, um in drei Tagen alles fertig zu haben?" Ihre Frage klingt weder vorwurfsvoll noch tadelnd sondern eher nach aufrichtigem Interesse.

"Ein Wunder Maphrs," entgegnet Piral daraufhin trocken. "Oder insgesamt sechs tüchtige Handwerker."

"Sprich mit Pirkanto. Ein paar seiner Sippe haben sich wohl hier in der Nähe niedergelassen. Versprich ihnen ein Fass Met pro Zwerg. Das gleiche gilt im Übrigen auch für dich und deine beiden Gesellen."

"Gibt es etwas als Belohnung, wenn wir heute oder morgen schon fertig werden?" Pirals Gier scheint geweckt.

"Fang nicht an, mit mir zu handeln. Du weißt, was ich meine, wenn ich von Fässern spreche."

"Schon gut, schon gut, Spitzohr. Lass mich doch mal Spaß machen."

Die Dunkle richtet nun endlich den Blick direkt auf den Zwerg.

"Hol die Kiste mit der Nummer 75 aus dem Lager auf dem Berg und melde mir in drei Tagen, dass ihr fertig seid. Dann werde ich sehen, was ich tun kann."

"Das ist ein Wort. Sonst noch was?"

"Nein, erstmal nicht. Danke."

Der Zwerg nickt entschieden und macht sich an den Abstieg von der Mauer. Xarona bleibt noch eine Weile im eisigen Wind stehen und blickt über das Land, bevor sie sich wieder in die Burg begibt.



Drei Tage später...



Sechs Zwerge kommen, sichtlich froh gelaunt, in den Thronsaal von Schloß Dion marschiert. Einer von ihnen ist Piral, der sich von den anderen absetzt und direkt auf Xarona zugeht, die in einem der Sessel, die als Empfangsort für weniger formelle Treffen dienen, seitlich vor dem leeren Thron stehen, sitzt.

"Vendui Piral. Ist es schon soweit?"

"Ja. Alles erledigt, wie wir besprochen hatten. Willst du es kontrollieren?"

"Nein, nicht nötig. Ich weiß, wie du arbeitest. Euren Lohn habt ihr schon bekommen?"

Der Zwerg blickt sie verwirrt an.

"Nicht, wie es scheint." Sie fährt sich mit einer Hand durch die Haare. "In der ersten Box links, wenn ihr den Stall betretet, stehen sechs große und sechs kleine Fässer. Je eines für jeden von euch. Der versprochende Met und das, was ich noch für euch tun konnte. Ich nehme doch an, dass mein Vertrauen in euer Schweigen damit nicht enttäuscht wird."

"Keineswegs, da sei dir sicher."

Keiner von beiden lässt sich anmerken, dass sie einander belogen haben, obwohl sie es beide wissen. Xarona war in der Nacht zuvor, als die Zwerge schliefen schon in dem Stall und hatte die Arbeiten in Augenschein genommen. Es war alles so, wie sie es vorgegeben hatte. Piral seinerseits verschweigt, dass die kleinen Fässer mit Kräuterschnaps bereits zur Hälfte geleert sind, bis auf seines. Die anderen halten sich aus gutem Grund von der Dunklen und den Fackeln fern.

"Bleibt noch zum Essen. Die Küche hat heute früh drei Wildsauen über das Feuer gehängt. Sie sollten rechtzeitig zum Mittagsmahl fertig sein." Sie spricht laut genug, dass alle Zwerge ihre Worte vernehmen können.

Anerkennendes Raunen geht durch die kleine Gruppe.

"Ich glaub," kommentiert Piral dies, "damit ist dann alles dazu gesagt."

"Ich denke auch."

Zwerg und Dunkle grinsen und die Zwerge machen sich von dannen. Xarona hingegen zieht ein versiegeltes Schreiben hinter dem Rücken hervor und winkt mit der anderen Hand einen der Diener heran.

"Schaff das zu Hauptmann Theobaldas. Bitte heute noch, am besten vor der Mittagsstunde."

"Sehr wohl."

Mehr als diese zwei Worte sind vom Diener nicht zu hören, bevor er sich entfernt und in einen Mantel hüllt. Wenig später erreicht er Theobaldas und überbringt das Schreiben.



Alles ist vorbereitet.

Xarona



Mehr sollte es wohl nicht bedürfen, um ihn in Kenntnis zu setzen.