09.02.2012, 16:27
Die Reise von Gludin nach Dion stellte sich als härter heraus, als jede, die die Priesterin bis dato hinter sich hatte. Sie hatte auf ein Reittier verzichtet und merkte schon nach der ersten Stunde Fußmarsch, dass dies ein Fehler war. Es schneite noch immer und die Bewohner Gludins versuchten den Händlern mit Schaufeln den Weg frei zu halten. Doch sie kamen nur schleppend voran. Schon bald musste Yvaine durch den unberührten Schnee stapfen, der ihre Schritte bremste, fest hielt. Der Schnee war nichts Besonderes. Jeder Winter brachte ihn stets mit sich, so wie der Frühling die Vögel rief. Doch verbunden mit der herrschenden Kälte machte er jeden Schritt zur Qual.
Sie war kurz nach Sonnenaufgang aufgebrochen und nun kam sie bereits wieder so langsam voran, dass sie die leuchtende Scheibe über den Himmel wandern sah. Der Schrei eines Raben ließ sie zusammenzucken. Der Vogel landete gut hundert Schritte neben ihr im Schnee, sank ein und schraubte sich mit erschrockenen Flügelschlägen wieder in die Luft, ehe er leise schimpfen weiter zog. Die Tiere hatten überraschend wenig Sorgen mit dem Winter - kaum mehr als in den letzten Wintern. Es erstaunte sie. Keine Geschichte war ihr bekannt von Tieren, die zu Eis erstarrten. War die Natur fähig, Unterschiede zwischen den humanoiden Wesen und den Tieren zu ziehen? Es widersprach jeder Lehre, die ihr bekannt war. Es waren sonderbare Zeiten. Schon der blutige Regen und der ebenso blutrote Nebel waren überirdisch gewesen. Doch hatten sie nicht gerichtet, so wie die Kälte es tat. Zeiten, in denen nichts so wichtig war, wie der Glaube.
Es war bereits später Nachmittag, als sie die "zerstörte Wegbiegung" östlich des Fellmere-Sees erreichte. Der Schnee lag noch immer tief und die Kälte tat ihr Werk verantwortungsbewusst: Sie kroch unter die Kleidungsschichten, legte sich um Muskeln und Knochen, ließen letztere knirschen und krachen. Yvaines Atem bildete eine kleine Wolke vor ihr, erhitzt ob der Anstrengung.
An einigen Stellen war der Boden unter den Füßen gefroren und einige Male glitte sie aus und schlug der Länge nach auf. Der Schnee auf Gesicht und Haaren taute fast sofort und gefror noch im selben Moment. Beharrlich und gierig zerrten die eisigen Finger des Frostes an der letzten Körperwärme. Yvaine musste einsehen, dass es ein Frevel war, bei diesem Wetter allein zu reisen. Doch nun war es zu spät. Der kürzere der beiden Wege lag vor ihr.
Doch es wurde nicht leichter. Bald war es nur noch der eiserne Glaube und die ewig flüsternde Stimme im Kopf, die sie antrieben. Der zerbrechliche, kleine Körper hatte kaum Reserven zu nutzen. Die Einsicht, dass ein kleiner Fußmarsch, der gewöhnlich nicht mehr als vier Stunden in Anspruch nahm, nun ein Kampf um Leben und Tod wurde... sie nagte schwer an Yvaines Geist. Doch auch er gab auf. Bald waren es nur noch die Beine, die sich weiterhin durch den Schnee arbeiteten. Die weiße Pracht raubte ihr sämtliche Orientierung, die frischen Flocken sämtliche Sicht. So kam es, dass sie Gludio nicht erreichte, sondern umging, ohne es zu merken. Dies wiederum raubte das Zeitgefühl, denn sie hatte erwartet, die Lichter Gludios bald vor sich zu sehen, sich aufwärmen zu können. Der Kopf stand still, während die Beine den Körper doch bewegten.
Sie merkte kaum, dass sie gegen späten Abend Dion erreichte. Jeder Schritt forderte eine kleine Sekundenpause. Es war schwer, nicht nachzugeben. Nicht aufzugeben und in den Schnee zu sinken. Denn die Erschöpfung frohlockte: "Entspann dich. Lasse Schmerzen und Anstrengung hinter dir..." Der Himmel über ihr war dank der Kälte klar und hell, obgleich bereits der Mond und die ersten zwei Sterne zu sehen waren. Vielleicht war es der Moment, der Kälte zu danken, denn sie ermöglichte den Torwachen eine weite Sicht. Früh sahen sie die Gestalt, deren schwarzer Mantel sich vom restlichen Weiß abhoben. So konnten die Männer zu Hilfe eilen, als sie die kleine Frau zusammenbrechen sahen, den halb erfrorenen Körper aus dem Schnee heben und in den Tempel Einhasads tragen.
Sie war kurz nach Sonnenaufgang aufgebrochen und nun kam sie bereits wieder so langsam voran, dass sie die leuchtende Scheibe über den Himmel wandern sah. Der Schrei eines Raben ließ sie zusammenzucken. Der Vogel landete gut hundert Schritte neben ihr im Schnee, sank ein und schraubte sich mit erschrockenen Flügelschlägen wieder in die Luft, ehe er leise schimpfen weiter zog. Die Tiere hatten überraschend wenig Sorgen mit dem Winter - kaum mehr als in den letzten Wintern. Es erstaunte sie. Keine Geschichte war ihr bekannt von Tieren, die zu Eis erstarrten. War die Natur fähig, Unterschiede zwischen den humanoiden Wesen und den Tieren zu ziehen? Es widersprach jeder Lehre, die ihr bekannt war. Es waren sonderbare Zeiten. Schon der blutige Regen und der ebenso blutrote Nebel waren überirdisch gewesen. Doch hatten sie nicht gerichtet, so wie die Kälte es tat. Zeiten, in denen nichts so wichtig war, wie der Glaube.
Es war bereits später Nachmittag, als sie die "zerstörte Wegbiegung" östlich des Fellmere-Sees erreichte. Der Schnee lag noch immer tief und die Kälte tat ihr Werk verantwortungsbewusst: Sie kroch unter die Kleidungsschichten, legte sich um Muskeln und Knochen, ließen letztere knirschen und krachen. Yvaines Atem bildete eine kleine Wolke vor ihr, erhitzt ob der Anstrengung.
An einigen Stellen war der Boden unter den Füßen gefroren und einige Male glitte sie aus und schlug der Länge nach auf. Der Schnee auf Gesicht und Haaren taute fast sofort und gefror noch im selben Moment. Beharrlich und gierig zerrten die eisigen Finger des Frostes an der letzten Körperwärme. Yvaine musste einsehen, dass es ein Frevel war, bei diesem Wetter allein zu reisen. Doch nun war es zu spät. Der kürzere der beiden Wege lag vor ihr.
Doch es wurde nicht leichter. Bald war es nur noch der eiserne Glaube und die ewig flüsternde Stimme im Kopf, die sie antrieben. Der zerbrechliche, kleine Körper hatte kaum Reserven zu nutzen. Die Einsicht, dass ein kleiner Fußmarsch, der gewöhnlich nicht mehr als vier Stunden in Anspruch nahm, nun ein Kampf um Leben und Tod wurde... sie nagte schwer an Yvaines Geist. Doch auch er gab auf. Bald waren es nur noch die Beine, die sich weiterhin durch den Schnee arbeiteten. Die weiße Pracht raubte ihr sämtliche Orientierung, die frischen Flocken sämtliche Sicht. So kam es, dass sie Gludio nicht erreichte, sondern umging, ohne es zu merken. Dies wiederum raubte das Zeitgefühl, denn sie hatte erwartet, die Lichter Gludios bald vor sich zu sehen, sich aufwärmen zu können. Der Kopf stand still, während die Beine den Körper doch bewegten.
Sie merkte kaum, dass sie gegen späten Abend Dion erreichte. Jeder Schritt forderte eine kleine Sekundenpause. Es war schwer, nicht nachzugeben. Nicht aufzugeben und in den Schnee zu sinken. Denn die Erschöpfung frohlockte: "Entspann dich. Lasse Schmerzen und Anstrengung hinter dir..." Der Himmel über ihr war dank der Kälte klar und hell, obgleich bereits der Mond und die ersten zwei Sterne zu sehen waren. Vielleicht war es der Moment, der Kälte zu danken, denn sie ermöglichte den Torwachen eine weite Sicht. Früh sahen sie die Gestalt, deren schwarzer Mantel sich vom restlichen Weiß abhoben. So konnten die Männer zu Hilfe eilen, als sie die kleine Frau zusammenbrechen sahen, den halb erfrorenen Körper aus dem Schnee heben und in den Tempel Einhasads tragen.
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