Getrennte Wege

[Lelwani]

Der Anführer der ghrooragga kommt zu einem Stillstand, als sein Gegenüber die Fäuste hebt. Lauernd wandert sein Blick von dessen rechter Faust zu dessen Augen, als wolle er versuchen den nächsten Zug seines Gegners in dessen Blick zu lesen. "Ein Spitzohr nennst du mich?" brummt er, "wirst schon sehen, was du davon..." Er beendet seinen Satz nicht, stattdessen versucht er das Element der Überraschung zu nützen und zuckt nach vorne, als wolle er seinen Gegner direkt attackieren, weicht jedoch sich unter dessen linker Faust duckend nach rechts aus und versucht ihm sein Messer an einer ungeschützten Stelle im Nacken seiner Rüstung zu stoßen.

Die beiden ebenbürtigen Kämpfer messen noch ihre Kräfte; gerade prallt die Waffe des Neruga auf die des ghrooragga und sie drücken mit den ihnen noch verbliebenen Kräften gegeneinander. Um sein Vorhaben zu verschleiern, nimmt der Neruga ein wenig Druck von seiner Waffe, sodass sein Gegner einen kleinen Schritt nach vorne machen kann. Dessen Waffe nähert sich dem Kinn des Neruga und er sieht nun seine Gelegenheit gekommen: Er stößt, so kräftig er es vermag, seine Waffe nach vorne und tritt seinen Gegner von vorne gegen die Kniescheibe seines Standbeins, was diesen dazu bringt auf ein Knie zu fallen. Nur einen Moment später senkt sich auch das zweite Knie des Kämpfers zu Boden, als er den Halt verliert. Er versucht einen, mehr verzweifelten als gelungenen, Hieb gegen seinen Gegner zu richten, weniger, um ihn zu treffen als um Platz zu gewinnen, sich wieder erheben zu können. Und falls es ihm gelingt, den Neruga auf die richtige Distanz zu bringen, wird er wieder aufzustehen versuchen.

Der ghrooragga, der sich soeben mit einem Tritt versichert hat, dass sein Gegenüber so schnell nicht mehr aufstehen wird können, wendet sich nun dem Neruga zu seiner Rechten zu, der kurz zuvor seinen Kameraden dazu gebracht hatte auf die Knie zu fallen. Er macht gerade einen Schritt in dessen Richtung, doch es ist kaum wahrscheinlich, dass er zur rechten Zeit kommt, um die nächste Aktion des Neruga zu verhindern.

Hat der große stämmige Orok am Zelteingang etwa die Seiten gewechselt? So sieht es für ein paar Augenblicke aus, als er seinen überraschten Gegner umarmt. Doch bald schon wird klar, dass diese Umarmung keineswegs seine freundliche Absicht darstellte, als die Augen des anderen sich überrascht weiten, Blut aus seinem Mund fließt und schließlich auch von seiner Bauchgegend zu Boden tropft. Nun geben dessen Knie nach und der Orok sackt nach unten, sein Körper wird nur noch durch das Stück Metall aufrecht gehalten, das durch seinen Körper geglitten ist.

Der unangenehme Geruch, der schon seit einer Weile in der Luft gehangen ist, intensiviert sich allmählich. Die junge Orok, die am letzten Strang ihrer Fesseln kaut, hält für einen Augenblick inne und wendet sich um. In der Ecke des Zeltes, recht nahe neben ihr, liegt der Leichnam eines Orok, dessen Haut kunstvolle Bemalung ziert; der Pfeil in seinem Bauch, der gebrannt hatte und immer noch ein wenig schwelt, hat dessen Lendenschurz angesteckt, welcher nun brennt. Jetzt beginnt das Feuer langsam auf den Stoff des Zeltes überzugreifen, der (ist es auf Grund der kunstvollen Linienverzierung des Zeltes, die sowohl außen als auch innen angebracht ist, oder weil eine öl- oder fettähnliche Schicht das Zelt zum Schutz vor Regen überzieht?) überraschend schnell Feuer fängt. Die Augen der jungen Orok weiten sich, dann macht sie ein paar Schritte um die Zeltstange herum, um sich vor der sich ausbreitenden Hitze zu schützen, bevor sie ruft: "Feuer!" Und schließlich beginnt sie weiter wie wild an dem Strick zu zerren und zu kauen, um endlich frei zu kommen.


Draußen vor dem Zelt bereiten sich die ghrooragga immer noch auf die bevorstehende Attacke vor; ein paar von ihnen haben die Palisaden erklommen und suchen zwischen den Orok-Attrappen Schutz, in dem sie ihre Pfeile in die Bogen spannen; die ersten schießen bereits auf die vorrückenden, gepanzerten Neruga, doch noch fallen die Pfeile vereinzelt, einige wurden durch die Hektik etwas zu schnell abgefeuert und bleiben federnd zwischen den Reihen der Neruga im Boden stecken, doch manch einer oder anderer könnte sein Ziel finden. In der Nähe eines der Palisadenaufgänge kocht ein recht großer Metallkessel über einem Feuer, in dem ein Orok hektisch rührt; ein anderer steht mit einem kleineren, tönernen Gefäß neben ihm, und redet auf ihn ein, doch der andere schüttelt den Kopf. Das Gespräch wird lauter, und schließlich scheint der Rührende einzulenken; gemeinsam müssen die beiden den schweren Kessel vorsichtig kippen, sodass das abgestellte Gefäß die Flüssigkeit fassen kann. Diese ist von schwärzlicher Farbe und riecht streng, scheint auch ein wenig zu rauchen. Als das Gefäß des anderen Orok voll ist, greift dieser zu einem großen Lappen, den er sich in den Gürtel gestopft hat, breitet ihn aus und legt ihn auf die Gefäßseite, umes gefahrlos anfassen zu können. Dann macht er sich, so schnell es geht, auf die Palisade zu erklimmen.
Zwei andere Oroka sind gerade dabei einen weiteren schweren Riegel vor das Palisadentor zu heben, einen grob entasteten Baumstamm, dem noch nicht einmal die Rinde entfernt wurde. Neben dem Tor lehnt noch ein weiterer dieser Baumstämme. Der Rest postiert sich, eilig die Schnallen ihrer Lederrüstungen schließend oder die Waffen ziehend, vor dem Tor. In der allgemeinen Unruhe scheint es keinem aufzufallen, dass das größte und prächtigste Zelt in der Mitte des Platzes langsam zu brennen anfängt.