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Frühling in Imoriath - Kapitel 1: Eine unerwartete Begegnung
#2
Es ist später Vormittag, Flicka steht an ihrem Schreibpult und sichtet die tägliche Post. Der Stapel mit Briefen enthält eine sehr kurze Nachricht, bei der sie schmunzeln muss – diese ist von Noctayu. Flicka erinnert sich daran, wie sie Noctayu begegnete und seine Mitarbeit gewann. Auch hat sie noch deutlich den Tag nach dieser Begegnung in Erinnerung, als beide zur Sonnen-Insel gereist sind. Flicka selbst hat mit den magischen Reisen so ihre Schwierigkeiten und scheinbar steht sie mit diesen Problemen nicht alleine da – Noctayu ließ sich äußerlich kaum etwas anmerken, doch spürte sie, dass es ihm deutlich schlechter ging, als er vielleicht zugeben mochte. Um den Künstler nicht in Verlegenheit zu bringen, wirkte Flicka sehr unauffällig ein paar Stärkungszauber auf ihn.

Anschließend machten sich beide auf die Suche nach einer Unterkunft für Noctayu. Flicka schmunzelt, als sie daran zurückdenkt, wie schwierig sich das gestaltete - es wollte sich anfänglich einfach nichts passendes finden. Irgendwann fanden sie dann doch ein kleines, gemütliches Häuschen etwas außerhalb des Marktzentrums, in dessen Nähe schattenspendende Bäume wachsen. Nachdem Noctayu dann sein Gepäck und Arbeitsmaterial ins Haus gebracht hatte, erklärte Flicka ihm, was genau sie sich von seiner Mitarbeit erhoffte. Da vorerst alles geklärt war, verabschiedete sich Flicka um die Heimreise anzutreten. Sie wusste schon zu dem Zeitpunkt, dass sich die Zusammenarbeit nicht ganz unkompliziert gestalten würde. Wie sich im Verlauf der nächsten Tage zeigte, lag Flicka mit ihrer Einschätzung richtig.

Noctayu meldete sich die anfangs überhaupt nicht, was Flicka etwas verunsicherte, deswegen beschloss sie, ihren Assistenten nochmals vor Ort zu besuchen, um sicher zu stellen, dass die Organisation nicht ins Stocken gerät. Sie traf ihn nicht weit von seinem derzeitigen Wohnort entfernt, auf einer Wiese sitzend und zeichnend wieder. Um sich zu vergewissern, wie es um den Stand des Auftrags bestellt ist, bittet Flicka um Einsicht in die aktuellen Arbeiten, was Noctayu zuerst verweigerte – er sei noch nicht fertig. Allerdings setzte sich Flicka in dieser Diskussion durch und durfte die aus ihrer Perspektive unglaublich guten Entwürfe erstmals betrachten. Sie hätte die Arbeiten auch sofort mitgenommen, hätte Noctayu sich nicht vehement verbal dagegen gewehrt. Er ist nicht zufrieden, er kann es besser, versprach er Flicka. Und so verließ sie dieses und ein paar weitere Male mit leeren Händen die Sonnen-Insel. Während sie sich auf den Weg zur Torwächterin begibt, schmunzelt sie vor sich hin und sagt leise zu sich selbst: "Er ist ein Perfektionist, was seine künstlerischen Fähigkeiten angeht, aber ich bin ein kleiner Sturkopf."

Kurz nach der Mittagszeit trifft Flicka auf der Sonnen-Insel ein. Wie immer ist sie ein wenig benommen von der magischen Reise. Sie sieht sich um, weil sie nicht genau weiß, wo sie Noctayu antreffen wird. Als sie ihn so nicht entdecken kann, macht Flicka sich auf den Weg zu dem Haus, in welchem Noctayu sich einquartiert hat. Nach nur wenigen Schritten ihres Weges stürmt der riesige Hund Hibiki bellend auf sie zu – sein feiner Geruchssinn hat ihm ihr Eintreffen bereits angekündigt. Kurz vor ihr bremst Hibiki abrupt ab – es hätten nur wenige Zentimeter gefehlt und es hätte die arme Hierophantin erwischt. „Wau, wau, wau!“, wiederholt Hibiki einige male, während er wie wild um Flicka herumspringt, erst links, dann rechts und wieder links. Als Flicka beruhigend auf Hibiki einredet und nach dem Weg fragt, schlägt der Hund sofort eine eindeutige Richtung ein und stürmt vorwärts, ohne Rücksicht darauf, ob sie ihm folgen kann.

In der Ferne unter dem Schatten eines Baumes im Schneidersitz sitzend, erkennt Flicka nach einigen Metern Weg nun Noctayu, mit Block auf den Beinen und Stift in der Hand, ganz vertieft in seine Arbeit. „Wauuu!!“, warnt der abbremsende Hibiki ein paar Meter vor seiner Ankunft vor, doch bevor Noctayu richtig reagieren kann, brettert der Hund mit halber Kraft in seine rechte hinein. „Hibiki, Tako!“, schimpft Noctayu, doch der Hund macht keine Anstalten, sich von ihm zu entfernen – im Gegenteil, Hibiki sucht etwas grob die Nähe seines Herrchens und stößt ihn immer etwas mit seiner fahrlässigen Kraft weg. Erneut schimpft Noctayu nun etwas lauter einen ihr fremden Befehl und Hibiki beruhigt sich langsam, schaut seinen Herrn mit schräg gelegtem Kopf an. Noctayu bewegt sich wieder an seine ursprüngliche Position, legt Block und Stift beiseite und prüft seine Kleidung, zieht den riesigen Schal zurecht, der über seinen Schultern liegt. Er wendet sich nun Hibiki zu, der sich zum Glück endlich beruhigt hat und beginnt den Hund zu kraulen. Wenige Momente später bemerkt er Flickas Anwesenheit und spricht nochmals zu Hibiki, ehe er sich zur Begrüßung erhebt und auf sie zugeht. „Guten Tag, Frau Avari-Shalim“, begrüßt Noctayu sie und verbeugt sich leicht, „Ihr habt meinen Brief bekommen... nehme ich an?“ „Guten Tag Herr Amazora“, erwidert Flicka die immer noch reservierte Begrüßung. Sie seufzt leicht, bevor sie weiterspricht: „Ja, ich habe eure Nachricht erhalten, darum bin ich hier. Seid Ihr zufrieden mit Eurer Unterkunft und werdet Ihr angemessen verpflegt?“ „Ja“, antwortet Noctayu leicht nickend und wie gewohnt wortkarg auf ihre Frage, „Mögt Ihr Euch meine Arbeiten nun ansehen?“, fragt er anschließend, „ich habe nur einen Teil davon gerade dabei, der größere Teil liegt in der Unterkunft... auf dem Schreibtisch“, merkt er an. „Ich bin hergekommen, weil ich annahm, dass Ihr mir weitere Arbeiten, das Fest betreffend, vorlegen möchtet. Habt Ihr inzwischen Entwürfe vorbereitet, die Euch besser gefallen?“ Flicka runzelt leicht die Stirn, als sie an ihre ersten Besuche und Treffen mit Noctayu denkt. „Mir persönlich haben all Eure bisherigen Arbeiten gefallen Herr Amazora“, merkt sie mit einem Lächeln an. „Weitere Entwürfe... ja... Die anderen 'Entwürfe' sind keiner Rede mehr wert“, antwortet Noctayu nüchtern auf Flickas Rede und verzieht dabei keine Miene. „Wie angemerkt... habe ich nicht alle Entwürfe dabei“, und deutet mit seiner Hand, von ihm aus, nach rechts.

Flicka holt tief Luft und ist um Geduld bemüht, bevor sie entgegnet: „Herr Amazora, natürlich ist mir bewusst, dass ein kreativer Mann wie Ihr Freiraum benötigt und es wenig förderlich ist, wenn man Euch unter Druck setzt. Dennoch möchte ich Euch daran erinnern, dass uns allmählich die Zeit davonläuft. In wenigen Tagen schon muss ich in die Hauptstadt reisen und dem Fürsten zumindest Ansätze eines bereits vorhandenen Konzeptes vorlegen.“ Flicka senkt die Stimme und fügt noch hinzu: „Ich kann dort nicht mit leeren Händen auftauchen.“ Noctayu schüttelt leicht irritiert den Kopf, scheinbar hat sie ihn nicht richtig verstanden: „Ich habe die Entwürfe alle bearbeitet und abgeschlossen. Ich habe die Arbeit bereits beendet... nur habe ich nicht alle Entwürfe in meinem Ordner... sie liegen auf meinem Schreibtisch“, wiederholt er abermals, „die Entwürfe könnt Ihr dann mitnehmen...“ Etwas verunsichert fügt er noch hinzu: „Wollt Ihr hier warten, oder folgt Ihr mir?“ Flicka ist total erleichtert, dass Noctayu ihr seine bereits fertigen Entwürfe aushändigen wird. Mit einem strahlenden Lächeln erwidert sie: „Wenn es recht ist, würde ich Euch gerne zu Eurer Unterkunft begleiten.“ Gefolgt von Hibiki gehen Flicka und Noctayu sodann zu den Haus, welches er für die Dauer seines Aufenthaltes auf der Sonnen-Insel bezogen hat.

Noctayu führt Flicka auf Wunsch zu seinem Häuschen am Rande des Parks, öffnet dort angekommen die Haustüre und bietet ihr mit einer Handgeste den Vortritt an. Die Inneneinrichtung ist sehr einfach und schlicht gehalten, im Eingangsbereich befindet sich eine nicht sehr große Wohnküche mit kleinem Esstisch und einem Zweiersofa. Am Ende des Raumes führt eine Treppe in eine weitere Etage. „Nehmt ruhig Platz, ich gehe kurz nach oben und bringe Euch die Entwürfe“, mit diesen Worten setzt Noctayu seinen Weg in Richtung Treppe fort und verschwindet für eine Weile im anderen Stockwerk. In der Zwischenzeit sieht Flicka sich zurückhaltend ein wenig um. Sie lächelt leicht, erinnert sie hier doch alles an ihr eigenes zu Hause - klein und schlicht, aber zweckmäßig und gemütlich. Während sie in der Wohnküche wartet, vernimmt Flicka vom oberen Stockwerk ein etwas lauteres Knistern von blätterndem Papier und das Knallen von Schubladen und Schränken. Es lässt sich erahnen, dass der junge Mann vielleicht nicht unbedingt ein Händchen dafür hat, wenn es um Papierordnung geht. Einige Minuten später erscheint Noctayu mit einer dicken Mappe im Wohnraum und wartet, bis er von Flicka wahrgenommen wird. Völlig in Gedanken wird Flicka sachte von Hibiki angestubst, erst dann erst bemerkt sie, dass Noctayu mit einer beachtlich umfangreichen Mappe wieder zugegen ist. Erwartungsvoll schaut sie ihn an und kann ihre Freude kaum verbergen, als ihr diese überreicht wird und betrachtet fasziniert den Inhalt der Mappe. Geduldig wartet der Künstler, bis sie zu ihm spricht, bis – KLIRR! Der eben noch äußerlich gelassen wirkende Noctayu dreht sich rasch in die Richtung, aus der das laute, scheppernde Geräusch kam. Den beiden bietet sich nun folgender Anblick: Hibiki steht an der Küchenzeile, und hat bereits schuldbewusst seine Ohren zur Seite gelegt. Auf dem Boden liegen Besteck und zerbrochenes Geschirr. „Aho...“, ruft Noctayu nach einer kleinen Reaktionspause und bewegt sich in Richtung Hibiki, der nicht so recht zu wissen scheint, ob es ratsam ist, sich etwas zurückzuziehen. „Tomare“, befiehlt Noctayu dem Vierbeiner, der auf der Stelle stehen bleibt. Stöhnend schnappt sich Noctayu ein Kehrblech und Besen und räumt das Missgeschick auf.
Flicka zuckt leicht erschreckt zusammen, als sie das Klirren zerbrechenden Geschirrs hört. Der Anblick des sich schuldig fühlenden Hibikis allerdings rührt sehr stark an ihrem Beschützerinstinkt. „Bitte Herr Amazora, seid doch nicht so streng zu Hibiki“ , sagt sie deutlich vernehmbar. Dann wartet sie, dass Noctayu mit dem Beseitigen des Missgeschicks fertig wird, weil es da noch etwas gibt, worüber sie mit ihm sprechen möchte.

Nachdem Noctayu wieder Ordnung geschaffen hat, geht er auf den stillstehenden Hund zu und äußert Hibiki gegenüber erneut einen Befehl, den sie nicht zuordnen kann. Anschließend hebt der Hund seine linke und dann seine rechte Pfote. Noctayu prüft die Pfotenballen auf Splitter und strubbelt nach Beendigung der Überprüfung Hibiki kräftig durchs Fell: „Soso.“ Der Hund scheint sichtlich munterer als zuvor und setzt sich nach einem „Iyo“, wieder in Bewegung. Noctayu, der ein paar Sekunden abgelenkt war, wendet sich wieder gen Flicka – die ganze Situation scheint ihm etwas unangenehm zu sein. Erleichtert darüber, dass Hibiki nicht bestraft wird von Noctayu richtet sie erneut das Wort an ihn: „Herr Amazora, Eure Arbeiten sind wirklich fantastisch. Es gibt da aber noch etwas, was ich bisher noch nicht erwähnt habe.“ Flicka räuspert sich, um ein wenig Zeit zu gewinnen, bevor sie fortfährt: „Ich beabsichtige, ein kleines Schauspiel auf der Bühne zu inszenieren. Dafür benötigen wir Darsteller. Um die Bevölkerung darauf aufmerksam zu machen, hätte ich sehr gerne einen von Euch entworfenen Aushang. Dieser sollte nicht zu pompös sein, aber auch nicht zu schlicht. Der Aushang soll schon Aufmerksamkeit erregen. Darüber hinaus muss er auch vervielfältigt werden.“ Nach dieser für Flicka recht langen Ansprache atmet sie tief durch und wartet auf Noctayus Reaktion. Zum Glück muss sie nicht lange auf eine Antwort seinerseits warten: „Ich werde mich darum kümmern“, antwortet er, „ich brauche nur noch einen Text von Euch... für das Plakat...“ „Selbstverständlich werde ich euch einen Text zukommen lassen, sobald mir etwas Ansprechendes eingefallen ist“, entgegnet Flicka. Dann verabschiedet sie sich und macht sich auf die Heimreise. In Gedanken beschäftigt Flicka sich bereits mit einem entsprechenden Text.


Nachrichten in diesem Thema
[Kein Betreff] - von flicka - 28.02.2016, 14:35
[Kein Betreff] - von flicka - 29.02.2016, 18:48
[Kein Betreff] - von ordoban - 29.02.2016, 20:08

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