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Gladhol elen - lachender Stern
#1
Aden, allein im Scriptorium des Coraxtempels, an einem warmen Sommermorgen.

Schon als kleines Kind wollte ich sie immer mit meinen kleinen Händen, auf Zehenspitzen taumelnd, zu ergattern suchen. Dort, hoch oben auf dem Gesims im großen Saal meines Elternhauses stand sie, die grüne, alte Flasche mit dem geheimnisvollen Pergament, eine Flaschenpost, umgeben vom Reiz des Verbotenen.
Sie war wohl schon einige hundert Jahre alt und es sollte mir wie Äonen vorkommen, bis ich sie im frühen Alter einer werdenden Frau in der Hand halten konnte.

Endlich, an einem kühlen Winterabend, an dem ich alleine in dem großen Haus zurückblieb, löste ich mit klopfendem Herzen den Korken und fischte das alte Pergament heraus.

Sie gehörte einst einer aus unserer Familie, Samiris mit Namen, die ihr Leben als Priesterin dem Corax verschrieben hatte. Nur wenig war über ihr Leben bekannt, keine herausragende Stellung kam ihr in unserer so reichen Familiengeschichte zu.
Und doch übte diese Flasche, der letzte von ihr überlieferte Gegenstand, so dachte man damals, auf mich die größte Faszination aus. Mehr als all die Rapiere, Bögen und Zauberstäbe hoch verdienter Ahnen. Barg doch dieser unscheinbare Gegenstand das Tor zu einem Geheimnis, das, ohne es genau zu kennen, mich schon fest in seinen Bann gezogen hatte.

Die letzen Zeilen der Botschaft, die anderen waren aufgrund des Alters weitgehend unlesbar geworden, höre ich mich heute noch immer und immer wieder aufsagen, den Zauber ihres Klanges, den sie damals auf mich gelegt haben, haben sie bis heute nicht verloren.
Hätte damals jemand den Saal betreten, auf der Stelle hätte ich mich in ihn verliebt, selbst in einen Ork oder gar krummbeinigen Rundling, so sehr hatte mich der in kleinen Lettern verfaßte Teil der Nachricht in mein Herz getroffen.

Wer war die Absenderin? Und wer war die Empfängerin der Botschaft wirklich? Blieb nichts weiter übrig als diese Flaschenpost, der Rest einer Botschaft?
Das Pergament in der Flasche, den Reim in meinem Herzen verschließend, beschloss ich, mich auf die Suche nach ihrer Geschichte zu machen, von ihrem Leben wollte ich erfahren.

Noch Jahre sollten vergehen, in denen kaum mehr in Erfahrung zu bringen war. Ihr Wirken blieb wohl ohne historische Bedeutung, auf die unsere Familie soviel Wert legte; einzig im Privaten, fast im Verborgenen schien sie gewirkt zu haben. Nur ihren Vornamen tragend, den Namen ihres hohen Hauses nie erwähnend, hatte sie offenbar keine Spuren hinterlassen.
Doch eines Tages, just an dem neuer Wind mein Leben weiter tragen sollte, nahm ich doch noch ihre Spur auf. Und ja, ich muss dabei immer wieder schmunzeln, es war tatsächlich die berühmte Kiste auf dem Dachboden. Wie in so vielen Geschichten, Märchen und Sagen, die mir meine Amme an langen Winterabenden erzählte und in denen sie sich dieses Klischees immer wieder bediente, stand die kleine Kiste unter einem Stapel alten Plunders.
Selbst nach einer Truhe für meinen bestehenden Auszug aus dem elterlichen Hause suchend - ich hatte mich entschlossen, der Priesterschaft im Tempel des Corax zu Aden beizutreten - fand ich sie und öffnete sie nichts ahnend.

Ein Stapel Pergamente, vergilbt und lose durcheinander, füllte die kleine Kiste bis zum Rand. Ein buntes Sammelsurium an Tagebuchnotizen, Gedichtsammlungen, Briefen, Zeichnungen, Reiseberichten, allesamt aus dem Nachlaß der Priesterin. Bis heute ist es mir nicht gelungen, sie alle in eine schlüssige chronologische Reihe zu fügen. Sei es, daß sich mir der Sinn der Erinnerungen der Priesterin nicht immer erschlossen haben, sei es, daß diese selbst oft sprunghaft ihr Erlebtes (oder Erdachtes, Erträumtes?) verfasste.


Der Leser mag mir daher verzeihen, wenn sich das Leben der Priesterin so ungeordnet darbietet, doch schien auch ihr Leben selbst immer wieder in Sprüngen verlaufen zu sein.
Auch macht mir der Erhaltungszustand vieler Blätter noch Sorgen und wo das Überlieferte allzu fragmentarisch, unverständlich scheint, habe ich mir erlaubt, die Ereignisse so zu rekonstruieren und aus meiner Sicht zu erzählen, wie sie wohl am wahrscheinlichsten stattgefunden haben. Eine kleine Anmerkung für den Leser schicke ich meist voraus.

Ich beginne daher irgendwo und hoffe, daß es mir und dem Leser gelingt, die Geschehnisse, die solange zurück liegen, nach und nach vom Nebel der Vergangenheit zu befreien.


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Pagina prima
Tagebuchaufzeichnung ohne Datum, Ort des Geschehens: Gludin, ein unbekanntes Antiquariat wohl minderer Reputation, im Hafenviertel gelegen.


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Ich streifte mir die für diesen Anlass eigens angefertigten Handschuhe aus dem feinen, weißen Stoff der Tuchmacher Gludios über. Nicht meine gewöhnlichen Handschuhe, die nur die Handflächen bedeckten, sondern nun solche, die das kostbare Gut auch vor meinen Fingerkuppen schützen würden.

Da lag es also vor mir, das lange und unermüdlich gesuchte, nun von dem jungen Ladengehilfen so ausdruckslos wie ahnungslos an mich ausgehändigte Werk. Sein Zustand war erschreckend, der einst prachtvolle Foliant hatte durch Wasser schweren Schaden genommen, sein einst prächtiger Einband war zu einer runzligen, braunen Hülle verkommen. Kein Titel zierte ihn mehr, kein Urheber, wohl ein weiterer Grund für sein lange unbemerktes Dasein.
Es knisterte, als ich den lange verklebten Einband mit etwas Nachdruck öffnete. Es knisterte nach Jahrhunderten der Vergessenheit. Was ich dann sah, ließ mir augenblicklich die Sinne schwinden, schon die erste Seite, ohne jeden Makel erhalten, strömte ihren Zauber überbordender Schönheit über mich. Ein Meisterwerk elbischer Buchmalerei, in dem florale Verzierungen Text und Beiwerk kunstvoll vereinten, zogen mich hinein in ein wogendes Meer alten Wissens.

Der letzte erhaltene Band der vollständigen, über Jahrhunderte von den Wächterinnen im Garten der Eva akribisch betriebenen Beschreibung der Pflanzenwelt Adens eröffnete sich vor mir.

Die blütenschwere mallos aus dem Süden stand hier Seite an Seite friedlich mit der alfirin aus dem hohen Norden. Blatt um Blatt wandelte ich auf den seltensten Blumenwiesen, durch Wälder längst vergessener Bäume, über Ebenen karger, aber umso schöner Blütengewächse.
Und auch sie war da, die, die noch immer wie Unkraut überall wucherte, das Elfenland in blauen Schleier legend. Die oft übersehene, zu gering geschätzte, weil gerade sie allerorten zu sehen. Die Blume, die mir am teuersten, von den Rundohren so lieb Vergissmeinnicht genannt, uns als elloth Corax als „Blume des Corax“ bekannt.

Ich muss so voll Freude gewesen sein, daß meine Hände nicht mal mehr vor Aufregung zitterten, ruhig, denn nun fast am Ziel meiner Suche, glitt mein Zeigfinger von den Initialen dem Pfad der wie Ranken laufenden Beschreibung entlang. Bis zu dem letzten Teil der Beschreibung, den entscheidenden Teil, der mich noch weiter führen sollte in Ereignisse, von dem sich meine Seele, mein Körper noch jetzt erholen müssen.

Es war also kein Gerücht, das Wissen nicht ein Ammenmärchen, ja sogar die letzte Trägerin des Wissens noch nicht verloren, mir sogar gut bekannt. Ich schloss Buch und Augen, die Last der langen Suche fiel wie ein leichtes Tuch von mir ab. Nun galt es die Erkenntnisse in Taten umzusetzen. Die Hüterin des alten Wissens, die Wächterin des Gartens der Eva zu finden würde noch den leichtesten Teil des Folgenden bedeuten.

Ich zahlte einen lächerlichen Preis für dieses unersetzliche Werk, Corax möge mir dies nachsehen, und nahm noch den nächsten Segler gen Heine.


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Pagina secunda
Folgender, wohl in den Tagen danach geführter Dialog lies sich aus den fragmentarischen Aufzeichnungen leidlich rekonstruieren, er fand vermutlich im Garten der Eva (in ihrem Allerheiligsten?) statt:


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"Tritt näher, Samiris, Iell Corax!" eine ebenso alte wie jugendliche Stimme ließ die Priesterin in Ehrfurcht der Aufforderung nachkommen.

"Du hast es also gefunden. Du hast das alte Wissen, das nicht verlorene, nicht vergessene, doch unbeachtet schlafende, geweckt. Nun, Du weißt, was es bedeutet, sich dem hingeben zu wollen?"

Das Haupt noch gesenkt, nickte die Priesterin knapp.

"Dann komm, sei Gast und Schülerin in IHREM Garten, doch klage nicht, wenn du in Verzweiflung und Schmerz die Grenzen von Seele und Körper überschreiten wirst, bis Du – glücklich - erlangt hast, was du wirklich suchtest."


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Hier bricht die Erzählung abrupt ab, doch hege ich Hoffnung, daß sich ihr Fortgang noch in einem der verklebten Blätter findet, aus denen ich die nächsten Blätter schon gewinnen konnte:

Codex diverser loser Blätter
Rekonstruktion einiger Kindheits(Jugend?-)erinnerungen, von mir z.T. ergänzt. Ohne Datum, im elterlichen Anwesen.

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In tausend Splitter berstend, den hohen Saal mit schrillem Knall erschütternd, kracht die Kristallkugel, ein mächtiges Relikt aus altem Familienbesitz, zu ihren Füßen auf den Boden.

Unbeweglich, lauschend, nur zwei Zähne drücken sich in die eingezogene Unterlippe, zwei Augäpfel wandern nach links und rechts, steht die kleine blonde Salzsäule im weiten Raum.
Ein kleiner Fuß schiebt galant die groben Reste des Ungeschicks unter eine gepolsterte Liege.

Gerade regt die Erleichterung des Nichtentdecktseins die schmächtige Gestalt, als eine gellender Schrei das Haus durchfährt:

"SAAAMIRIS!!!!"

Die so Gerufene augenblicklich zusammenzuckt, und sich plötzlich, beim Ruf der Mutter, an fast vergessene Pflichten erinnert.

"Sollte ich nicht eigentlich eine neue Lieferung Kräuter in der Stadt abholen?" Von so plötzlichem Pflichtbewußtsein erfüllt, huscht sie die Tür hinaus, hinter der das Wüten kein Ende zu finden scheint.

Doch da weht der jungen Elfe schon der Frühlingswind entgegen, der sie Richtung Elfenstadt leicht dahintreibt.
Gerade erklimmt sie den Scheitelpunkt eines alten Hohlweges, genießt den kühlen Sand des hinab laufenden Weges zwischen ihren Zehen, als ein Ruck, ein Schlag ihr Gesicht in den weichen Boden drücken.

"Ninniel!" stöhnt die Unterlegene, lachend sitzt die Freundin auf der Elfe, den Triumph des Überfalls genießend. "Aua, außerdem mache ich mich schmutzig!"

"Ha, als ob dir das je was ausmachen würde!"

"Aber das ist doch schon das Kleid für heute Abend!"

"Oh, du hast ja recht."
und reicht der Freundin die Hand und klopft mit ihr Sand und Blätter vom Kleid.

"Wir müssen uns beeilen, die anderen warten schon!"

"Aber ich muss noch etwas besorgen in der Stadt, es herrscht eh schon dicke Luft zuhause." drängt sich ihr (zu selten schlechtes) Gewissen auf.

"Ach, das machen wir gleich morgen früh zusammen nach dem Maskenball, jetzt lass uns erstmal zu den anderen."

Vergnügt rennen beide um die Wette, dem Frühlingsfest entgegen. "Hast du eigentlich um Erlaubnis gefragt, Sami?" "Klar! Bestimmt so wie du!" Schelmisch grinsen sich die beiden an.

...

Schweigen, eisiges Schweigen hängt über den gut zwei Dutzend Familienmitgliedern, im Halbkreis stehend, auf ein zusammengesunkenes Häufchen Elend in ihrer Mitte streng herabblickend.
Endlich ergreift die Großtante das Wort, den schweren Stab auf eine Bodenplatten stoßend:

"Nun ist endgültig Schluss! Wir zählen hier jetzt gar nicht mehr all die ruhmreichen Taten der leibhaftig vor uns stehenden Ungezogenheit auf, auch die gestrigen Großtaten tun nun nichts mehr zur Sache! Samiris?!"

Ängstlich aber vergebens versucht die Angesprochene den Blick zu heben.

"Noch heute Abend wird dich eine Priesterin des Corax zur Giraner Novizenschule geleiten. Dort hast du in den kommenden Jahren Zeit und Gelegenheit, dich endlich in Demut und Ernsthaftigkeit zu üben. Gehe nun und bereite dich für die Reise vor!"

Auch zum Abschied finden sich alle ein, nicht weniger schweigend. Der Triumph der ungeliebten Schwestern, der ach so strebsamen, schmerzt sie nicht, der gleichgültige Blick der Brüder nicht, nur die traurigen Augen der kleinen Finura, die sie ungläubig anstarren, den Weggang der großen Schwester noch nicht ganz begreifend.
Die Tränen auch vor der Mutter verbergend, empfängt sie deren letzte Geschenke, die mütterliche Robe sowie zauberkräftiges Garn und Nadel.
Die Tochter noch ein wenig vor die Türe begleitend, nimmt sie die schmächtige Gestalt noch einmal in die Arme, gegen die Tränen ankämpfend.

"Namarie, meine Kleine! Bereite Deiner Familie keinen Kummer, hörst Du?!"

"Niemals mehr, Mutter, niemals mehr!" stockt diese hervor und dreht sich, Schritt und Blick vom elterlichen Hause abwendend.

"Samiris!"
klingt es nach ein Paar Schritten. Freundlich lächelnd gibt ihr die Mutter den letzen Rat mit auf den Weg: "Und sag nicht so oft niemals, ja?"
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#2
Bereits über ein Mond vergangen, und keine neuen Einblicke in das Leben der Priesterin, von denen uns die Erzählerin berichten kann?
Wohl ist es eine langwierige und mühevolle Arbeit, die Puzzleteile aus der Biographie dieser einzigartigen Elfin zusammenzufügen - und keineswegs sei daran gedacht, jene, die sich dieser Aufgabe annahm, zur Eile zu drängen.
Allein ich möchte meiner Hoffnung Ausdruck geben, dass noch einige der gefundenen Pergamente den Zahn der Zeit überdauert haben mögen, ihr Zustand erlaube, weitere Einzelheiten aus dem Leben der Priesterin zu erfahren.
Der Glanz der Sterne in die Herzen meiner Freunde - die Klingen meiner Schwerter in die Herzen der Feinde!
Amandria Hen en Aduial, Magolad Eva
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#3
-Wieder einige Jahrhunderte nach den Geschehnissen um die Priesterin.-
Dankbar, einen ordnenden Einmerker erhalten zu haben, reicht die Biographin weitere Blätter zur Reinschrift.

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Heute habe ich mich entschlossen, ein weiteres Konvolut an Aufzeichnungen vorzulegen. Es scheint mir aus zweierlei Gründen lohnenswert: erstens schließt es zeitlich an den Weggang aus dem elterlichen Hause und die Ausbildung zur Priesterin an, zweitens, und dies ist zugleich der Grund warum ich etwas mit der Herausgabe zögerte, fehlt ausgerechnet das, was ich am ehesten erwartet hätte.
Denn üblicherweise lassen Priesterinnen und Priester ihre Hinwendung zu ihrer jeweiligen Gottheit mit einem einschneidendem Erlebnis beginnen, also einer Erleuchtung oder Vision, mal mehr, mal weniger glaubhaft.
Das war es auch, was ich in den Pergamenten zu finden suchte. In den Jahren in Giran notierte die Priesterin jedoch nur - mir mit der Zeit allzu auffällig - Banales.
Wollte sie zukünftigen Lesern etwas verbergen? Gar auf eine falsche Spur führen?
Ich habe es bislang nicht herausfinden können und nehme den Leser nun mit, die kommenden Ereignisse hinzunehmen, vielleicht führt uns einst eine Spur auf diesen Gedanken zurück.


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Rekonstruiert nach Tagebuchnotizen. Giran, wenige Tage vor der Weihung zur Priesterin.

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*hohe, kristallene Stimme in weitem Saal erklingt*

Ilu Ilúvatár en káre eldain a fírimoin
ar antaróta mannar Valion: númessier.
Toi aina, mána, meldielto – enga morna:
talantie.
En kárielto eldain Isil, hildin Úr-anar.
Toi írimar. Ilyain antalto annar lestanen
Ilúvatáren, Ilu vanya, fanya, eari,
i mar, ar ilqa ímen. Írima ye Númenor.
Nan úye sére indo-ninyan símen, ullume;
ten sí ye tyelma, yéva tyel ar i narquelion,
íre ilqa yéva nótina, hostainiéva, yallume:
ananta úva táre fárea, ufárea!
Man táre antáva nin Ilúvatar, Ilúvatar
enyáre tari tyel, íre Aanarinya qeluva?


(Der Allvater erschuf die Welt für Elben und Sterbliche und er gab sie in die Hände der Herren: Sie sind im Westen.
Sie sind heilig, gesegnet und geliebt - außer die Dunkle:
Sie ist gefallen.
Für die Elben erschufen Sie den Mond, doch für die Menschen die rote Sonne:
welche schön sind. Allen gaben sie in Maßen die Gaben
des Allvaters. Die Welt ist schön, der Himmel, die Meere,
die Erde und alles was in ihnen ist. Lieblich ist das Land des Westens.
Doch mein Herz ruhet hier nicht auf ewig,
denn hier ist Vergehen, und es wird ein Ende sein und das Schwinden,
wenn alles gezählt ist, und zuletzt alles erfasst wird,
aber es wird nicht genug sein, nicht genug.
Was wird der Vater, oh Vater, mir geben,
an jenem Tag jenseits des Endes, wenn meine Sonne vergeht?

Anmerkung: die Übersetzung gebe ich den des alten Quenya unkundigen Lesern zur Hand. Sie orientiert sich stärker und bewußt am ursprünglichen Wortlaut, als in bekannten Transskriptionen. Das verdeutlicht, wie sehr die Genese der Elfen über verschiedene Sagenkreise hinweg immer wieder auf einen gemeinsamen Ursprung zurückzuführen ist.)

"Wohl gesprochen!" Zufrieden kommentiert Magister Esriel, der immer Gutmütige, die in wohlgesetztem Quenya rezitierten Verse aus der Schöpfungsgeschichte der Elfen. "Bei Corax dem Allvater! Da haben wir ja nun doch wieder etwas gefunden, worin auch unsere Novizin Gefallen und Fleiß walten lässt". Doch kaum hat sich eben jene des Lobes erfreut, als die schweren Flügel zum Lehrsaal mitten in der abendlichen Lehrstunde mit lautem Knall aufliegen.

Schnell noch verneigen sich Magister und Schülerschar artig vor der Äbtissin des Tempels zu Giran, als diese eine bestimmte Novizin bereits ins Auge fasst: "Samiris! Vor die Türe!"
Hochrot an all die kleinen Vergehen denkend folgt sie stumm der gestrengen Tempelvorsteherin, gefolgt von ihrem Mentor Esriel. Ängstlich versucht sie sich zu erinnern, wo ihr Fehler lag: bei der letzten nächtlichen Erkundung zum Verhalten feierlauniger Stadtbewohner vielleicht einen Ziegel auf dem Dach zur Kammer abgetreten zu haben? Beim gestrigen Betreten unerlaubter Bibliotheksbereiche mitsamt Lektüre verbotener Werke ausgerechnet die Bücher "Liebesgedichte aus Heine, von Iomel Güldenglanz, neu aufgelegt vom aufstrebenden Barden Scion" mit den "Coniurationes Demonum, ohne Urheber" vertauscht zu haben, als jemand sie beinahe erwischt hätte? Sie weiß es nicht und auf dem Flur stehen schon weitere finster dreinblickende Gestalten.

Wenige Tage vor ihrer Prüfung (die sie sicher zu bestehen glaubt, es sind ja noch ein paar Nächte übrig, um mit dem Lernen endlich anzufangen...), nun das! "Achtkantig wird man mich hinauswerfen, mit Schimpf und Schande davonjagen" geben ihr die Schuldgefühle ein.

"Samiris! Wahrlich, vieles was man euch hätte austreiben sollen, ist nicht einmal mir gelungen. Doch habt ihr gerade in der letzten Zeit nach Auskunft eurer Lehrer zumindest in einigen Bereichen Ernst und Geschick bewiesen. Auch ist nicht entgangen, daß ihr bei der Bekämpfung widernatürlicher Manifestationen sehr getreu den Lehren folgt und Corax zur Ehre den Kampf gegen die unreine Magie mit großem Mut und Wille führt. Noch in dieser Stunde werdet ihr in Begleitung dieser beiden Brüder und unserer Schwester aufbrechen, einen besonderen Auftrag zur Ehre unseres Gottes ausführen."

Verblüfft über die plötzliche Wende blickt sie in die verwegenen Gesichter der hinter der Äbtissin stehenden drei Gestalten. Narben, Verbrennungen in den Gesichtern der beiden Männer, die reiche, mit Schutzzeichen des Corax versehene Robe der Priesterin, Schwerter, die nicht im blauen Glanz der Rapiere geckenhafter Sonntagsmagier auf Girans Treppen schimmern, sondern die Aura vieler Kämpfe tragen, lassen eine verschworene Kampfgemeinschaft erkennen.

"Nun geht in Eure Kammer, packt das nötigste zusammen, für eine Vorstellung wird unterwegs genug Zeit sein, die Zeit drängt!" Gerade will die vor Verblüffung stumme Novizin dem Folge leisten, als die Äbtissin noch einmal das Wort ergreift und die Hand ihr auf das Haupt legt: "Faer i-vagolammaeg! Von jetzt an seid ihr eine Priesterin des Corax! Laßt Euch von seinem Pfad auch in dunkelster Stunde nicht abdrängen."

"Niemals, Äbtissin!" mit einer Verbeugung macht sich die frisch Geweihte davon, nicht mehr den Satz wahrnehmend, den jene streng an ihren Mentor richtet:

"Hatte ich euch nicht aufgetragen ihr dieses schreckliche Wort auszutreiben?!"


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Nur wenige Tage später, irgendwo in den Nordlanden.

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"Sie kommen."
Noch ehe die Priesterin irgendetwas vernommen hätte, hatten wohl schon Vögel, Wind und Erde dem meist stummen Begleiter die Ankunft weiterer Elfen verkündet.
Sie nannten ihn nur Lasta, kurz für Lastalaica, doch war er ein Priester, wie sie ihn bis dahin nie zuvor gesehen hatte. Sein grünes Gewand (hatte er überhaupt noch ein anderes?), sein Stab, seine geschmeidige Art sich zu bewegen, ließen vermuten, daß er in einem früheren Leben den Waldläufern angehörte. Jenen war er in den Künsten des Spähens offenbar ebenbürtig, so zumindest nahm es die Priesterin wahr.

Silivren mit seinen zusammengekniffenen Augen, der für einen Elfen sehr dunklen Haut und der rauhen Stimme, die den Wind des Nordens mit sich zu tragen schien, erinnerte sie eher an den verwegenen Kapitän eines der schnellen Kuriersegler der Menschen. Und doch waren es Priester des Corax, nur so ganz anders als die, die sie aus Giran bislang kannte.

Nur Zahmena, die strahlend weiße Priesterin, war ganz so, wie sie sich immer eine Istyarien (und sich selbst so gerne ) vorstellte: die Aura priesterlichen Wissens gelassen tragend, weltgewandt und doch Ernst im Glauben.

Nun standen sie hier im Schatten der Bäume, die Kreuzung im lichten Walde beobachtend. Doch noch nicht einmal als sie den schlanken Krieger und eine schon fast als dünn zu bezeichnende Kriegerin sah, konnte sie deren schnellen Schritte vernehmen. Trotz schwerer Rüstung, Schild und Schwert am Rücken tragend, bewegten sie sich federnd, lautlos auf die Gruppe zu.
Würde nun offenbar, wo ihre Reise hinführte?
Sie wußte, nun waren die sorglosen Jugendjahre vorüber, von nun an würde sie die Ernsthaftigkeit der Priesterschaft mit Inbrunst verkörpern. Sie setzte die bei den anderen heimlich abgeschaute ernsthafte Miene gerade auf, als sie eines bekannten Grinsens gewahr wurde, das unweigerlich ansteckten mußte...
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#4
...und und und wie geht es weiter?
Das Hausmädchen stubste die lesende Elfe an ,über deren Rücken sie neugierig mitgelesen hatte.
Gespannt wartet sie darauf das die junge Elfe weiterblättert.
=°_°= Oonevia Rune
= -_- = Neneliel Garden of Eva
=^_^= Ariena Giran
=^.~= Celerian Orthae Earithin
=^.^= Kurinwe Geschichtenerzählerin Orks
=*_*= Nefea Kam Ha
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#5
…das Wiedersehen mit Ninniel, der Freundin aus Kindertagen, die das Schicksal als Tempelkriegerin ihr wiedergab, verlief nur kurz, denn schon drängte der Aufbruch. Endlich wurde ausgesprochen, wohin die Reise ging, wo das Ziel der Gemeinschaft lag: Rune.

Seit Wochen gingen die Gerüchte durch ganz Aden. In Spelunken, Marktständen, Königshallen wurde nur hinter vorgehaltener Hand darüber geflüstert, was der Zwergen- und Menschenstadt im Norden widerfuhr.
Ein Heer von Skeletten und Dämonen, auferstanden durch dunkle Magie, hatte die Ostlande durchzogen und die Stadt eingeschlossen.
Die Karawanen von Aden und Goddard lagen untätig in ihren Kontoren. Nur auf dem Seeweg war die Stadt noch zu erreichen, doch kein Kapitän fand sich, die See, deren Kreaturen von Erzählung zu Erzählung größer wurden, anzulaufen.
Der Coraxpriesterschaft war das Untotenheer nicht verborgen geblieben, zu groß waren die Zerwürfnisse im Manafluss, auf den die Priesterschaft so streng wachte. Die Torwächterin von Rune lag in Schmerzen darnieder, so sehr schnitt die dunkle Magie in ihre Seele, die mit dem Mana so eng verwoben war.

„Der Nebel wird stärker, eilen wir uns, so erreichen wir unerkannt die Festung der Banditen.“
Durch die Nebelschwaden der kahlen Nadelwälder führte Lasta die Gruppe, in braune und grüne lumpenhafte Umhänge gehüllt, zur befestigten Stadt der Gesetzlosen, das Schandmal des alten Königreichs von Oren. Roben und Stäbe und die eigene Herkunft verbergend, gelang es unerkannt auf einem kleinen Segler an einem frühen Wintermorgen die Bucht von Rune anzulaufen.

Einige Tage später. Rune, vor dem Wald der Toten

„Grimdeladaraugh°“ Niemals, niemals springe ich DA rein!“ wütend schnaubend blickte der Zwergenkrieger in die Dunkelheit. „Die Brücke ist streng bewacht, Ingrasch, samryn mer. Wir würden zudem nur die Aufmerksamkeit der Wachen auf uns ziehen. Uns bleibt keine andere Wahl.“ flüsterte die Stimme des elbischen Anführers. „Ews vel dormark°“ und gerade noch konnte die Elfenpriesterin einen Kussmund formen um den alten Zauber Evas auf ihn zu legen, da sprang der Zwergenkrieger schon als erster in das Schwarz der Nacht ((weitere Flüche des Zwergen ob des merkwürdigen Bades bleiben hier aufgrund des Jugendschutzes unerwähnt)).
Weitere, weniger große Platscher folgten, als die Gruppe nach und nach in den kalten Fluss sprang, der die Halbinsel von der Festungsstadt trennte. Dank elfischer Zauberkunst unter Wasser mit Atemluft versorgt, umgingen die sechs Elfen in Begleitung eines Zwergenkriegers und einer Zwergenkriegerin die Linien des Belagerungsheeres, erklommen nass und verfroren die Klippen der Halbinsel.

Sternenfunken sprühte tausendfach auf, hell und klar wie ein Sommertag war plötzlich der sonst auch tagsüber dunkle Wald. Ein greller Schrei stieg aus seinem Zentrum gen Himmel, verlor sich dort bis unter einem lauten Krachen die Sternensäule in sich zusammebrach. Die Macht des Himmels, vierfach gewirkt aus altem Elfenzauber, hatte den skeletthaften Heerführer der Untoten aus dem Managefüge gerissen und ihn in seine unheilige Dimension verbannt.
Kaum war der Sternenzauber erloschen, krochen sie in blinder Wut hervor. War der Heerführer auch besiegt, seine Diener stürzten sich nun in blinder Wut und kaltem Hass auf die Gruppe inmitten der kleinen Lichtung. Zwergen und Elfen, Schild, Streitäxte und Schwerter grimmig in der Hand, scharten sich schützend um die junge Priesterin, die bereits das Ritual zur Rückkehr vorbereite. Ein Hagelregen von rostigen Pfeilen, Speeren senkte sich auf ihre Schilde herab…


Rune, auf der Dachterrasse des Burgfriedes, Versammlungsort der Gildenmeister und Heerführer.

"Murgmal° Auf den gemeinsamen Sieg!" und mit einem Scheppern knallen ein gutes Dutzend Silberbecher bei den Worten des Stadtmeisters aufeinander.
Es ist das erste mal, dass man Elfen an jenem Ort zu sehen bekommt. Zwei Priesterinnen, ein Priester und eine Tempelritterin in der blauen Farbe ihres Gottes gewandet, nicken dankend den Ratsmitgliedern der Zwergenfestung zu.
"Im Kampf gegen jene untoten Kreaturen war uns eure Kampfeskunst sehr willkommen. Dank eurer Fähigkeiten ist der Heerführer der Untoten nun auf lange Zeit gebannt, Dank gilt euch und jenen beiden aus eurem Volk, die für immer im Wald geblieben sind! Nehmt diese Geschenke als Zeichen unserer Anerkennung." Mit geneigtem Haupte empfangen die Elfen nacheinander feinste Kettenhemden aus den Schmieden der Zwerge zu Rune, bis auf die jüngere der beiden Priesterinnen. "Euch Samiris, sei dieser Schlüssel überreicht, der euch Zugang zu allen Bereichen unserer Bibliothek gewährt." und endet die Ansprache mit den Worten:

"Möge die Kraft der Zwerge und die Macht der Elfen noch jedem Untotenheer auf solch’ tapfre Weise die Stirn bieten..."

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Hier endete ein Sammlung loser Blätter, die ich zu jener Geschichte rekonstruieren konnte. Offenbar blieb die Priesterin von nun an lange in Rune. Immer wieder taucht die Stadt, vor allem ihre Bibliothek, in ihren Notizen auf und in mir keimt immer mehr der Verdacht, es sei kein Zufall gewesen, der sie dorthin führte. Irgendetwas schien sie dorthin zu ziehen, irgendein Geheimnis schien sie dort zu bannen. Ich werde mich nun ebenfalls auf die Suche machen, was ich darüber ihren Aufzeichnungen entlocken kann…


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Was die Priesterin in Rune zu finden hoffte, entdeckte ich endlich nach langer Suche. Sie hatte es auf die Rückseite der Skizze eines Bibliothekssaales geschrieben. Es muss die damalige Bibliothek darstellen. Die Schrift war zum Glück noch gut erhalten, daher kann ich den Originaltext wiedergeben.

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[Bild: runebibry1.jpg]

Rune, Hoher Saal der Bibliothek

Auf diesen Moment hatte ich mich lange vorbereitet. Ich wusste, was ich suchte. Es befand sich in diesem Saal. Doch war es aus gutem Grund nicht nur vor der Allgemeinheit verborgen, sondern auch vor Magiekundigen und gerade vor denen, die den rechten Weg gewählt hatten. Hier in Rune, der Stadt dunkler Praktiken, fiel ich zum Glück nicht mehr auf, lange war ich hier nun schon Gast.
Monate hatte ich mit dem Studium der Sterne verbracht, um hinter das Geheimnis der Armillarsphären zu gelangen. In ihnen verband sich höchste zwergische Feinschmiedekunst mit menschlicher Sternenkunde zu einem astronomischen Wunderwerk. Die Positionen der Sterne waren mit Edelsteinen in filigrane, bewegliche Ringe gesetzt. Diese Ringe liesen sich um ein kristallenes Zentrum drehen und so jedes Firmament darstellen. Sie sollten mich an mein Ziel führen. Jene Gruppe verblendeter Geister bewahrte ihr unheiliges Buch in einem bestimmten System immer an einem anderen Platz auf. Eine Suche ohne jene Ordnung zu kennen musste in diesem gigantischen Büchertempel zum Scheitern verurteilt sein.

Dann ging es los. Jetzt musste alles schnell gehen! Der erste Lichtstrahl des Tages fiel durch den Lüftungsschacht in den grossen Sahl. Genau auf das Zentrum der äussersten der fünf Armillarsphären. Sie fing ihn in ihrem kristallenen Zentrum auf und lenkte das Licht im Blau meines Gottes schimmernd weiter. Sogleich stellte ich die edelsteinbesetzten Ringe auf Corax' Morgen- und Abenstern ein. Dort brach sich das Licht in seinem blauen Onyx und wurde zur nächsten Sphäre gelenkt. Aus deren Zentrum glimmte ein leuchtendes Rot und verlangte nach Shilens rubinroten Fesseln. So ging es weiter, Paagrios feuerrotem Dreigestirn aus Obsidian folgte das Sonnenkind Evas im blauweissen Diamant. Aus der letzten Sphäre schoss es in dunkelstem, fast schwärzlichem Rot hervor. In einem der Ringe war ein Edelstein zerbrochen. Gran Kains Sternbild des gebrochenen Kreises also. Die Ringe rasteten ein, mein Herz stand still und der letzte Lichtstrahl schoss...in die Leere des Raumes. Ich erstarrte. Ich hatte einen Fehler begangen. Dann erst erkannte ich sie, die obere, fast verborgene Gallerie. Ich stutze einen Moment, dann rannte ich los.

Es musste noch einen Eingang zur Bibliothek geben, der mir bislang entgangen war. Vielleicht über den Keller, wo auch der Eingang zu ihrem verfluchten Tempel sein sollte? Ich musste also an Flauron vorbei. Kurz vor der letzten Ecke brach ich meinen Lauf abrupt ab, hielt die Luft an. Er sollte keinen Verdacht schöpfen. Knapp, aber freundlich grüssend passierte ich, dann rannte ich wieder los, sprang die Stockwerke hinab, verlor dabei meine Sandalen und stand endlich vor einem spinnenwebenverhangenen Gang. Ich schlug mich wie durch einen Urwald, vergass vor Aufregung zu sterben, als ich auf eine Ratte trat und befand mich plötzlich auf einer Gallerie hoch oben unter der Decke der Bibliothek. In diesem Augenblick erlosch der Lichtstrahl. Nun war alles umsonst. Ich würde es nicht finden, nicht in tausend Jahren wieder.
Ich sank an die Bücherwand, meine Hände glitten verzweifelt über die kalten Bücherrücken uralter Werke. Dann tastete ich wie panisch alle Bücher im Umkreis ab. Das war sie, die allerletzte Chance! Das musste es sein! Das Buch atmete noch die Wärme des Lichtstrahls. Ich riss es mit einem Jubelschrei (den ich später noch bereuen sollte) aus dem Regal, trennte den Einband ab und stellte die leere Hülle wieder rein. Man sollte mein Tun ruhig so spät wie möglich bemerken. Ich verurteilte natürlich das Entwenden eines Buches auf's Entschiedenste, schob die Seiten unter meine Robe und sah zu, wieder nach oben zu kommen. Zwei alte Weinflaschen gabelte ich auf dem Rückweg irgendwo auf und steckte eine Flauron zu, während ich ihn in ein Gespräch über die rechte Weinlagerung verwickelte und mir geduldig seinen vor Halbwissen nur so strotzenden Vortrag anhörte. Ich hatte gefunden, was ich suchte. Das Buch der Untoten. Das umfangreichste Kompendium all ihrer Arten und Erscheinungsorte. Es sollte mich auf meiner Jagd nach ihnen noch in viele Abenteuer führen...
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#6
Während die Schwertsängerin die bereits fast schlafende Elfenpriesterin im Übungssaal der Kämpfergilde zu Rune weich auf Decken zu betten sucht, ein altes Buch aus deren Tasche zu Boden fällt. Neugierig hebt sie es auf. "Ist es dies, von dem sie immer spricht und in dem sie eifrig ihre Häkchen hinterlässt?"

Doch bevor Neugierde sie zu unverfrorenen Taten verführt, ein Gedankenblitz sie allenthalben ablenkt: Mae, diese von grober Hand gezeichnete Blume, als Lesezeichen mag sie vielleicht meinem Juwel dienen, um ihre Gedanken zu ordnen. Eine zerknitterte Zeichnung aus alter Zeit, als Giganten noch in Aden wandelten, zwischen die Seiten schiebt und das Buch sachte zurück in die Tasche steckt.
Der Glanz der Sterne in die Herzen meiner Freunde - die Klingen meiner Schwerter in die Herzen der Feinde!
Amandria Hen en Aduial, Magolad Eva
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#7
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Tagebucheintrag ohne Zeit und Ort. Loses Blatt ohne Paginierung.

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Während meiner langen Reise zu einem alten Palast der Edain war mir wohl bewusst, die Welt würde nicht stillstehen.
Doch die Geschwindigkeit, mit der die Ereignisse dann über mich hereinbrachen, liessen mir den Atem stocken. Als Priesterin wurde von mir verlangt, Handeln und Tun mit ruhiger Überlegung in Einklang zu bringen. Nun jagte mich das Schicksal und ich stolperte vorwärts – in der fiebrigen Hoffnung, wenigstens keinen Pfad zum Abgrund erwischt zu haben...

Ich kam gerade in Dion an, in der Stadt, der ich am meisten verdanke. Mit Knüppeln schlugen sie, die Krieger der Einhasad, vor meinen Augen auf die Elfe ein, welche zudem gefesselt und unter „Mörderin! Mörderin!“-Rufen der aufgebrachten Menge schändlich abgeführt wurde. War Dion nicht der Ort der Freundschaft zwischen Elfen und Menschen? „Elvellon! Elbenfreund!“, wie lange schon hatte ich jene Worte nicht mehr gehört? Verband sich hier nicht sogar hin und wieder Elfenblut und Menschenblut, in Liebe? Befremden, Angst, gar Abscheu gegen meine Herkunft, gegen mein Volk glaubte ich in jenen Tagen in ihren Gesichtern zu lesen.
Die vernagelte Kunstschmiede des Abgondrafn Syonisthil unweit des Marktplatzes schien mir auf einmal mehr zu bedeuten, als nur das Zeichen eines vorübergehenden finanziellen Engpasses. Konnten auch Elf und Zwerg keine Freunde sein?
Frech nannten sich schon die Lande von Gludio und Gludin Elfentrutz. Und Baronin Tesnia von Hohenberg trachtete nach einem Titel, für den die Elbensprache bislang keinen Begriff hatte: Elbenfeind.

Wie gross war meine Freude, in Barcaras das eigene Volk im Glanze neuer Kraft zu sehen! Jelindrael hatte die Kinder des Corax wieder aufgerichtet, sogar ein neues (und gar nicht mal so hässliches) Gesicht lächelte unter dem blauen Banner. Auch der Elfenrat unter Norelle, Mikarion und Seraein zeigte Einheit und Tatkraft, wie ich es noch nicht erleben durfte. Endlich die Elfengarde, angeführt von Jelindrael und Amandria, den drei Schwertern, denen ich am meisten vertraute.
Als sich am Abend - der in so schwer vermissten Armen viel zu schnell zu Ende ging - der Schein des Mondes auf die Schar des Hohen Volkes legte, erklang ein altes Lied:

Ir ithil ammen Corachín,
menel-vîr sila díriel
si loth a galadh lastho dîn!
Ar hîr Annûn, Gilthoniel,
le linnon im Tinúviel!


Tinúviel! Der Name hallte tief in meinem Innern nach. Die Hohepriesterin war es, die einst in mir die Liebe zu Corax entzündet hatte. Sie war es, die mich zu den Kindern des Corax geführt hatte. Ihre Ernsthaftigkeit und Würde als Coraxpriesterin würde ich ni*Tintenfleck* erreichen. Nun war sie gegangen, ihr Name in der Clanrolle von Esrandell getilgt und ich ahnte, sie würde nicht mehr wiederkehren.

Eine ferne Stimme erklang tief in meiner Seele. Im Westen, wo die Weissen Schiffe meines Volkes über den Horizont segeln, um nicht mehr zurückzukehren, blieb mein Blick hängen. War etwa auch meine Zeit schon gekommen? Doch da wurde die Stimme klarer und sie schien vielmehr aus dem Süden zu kommen, wo sich hinter dem Hithu Aeglir, dem Nebelgebirge, die Festungen von Gludin, Gludio und Dion - einer greifenden Klaue gleich - um die Silberauen reihen.

Da verstand ich: ein neues Zeitalter war angebrochen. Das Zeitalter der Menschen. Würde das der Elfen zu Ende gehen? Oder würde das Volk von Corax und Eva an der Seite der Aphradim und Hadhodrim neuen Gefahren trotzen? Die Stimme klang nun vertraut, wie seit Kindestagen. Ninniel! Das „zarte Mädchen“ hatte seinen schweren Schild gepackt, war als Tempelkriegerin ausgezogen, ihren Brüdern und Schwestern jenseits des Nebelgebirges Schutz und Trutz zu sein und hatte immer wieder auch Aphradim und Hadhodrim darunter aufgenommen. Nun rief sie zu neuem Bund jene zusammen, die ausserhalb der Heimat dem Frieden und der Freundschaft unter Elfen, Menschen und Zwergen dienen wollten.

In den kommenden Tagen wurde die Stimme immer deutlicher und ich spürte, es war nun auch meine innere Stimme, die mitklang und mich vorwärts trieb. Meine Zeit bei den Kindern des Corax war gekommen. Neue Schwerter, Stäbe und Schilde würden unter dem blauen Banner die Traditionen bewahren und die Heimat schützen – und auch an ihrer Seite würde ich die kommenden Jahre noch viele erfolgreiche Schlachten schlagen, in Katakomben, in Ruinen und an manchem Weinfass.

Dennoch, die Schritte, die mich ein letztes Mal zu Esrandell im blauen Wappen der Kinder des Corax führen sollten, waren die schwersten, die ich je gegangen bin.



Ir ithil ammen Corachín,
menel-vîr sila díriel
si loth a galadh lastho dîn!
Ar hîr Annûn, Gilthoniel,
le linnon im Tinúviel!

Wenn der Mond auf uns, die Coraxkinder, scheint,
ein himmlisches Juwel aus Silber, das über uns wacht
dann lauschen Blume und Baum in Schweigen
Oh Herr des Westens, Sterne entzündend,
zu Dir singe ich, die Nachtigall!

Aphradim und Hadhodrim: respektvolleBezeichnung der Elben für Menschen und Zwerge
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