27.07.2007, 15:28
Ich schwebe. Ich schwebe? Nein. Ich stehe still. Stillstand... und doch scheine ich mich fortzubewegen. Oder die Welt bewegt sich um mich. So schnell, dass es den Anschein hat, ich würde fliegen. Doch alles ist dunkel. Es ist kalt und der Blick verschleiert. Alleine an den Wellen, die das Sternenlicht reflektieren, kann ich meine Lage halbwegs ausmachen. Doch die Sterne scheinen unterhalb der Wellen zu liegen, hinter tiefen Gewässern. Einzig der Mond leuchtete mir in den Rücken. Ich kann ihn nicht sehen, doch ich weiss er ist da.
Hilflosigkeit breitet sich in meinem Magen aus, als ich feststelle, dass ich kopfüber über den Wellen hinwegzugleiten scheine. Selbst wenn ich diese Lage verändern wollte, so könnte ich es nicht, denn etwas beklemmendes scheint meine Glieder erfroren zu haben. Das dunkle Schimmern der Wellen wandelt sich rasch in ein glühendes Orange, als wenn die Sterne durch diesen tiefen Ozean hindurch tauchen würden, geradewegs auf mich zu. Sie wandeln sich in glühende Kohlen. Grelles Licht verdampft das nahezu undurchsichtige Wasser. Dichter Rauch steigt auf. Er nimmt mir die Sicht, doch nicht den Atem, bis selbst der Rauch in sattes Orange gehüllt wird, dass zu pulsieren scheint und meine gefrorenen Glieder nach und nach auftaut.
Die Sterne kommen immer näher. Ich spüre es. Eine starke Druckwelle, die den Rauch verscheucht, kündigt ihre Ankunft an. Ich kann sie ganz genau sehen. Kugeln aus Feuer, die sich zu einem einzigen gleissendem Inferno vereinen, dessen Flammen bereits anfangen nach mir zu greifen. Wohlige Wärme hüllt mich ein und ich kann die Umrisse von Gestalten erkennen, die auf mich zu gleiten. Deutlich kann ich die starken humanoiden Konturen von Oroka erkennen. Schattenhaft sind sie, doch eine Gestalt in ihrer Mitte scheint hervor zu tretten. Von allen die dort sind scheint sie die einzige zu sein, die auf mich zu geht und schon bald kann ich erkennen, dass es sich dabei um eine Frau handelt. Eine Frau in meinem Alter.
Shia!?! Sie lächelt mich sanft an. Nein, das war nicht Shia. Sie trägt die Haare anders, ist anders gekleidet und ihre Ausstrahlung hat etwas... reifes. Doch sie ähnelte meiner Zwillingsschwester auf verblüffende Weise. Die Gestalt bleibt kurz vor mir stehen und ihre Augen, die in einem satten Grün leuchten, fixieren mich. Dann spricht sie in einer vertrauten Stimme. Klar und deutlich schlagen die Silben und Töne Wurzeln in meinem Bewusstsein und formen ein einzelnes Wort: "Vertraue"
Ich schnappe nach Luft, als ich von diesem Traum erwache. Hastig richte ich mich auf und blicke mich um, um mich zu versichern, dass ich immer noch an dem Ort war an dem ich zu sein hatte. Die Geräusche des konstanten Prasseln der Regenfälle hallen in die Höhle hinein, die ich für diese Nacht als mein Unterschlupf auserkoren hatte. Die eisige Kälte des nordischen Winters macht sich schlagartig bemerkbar, als ich feststelle, dass mein wärmendes Lagerfeuer unlängst niedergebrannt ist und selbst die letzte Restglut dem Dasein gewichen ist.
Trist und dicht bewölkt ist es. So dicht, dass man nicht genau sagen kann wie spät es ist. Doch es ist hell genug, um feststellen zu können, dass die Mittagsstunde längst geläutet hat.
"Verdammt." Ich verkneife mir das weitere Fluchen und beginne stattdessen meine Sachen zu packen, um schnellstmöglich aufzubrechen. Ausgerechnet heute musste ich den halben Tag verschlafen und meine Reise weiter in die Länge ziehen als notwendig. Resignierend schüttel ich meinen Kopf, ohne groß über den Traum nachzudenken. Dann knurrt mein Magen und erinnert mich auf unmissverständliche Weise daran, dass selbst die eifrigste Schamanin irgendwann Essen fassen muss.
- - - - -
Ich setze meinen ersten Schritt in eine Pfütze aus Schnee und Regenwasser, als ich die Taverne betrete. Den Mantel um mich geschlungen, die Kaputze tief ins Gesicht gezogen und meine Reisetasche in der Linken haltend stehe ich nun so im Eingangsbereich und lasse meinen Blick schweifen. Ich scheine gerade zur richtigen Zeit gekommen zu sein, denn die Taverne scheint überfüllt. Minenarbeiter der Zwerge, deren Rang man an ihrer Bartlänge ablesen kann. Holzfäller der Menschen, die das feindliche Klima hier gezeichnet und abgehärtet hatte. Und Krieger der Oroka, die seit Jahren hier stationiert waren. Alle halten sich dicht an dicht in den schwülen aber wärmenden Räumlichkeiten auf und frönen der warmen Mahlzeit. Kaum einer sitzt am selben Tisch wie die Angehörigen der andren Rasse. Notfalls zwängte man sich an den Tisch der eigenen, selbst wenn dort eigentlich kein Platz war. Vor allem die Orks scheinen die Nähe ihrer eigenen zu suchen, doch nicht, um sich abzukapseln, sondern um ausgelassen zu feiern, als seien sie die Herren dieses Hauses. Als ich endlich den Wirt ausmache, begebe ich mich zu ihm. Ein stämmiger Mensch mit dunklem lockigem Haar und tiefschwarzen Augen schenkt aus einem Eintopf aus. Ich kann nicht sagen, dass der Eintopf wirklich duftet. Zu dieser Jahreszeit war es üblich, dass man kein Gemüse in den Suppen fand, aber diese hier schien wenigstens herzhaft gewürzt und genügend Fleisch zu enthalten, um die fehlenden Inkredenzien zu entschädigen.
Ich schlage meine meine Kapuze zurück, ehe ich nach Teller und Besteck greife und dem Wirt dankend zunicke. Jetzt schon spüre ich wie sich die neugierigen Blicke in meinen Nacken bohren. Als ich mich umdrehe verstummt das Gegröle, das aus der Ecke der Orks kam.
Es ist immer das selbe. Ich habe mich bereits daran gewöhnt. Ein kurzer Blick in ihre Richtung bestätigt meine Erfahrungen. Die vielen leeren Flaschen auf der Runde zeugen von den Mengen Alkohol, die dort bereits konsumiert wurden. Lose Karten und Spielsteine schienen keinem wirklichen Besitzer zugeordnet, doch im Mittelpunkt des Geschehens war eine einzige Ork-Kriegerin unter etlichen männlichen Artgenossen, die es sich gerade auf dem Schoss eines der Krieger gemütlich gemacht hatte und es sichtlich Genoss die Aufmerksamkeit der andren zu haben. Bis vor kurzem zumindest.
Ich gehe in meine Routine über. Es fällt mir nicht schwer die gaffenden Blicke der Krieger zu ignorieren. Die unzüchtigen Rufe, die darauf folgen nehme ich nicht einmal wahr. Einige einladende Gesten folgen, doch nichts liegt mir ferner, als mich auf den Schoss einer dieser Krieger zu setzen, also gehe ich weiter, mein Desinteresse mit eiserner Miene bezeugend. Erleichterung breitet sich in mir aus, als ich einen Tisch finde, an dem nur eine einzige Person zu sitzen scheint. Ein Krieger wie die andren und doch ist er anders. Lustlos taucht er den hölzernen Löffel in seine Suppe und blickt mit müden Augen zu einem halben Dutzend Angebrochener Flaschen Gaarcht.
Ein Alkohliker. Ich seufze. Wenigstens war es bei dieser Sorte Verlorener wahrscheinlicher, dass sie nicht aufdringlich wurden und tatsächlich kann ich mich schweigend an seinen Tisch setzen ohne einen bissigen Kommentar zu ernten. Das einzige was sich aufdrängt ist der scharfe Geruch des Alkohols. Er blickt nicht einmal zu mir.
Die Rufe im Hintergrund lassen nicht nach. Einige enttäuschte Flüche erklingen und einer der feiernden Oroka erhebt sich sogar um zu mir herüber zu gehen. Auch das wird sich klären, in dieser Hinsicht bleibe ich zuversichtlich.
"'Jakar! So viel Schüchternheit steht einer Schönheit wie Dir nicht!", tönt der Krieger, als er an mich herangetreten ist.
Er konnte nicht erahnen. Ich ziehe schweigend meinen Mantel aus und in seinem Gesicht zuckt es, ehe seine Miene ernst wird. Deutlich kann er die Symbole auf meiner Robe erkennen. Reiche Verzierungen aus güldenen Fehden, die das Monsterauge bilden und kunstvoll übergehen in weitere Symbole, die von meinem Rang und meiner Rolle zeugen. Es spielt keine Rolle welches von den Zeichen am meisten Eindruck schindet. Irgendeines wird ihn schon dazu bewegen mich in Ruhe zu lassen.
Stille. Dann wendet sich der abgewiesene Charmeur um und trottet zu seinen Freunden herüber. Ich höre ihn noch grummeln "Eine Gandi...", ehe ich mein zufriedenes Lächeln nicht weiter verbergen kann und beginne den Eintopf zu kosten.
Der Mond... der weite Ozean... Sterne, so hell wie die Sonne...
Meine Gedanken beginnen um den Traum zu kreisen und die deutlich Symbole, die er mir lieferte. Den Geschmack der Suppe realisiere ich nicht wirklich. Ebenso wenig, bemerkte ich, dass sich eine weitere Person an den Tisch gesetzt hat.
"Es gehört sich nicht eine Frau so offensichtlich anzustarren."
Die Stimme gehört einem greisenhaften Oroka, mit schneeweissem Haar und freundlichen hellblauen Augen, die zu dem Verlorenem blicken. Ich folge dem Blick des Alten und kann gerade noch erkennen wie der Alkoholiker den seinen wieder senkt.
"Auf diese Weise wirst Du bei dem Fräulein keinen guten Eindruck hinterlassen."
"Wer sagt das ich das will?!", brummt es aus tiefer Kehle zurück. "Ausserdem ist sie Gandi. Ich habe kein Interesse!" Er deutet auf die Tätowierung an seinem linken Oberarm, die ihn als Stammesmitglied der Urutu auszeichnet.
Der Alte kichert. "Deine Augen sagen etwas andres!"
Der Verlorene funkelt den Alten wütend an. Ich schaue irritiert zwischen beiden hin und her ohne zu wissen, wie ich auf diese Situation reagieren soll. Immerhin unterhalten sie sich über mich, als sei ich gar nicht anwesend und doch vermag ich es weder Scham noch Wut über diese Tatsache zu empfinden. Jedoch Unbehagen. Unbehagen darüber auf solche Weise aus einem Gespräch ausgeschlossen zu sein. In mir steigt der Drang auf etwas zu sagen.
"Meine Mutter ist Urutu!"
Die beiden starren mich wortlos an. Habe ich etwas Falsches gesagt? Das Gefühl des Unbehagens vermehrt sich. Muss ich mich nun rechtfertigen?
"Mein Vater ist Gandi...", füge ich mit bestimmter Stimme hinzu.
Beide blicken weiterhin mit starrem Blick zu mir. Nahezu gleichzeitig senken wir den Blick und widmen uns wieder unsren Suppen. Von da an wird kein Wort mehr gesprochen.
- - - - -
Ich habe die Taverne weit hinter mir gelassen und beschlossen den direkten Weg durch die Wälder einzuschlagen. Ich hatte viele verschlafene Stunden einzuholen und ich denke einige davon habe ich nun wieder gut gemacht. Der Marsch durch den Wald war beschwerlich, doch nun bin ich nicht mehr unter einem derartigen Zeitdruck. Verschwitzt. Aber auch beruhigt.
Der Regen ist ein ständiger Begleiter. Gemeinsam mit dem stürmischen Wind scheint er sich einen Wettkampf zu leisten, wer von beiden lauter tönen kann. Ich vertrieb mir die Zeit damit den Regen und den Wind nach dem Kriterium zu bewerten. Einfach aus Spaß an der Sache oder um nicht weiter an den Traum denken zu müssen.
Regen und Wind sind etwa punktegleich, wenngleich ich dazu tendiere den Wind zum Sieger zu erklären. Die mächtigen Bäume knarzen bedrohlich unter seinem Einfluss und ein Ast am Boden bricht.
Moment mal... ein Ast der durch den Wind am Boden bricht?!
Mein Herzschlag beschleunigt sich und mein Puls dröhnt in Ohren und Schläfen. So schnell ich nur kann ziehe ich meinen Dolch und wirbel herum. Weitere Äste brechen, als würde etwas schweres zum Sprung ansetzen. Gerade noch rechtzeitig kann ich einer behaarten und Krallen besetzten Klaue ausweichen, doch noch bevor ich meinen Dolch drehen kann spüre ich einen dumpfen Schlag in die Magengegend. Den zweiten Hieb sah ich nicht kommen. Ich kann das fletschende Gebiss des Werwolfes gerade noch erkennen ehe eine Fontäne dunklen Blutes mir entgegen spritzt. Obwohl ich mir sicher bin, dass ich die Augen offen halte, beginnen sich schwarze Schleier vor ihnen zu bilden.
Das Pochen in meinem Ohr scheint sich zu verlangsamen. Die Geräuschkulisse beginnt sich zu dehnen, als versuche jemand mit Gewalt die Zeit zu verlangsamen. Mein Bewusstsein... schwindet.
To be continued
Hilflosigkeit breitet sich in meinem Magen aus, als ich feststelle, dass ich kopfüber über den Wellen hinwegzugleiten scheine. Selbst wenn ich diese Lage verändern wollte, so könnte ich es nicht, denn etwas beklemmendes scheint meine Glieder erfroren zu haben. Das dunkle Schimmern der Wellen wandelt sich rasch in ein glühendes Orange, als wenn die Sterne durch diesen tiefen Ozean hindurch tauchen würden, geradewegs auf mich zu. Sie wandeln sich in glühende Kohlen. Grelles Licht verdampft das nahezu undurchsichtige Wasser. Dichter Rauch steigt auf. Er nimmt mir die Sicht, doch nicht den Atem, bis selbst der Rauch in sattes Orange gehüllt wird, dass zu pulsieren scheint und meine gefrorenen Glieder nach und nach auftaut.
Die Sterne kommen immer näher. Ich spüre es. Eine starke Druckwelle, die den Rauch verscheucht, kündigt ihre Ankunft an. Ich kann sie ganz genau sehen. Kugeln aus Feuer, die sich zu einem einzigen gleissendem Inferno vereinen, dessen Flammen bereits anfangen nach mir zu greifen. Wohlige Wärme hüllt mich ein und ich kann die Umrisse von Gestalten erkennen, die auf mich zu gleiten. Deutlich kann ich die starken humanoiden Konturen von Oroka erkennen. Schattenhaft sind sie, doch eine Gestalt in ihrer Mitte scheint hervor zu tretten. Von allen die dort sind scheint sie die einzige zu sein, die auf mich zu geht und schon bald kann ich erkennen, dass es sich dabei um eine Frau handelt. Eine Frau in meinem Alter.
Shia!?! Sie lächelt mich sanft an. Nein, das war nicht Shia. Sie trägt die Haare anders, ist anders gekleidet und ihre Ausstrahlung hat etwas... reifes. Doch sie ähnelte meiner Zwillingsschwester auf verblüffende Weise. Die Gestalt bleibt kurz vor mir stehen und ihre Augen, die in einem satten Grün leuchten, fixieren mich. Dann spricht sie in einer vertrauten Stimme. Klar und deutlich schlagen die Silben und Töne Wurzeln in meinem Bewusstsein und formen ein einzelnes Wort: "Vertraue"
Ich schnappe nach Luft, als ich von diesem Traum erwache. Hastig richte ich mich auf und blicke mich um, um mich zu versichern, dass ich immer noch an dem Ort war an dem ich zu sein hatte. Die Geräusche des konstanten Prasseln der Regenfälle hallen in die Höhle hinein, die ich für diese Nacht als mein Unterschlupf auserkoren hatte. Die eisige Kälte des nordischen Winters macht sich schlagartig bemerkbar, als ich feststelle, dass mein wärmendes Lagerfeuer unlängst niedergebrannt ist und selbst die letzte Restglut dem Dasein gewichen ist.
Trist und dicht bewölkt ist es. So dicht, dass man nicht genau sagen kann wie spät es ist. Doch es ist hell genug, um feststellen zu können, dass die Mittagsstunde längst geläutet hat.
"Verdammt." Ich verkneife mir das weitere Fluchen und beginne stattdessen meine Sachen zu packen, um schnellstmöglich aufzubrechen. Ausgerechnet heute musste ich den halben Tag verschlafen und meine Reise weiter in die Länge ziehen als notwendig. Resignierend schüttel ich meinen Kopf, ohne groß über den Traum nachzudenken. Dann knurrt mein Magen und erinnert mich auf unmissverständliche Weise daran, dass selbst die eifrigste Schamanin irgendwann Essen fassen muss.
- - - - -
Ich setze meinen ersten Schritt in eine Pfütze aus Schnee und Regenwasser, als ich die Taverne betrete. Den Mantel um mich geschlungen, die Kaputze tief ins Gesicht gezogen und meine Reisetasche in der Linken haltend stehe ich nun so im Eingangsbereich und lasse meinen Blick schweifen. Ich scheine gerade zur richtigen Zeit gekommen zu sein, denn die Taverne scheint überfüllt. Minenarbeiter der Zwerge, deren Rang man an ihrer Bartlänge ablesen kann. Holzfäller der Menschen, die das feindliche Klima hier gezeichnet und abgehärtet hatte. Und Krieger der Oroka, die seit Jahren hier stationiert waren. Alle halten sich dicht an dicht in den schwülen aber wärmenden Räumlichkeiten auf und frönen der warmen Mahlzeit. Kaum einer sitzt am selben Tisch wie die Angehörigen der andren Rasse. Notfalls zwängte man sich an den Tisch der eigenen, selbst wenn dort eigentlich kein Platz war. Vor allem die Orks scheinen die Nähe ihrer eigenen zu suchen, doch nicht, um sich abzukapseln, sondern um ausgelassen zu feiern, als seien sie die Herren dieses Hauses. Als ich endlich den Wirt ausmache, begebe ich mich zu ihm. Ein stämmiger Mensch mit dunklem lockigem Haar und tiefschwarzen Augen schenkt aus einem Eintopf aus. Ich kann nicht sagen, dass der Eintopf wirklich duftet. Zu dieser Jahreszeit war es üblich, dass man kein Gemüse in den Suppen fand, aber diese hier schien wenigstens herzhaft gewürzt und genügend Fleisch zu enthalten, um die fehlenden Inkredenzien zu entschädigen.
Ich schlage meine meine Kapuze zurück, ehe ich nach Teller und Besteck greife und dem Wirt dankend zunicke. Jetzt schon spüre ich wie sich die neugierigen Blicke in meinen Nacken bohren. Als ich mich umdrehe verstummt das Gegröle, das aus der Ecke der Orks kam.
Es ist immer das selbe. Ich habe mich bereits daran gewöhnt. Ein kurzer Blick in ihre Richtung bestätigt meine Erfahrungen. Die vielen leeren Flaschen auf der Runde zeugen von den Mengen Alkohol, die dort bereits konsumiert wurden. Lose Karten und Spielsteine schienen keinem wirklichen Besitzer zugeordnet, doch im Mittelpunkt des Geschehens war eine einzige Ork-Kriegerin unter etlichen männlichen Artgenossen, die es sich gerade auf dem Schoss eines der Krieger gemütlich gemacht hatte und es sichtlich Genoss die Aufmerksamkeit der andren zu haben. Bis vor kurzem zumindest.
Ich gehe in meine Routine über. Es fällt mir nicht schwer die gaffenden Blicke der Krieger zu ignorieren. Die unzüchtigen Rufe, die darauf folgen nehme ich nicht einmal wahr. Einige einladende Gesten folgen, doch nichts liegt mir ferner, als mich auf den Schoss einer dieser Krieger zu setzen, also gehe ich weiter, mein Desinteresse mit eiserner Miene bezeugend. Erleichterung breitet sich in mir aus, als ich einen Tisch finde, an dem nur eine einzige Person zu sitzen scheint. Ein Krieger wie die andren und doch ist er anders. Lustlos taucht er den hölzernen Löffel in seine Suppe und blickt mit müden Augen zu einem halben Dutzend Angebrochener Flaschen Gaarcht.
Ein Alkohliker. Ich seufze. Wenigstens war es bei dieser Sorte Verlorener wahrscheinlicher, dass sie nicht aufdringlich wurden und tatsächlich kann ich mich schweigend an seinen Tisch setzen ohne einen bissigen Kommentar zu ernten. Das einzige was sich aufdrängt ist der scharfe Geruch des Alkohols. Er blickt nicht einmal zu mir.
Die Rufe im Hintergrund lassen nicht nach. Einige enttäuschte Flüche erklingen und einer der feiernden Oroka erhebt sich sogar um zu mir herüber zu gehen. Auch das wird sich klären, in dieser Hinsicht bleibe ich zuversichtlich.
"'Jakar! So viel Schüchternheit steht einer Schönheit wie Dir nicht!", tönt der Krieger, als er an mich herangetreten ist.
Er konnte nicht erahnen. Ich ziehe schweigend meinen Mantel aus und in seinem Gesicht zuckt es, ehe seine Miene ernst wird. Deutlich kann er die Symbole auf meiner Robe erkennen. Reiche Verzierungen aus güldenen Fehden, die das Monsterauge bilden und kunstvoll übergehen in weitere Symbole, die von meinem Rang und meiner Rolle zeugen. Es spielt keine Rolle welches von den Zeichen am meisten Eindruck schindet. Irgendeines wird ihn schon dazu bewegen mich in Ruhe zu lassen.
Stille. Dann wendet sich der abgewiesene Charmeur um und trottet zu seinen Freunden herüber. Ich höre ihn noch grummeln "Eine Gandi...", ehe ich mein zufriedenes Lächeln nicht weiter verbergen kann und beginne den Eintopf zu kosten.
Der Mond... der weite Ozean... Sterne, so hell wie die Sonne...
Meine Gedanken beginnen um den Traum zu kreisen und die deutlich Symbole, die er mir lieferte. Den Geschmack der Suppe realisiere ich nicht wirklich. Ebenso wenig, bemerkte ich, dass sich eine weitere Person an den Tisch gesetzt hat.
"Es gehört sich nicht eine Frau so offensichtlich anzustarren."
Die Stimme gehört einem greisenhaften Oroka, mit schneeweissem Haar und freundlichen hellblauen Augen, die zu dem Verlorenem blicken. Ich folge dem Blick des Alten und kann gerade noch erkennen wie der Alkoholiker den seinen wieder senkt.
"Auf diese Weise wirst Du bei dem Fräulein keinen guten Eindruck hinterlassen."
"Wer sagt das ich das will?!", brummt es aus tiefer Kehle zurück. "Ausserdem ist sie Gandi. Ich habe kein Interesse!" Er deutet auf die Tätowierung an seinem linken Oberarm, die ihn als Stammesmitglied der Urutu auszeichnet.
Der Alte kichert. "Deine Augen sagen etwas andres!"
Der Verlorene funkelt den Alten wütend an. Ich schaue irritiert zwischen beiden hin und her ohne zu wissen, wie ich auf diese Situation reagieren soll. Immerhin unterhalten sie sich über mich, als sei ich gar nicht anwesend und doch vermag ich es weder Scham noch Wut über diese Tatsache zu empfinden. Jedoch Unbehagen. Unbehagen darüber auf solche Weise aus einem Gespräch ausgeschlossen zu sein. In mir steigt der Drang auf etwas zu sagen.
"Meine Mutter ist Urutu!"
Die beiden starren mich wortlos an. Habe ich etwas Falsches gesagt? Das Gefühl des Unbehagens vermehrt sich. Muss ich mich nun rechtfertigen?
"Mein Vater ist Gandi...", füge ich mit bestimmter Stimme hinzu.
Beide blicken weiterhin mit starrem Blick zu mir. Nahezu gleichzeitig senken wir den Blick und widmen uns wieder unsren Suppen. Von da an wird kein Wort mehr gesprochen.
- - - - -
Ich habe die Taverne weit hinter mir gelassen und beschlossen den direkten Weg durch die Wälder einzuschlagen. Ich hatte viele verschlafene Stunden einzuholen und ich denke einige davon habe ich nun wieder gut gemacht. Der Marsch durch den Wald war beschwerlich, doch nun bin ich nicht mehr unter einem derartigen Zeitdruck. Verschwitzt. Aber auch beruhigt.
Der Regen ist ein ständiger Begleiter. Gemeinsam mit dem stürmischen Wind scheint er sich einen Wettkampf zu leisten, wer von beiden lauter tönen kann. Ich vertrieb mir die Zeit damit den Regen und den Wind nach dem Kriterium zu bewerten. Einfach aus Spaß an der Sache oder um nicht weiter an den Traum denken zu müssen.
Regen und Wind sind etwa punktegleich, wenngleich ich dazu tendiere den Wind zum Sieger zu erklären. Die mächtigen Bäume knarzen bedrohlich unter seinem Einfluss und ein Ast am Boden bricht.
Moment mal... ein Ast der durch den Wind am Boden bricht?!
Mein Herzschlag beschleunigt sich und mein Puls dröhnt in Ohren und Schläfen. So schnell ich nur kann ziehe ich meinen Dolch und wirbel herum. Weitere Äste brechen, als würde etwas schweres zum Sprung ansetzen. Gerade noch rechtzeitig kann ich einer behaarten und Krallen besetzten Klaue ausweichen, doch noch bevor ich meinen Dolch drehen kann spüre ich einen dumpfen Schlag in die Magengegend. Den zweiten Hieb sah ich nicht kommen. Ich kann das fletschende Gebiss des Werwolfes gerade noch erkennen ehe eine Fontäne dunklen Blutes mir entgegen spritzt. Obwohl ich mir sicher bin, dass ich die Augen offen halte, beginnen sich schwarze Schleier vor ihnen zu bilden.
Das Pochen in meinem Ohr scheint sich zu verlangsamen. Die Geräuschkulisse beginnt sich zu dehnen, als versuche jemand mit Gewalt die Zeit zu verlangsamen. Mein Bewusstsein... schwindet.
To be continued