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Die Jagd nach dem Tod
#1
"Aber wenn Du darüberhinausgehst? Was bleibt noch, wo es doch offensichtlicher als allein die Richtung ist? Denke dabei nicht immer zu verwinkelt, brar."
Selten hatte der alte Zwerg an diesem Tag soviel hintereinander gesprochen wie gerade in diesem Moment. Aber da es dem unverhohlenen Spott über Baloshs Unsicherheit galt, verwunderte es diesen nicht sonderlich. Gegenfragen nützten da nichts, das war ihm schnell klar geworden. Noch immer galt also seine bereits leicht genervt konzentrierte Aufmerksamkeit den schleifenden Spuren, die sich da, wo sie nicht von kleineren Zweigen und den herabgefallenen schweren, fast ledrigen Blättern der umstehenden Urbäume am deutlicheren Abdruck behindert waren, aufgrund des feuchten Bodens teilweise ziemlich tief abgezeichnet hatten. Stellenweise hatten sich bereits kleine Rinnsale in den Senken selber gebildet, welche die verräterische Kontur einer etwa kopfgroßen Pfote aufwiesen und die am oberen Ende stets ausgefranst schienen, wo die beim Laufen nicht einziehbaren scharfen Krallen beim Abrollen so den Boden zerfurchten. Alles konnte er aus diesen leicht lesbaren Spuren entnehmen: Art, Richtung, Alter, Gewicht, Geschlecht, Verfassung, Zeitpunkt,... doch nichts davon schien sein Begleiter hören zu wollen. Er war so kurz davor, aufzugeben, aber 'der Alte' ließ nicht locker. Ganz so, als würde er es richtig auskosten, sich über seinen vermeintlichen Schützling zu amüsieren.
Balosh rieb nachdenklich ein kleines blauschimmerndes Haarbüschel leicht zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her, welches er keinen Meter entfernt an einem Stück Baumrinde vorfand, die hier stellenweise steinhart und scharfkantig beinahe senkrecht bis ins Erdreich niederstieß. Die monströs anmutenden Bäume gehörten mit zu dem Ältesten was diesen Landstrich noch bewohnte und boten in ihren kompliziert verästelten Auswüchsen und Wirrungen allerlei fast ebenso alten Geschöpfen und Wesenheiten Unterschlupf oder Nahrung, die hier aufzuscheuchen zu den weniger guten Ideen gehörte. Seine 'Beute' jedoch schlich sich nur selten so tief in diese Region ein und war eher in offeneren Gebieten anzutreffen, die sie in langjährigen Wanderungen durchquerte. Bei diesem Gedanken und dem leicht würzigen Geruch, den das kleine Büschel zwischen seinen Fingern nun wieder verströmte, verengten sich seine müden Augen.'Konnte das etwa...?', und noch ehe er seinen Gedankengang weiterführen konnte, wurde er ein weiteres Mal jäh unterbrochen: "Spuren sind kein Zufall. Also befreie Dich von der Ansicht, sie nur zu 'finden' und damit mehr Einsichten zu besitzen, als jeder andere.", er erhob sich dabei und wandte sich von dem noch immer an den Eindrücken im Morast knienden Zwerg mit den für diesen Tag letzten Worten ab "Und mehr werde akh Dich heute nicht lehren. Einer der bevorstehenden Tage wird die Antworten bringen. kal haderth...". Leiser geworden und mit einem seufzenden Unterton hatte er sich so von Balosh verabschiedet und gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, daß er selbst ihm also diese Antworten zu bringen hätte. Die plötzlich einkehrende Stille half ihm, sich etwas mehr zu entspannen - sofern man zwischen allerlei schleifenden, glucksenden, schmatzenden und krächzenden Geräuschen und Tierlauten an diesem geradezu stickigen Ort überhaupt von Stille sprechenden konnte. Doch es handelte sich dabei ohnehin auch eher um eine Art gefühlte Stille, die ihm jedesmal erschlich, ja sogar befreite, wenn er auf sich allein gestellt vor einer scheinbar unlösbaren Aufgabe stand.
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#2
Er hatte sich vor langer Zeit für genau dieses Leben entschieden - und er genoß es auch. Es war ebenso zum Ausdruck seines Volkes geworden, wie das eigentliche Bedürfnis des Sammelns, Anhäufens, Hortens und Verbergens, das dem identitätsstiftendem Drang des Schaffens und Konstruierens voranlief. Viele Jahrtausende lang waren sie so zunächst Minenarbeiter, Schmelzer, Veredler, Schmiede, Juwelschleifer und Konstrukteure geworden in einer Vielfalt unzähliger Spezialisierungen, die sie stets zu den Besten ihres Faches machten. Ihrer recht hohen Lebenserwartung wegen konnten sich viele auch weiteren Tätigkeiten verpflichtet fühlen und sich dennoch darin mit denen anderer Völker messen, zu denen allerdings äußerst selten mehr als ein notwendiger Kontakt bestand. Aufgrund ihrer Zähigkeit waren sie überdies auch nicht zu unterschätzen in ihrem Kriegshandwerk, das sie jedoch nicht gezielt sondern allenfalls zweckhaft auszuüben wußten. Durch den gedrungenen Körperbau waren sie zwar in Beweglichkeit und Schnelligkeit eingeschränkt, konnten diesen Nachteil allerdings durch Ausdauer, Geduld, Kraft und vor allem Unerbittlichkeit halbwegs ausgleichen. Außerdem hatten sie notfalls ja sogar die selbst erschaffenen, mechanischen Abbilder der elementaren Hüter auf ihrer Seite, zu denen nur die Weisesten und Ältesten unter ihnen Kontakt hatten und sich diesen nur selten zeigten. Aber es gab unter ihnen auch jene, die über die Abgeschlossenheit hinaussannen und ihr Glück nicht allein in der Gewinnung und Bearbeitung von Metallen und Edelsteinen aus dem Erdreich finden konnten, dem sie selbst allesamt entstammen sollen. So waren sie es bald, die dafür sorgten, den Arbeitern tief in den tiefsten Minen die damit einhergehenden Übel abzunehmen; für Schutz der Nahrung und der eigenen Leben zu sorgen, indem man sich der sich einnistenden oder aufgescheuchten Ungeziefer, Monster, sogar Geister oder sonstiger Schrecken zu entledigen wußte. Das Wohl des Volkes prosperierte nicht zuletzt auch durch eben diese Jäger, die damit allerdings auch eine etwas eigene und den alten Zwergen bisher unterschiedliche Lebenweise entwickelten und pflegten. Es gingen aber noch viele Jahrhunderte ins Land, bis der Forderung dieser mittlerweile auch oft in kleinen Gruppen in den Ländern weit jenseits der verschneiten Berge für lange Zeiten umherreisenden Zwerge nachgekommen wurde, für diese ebenfalls Stellvertreter im Rat der Ältesten aufzunehmen. Selbst in diesen Tagen noch begegnet man ihnen im eigenen Volk mit Mißmut und gewisser Geringschätzigkeit, hat man sich so doch eigentlich von den wahren Wurzeln des eigenen Wesens entfernt. Allerdings hatten sich die Verhältnisse in den letzten Jahrzehnten vielfach geändert, denn selbst die jungen Völker hatten längst Kontakt zu den Zwergen und so zogen auch viele von ihnen aus, um in der neuen Welt Fuß zu fassen, in der gerade die Jäger in der ersten Zeit als Vermittler, Übersetzer und Schutzwache Einsatz fanden. Jene Jäger also, in denen man sehr oft die eigentliche Ursache für den Verlust alter Werte und die Öffnung der Welt sah. So gab es Jäger, die fast schon Söldnern gleich ihre Arbeit in Ausblick auf den höchstmöglichen Betrag verrichteten - eine durchaus zwergische Eigenart, die tief verwurzelt in jedem der 'Neuzwerge' jedoch unterschiedlich ausgeprägt scheint und sich so manches Mal von den eigentlichen Grundwerten ablöste. Andere hielten an ihrem geodischen Urglauben fest und glichen eher Missionaren als hartnäckigen Verfolger vermeintlicher Beuten, stets dabei bestrebt, das vielzitierte Gleichgewicht im Einklang mit der Erde aufrechtzuerhalten. Balosh selbst... er war angefüllt mit Illusionen, sich fernab von Politik, Kultur und den Zwängen des Alltags der 'wahren Jagd' zuzuwenden, welche fast schon allein in den Herausforderungen der Verfolgung und des schließlichen Kampfes bestand, aber auch stets dem Zweck des Selbsterhaltes in all seinen Ausprägungen unterworfen war. Sicher war er auch Kopfgeldjäger, dabei aber ständig ein eigenes Verständnis von Gerechtigkeit im Kopf, welches er sich nicht zuletzt als Rechtfertigung zugelegt hatte. Nichtsdestotrotz hatte er eine recht rassistische Auffassung, was er selbst als zwergische Zugehörigkeit verstand und verabscheute somit auch jedwede Art von Magie, von der es einen Grund gab, daß sich Zwerge ihrer ursprünglich nicht bedienten - zumindest nicht öffentlich und nicht ferngelöst ihres Schaffens. Auch er sah den Verfall der alten Werte und betrauerte auf seine Art die Jahrtausende standgehaltene Identität seines Volkes, die sich nun zusehens verlor und in der Fremde geradezu verwässerte.
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#3
Er hatte sich bereits wieder erhoben und war der Spur etwas tiefer in das Unterholz gefolgt, das hier ineinander verschlungen, teils mit scharfen, giftigen Dornen bewehrt, das Voranschreiten nur in Umwegen möglich machte. Verzweifelt versuchte er nebenbei den gerade erst verlorenen Gedankenfetzen wiederaufzunehmen, an den er geraten war, als 'der Alte' ihm einen scheinbar versteckten weiteren Hinweis zu geben versucht hatte. Seine genauen Worte fielen ihm jedoch nicht wieder ein, um zu demselben Schluß wie schon zuvor zu kommen, der ihn allerdings in einer Ahnung der wahren zusätzlichen Bedeutung ebendieser Worte näherbringen sollte.
"Komm schon, denk' nach...", sich selbst zu drängen war weniger Ausdruck seiner so allmählich aufkommenden Nervosität als die Tatsache, daß er wieder leise, doch hörbar zu sich selbst zu sprechen begann, nun, da er wieder einmal Gefahr lief, die Konzentration zu verlieren. Und eine Jagd ohne Fokus war in etwa so sinnvoll wie ein sehnenloser Bogen.
'Den Spuren nicht blindlings folgen.'
"Ja, stets das Umfeld im Blick behalten, dies ist ein gefährlicher Ort.", warnte er sich selbst und schaute sich nochmals gewissenhaft um. Er hatte sie gehört, die Gerüchte um die alten Pflanzen, die ihre Opfer allmählich umwuchsen und sie schon vom Moment der ersten fatalen Verstrickung an zu verdauen begannen. So behäbig sie sich auch nur bewegen konnten, so unerbittlich war dafür doch ihr Zugriff, wenn er erst einmal gelang.
Der Einbruch der Nacht kündigte sich bereits an, obschon sich zunächst nur wenig an den diffusen Lichtverhältnissen hier änderte. Viele der in der noch schwülen Luft umherschwirrenden Sporen und Insekten sandten ein kaltes Licht aus, das sich nahezu gespenstisch in den überall gespannten giftig-feucht glitzernden Netzen brach und von schimmlig nassen Häuten oder Rinden zurückgeworfen wurde. Geisterhafte Laute kündeten vom fernen Wind, der hoch oben in den nicht mehr sichtbaren Wipfeln der Bäume tuschelte und hier unten nur mäßig für sowas wie Luftzufuhr sorgen konnte.
'Nicht allein von der Umgebung geht die Gefahr aus, denke an die Richtung der Spuren.'
Balosh stutzte kurz, Wieso fiel ihm genau jetzt die Äußerung mit der Richtung einer Spur ein? Schließlich war sie das offensichtlichste und ursprünglichste, wenn man sich auch nur irgendwie mit diesem Thema beschäftigen wollte. Stets war die Richtung fast schon der eigentliche Inhalt der Bestimmung, wenn man in solchen Hinterlassenschaften las: Man wollte wissen, woher etwas kam oder wohin es verschwunden war.
'Nun, 'der Alte' sagte aber, daß die Richtung mehr zur Folge hatte.'
"Ja,...", nickte er sich selber zu und flüsterte hauchend vor sich hin, beim weiteren Fortschreiten in seinen Worten nur durch stoßweisen Atem unterbrochen, als suchte er sich so selbst zu beruhigen, "die Richtung... zeigte vor allem auf,... wo sich die Beute... einst... befand... und wohin sie... verschwunden war...", er stutzte bei den letzten Worten wieder und verharrte diesmal in einer vorgebeugten Bewegung, in der er sich unter einer der gewaltigen Wurzeln hindurchzwängen wollte. "Aber ja... noch etwas hatte die Richtung einer Spur zur Folge...", plötzlich lief es im kalt den Rücken runter. Es war still geworden, wirklich still. Er sah an sich herunter, keinen Handbreit von seinem Fuß entfernt lag die Fährte deutlich sichtbar, geradezu zum Greifen nah. Und da stand er, direkt daneben. Eine Spur war zunächst nichts anderes, als ein Ort. Ein Ort der Vergangenheit, der Zeugnis ablegte. Dies aber nur jenem, der dieser Spur gefolgt war. Und so war es auch ein Ort der Zukunft, da die Richtung der Spur auch zeigte, welchen Weg ein Verfolger nehmen würde - er selbst...
Direkt neben den Pfotenabdrücken in der Spiegelung einer kleinen Pfütze, wie sie sich hier überall bildeten und nichts von ihrer eigentlichen Tiefe preisgaben, konnte er es sehen. Das fahlen Gegenlicht zeichnete nur schwach dessen Konturen ab, die dennoch charakteristisch und damit unverkennbar waren. Es rührte sich nicht und sah auf ihn herab. 'Der Alte' hatte ihn drauf gestoßen, ihm alle Informationen gegeben, damit er zu dem unweigerlichen Schluß kommen konnte. Doch er war zu überzeugt gewesen, zu sehr von seinen Fähigkeiten geblendet, als daß er zu der einfachen Erkenntnis gekommen war. So oder so würde also einer der bevorstehenden Tage die Antworten bringen. Der beißende Zynismus dieser Worte ließ ihn fast auflachen.
Unmerklich langsam begann er damit, den Kopf anzuheben, um es direkt ansehen zu können und auch, um jeden unnötigen Laut zu vermeiden, da er sich jetzt vor allem auf sein Gehör zu verlassen hatte. Das Rauschen in seinen Ohren spielte ihm Streiche, doch unbeirrbar regte er sich nicht bis auf den Versuch der Kopfbewegung. Das leise Grollen über ihn kam leise und stoßweise, wie eine unverhohlene Drohung und schwoll langsam zu einem scharfen Knurren an. Da stand es also, hoch oben auf der riesenhaften Wurzel eines Baumes, der sie beide noch überdauern würde und dabei dennoch längst nicht zu den ältesten gehören würde. Der Anblick war majestätisch und erfüllte Balosh wie so oft in ähnlichen Situationen mit der tiefempfundenen Demut der alten Zeit gegenüber, der dieses Wesen wie er selbst entstammte. Wie gebannt blickte er in die Tiefen der gelbleuchtenden Augen, die ihn ausdruckslos fixiert hielten. Keine Bewegung der Pupillen, nur der starre Blick umsäumt vom schimmernden Blau seines dichten Fells. Dieses Exemplar überragte ihn bei weitem, nicht allein aufgrund seiner überlegenen Position. Blaue Wölfe waren zu einer Seltenheit geworden, zu gierig hatten sich die jungen Völker ihrer Häute und Felle bemächtigt und durch die zwergischen Kunstfertigkeiten sogar gesteigerte Befindlichkeiten verspürt, die sie in ihren zahl- und grundlosen Kämpfen gegeneinander abwetzten. Man sagt einigen Meisterstücken sogar nach, daß sie besondere Eigenschaften hatten, was schließlich an die Grenze zur Ausrottung der Blauen geführt hatte. Sie werden dieser Tage kaum noch gesichtet und bald schon würden sie wohl endgültig gegangen sein, als wenige Zeugen einer Zeit, als die Götter selbst noch wandelten. Er zweifelte in diesem Moment an seinen Motiven. Konnte er über ein Wesen richten, das schon lange vor den ersten Siedlern dieser Lande hier seine Jagdgründe hatte und jetzt an der wiederholten Ausweidung ganzer Herden schuldig sein sollte, die ihn nach und nach zu verdrängen suchten? Sicher hatten die ursprünglichen Beweggründe in diesem Moment keine Bedeutung mehr, ging es doch mittlerweile um sein eigenes Leben. Aber trotzdem kam er nicht umhin, sich selbst in Frage zu stellen.
Der hier war in seiner Pracht zudem auch noch eine Ausnahme. Es wurde in der Vergangenheit schon so manches Mal von Wölfen berichtet, die ohne Rudel loszogen und auch sonst in Größe und Erscheinung nicht wirklich ihren Artgenossen entsprachen. Eine Zeit lang ging man von einer eigenen Art aus. Es jetzt seinem eigenen Glück anzurechnen, daß er es eben nicht mit einem ganzen Rudel zu tun zu haben, kam ihm allerdings recht fragwürdig vor. Zumal sich Blaue Wölfe auch nur in den ersten Lebensdekaden wirklich zusammenschlossen, was viele nicht einmal wußten. Nur wenige aber schafften es überhaupt, wirklich ausgewachsen zu sein.
Innerhalb von nur Sekundenbruchteilen schossen ihm all diese Gedanken durch den Kopf; es lag fast erst einen Atemzug zurück, da er die Gefahr erkannt hatte, in der er sich befand. Wie gehetzt überlegte sich Balosh, welche der mitgeführten Waffen für ihn am erreichbarsten waren und welche davon seinem Gegner überhaupt auch nur irgendwie gefährlich werden konnten. Das blau schimmernde Fell täuschte über die darunterliegende recht harte Haut weg und den sehr sehnigen Aufbau der Muskelstruktur, deren Verhärtungen kleinere Stichwaffen regelrecht zum Bersten bringen konnten, ohne überhaupt eine nennenswerte Verletzung zu verursachen. Einige besondere Stellen waren sogar haarlos und von kleineren Knochenplatten bedeckt, so daß Waffengewalt hier wenig Erfolg versprach. Nicht zu erwähnen, daß da noch die krallenbewehrten Pfoten und das äußerst gefährliche Gebiss waren.
'Die kleine handliche Lanze könnte es schaffen. Den Moment des Sprunges nutzen, um danach zu greifen. Etwas unterhalb des Halses ansetzen und die Vorwärtskraft des Angreifers wird sie tief in den Brustkorb treiben. Der kritische Punkt wird sein, die Spitze am Maul vorbei zu bekommen.
Die Schwierigkeit der Aufgabe bestand auch darin, sich rechtzeitig nach hinten fallen zu lassen und die kleine eigentlich eher zum Wurf konzipierte Kurzlanze auf einen diesernorts eher seltenen halbwegs festen Untergrund aufzusetzen, damit sie der Wucht des Aufpralls halbwegs standhielt und das Tier durch die Eigenkraft so würde ernsthaft verletzen können.
Er ertappte sich wieder einmal dabei, wie er sich vor dem zu fürchten begann, was unweigerlich danach kommen mußte.
'Das ist er also wieder... der Augenblick.', wieder einmal hatte er sich des Eindrucks nicht erwehren können, daß in genau solch stillen, fast anmutigen Momenten von irgendwo das Unaussprechliche zusah und nur danach geiferte, sein nächstes Opfer mit sich in das Nichts zu zerren. Unaufhörlich darauf drängend, daß es so jäh im Unklaren blieb, wer oder was von ihnen dieses nächste Opfer nun war. Längst war es ihm zu etwas Vertrautem geworden, denn zu lange schon begleitete ihn der Tod in all seinen grausamen Fratzen. Ja, er meinte ihn manchmal fast schon zu riechen. Und doch hatte es nie zu etwas selbstverständlichen werden können, denn nie wollte er sich daran gewöhnen, daß er selbst so oft nichts anderes als der Bote eben jenes Todes war, dessen sich nun mal jede Beute mit allen Mitteln zu widersetzen suchte.
Die rollenden Knurrlaute liefen nun scharf zischend in eine Art Fauchen aus, das immer schneller wurde und auch das Fell in Nacken hatte sich über die gesamte Länge den Rücken hinunter leicht aufgerichtet, selbst der stachelige Kamm auf Schulterhöhe war nun sichtbar aufgestellt. Der gewaltige Schädel zuckte herunter, die sich versenkenden Krallen zersplitterten die trockene Oberschicht der fast steinernen Borke und dann sprang der mächtige Wolf ab...
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