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Ihre Augen ruhten ausdruckslos auf dem Flakon, als könnten sie durch das Glas auf den Inhalt blicken. Doch dem war nicht so. Sie starrte dieses … Geschenk einfach nur an. Ihn zu öffnen, hatte Dilquiri noch nicht gewagt. Aber irgendetwas in ihr sagte ihr, dass sie es tun musste. Es war wie das Ziehen in ihrem Inneren, dass sie nach Orthae Eairthin gebracht hatte. Es war … Dilquiri konnte nicht sagen, wie es war. Sie fand dafür keine Worte. Seltsam wäre untertrieben gewesen. Magisch wäre falsch gewesen. Und an Schicksal oder Zufälle glaubte sie ohnehin nicht. So betrachtete sie weiter den Flakon.
Xissdrossg trat in den Raum. Sie hatte ihn holen lassen. Er sollte dabei sein, wenn sie den Flakon öffnete. Vorsichtig legte sie ihre Finger an den Verschluss und zog an diesem, so dass er langsam aus dem Glas glitt, sich aus diesem löste und das, was auch immer sich im Inneren des Glases befand, befreite.
Dilquiri erwartete keine Explosion und auch keinen Zauber, der sich löste. Nicht einmal einen bösen Geist, der ihr entgegen sprang, erwartete sie. Aber das, was geschah, hatte sie auch nicht erwartet. Nichts. Gar nichts. Nur ein leises Plong als der Flakon gänzlich geöffnet war. Mehr nicht. Entgeistert blickte sie auf den Verschluss in ihrer Hand, als hoffte sie förmlich darauf, dass vielleicht doch noch etwas passierte. Xissdrossg beobachtete ihre Reaktion mit einem Funkeln in den Augen, blieb aber ansonsten stumm.
Die Dunkle legte den Verschluss beiseite und zog den Flakon näher an sich heran, um einen Blick in dessen Inneres zu werfen. Das Glas war kälter geworden, nachdem sie ihn geöffnet hatte, stellte Dilquiri fest. In seinem Inneren befand sich etwas, dass sie schon einmal gesehen hatte, dass sie schon einmal berührt hatte. Sie runzelte die Stirn. Nein, es war nicht ganz so wie die Rückstände auf Alathairs Dolch. Aber ähnlich.
„Was auch immer das ist, es gehörte zur Eishexe“, erklärte sie leise. Eine Tatsache, der sie sich beide bereits bewusst gewesen waren, bevor Dilquiri den Flakon geöffnet hatte. Vermutlich wollte die Dunkle nur die Stille brechen.
Dann strich sie mit ihrem Zeigefinger über den Rand des Flakons, glitt über diesen, ihn nachzeichnend. Immer und immer wieder, dabei konzentriert auf den Inhalt blickend, als erwarte sie, dass dieser nun explodierte oder zumindest anfing zu kochen. Doch dies war nicht ihr Ziel. Sie tat etwas, dass Xissdrossg nicht sehen konnte, aber er verstand, was sie vorhatte, fragte nicht nach, beobachtete die Dunkle nur schweigend.
Für Dilquiri erzeugte die Bewegung ihrer Fingerkuppe auf dem Glasrand einen leisen Ton. Ein Geräusch. Erst undeutlich, verworren. Doch schon kurz darauf formte sich aus dem Geräusch eine Stimme, die voller Boshaftigkeit Worte lamentierte, auf die Dilquiri jedoch nicht hörte, für die sie sich nicht interessierte. Vermutlich war es ein Zauberspruch. Aber das war einerlei.
Die Dunkle lauschte etwas Anderem. Etwas, das nicht da war, aber durch die Stimme entstand. Sie schloss die Augen, um sich gänzlich darauf zu konzentrieren. Ausgehend von ihrem sich bewegenden Zeigefinger begannen die unter ihre Haut gestochenen Runen leicht zu glimmen, während die Dunkle den Kopf leicht schief legte, als höre sie etwas, das ihre volle Aufmerksamkeit verdiente.
Xissdrossg spannte sich unwillkürlich, bereitete sich darauf vor notfalls einzugreifen, wie jedes Mal, wenn Dilquiri dies tat. Wie jedes Mal, wenn sie aufhörte, sich ihrer Umgebung bewusst zu sein. Mehr konnte er aber nicht tun. Nur das. Denn einen Feind, den es zu bekämpfen galt, gab es in diesem Raum nicht.
Nach einigen Augenblicken, in denen Dilquiri ihr Tun unerbittlich fortgesetzt hatte, hielt sie abrupt inne, öffnete schlagartig die Augen, ergriff den Flakon, ihn anhebend, während sie aufstand. Angespannt betrachtete Xissdrossg sie. „Was?“, fragte er nur, machte keine Anstalten, Dilquiri aus dem Weg zu gehen, als diese die Tür ansteuerte.
„Das könnte die Lösung sein. Das Muster ist gleich. Das könnte die Eingefrorenen befreien“, erklärte die Dunkle mit leiser, neutraler Stimme, in der eine gewisse Unsicherheit mitschwang. Schließlich war es nur eine Vermutung, ein Gedanke, eine Idee. Das Muster war gleich. Das stimmte zwar, aber das hatte nicht zwingend zu bedeuten, dass es half. Aber ein Versuch war es wert.
Xissdrossgs Antwort bestand aus einem Nicken. Dann verließen sie gemeinsam das Verwaltungsgebäude.
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OOC: Leider etwas verspätet, weil bei mir die Fertigstellung des Posts verzögert wurde. Stattgefunden hat das bereits in der Woche nachdem Freya erschlagen wurde. Dickes Sorry dafür.
Ka dos telanth rathrea ussta rath bauth uns'aa, dos gotfrer folbol: Dos ph' haska xuil ussta t'zarreth.
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Nahe dem Platz vor dem Verwaltungsgebäude stand eine dieser Statuen, so dass sie keinen weiten Weg hatten. Xissdrossg folgte Dilquiri mit einigen Schritten Abstand. Zuvor hatte er noch einigen Dienern verschiedene Anweisungen gegeben.
Einer sollte ihnen folgen.
Ein anderer sollte die Medici der Stadt aufsuchen. Ihre Hilfe würde sicher gebraucht werden und die Heilerinnen der Dunklen würden sich nur um Betroffene des eigenen Volkes kümmern.
Ein weiterer Diener sollte Helfer zusammen trommeln. Sicherlich war mehr zu tun, als die Leute nur wieder aufzutauen.
Xissdrossg rechnete damit, dass das Ganze nicht so leicht vom Tisch sein würde. Schließlich standen die Eisstatuen nun schon einige Zeit und wenn die Betroffenen es tatsächlich überlebt hatten, dann waren sie vermutlich in keinem guten Zustand. Aber das würden sie schon bald heraus finden. Zumindest war davon auszugehen.
Laut den Berichten waren in Rune hauptsächlich Menschen betroffen gewesen. Dann war unter den Opfern noch ein Zwerg sowie ein Dunkler.
Alathair würde von ihnen persönlich befreit werden, nachdem Dilquiris Vermutung bei einem Menschen getestet wurde. Sollte es Komplikationen geben, konnten sie sich auf diese vorbereiten oder sogar beseitigen, bevor Alathair aus seinem Eisgefängnis geholt wurde.
Natürlich hatte Dilquiri in ihrer Eile vergessen, ihren Mantel mitzunehmen, so dass Xissdrossg diesen über den Arm gelegt mit sich trug.
Sie hatten die Statue erreicht und der Dunkle beobachtete Dilquiri. Sie stand vor der Statue, den Flakon in einer Hand haltend, mit den Fingerspitzen der anderen die Statue, nahe der Stelle unter der ihr Herz ruhte, berührend, als ertaste sie einen Herzschlag. So verharrte sie, wartete.
„Sie werden gleich hier sein. Ich habe Eile befohlen“, sprach Xissdrossg zu ihr, Dilquiri den Mantel hinhaltend. „Doch dafür ist noch Zeit“, sanfter Tadel klang in seiner Stimme mit.
Die Dunkle blickte zu ihm, löste sich von der Statue, um sich den Mantel anzulegen, dafür den Flakon aus der Hand gebend.
Es dauerte tatsächlich nicht lang, bis die Helfer eingetroffen waren. Wie eine Traube aus Gaffern standen sie nun um Dilquiri, Xissdrossg und die Statue. Letztendlich waren sie auch nicht mehr. Zumindest in dem Augenblick. Mehr als zusehen konnten sie schließlich nicht. Sie wurden erst gebraucht, wenn der Zauber beseitigt worden war. Wenn es wirklich funktionierte.
Den Flakon wieder an sich nehmend, begab sich Dilquiri zurück zu der Statue, berührte erneut jene Stelle über dem Herzen, schloss dabei die Augen und neigte den Kopf leicht zur Seite. Sie lauschte. Dann legte sie einen Finger auf die Öffnung des Flakons und neigte diesen leicht, um ihren Finger mit dem seltsamen Inhalt zu benetzen. Nur ein Tropfen, der das matte Licht des Tages sacht schimmernd reflektierte. Danach fand der Finger abermals an jene Stelle der Statue, des Menschen darunter zurück.
Und Dilquiri begann, den Tropfen in kreisenden Bewegungen auf dem Eis zu verstreichen. So wie sie zuvor im Verwaltungsgebäude über den Rand des Flakons gestrichen hatte. Langsam. Behutsam. Einer lautlosen Melodie folgend.
Zunächst geschah nichts, doch nachdem die Dunkle den Kreis sechs Mal gezogen hatte, konnte Xissdrossg dessen Linien deutlich auf dem Eis sehen. Bläulich schimmernde Linien, die die Spur von Dilquiris Bewegungen deutlich zeigten.
Die Dunkle zog ihre Hand zurück und betrachtete die Stelle eindringlich, mit gerunzelter Stirn, da nichts weiter geschah. Abermals drang ihre Fingerspitze auf die Statue ein, berührte diese nun im Zentrum des von ihr gezogenen Kreises.
Und dann geschah es:
Die bläulichen Linien wurden zu Rissen im Eis, erst nur haarfein, dann deutlich sichtbar, jedoch nicht breiter als ein Grashalm. Einen Atemzug später ging ein leises, aber hörbares Knacken durch das Eis und die Risse breiteten sich einem Spinnennetz gleich auf dem Eis aus. Geistesgegenwärtig trat Xissdrossg zu Dilquiri, zog sie etwas von der Statue weg und stellte sich zwischen diese und Dilquiri. Keinen Augenblick zu spät, denn das Eis zersprang mit einer lautlosen Explosion, löste sich vom Körper darunter.
Die nun vom Eis befreite Menschenfrau blieb wie weiterhin erstarrt stehen. Doch nur einen kurzen Moment. Dann kippte sie steif wie ein Brett zur Seite. Einige Helfer sprangen zur ihr, wollten ihren Sturz abdämpfen, kümmerten sich um sie.
Während Dilquiri und Xissdrossg das Geschehen als stumme Beobachter verfolgten, wurde die Frau versorgt, in Decken gehüllt, auf eine Trage verfrachtet und ins Hospital gebracht. Dort kümmerte man sich um die unterkühlte, erschöpfte Frau.
Der Inhalt des Flakons wurde teilweise in zwei Phiolen übertragen, mit denen zwei Gruppen aus Helfern und Heiler alle anderen Statuen nach und nach befreien würden. Das Hospital würde sich an diesem Tag füllen.
Die weitere Handhabe überließen Dilquiri und Xissdrossg den Menschen. Sollten sie sich darum kümmern. Xissdrossg würde den Bericht des Hospitals über die erste Befreite abwarten. Erst danach würde die Entscheidung fallen, ob das Risiko gering genug war, um auch Alathair zu befreien.
I'm evil, but I feel ... good!
Wale sind keine Fische, sondern Barsche
Charakter zeigt sich darin, wie man die Menschen behandelt, die nichts für einen tun können.
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Eine Stunde nach Mitternacht schlichen zwei dunkel gekleidete Gestalten aus dem Dioner Schloss. Gaoth hatte schon vor langer Zeit die Schaniere der kleinen Ausfallpforte gut geölt.
Sie und Xarona waren offiziell in Gaoth's Zimmer, da sich die Gräfin eine schwere Erkältung zugezogen hatte. Um die Sache glaubwürdiger zu machen, hatte Xarona alles was man zur Behandlung der Erkältung benötigt in Gaoth's Zimmer bringen lassen.
Die beiden begaben sich zum alten magischen Weg im Steinkreis vor Dion um nach Ka'lun zu reisen.
Dort angekommen, zog Gaoth ihren Dolch und begab sich in das Ausbildungslager der Mahums. Nach einigen Momenten des Wartens kam einer der Rekruten aus seinem Zelt. Ruhig lies sie ihn seine Notdurft verrichten, als er sich zum Zelt umdrehte spürte er ihren Dolch an der Kehle.
"Du wirst keinen Laut von dir geben, komm mit mir." Leise winselte der Rekrut, lies sich aber gehorsam ob des Dolches an der Kehle zum Steinkreis führen.
Dort angekommen nahm Gaoth die Phiole mit der schwarzen, zähflüsigen Substanz aus der Tasche und befahl dem Rekruten diese zu trinken.
Er wollte sich wehren doch ein sachter Druck mit dem Dolch brach seinen Wiederstand. Einige Tropfen Blut traten aus dem feinen Schnitt an seinem Hals als er die Flüssigkeit trank.
Nur wenige Momente später wurde sein Blick stumpf und die Priesterin konnte den Dolch fortnehmen.
"Pass einen Augenblick bitte auf ihn auf." bat sie Xarona, welche den Mahum sofort festhielt.
Gaoth begab sich zum Altar im Steinkreis und zeichnete ein gleichseitiges Dreieck um die Steinplatte, dessen Spitze gen Norden zeigte.
Um dieses Dreieck zeichnete sie den zerbrochenen Kreis. An die Ecken des Dreiecks malte sie die Symbole für Wandlung, Tod und Wiedergeburt.
Dann drehte sie sich zu Xarona und dem Mahum um. "Du bist gewiss sehr müde, leg dich dort auf den Altar und schlafe. Du bist zu etwas Großem bestimmt. Sei unbesorgt."
Stumpfen Blickes kletterte der junge Rekrut auf den Altar und legte sich hin. Nur wenige Augenblicke später war er dank der Droge eingeschlafen.
Dann nahm Gaoth den Flakon und stellte ihn an die Kopfseite des Mahums, an seine rechte und seine linke Seite legte sie zwei schlichte blutrote Kristalle, welche erstaunlich stumpf wirkten.
Danach begab sie sich an das Kopfende des Altars und hob die Arme.
"Kain, erhöre deine Tochter. In dieser dunklen Stunde der Nacht biete ich dir die Seele dieses jungen Wesens. Dafür erbitte ich Deine Macht um das Fragment der Seele in diesem Flakon auf die Kristalle zu übertragen, welche dir geweiht sind.
Vater erhöre meine Bitte, nimm diese Seele. " *sie senkte den Dolch und zog ihn mit einer schnellen Bewegung über die Kehle des Opfers* "Nimm das Blut, welches vergossen wird zu deinen Ehren und gewähre mir die Schaffung der Kristall...... " Sie brach ab, als das Innere des Steinkreises in einem grellen roten Licht erstrahlte.
Ein Blitz aus schwarzem Licht drang in den Körper des Opfers und lies ihn verschwinden. Gleichzeitig zerschlug er den Flakon und das rote Leuchten zog sich um Gaoht und die beiden Kainskristalle zusammen, flackernd wie Elmsfeuer. Gaoth sank mit einem grellen Schrei zu Boden und blieb bewußtlos dort liegen, der Dolch entglitt ihrer Hand. Noch einige Minuten waberte das Licht um sie und die Kristalle, bis es sich in diese zurück zog.
Als es wieder finster war, lag die Priesterin immer noch am Boden, jedoch war der Flakon geborsten und die beiden Kristalle schienen von innen heraus beleuchtet zu sein. Von dem Körper des Opfers war nichts mehr zu sehen, nur ein Rinnsal frischen Blutes zeugte noch von seinem Tod auf dem Altar.
Erst kurz vor Morgengrauen erlangte die Priesterin das Bewußtsein zurück. Verwirrt, wie aus einem tiefen Traum erwachend sah sie sich um. "Ist es gelungen?"
"Das kannst wohl nur du wissen. Ich hab mir jedenfalls jetzt lange genug Sorgen um dich gemacht. Schaffst du es aufzustehen?" Kommentierte Xarona.
"Ich werd es wohl schaffen."Taumelnd erhob Gaoth sich, sich dabei an Xarona festhaltend. Als ihr Blick auf die zwei Kristalle fiel, legte sie die Hand auf einen und schloss die Augen. "Es ist gelungen. Das Seelenfragment ist in diesen beiden Kristallen. Gib mir bitte die beiden Samtbeutel." Sie zeigte auf den großen Lederbeutel, in welchem sie die Utensilien für das Ritual hertransportiert hatte.
Xarona brachte das Gewünschte und Gaoth gab in jeden Samtbeutel einen Kristall.
"Lass uns gehen, ich höre schon die Amseln den Morgen begrüßen."
So schnell es der Zustand der Priesterin zulies begaben die beiden sich wieder heimlich in die Burg.
Dort angekommen wollten sie erst einmal nur eines: schlafen.
Am späten Abend stand Gaoth wieder auf und verfasste mit zittriger Hand eine kurze Notiz:"Yvaine es ist vollbracht. Komm ins Schloss. Gaoth"
Auch der Diener, welchen sie ausgeschickt hatte den Stab zu beschaffen war erfolgreich zurück gekehrt.
Gaoth befestigte den Kristall in der Halterung und zog den Samtbeutel über die Spitze des Stabes.
Nun musste sie auf Yvaine warten.
Gaoth sah in den Spiegel und erschrak. Tiefe Ringe lagen unter ihren Augen, welche in einem grellen Rot leuchteten. Schnell nahm sie ihren Hut und zog ihn tiefer ins Gesicht als üblich, dann zündete sie alle Kerzen im Zimmer an, so dass es hell genug wurde um das Leuchten zu überspielen.
"Ich hoffe es geht wieder weg, wie bei allen Ritualen. Auch wenn es nie so stark war wie jetzt. Kain, dein Preis wird von Mal zu Mal höher." flüsterte sie leise vor sich hin.
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Obgleich es ihr widerstrebte, das warme Bett in der Sicherheit, der Geborgenheit des Tempels zu verlassen, war Yvaine früh auf den Beinen. Lange Zeit saß sie still am Tisch, überflog immer und immer wieder die Zeilen des alten dunkelmagischen Buches. Gaoth hatte die Wahrheit gesagt, was einige Dinge anging, so sie dem Buch glauben konnte. Das beruhigte sie. Sie traute der Priesterin Kains - doch Vertrauen war etwas Anderes.
Sie dachte an Iaskells Worte, was die Fürstin anging... "Ketzerin, Kultistin, Unheilige..." Nun, jene Worte waren im Streit gefallen und waren Worte eines zutief gekränkten Stolzes, weil er ihr nicht so helfen konnte, wie er es am Liebsten vermochte... Dennoch wusste Yvaine, dass sie recht nahe an seiner wahren Meinung über Gaoth waren. Wie sie darüber dachte... konnte sie bei bestem Willen nicht in Worte fassen. Obgleich der Glaube an Grand Kain in ihren Augen grundfalsch war, war jener Gott doch die einzige Hoffnung, die sie hatten. Wenn sie daran dachte, dass sie ihm gestern ohne zu zögern ihre Seele versprochen hätte, um die Unschuldigen zu erretten... lief es ihr eiskalt den Rücken herunter. Doch gar schütteln ließ es sie, dass sie dies vollen Wissens wahrhaftig tun würde, so es das Leben Unschuldiger retten würde.
Yvaines Hand wanderte instinktiv an die Stelle an ihrer Brust, an der normalerweise das silberne Kruzifix hing. Ihre Hand fand nichts und abermals fühlte sie sich seltsam nackt, während sie sich erhob und in die Kichte hinunter ging, um zu beten.
Hier fand der Bote sie am Abend. Gerade wollte sie die Kerzen am Altar entzünden, ließ es dann aber, da es sich sonderbar falsch anfühlte. Die Zeilen Gaoths überflog sie mit sichtlicher Besorgnis - das Zittern der Hand war den Lettern nur zu deutlich anzusehen. Der Brief war vielmehr eine Notiz: "Yvaine es ist vollbracht. Komm ins Schloss. Gaoth"
Sie nickte knapp, auch wenn niemand eine Frage gestellt hatte, und wandte sich zum Gehen.
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Spät in der Nacht traf die kleine Gruppe bei der ersten Eisskulptur ein. Die Nacht war wolkig und entsprechend düster, wie es Nächte kurz nach Neumond an sich hatten. Die Straßen waren leer und still, dennoch trat eine der beiden Wachen zurück, achtete auf jede potentiellen neugierigen Augen, die der Prozedur beiwohnen konnten.
Yvaine führte den Stab mit sich, den Gaoth für sie anfertigen ließ, dessen kristallene Spitze die Seele Freyas in einem Kainskristall band.
Die Laterne der zweiten Tempelwache beleuchtete den Platz um die Skulptur herum. Der Mann stellte sich zusammen mit Iaskell hinter die gefrorene Frau, Blicke wurden getauscht, ein Nicken. Die Priesterin, die ein Außenstehender kaum als eine solche erkennen würde, zog die schwarze Kaputze tiefer ins Gesicht, bevor sie leise ausatmete und den samtenen Beutel von der Spitze des zweieinhalbfuß langen Ebenholzstabs zog und die kristallene rotglühende Spitze enthüllte. In der fast kompletten Dunkelheit war das Leuchten alles andere, als unauffällig. Doch es musste gehen. Niemand hatte ihr gesagt, wie sie vorgehen müsste, so verließ sie sich ganz auf ihr Gefühl, führte den Kristall ans kalte Eis, das die junge Frau vor sich gefangen hielt. Der Kristall malte die Umrisse des Körpers nach, umfuhr ihn, ohne dass etwas passierte.
Der Tempeldiener schenkte dem Priester neben sich einen beinahe mitleidigen Blick, der keiner anderen als der Priesterin galt. Jene wollte gerade enttäuscht den Stab senken, als ein leises Knacken die Stille brach - so leise, dass man es sich auch eingebildet haben konnte. Dann folgte ein zweites Knacken, deutlich lauter. Risse bildeten sich im Eis. War es im Moment die Faszination, die Yvaine davon abhielt, den Stab vom Eis zu lösen, so hätte sie es im nächsten Moment auch nicht mehr gekonnt, denn es war, als würde eine frostige Hand den Kristall an seiner Spitze packen und halten. Dann verfärbten sich die Risse in ein tiefes Rot - fast als würde Blut aus ihnen treten. Zutiefst erschrocken klammerte sich Yvaine ans kühle Ebenholz des Stabs. Ihre Gedanken rasten. Hatte sie die Frau im Eis verletzt? So viel Blut, es schnürte ihr die Kehle zu. Neben ihr zog Iaskell erschrocken Luft ein. "Hat... das so zu sein? Bist du sicher? Es war doch bei der Locke... nicht... auch so?" fasste er ihre Gedanken in Worte. Doch ein weitaus Schlimmerer beschlich Yvaine - dass dieses Mädchen unter dem Kainskristall starb.
Doch es war noch nicht vorbei. Das Rot... veränderte sich. Schien es eben noch flüssig, so verlor es jeden Aggregatzustand, schien nunmehr zu glimmen, wie ein erloschenes Feuer, in dessen noch heiße Asche ein Lufthauch fuhr. Obgleich sie nur dastand und den Kristallstab hielt, schwand wie durch magische Hand ein Teil der Kraft, die der Priesterin innewohnte. Schweißperlen standen auf ihrer Stirn, unfähig sich zu rühren oder zu sprechen. Dann brach der Bann. Das Glimmen der Sprünge, die sich durch das Eis zogen verschwand abrupt. Ebenso die Hand, die den Stab festzuhalten schien. Yvaine prallte zurück, schlug auf den Boden auf, als der Widerstand verschwand, die Hand los ließ. Zeitgleich brach ein lautes, finales Knacken die Stille und das Eis zersprang. Der Panzer löste sich vom darunterliegenden Körper und fiel zu Boden, ohne dass die Splitter auf dem harten Stein zerbrachen. Die Tempelwache packte hastig zu, um die befreite Frau zu fangen, ehe jene zu Boden stürzte.
Yvaine hatte die Augen kurz geschlossen, um die Bewusstlosigkeit zu vertreiben, die der Schlag auf den Hinterkopf beim Sturze eingebracht hatte. Schwärze umhüllte sie, glitzernde silberne Punkte. Doch der Moment verging. Benommen blinzelte sie in Iaskells Augen, der neben ihr kniete. Sie hatte seine Stimme zwar gehört, doch nicht was er sagte. "Ist es... gelungen?" Zittrig ließ sie sich auf die Beine helfen und trat zur Tempelwache, die die junge Frau in den Armen hielt. Sehr blass war sie, die Lippen zitterten in bläulicher Färbung, unterkühlt und schwach. Dankbar blickte Yvaine zu, wie Iaskell die Erlöste mit der Wärme Einhasads bedachte, ein kleiner Notfallzauber, der das Leben zurück in die Venen des Mädchens brachte.
Die Tempelwache brachte die Frau in die Kirche, wo bereits notdürftige Krankenlager bereit standen, Decken und Tee zur Verfügung und zwei Tempeldienerinnen, die sich sogleich der Gebrachten annahmen.
Leisen Schrittes durchquerten die Anderen in der Zeit das Dorf, um zur nächsten Skulptur zu gelangen. Noch zwei lagen vor ihnen...
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Der Morgen dämmerte, als die letzte Erlöste in den Tempel gebracht wurde. Yvaine konnte sich kaum auf den Beinen halten. Sie würde sich stärkende Tränke von Maria brauen lassen müssen, wenn sie in Schuttgart nicht einfach zusammenbrechen wollte. Es war nie einfach, sich mit fremden Göttern einzulassen.
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Serath - nun wieder in seiner Plattenrüstung. Da er den Helm nicht trägt, kann man ihm ansehen, dass er sichtbar zufriedener ist als in der kürzlich abgelegten schwarzen Lederrüstung.
Anschließend schreibt er in seiner normalen Montur einen Brief über die letzten Vorkomnisse in Dion.
Kurz darauf setzt er dazu an sein tägliches Waffentraining anzusetzten.
Wie mir scheint...
Sein Zweihänder schneidet mit einem deutlichen Zischen durch die Luft.
... wird Dion mehr und mehr zur Hochburg Kains...
Er stellt eine Parade gegen einen unsichtbaren Angreifer.
... und nun...
Serath schmunzelt.
...arbeiten ja schon die Anbeter der geflügelten mit ihnen zusammen...
Der Konter auf die Parade folgt. Daraufhin setzt der Gerüstete seinem nicht exsistenten Gegner nach.
... zumidest scheint dies für diesen Iaskell und diese verhüllte Person, mit dem Stab zu gelten...
... Das dürfte den Meister interessieren...
Gedanken
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Rhylorasz wurde von dem Boten erreicht der ihm mitteilte dass der Bann gebrochen sei und man die Statuen nun beseitigen konnte. Kaum hörbar schnalzte er mit der Zunge und wandte sich wortlos von dem Boten ab, wie üblich wenn er mit Menschen zu tun hatte war ihm die Pflege von Höflichkeiten zu aufwendig um ihr beachtung zu schenken.
Zurück in seinen Quartieren schrieb er in sein Tagebuch:
Eile ist geboten. Wenn die Rivil die Statuen vernichten werden sie die Spuren verwischen die zu einem größeren Geheimnis führen könnten. Pläne für den nächsten Tag:
Aufputschmittel und Zauber mischen um den Tag durchzuarbeiten und die restlichen Städte besuchen um die Statuen zu kartografieren.
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Erster Tag der Woche - Vorbereitungen
In Dion ist es ruhig geworden. Die erste Aufregung darüber, dass längst tot Geglaubte wiederkehrten hatte sich gelegt, obwohl keiner wusste, wie dieses Wunder vollbracht wurde. Wie zu erwarten war, waren die Menschen vorerst misstrauisch, dachten an Besessenheiten und Untote. Doch als sie erkannten, dass ihre Lieben noch die waren, die sie durch Freyas kalte Hand verlassen hatten, war die Freude stets groß. Trotz dessen werden wir weiterhin nachts arbeiten. Ein Priester Einhasads zusammen mit einer Vermummten, die einen Kainskritall führt - es gab Vertrauenserweckenderes. Zumal die Kirche Dions einen Ruf zu verlieren hatte - so auch Iaskell. Ich bin nach wie vor dankbar, dass er mich begleitet.
Maria hatte dafür gesorgt, dass wir eine ganze Reiseapotheke an Tränken und Kräutern im Gepäck hatte. Um Proviant war weitestgehend gesorgt, wir waren bereit, aufzubrechen.
Zweiter Tag der Woche - Schuttgart
Wie gut es tat zu reisen, nachdem das Eis Freyas verschwunden war! Um die Reste würden wir uns kümmern.
In Schuttgart zu beginnen war nicht leicht. Zwar versuchten wir abermals, mit den Instanzen zu sprechen, doch einer Exhumierung des gefroren begrabenen Mädchens Jakeline Liarven wurde nicht zugestimmt. Wir besuchten das Grab in den späten Abendstunden und ich versprach, zurückzukehren. Ob sie es hörte und verstand - ungewiss.
Spät in der Nacht passten wir den Wachwechsel ab und befreiten die Erfrorenen, um in den frühen Morgenstunden nach Goddard zu reisen.
Dritter Tag der Woche - Goddard
Nachdem wir uns um den Stand der Skulpturen in der uns nicht gut bekannten Stadt vergewissert hatten, kehrten wir in ein Gasthaus ein, stärkten uns und schliefen, bis die Nacht hinein brach.
Das Erlösen der Skulpturen gelang ohne Komplikationen. Mittlerweile hatten wir uns gut eingespielt, nachdem ich die Menschen befreit hatte, kümmerte sich Iaskell mit der Heilung Einhasads darum, sie zu stabilisieren. Wir brachten sie zum Krankenlager. Zwar wunderte man sich, dass mitten in der Nacht bei eher milden Temperaturen schwer unterkühlte Menschen eingeliefert wurden, doch keiner stellte unangenehme Fragen.
Vierter Tag der Woche - Aden
Die Königsstadt empfing und bei strahlendem Sonnenschein. So ließen wir uns einen kleinen Spaziergang zum See nicht entgehen, wo wir bei frühlingshaft warmem Wetter den fehlenden Schlaf nachholten und im frühen Abend vom Proviant aßen. Ich sorgte mich um Iaskell. Die Anwendung der heiligen Magie hatte ihn zusehend geschwächt und auch ich war weit von einer guten Beschaffenheit entfernt. Marias stärkende Tränke halfen jedoch recht schnell, so dass wir zur Nacht wieder hergestellt waren.
Die Wachen in Aden verdienten ihren guten Ruf. Es war nicht einfach, an ihnen vorbei zu kommen. Als wir bei der zweiten Skulptur angelangt waren, wurden wir erwischt. Doch angesichts des erlösten Menschen schlug der Wachmann nicht Alarm und half sogar, den Unterkühlten ins Krankenlager zu bringen. Dank ihm war die Erlösung der noch Fehlenden problemlos.
Fünfter Tag der Woche - Oren
Das Wetter hatte umgeschlagen. Tiefer Nebel hing sogar in der Stadt und es regnete. Wir suchten Zuflucht in einer Taverne, doch auch nach Einbruch der Nacht klärte es sich nicht auf. Doch genau betrachtet war das Wetter ein Segen. Regen und Nebel verschluckte die Geräusche, verhüllte unser Tun und versteckte sogar fast ganz das Leuchten des Kainskristalls. Bei zweien der geschwächten Menschen gab es Komplikationen. Es zog sich sehr und erst in den frühen Morgenstunden waren alle befreit. Wir schliefen in Oren.
Sechster Tag der Woche - Tal der Jäger
Zu Fuß reisten wir ins Tal der Jäger. Das Wetter hatte sich zumindest etwas beruhigt, so dass wir zwar unter dichten Wolken wanderten, die frische Luft uns jedoch gut tat. Dies waren die Vorzüge des Reisens! Ich genoss es sehr und war fast etwas betrübt, als wir im Dorf ankamen. Meine Sorge, dass die Wachen hier deutlich wachsamer waren, als in anderen Städten, bestätigte sich nicht. Sie waren die Geräusche der Nacht gewohnt, immer wieder verirrten sich Tiere ans Dorf. Das Befreien ging einfach von statten, so dass wir mit Anbruch des neuen Morgens durch das magische Portal weiter reisen konnten.
Siebter Tag der Woche - Giran
Die Vorzüge der Handelsstadt verschliefen wir. Die Reise zehrte doch stärker an uns, als wir dachten. Der Kainskristall wurde schon schwächer, das sah man deutlich. Ich war zum ersten Mal fast froh über den Zweiten, der in dem Holzkästchen in meiner Manteltasche ruhte. Doch mit etwas Glück würde der Stab noch halten, weiteren Erfrorenen zurück ins Leben helfen.
Die vielen Winkel und Gassen der Stadt halfen uns, unauffällig zu agieren. Schwieriger wurde es auf dem Marktplatz, wo die zwei Nachtwachen direkt bei eine der Skulpturen standen. Ich entschied, offen mit ihnen zu reden. Und tatsächlich war uns das Glück hold: Es waren eben jene Beiden, die ich während des Winters mit Tee versorgt hatte. Sie erkannten mich wieder und stellten keine Fragen, so dass wir auch die letzte Giraner Bürgerin aus dem Eis holen könnten.
Erster Tag der zweiten Woche - Gludio
Die Teleportationsmagie schwächte uns. Sie jeden Tag nutzen zu müssen, ging in die Knochen und in den Magen. Als ich aus dem Portal trat, brauchte ich dieses Mal lange, um gegen die Übelkeit und die Kreislaufprobleme anzukämpfen. Obgleich Iaskell sich bemühte, sich vor mir nichts anmerken zu lassen, taumelte auch er sichtlich. Marias Tränke leisteten uns gute Dienste und nachdem ich in der Taverne einen Tee aus einigen der Kräuter brühen konnte, fühlten wir uns wieder etwas gestärkt. Alles ging reibungslos.
Zweiter Tag der zweiten Woche - Gludin
Die Heimatstadt. Zu gern wäre ich länger geblieben und hätte das Haus der Eltern an der Küste besucht. Doch die Zeit drängte. Mir war etwas wehmütig und umso deutlicher wurde der Entschluss, hierher zurück zu kehren, so alle Skulpturen erlöst waren. Gludin war die letzte Stadt auf unserer Liste und da sie so verwinkelt war, ich jede Ecke genaustens kannte, waren wir schnell fertig. In der selben Nacht reisten wir nach Dion zurück.
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Als Iaskell in den Sessel fand, den Gaoth ihm bot, die Stille zu genießen anfing und die drei Frauen verschwanden, sann er die eben vergangenen Situationen nach.
Die wesentliche Sorge in seinem Blick, die, welche seiner Stirn beinahe den gesamten Abend keine Glätte gönnte, lag nicht daran, in der Hochburg des Feindes warten zu müssen, in der Gefahr überall lauern könnte - oder gar, in Verbindung gebracht zu werden mit ihnen, mit der Gesetzlosigkeit, mit der Flucht in der Nacht und Expedition auf eigene Faust - oder auch nur, hier ausharren zu müssen, ohne einzugreifen, zu lenken, zu richten oder zu appelieren zu können. Seine eigentliche Sorge lag darin, wie schwach Yvaine geworden war. Wie blass. Wie formlos. Wie aufgegeben.
Hätte er, um ihr zu helfen, seine eigene Strenge aufgeben müssen? Oder war bloß die Strenge selbst das letzte bisschen Ordnung, das nicht auch noch fallen dürfte, um Moral und Idealvorstellungen noch irgendwie zu halten? Auf der Waagschale zwischen Ernst, Beständigkeit, Strenge und Versöhnung, Harmonie, Einfühlsamkeit fühlte er sich allmählich wie ein klappriger, alter Mann, ein Betrunkener dazu, ohne Balance oder gar Sinne. Und doch leuchtete nichts heller in ihm als die Motivation - denn, wenn er es nicht schaffte, Yvaine wieder aus dem Sumpf zu holen, den Kains Versuchungen und Verlockungen an ihr anrichteten, wer sollte es sonst tun. Selbst wenn sie bloß unter Frauen, diesen zweien, skeptisch betrachteten Frauen, das einzige Vertrauen war das des gemeinsamen Zieles, nun in die kalte Welt ging, allein lassen.. würde er sie nie.
"Perfekte Männer gibt es an jeder Ecke", sagte Gott und formte die Welt mit mathematisch gesehen unendlich vielen Ecken.
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Jakeline Liavern.
Mein erster Augenblick nach der großen Ruhe:
Es erschien mir wie eine Wanderung, nein.. eher wie ein Schweben. Wie ein Gleiten durch Wolken, nicht vorsehen und nicht zurück. Die Welt um mich waren graue Schleier, aber keine, die bedrohlich wirkten, keine, die mich einengten, keine, die mich von einem Weg abbrachten. Sie ließen mich in einer Schwebe, in der man Entspannung in Zeitlosigkeit fand. Glückselige Verlorenheit in Unendlichkeit.
Dann riss alles ab.
Die grauen Schwaden zogen sich nach links und rechts, ich sah - wieder mit meinen richtigen Augen. Im Angesicht dessen, dass ich wochenlang bloß "nichts" ansah, erschien mir der kurze Augenblick, der mir blieb, bevor sie mich auch aus diesem rissen, wie ein Brandeisen auf mein Bewusstsein, eine Blaupause für meine Wahrnehmung. Da war Schnee - nichts ungewöhnliches, ich komme aus dem Schnee, lebe im Schnee, kannte nie etwas anders als Schnee. Und doch lag in diesem etwas.. unvertrautes. Ich sehe die Szenerie wie ein Gemälde, wie eine Inszenierung, wie ein kalter, gefrorener, Theatermoment. Er strahlt Gefühle aus, die ich in ihrer Vielfalt nicht zu benennen weiß.
Da ist Bedrängnis. In der Form von Erde, um mich herum, kalt und steinern.
Da ist Heroentum. In Form einer Frau, die ein Artefakt bändigt. Sie strotzt vor Tatendrang und Überzeugung und doch sehe ich eine Schweißperle, sie schwitzt, nein, brennt gar .. aus irgendeiner mir unbekannten, tatfremden Herkunft heraus. Irgendwo in ihrem Gesicht versteckt sich Schmerz.
Da ist Geheimnis. In Form einer schwarz Gekleideten. Sie ist kaum zu erkennen, behütet, versteckt, unaufdringlich, sie flüchtet? Und kommt doch auf mich zu. Obwohl ich ihr Gesicht nicht sehe.. Bin ich mir sicher, dass irgendwo darin Nächstenliebe steckt. Sie steht leicht gebeugt, als hätte sie Anstrengung zu überwinden. Tribut zu zollen. Magie zu verrichten. Sie sieht nicht so aus, wie sich jemand von uns anzuziehen weiß. Auch kann ich ihr nicht zuordnen, ob ihre Intentionen rein und selbstlos sind. Trotzdem danke ich ihr. Wer auch immer sie ist.
Da ist Zweifel. In Form einer kleinen, schmalen, saphiräugigen, wunderschönen Frau. Sie hält einen Stab in der Hand, einen wenig vertrauenserweckenden. Und doch spende ich Vertrauen. Sie hat einen Ausdruck in den Augen, als läge alle Hoffnung der Welt in ihr, bloß in ihr. Die Last, den Himmel auf ihren Schultern zu tragen, zerdrückt sie. Die Mächtigen, die zu ihren Seiten stehen, beeinflussen sie, verführen sie. Sie lässt sich ziehen. Sie lässt sich gehen. Sie weiß nicht, was sie tut. Aber sie weiß, dass es getan werden muss. Sie tut es. Und ich liebe sie dafür. In reinen, unverdorbenen Gedanken. Mit dankendem, heilvollen Herzen.
Die Teleportation reißt mich in die Bewusstlosigkeit zurück. Das letzte Bild, das ich sehe, nehme ich in meinen Traum mit. Es ist Heimat. Über mir kniet mein Bruder, der Zweitgeborene, einer von Schuttgarts Exekutoren. Ein guter Mann. Ein herzensguter Mann. Ich falle sanften Lächelns in den Sessel. Keine Ängste, keine Schwaden begleiten mich weiter. Ich träume. Davon, wie es bald wieder sein wird.
Als ich aufwache, sagt er mir, ich hätte noch zwei volle Tage mit zwei vollen Nächten durchgeschlafen. Selbst die Starrheit habe meinen Körper so sehr belastet, dass er nach wochenlanger Anspannung nun tagelange Entspannung fand. Ich erlebte eine herzerwärmende Phase des Auftauens, inmitten des Schlosses von Dion. So kalt war es gar nicht. Aber so weit weg. Ich lernte meine Retter kennen. Und beschloss, ein paar Tage die Kirche zu behüten. Iaskell und Yvaine wollten eine Reise machen. Die Übrigen zu befreien. Und eine kleine Auszeit zu nehmen. Ich gönnte es ihnen so sehr. Sie sind wunderspendend anzusehen. Das Gefühl zu beschreiben, sie so zu sehen, wie sie sind, kann ich nur annähernd.. durch die Erinnerung an zwei Spatzen. Die sich in der Kälte meine Krumen teilten. Schnabel an Schnabel rissen sie die einzelnen Teile entzwei. Es war kein gieriges Kämpfen, kein Nichtgönnen, kein Futterneid. Es war Gemeinsamkeit, war Einigkeit, war Zweisamkeit. Das Brot war eh zu groß.. für solche unschuldigen Wesen.
"Perfekte Männer gibt es an jeder Ecke", sagte Gott und formte die Welt mit mathematisch gesehen unendlich vielen Ecken.
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