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Arien- Kind der Sonne
#1
Arien - Kind der Sonne
"Arien!"
Als Holdwine der Bibliothekar seinen Laden betrat konnte er nicht mehr an sich halten. All seine Ordnung war zunichte und das in nur drei Tagen. Er seufzte tief und schaute sich um. Seine nach Themen und Alphabet geordneten Folianten und Pergamente waren durcheinander, die Federkiele standen bei den Kristallen statt an ihren üblichen Ort auf dem Pult und die Leitern standen mitten im Laden verstreut, als wären sie Werkzeug eines Spiels gewesen.
"Arien wo steckst du?!" Ungeduldig wartend stützte der alte Mann sich auf seinen gedrechselten Wanderstab. Der weiße Bart der ihm fast bis zu den Knien ging hüpfte ungeduldig auf und ab, als er mit den Mundwinkeln zuckte. Seine grauen Augen schweiften über den Raum in dem sich an allen vier Wänden Bücherregale und Truhen aus Nussholz stapelten. Fast mittig im Raum stand ein hufeisenförmiger Tresen, aus demselben Holz gemacht, mit verstreuten Pergamenten übersäht, der sich nach links zu einer Wendeltreppe hin öffnete. An der rechten Wand gab es sogar zwei Reihen Bücherregale mit einem kleinen Gang in der Mitte. Genau dorthin wendete der in braunen Leinen gekleidete Mann seinen Blick jetzt, und er bemerkte nicht wie auf der Wendeltreppe ein Schopf leuchtender, kupferfarbener Haare auftauchte, wieder verschwand und dann mit einem blassen, zierlichen Mädchen von etwa acht Jahren am untersten Ende der Treppe wieder auftauchte.

"Großväterchen!" Mit einem Aufschrei der Freude rannte das kleine Mädchen hinter dem Tresen hervor, umging stolpernd ein paar Leitern und stürzte sich mit offenen Armen auf den Mann.

Holdwines Zorn war verraucht als er Arien erblickte, wie sie strahlend auf ihn zu lief. Seufzend und mit einem Lächeln auf den Lippen, lehnte er seinen Stock an die Wand und umarmte das Mädchen, das ihn gerade bis an die Brust reichte. Glucksend und hüpfend umschlangen Ariens Arme ihren Großvater und er streichelte ihr zärtlich über das Haar.
"Ist ja gut Kind". Lachend schob er Arien weg um sie zu mustern dann wich sein Lächeln einem strengen Blick und er fragte:
"Sag mir Kind, was hast du nun schon wieder angestellt?" Die eben noch vor Freude strahlenden, reh- braunen Augen umwölkten sich und Arien sah sich suchend um. Dann erst schien sie zu begreifen. Die Hände auf dem Rücken verschränkt und den Blick zu Boden gerichtet gestand sie: "Ich habe ein Buch gesucht".
"So hast du das?" Holdwine zog erstaunt seine Augenbrauen hoch. Sie nickte eifrig.
"Ja das Buch über die Teleportation." Ich habe es nicht gefunden. Verängstigt und auf einen Zornausbruch des Alten wartend stand das Mädchen da aber nichts dergleichen geschah. Stattdessen legte Holdwine seine große Hand auf Ariens Schulter und sie sah zu ihm auf.
"Ich habe das Buch oben in meiner Kammer Kind." Sagte Holdwine und Ariens Hand klatschte gegen ihre Stirn.
"Ach, Großvater daran habe ich gar nicht gedacht!"
"Lass gut sein Kind, lass uns Essen und morgen räumen wir auf." Arien verriegelte die Tür, griff nach dem Wanderstab und folgte dem Alten die Treppe hinauf.
"Weißt du Kind, sagte Holdwine in ernstem Tonfall, manche Bücher sind zu wertvoll um sie im Laden herumliegen zu lassen." Beide betraten nacheinander die Küche und der Alte erstarrte.

Arien hatte ein Chaos von dreckigem Geschirr, Kartoffelschalen, Scherben und einigen bekleckerten Pergamenten hinterlassen. Ein kräftiger, schmackhafter Geruch stieg ihm vom Herd aus in die Nase und er seufzte.
"Dieses Kind wird sich nie ändern." Er lies sich auf einen Stuhl fallen, wischte die Pergamente beiseite, die mit Ariens krakeliger, schiefen Schrift beschrieben waren und sah zu wie sie den Tisch deckte und darauf schwankend den vollen Suppentopf platzierte. Das Kind leckte sich den Zeigefinger, an dem eine kleine Brandblase gerade anfing zu schwellen, aber bevor diese auch nur den Hauch einer Chance hatte auszuwachsen murmelte Arien
"Heile, heile!" Und die Verbrennung verschwand. Arien machte das schon so, seid sie sich mit zwei Jahren das erste Mal das Knie aufschlug und Holdwine erkannte ihr Talent. Sie hatten gemeinsam beschlossen das Arien in diesem Sommer ihre Kleriker Ausbildung im Tempel von Talking- Island beginnen sollte. Der Alte füllte sich und Arien auf, und begann dann zu essen, während er und Arien seine Reise nach Talking- Island und das geschehene der letzten Tage erörterten.

Nach dem sie gegessen und Arien ihm seine Pfeife gereicht hatte, begann er ein anderes Thema anzuschneiden.
"Wie du weißt Kind bin ich nicht dein richtiger Großvater und wir beide wissen nichts über den Verbleib Deiner Eltern. Ich gab dir deinen Namen als du erst ein paar Monate zähltest und taufte dich in Namen Indurons." Er zog an seiner frisch gestopften, entzündeten Pfeife und blies gemächlich den Trägen Rauch heraus.
"Weist du Kind, mich faszinierten damals die Elfen so sehr das ich dir einen ihrer Namen verlieh. Arien, das bedeutet Sonnenmaid." Arien lächelte vergnügt und hätte gern etwas gefragt, doch sie wusste, dass es besser war den Alten von alleine weiter reden zu lassen.
Der Alte räusperte sich und zog etwas aus seiner Tasche hervor. Es war ein Handgroßer Kubus, aus einem ihr unbekannten, blau schimmernden Holz. Die Ecken waren mit filigranen, fremdartigen Runen und Schwertlilienmotiven aus Adamant und Gold verziert. Begierig diesen kleinen Kubus in ihre Hände zu nehmen streckte sie diese instinktiv danach aus. Holdwine legte es bereitwillig in ihre zierlichen, langgliedrigen Finger und begann zu erzählen.
"Dieser Würfel lag in dem Korb, in dem du gelegen hast mein Kind. Deine Eltern müssen gewusst haben, dass ich seinen wahren Wert für dich zu schätzen weiß und ihn dir eines Tages überlasse. Und heute ist dieser Tag." Arien begann gierig diesen Würfel zu untersuchen, er war ohne fehl, perfekt und hatte nicht die geringsten Spuren von Abnutzung oder gar ein Zeichen dafür wozu er gut war. Sie klopfte vorsichtig daran und er schien hohl von innen zu sein. Vorsichtig schüttelte sie daran und der Würfel vibrierte und ein leises Klingen war zu hören. Kein Schloss keine Öffnung noch irgendein Zeichen wie er seinen Inhalt offenbaren würde war zu erkennen. Neugierig und die entscheidende Frage auf den Lippen sah sie den Alten an und als sie gerade den Mund aufmachen wollte sprach Holdwine zu ihr:
"Ich weiß nicht was das ist Kind, noch was seine Zeichen bedeuten. Ich habe viel gerätselt, Bücher gewälzt und viele Leute danach befragt. Doch Niemand wusste eine Antwort." Enttäuschung glitt über Ariens Gesicht doch dann lächelte sie zuversichtlich.
"Du meinst nur ich bin dazu bestimmt seine Herkunft zu erfahren richtig Großvater?" Holdwine zog an seiner Pfeife und nickte. Ja Kind aber nicht heute. Der brennende Blick ihrer Augen erlosch und sie fügte sich.
"Du hast recht Großvater, lass uns um den Abwasch losen!"

Der Aufbruch

Arien Blickte zurück. Ein mulmiges Gefühl durchzuckte ihren Brustkorb. Das Frühjahr war schnell vorüber gegangen und es war nun Zeit für sie ihre Ausbildung anzutreten. Der Buchladen indem sie ihre ganze Kindheit verbracht hatte, und der immer ihr einziges Zuhause sein würde, lag friedlich in den ersten Strahlen des Sonnenlichts und das kupferne Schild mit Feder und Tintenfass geprägt, blitzte ihr wie zum Abschied zu. Dann bogen sie um die Ecke.

Arien sah zu Holdwine auf. Sie spürte daß der Alte Mann, ihr Großväterchen noch nicht reden wollte. Seine Augen glänzten feucht und das machte ihr schmerzlich bewusst, daß sie auch den alten Mann eine lange Zeit nicht mehr sehen würde. Sie traten aus der Stadt und folgtem dem Weg zum Hafen. Die Möwen begannen durch ihr Kreischen das Lied der kleinen Vögel zu übertönen, die ihr beim heraustreten in die Morgenluft noch so das Herz erfreut hatten. Hier am Hafen hatte sie oft mit den Kindern der Fischer gespielt und geangelt. Nun hoben sich, wie drei schwarze Kreuze auf dem roten Grund des Himmels die Masten des Schiffes ab, welches sie nach dem Eiland der sprechenden Insel tragen sollte. Zögerlich ergriff Arien Holdwines Hand. Sie musterte neugierig und scheu die anderen Passanten die an diesem Morgen das Fährschiff besteigen sollten. Es waren überwiegend handelnde Bauern die für ihre Erträge, hier in Gliran wohl gute Preise erzielt hatten. Ein junges Mädchen etwa in Ariens alter hielt ihren Blicken stand. Sie hatte golden schimmerndes langes Haar und trug elegante blaue Kleidung aus Seide. Nicht so wie ihr hellblaues Leinenkleid das schon an so manchen stellen geflickt war, weil ihr übermut sie auf die höchsten Bäume trieb. In den Händen hielt das Mädchen einen Hut der vom Seewind sicher weggeweht wurde, hätte diese ihn aufgesetzt. Das fremde Mädchen rümpfte die Nase und sprach, so vermutete Arien zu einer Gouvernante.
Arien fühlte sich an der Schulter gepackt und aus ihren Gedanken gerissen. Sie wurde herum gezogen. Holdwine kniete sich vor ihr hin und sah ihr in die reh-braunen Augen die sich ebenso wie seine mit Tränen füllten. Mit seiner tiefen freundlichen Stimme empfahl Holdwine ihr:
"Bis zum Winter erwarte ich das du eine gute, folgsame Schülerin bist. Ich vertraue in deine Künste mein Kind." Arien biss sich auf die Unterlippe. Ihr Schluchzen notdürftig unterdrückend sah sie ihr liebes Großväterchen mit dem dicken Rauschebart und den hellen freundlich blitzenden Augen an. Sah sein vom Abschiedsschmerz erfülltes, stolzes Gesicht auf ihr ruhen und heisse Tränen begannen ihre Wangen herunter zu laufen und den Stoff ihres Kleides zu tränken.
"Ich werde mein Bestes geben Großväterchen." Schluchste Arien und viel ihm in die Arme. Holdwine fing das Kind auf und drückte es, seine eigenen Tränen nun nicht mehr verbergen könnend an sich. Beide flüsterten sich Worte des Abschied zu und ermahnten sich gegenseitig auf sich acht zu geben. Das dröhnende Horn der Fähre erscholl ein zweites Mal und Großvater und Kind lösten sich voneinander. Arien betrat das schwankende Deck des Schiffes und begann zu winken.
"Ich hab dich lieb Großvater!" Rief sie ihre letzen Worte die der Wind noch zu ihm trugen, ehe die Segel sich blähten und das Schiff ablegte. Lange, nachdem die Fähre schon abgelegt hatte stand Holdwine noch da, und als die Fähre ausser Sicht war drehte er sich um und stützte sich auf seinen Stab. Langsam machte sich der Mann, der auf einmal so gealtert schien auf den Weg in seinen Laden.

Ankunft auf der Sprechenden Insel
Müde schob sich Arien mit den anderen Passagieren von Bord. Die Sonne hatte den Zenit schon längst überschritten. Sie sah sich um.
Vor ihr tat sich eine neue Welt auf. Die Kleine Insel, so schien es dem Mädchen, stellte sich in ihrer vollen eigentümlichen Schönheit da. Die Wellen schlugen gegen den Pier und der Hafenmeister begutachtete die mitgebrachten Waren. Von überall her Drang Vogelgezwitscher aus den Bäumen und ein warmer Seewind spielte mit ihren roten Haaren. Ein Mönch und eine junge Priesterin standen am Strand und hielten ausschau.
Arien umfasste ihren Beutel hob ihn auf die Schultern wie sie es von den Seeleuten abgeschaut hatte und ging auf die Beiden zu. Ihre Hand fasste in einen braunen Samtbeutel an ihrem Gürtel den Holdwine ihr vor dem Tag der Abreise geschenkt hatte. Hervor kam ein Sorgfältig zusammengerolltes und versiegeltes Pergament. Arien schaute auf das Siegel des Ladens indem sie ihre Kindheit verbracht hatte. Sie seufzte tief.
Bei der Priesterin angekommen Grüsste sie diese und stellte sich vor. Dann übergab sie ihr das Empfehlungsschreiben und wartete. Das blonde Mädchen von der Fähre ging auf den Mönch zu übergab ebenfalls ein Schreiben das mit dem Wappen eines Adelshauses versiegelt war und watete mit allen Künsten der Etikette auf. Bewundernt betrachtete Arien das Mädchen und schämte sich ihres Auftretens immer mehr. Sie lies ihren Reisebeutel von den Schultern gleiten und errötete. Noch vier weitere Kinder in ihrem Alter kamen hinzu ehe sie aufbrachen. Es waren alles Jungen. Sie kamen an dem Tempel Indurons an, noch ehe Ariens Neugier gestillt war. Sie fragte nach allem. Jedes Haus jede Person musste man ihr erklären und sie prägte sich alles ein.
"Meine Güte man könnte ja meinen dieses Gör sei im Leben noch nicht gereist!" Empört musterte das blonde Mädchen sie, die sich dem Mönch und der Priesterin als Tessa – Emilia von Pruneck vorstellte.
Arien errötete und nickte nur als die Priesterin verdutzt zusah und nicht wenige von den Jungen sie hämisch angrinsten. Arien wusste, in diesem Moment das sie in ihrer Ausbildung einen schweren Stand haben würde.

Die Ausbildung

Und so kam es wie es kommen musste. Den ersten Sommer lang war sie der Liebling ihrer Lehrmeister in allem war sie Aufmerksam, sie lernte schnell und übertrumpfte die anderen Klerikerschüler um längen.
Doch nach ihrer Rückkehr im darauf folgenden Frühjahr veränderte sich alles. Arien wurde immer ungeschickter. Oft hatte sie blaue Augen, die nicht selten daherrührten das die Jungen sie im Auftrag Tessa – Emilia´s schlugen und demütigten. Dies so viel Arien bald auf war immer dann der Fall wenn sie Tessa- Emilia in das Abseits drängte. So wurde sie immer ungeschickter und vergesslicher und bald kümmerte sich niemand mehr um sie.
So viel es erst auf als der Abtist, der Hohepriester des Tempels Indurons sie alle nach Vollendung des 16 Lebensjahres zur ersten Weiheprüfung antreten ließ.

Dicke schwere Eichentüren, verziert mit Gebotstafeln und von geflügelten Propheten aus Sandstein gesäumt, taten sich vor jeden Einzelnen auf und schienen ihn in ein höheres Reich zu geleiten. So jedenfalls schien es der jungen Frau die Arien nun war. Sie stand möglichs unauffällig in einer schattigen Ecke des Vorzimmers und versuchte nicht zu den vier jungen Männern zu sehen die auf den mit rot gepolstertem Samt bezogenen Stühlen saßen und sich unerhielten. Fritz, Nick, David und Jasper waren Tessa- Emilia´s grösste Anhänger. Es gab nicht einen der nicht alles für sie tun würde. Tessa – Emilia hatte sich zu einer üppigen Schönheit entwickelt. Ihr Haar blieb lang und lockig und mit ihren blauen, verschlagenen Augen so schien es Arien, konnte sie jeden bezirzen. Sie war Induron sei Dank nicht Anwesend denn wie immer musste sie an erster Stelle stehen.

Arien berührte ihre Lippe die an einer Stelle aufgeplatzt war. Den Mönchen hatte sie wie immer erzählt sie sei gestolpert und achja diesmal war sie gegen die Kante des Brunnens gefallen. Das durfte sie nicht vergessen wenn die Mutter Oberin sie diesmal beim Abendessen fragen würde.

Die Tür schwang auf und eine zornige Tessa – Emilia die anscheinend geweint hatte stapfte, sehr unelegant heraus und würdigte sie keines Blickes.
"Das wird sich nacher ändern!" Dachte Arien betrübt und sah zu wie Nick als nächstes den Raum betrat. Die Türen schlossen sich.
Nach einer halben Stunde spiehn sie ihn so schien es förmlich wieder aus und er lief so schnell er konnte durch den Warteraum hinaus an die frische Luft. Die übrigen Jungen sahen ihn verdutzt nach und unsicher stand Jasper auf der nun an der Reihe war und schritt durch die Tore zur Hölle wie es ihm schien.
Was ihm im innersten erwartete konnte keiner der draußen wartenden erahnen, er jedoch kam mit ruhiger Miene und einem freundlichen zwinkern zu den anderen Jungs wieder herausstolziert. Arien sah er auf diese eigenartige Art an wie er es immer tat. Sie fühle sich vor seinen scharfen grünen Augen blossgestellt und senkte demütig den Blick. Fritz und auch David schien es nicht anders zu ergehen wie Nick und Tessa- Emilia. Er stolperte aus der Tür fauchte Arien an:
"Geh mir aus dem Weg Dirne!" Obwohl diese nicht einmal annähernd im Wege stand. Dann war der Raum leer. Arien richtete sich auf. Ihre kleine zierliche Gestalt mit den großen verunsicherten Augen und der kleinen Stupsnase, liessen sie immer noch wie ein Kind aussehen, obwohl sich schon weibliche Rundungen an ihrem Körper abzeichneten. Ihr kurzes Schulterlanges Haar viel ihr in das Gesicht und mit schlotternden Knien, nicht wissend was sie erwartete begab sie sich in die Höhle des Löwen.
Die wie es schien recht behaglich war. Im grossen Kamin hüpfte ein angenehmes Feuer, die großen Fenster liessen die ersten Frühlingsstrahlen hinein in denen die Staubkörner nur so tanzen. Vor ihr, an einem grossen alten Eichenschreibtisch saß Hohepriester Domenicus der sie aus strengen, freundlichen Augen ansah. Erleichtert atmete Arien aus. Offenbar hatte sie schlimmeres erwartet.


Prüfung des Herzens

Nun Ariena, sag mir wo du diese Wunden her hast?
Er deutete auf die aufgeplatzte Lippe und die Prellungen an ihren Handgelenken.
Seufzend senkte Arien den Kopf und spulte ihre zurecht gelegte Ausrede herunter.
Sie wartete eine weile bis Domenicus zu sprechen anfing.
Deine Aussage stimmt mit denen Deiner Lehrer überein. Hier steht du seist ungeschickt und vergesslich.
Prüfend sah er sie an.
Wenn dem so ist Ariena Federstein, kann ich Dich nicht zur Prüfung zulassen.
Geschockt blickte sie auf und sah Domenicus an.
Nicht zugelassen? stammelte sie verzweifelt.
Ihr Körper begann zu zittern, aber sie hielt ihre Tränen diszipliniert zurück. Wut machte sich in ihr breit. Nicht Wut auf Tessa-Emilia, sondern Wut auf sich selbst. Sie erkannte das sie sich selbst in diese Position gebracht hatte. Sie war eine gute Heilerin, sie konnte alle Zauber und war stets darum bemüht ihren Gott zu ehren...Doch hatte sie selbst die nötige Ehre? Hatte sie nicht selbst versäumt zu zeigen das sie es wert war, dass man an sie glaubte? Warum nur hatte sie die Wunden offen zur schau gestellt. Wollte sie Mitleid erwecken oder war es die Angst das neue Wunden hinzugefügt würden, die sie nie wieder heilen konnte? Doch die Wunden waren schon da. Sie hatte die ganze Welt belogen, gegen die Gesetze ihres Gottes verstoßen. Sie hatte es nicht verdient. Sie war eine Versagerin. Doch das schlimmste war, sie hatte sich selbst betrogen. Betroffen über ihre Erkenntnis blickte sie in das Gesicht des alten Mannes. Entschlossen umklammerte sie den Talisman ihrer Eltern. Der Würfel fühlte sich kühl in ihren Händen an und das Holz schmiegte sich glatt in ihre Haut.
Ihr habt recht, ich bin nicht so weit um eine gute Klerikerin zu werden. Ich habe mich selbst und andere belogen. In meinem Herzen lebt der Verrat an mich selbst.
Seufzend blickte sie aus dem Fenster. Es tat gut die wärme des Lichtes auf ihrem Gesicht zu spüren. Sie wischte sich über die Lippe und ihre Wunde verschwand augenblicklich. Sie öffnete die Augen erst wieder als die Stille der Erkenntnis durch ein knackendes Geräusch an der Fensterscheibe durchbrochen wurde. Ein kleiner Spatz lag zuckend auf dem steinernen Fenstersims und wand sich in seinen Qualen. Hastig öffnete sie das Fenster und griff nach dem Vogel, doch es war kein Herzschlag mehr zu spüren. Dominicus erhob sich mit gerunzelter Stirn und trat auf die junge Arien zu als diese in einem sakralen Licht zu schweben begann. Ihre Augen waren geschlossen und der zuckende Vogel lag noch in ihren Händen. Schweiß lag auf ihrer Stirn und als sie die Worte des Lebens vollendete, flog der Vogel hastig davon in den blauen Frühlingshimmel.
Was hast Du getan Kind?! Domenicus stand hinter ihr, noch rechtzeitig um sie aufzufangen.
Erschöpft sackte sie zusammen ein Lächeln auf ihrem Gesicht. Ich..habe nicht gedacht, dass, dass es so schwer sein würde. Seufzend atmete sie aus und schloss die Augen.

Die Formel des Lebens

Sie erwachte am nächsten morgen als der Gesang der Vögel ihren Höhepunkt erreichte. Ihre Glieder schmerzten und in ihrem Kopf dröhnte der Gesang der Vögel wie ein Echo. Als sie die Augen öffnete, flimmerte es und die Kopfschmerzen nahmen zu. Das Licht stach ihr in die Augen, ehe sie diese wieder schloss. Sie war in ihrer Kammer. Stöhnend wandte sie sich auf die Seite und krümmte sich zusammen. Die Erinnerungen schossen ihr durch den Kopf und hinterließen einen dröhnendes Klingen, wie als würde eine Hand voll Kupferadena auf den Kopfstein fallen. Ihr Herzschlag pulsierte durch den Körper und doch fühlte er sich das erste Mal befreit an. Als würde er mit aller Gewalt darauf aufmerksam machen, dass sie wieder sie selbst war. Es brauchte noch zwei Tage Bettruhe und gute, kräftige Hühnerbrühe ehe sie aufstehen konnte.

In dieser Zeit bekam sie nur die Apothekerin des Ordens zu sehen. Aber sie sprachen nicht über das Geschehene. Vielleicht war alles nur eine Fantasie? Ein Lügengespinst welches ich mir selbst eingeredet habe.
Seufzend saß sie auf der Bettkante und zog sich die Schuhe an. Fanni die Apothekerin würde gleich hereinkommen und sie zu dem versprochenen Erholungsspaziergang mitnehmen. Sie errötete. Es war rührend wie diese Frau sich um ihre Patientin kümmerte. Immerzu lächelte sie und war nachsichtig mit ihr, wenn sie sich weinend auf dem Bett schüttelte und immer wieder den selben Satz einer Formel ihres schlechten Gewissens nach sprach
Ich bin eine Lügnerin, ich bin eine Lügnerin...ich bin eine Lügnerin!
die Tränen herunter schluckend, ballte sie die Fäuste in ihrem Schoß. Sie hatte es sich selbst zu zuschreiben, ja sie hatte es verdient. Seufzend stand sie auf und öffnete die Fenster. Es klopfte. In der Erwartung Fanni zu sehen öffnete sie die Tür, doch statt der Apothekerin stand Dominicus vor ihr.
Zeit für einen Spaziergang Ariena. sagte er lächelnd und ging voraus.

Sie verließen alsbald die kühlen Mauern des Klosters und traten hinaus in den Garten, wo Apfel, Birne und Pflaume gerade in ihrer vollen Blüte standen. Gierig sog Arien die vom Duft der Blüten geschwängerte Luft ein. Sie legte die Hand über ihre Augen um im Sonnenlicht besser sehen zu können. Das Gezwitscher der Vögel und das Summen der Insekten durchbrach die warme Luft und es schien ihr als würde eine zentnerschwere Last von ihr fallen, als sie aus dem Schatten der Gemäuer trat. Für einen Moment fühlte sie sich von allen Sorgen befreit und Schritt leichtfüßig hinaus. Sie gingen so eine weile, ehe sich Dominicus, auf seinen Stock gestützt auf einer steinernen Bank niederließ.
Hach, ich lebe nun schon so lange, doch nie konnte ich vom Anblick dieser Laune der Natur genug bekommen.
Er lächelte Arien an und klopfte auf die Bank, dass die junge Novizin sich setzen sollte. Schweigsam und mit Schatten unter den Augen setzte sich das blasse Mädchen und blickte zu Boden.
Wir können vieles Heilen junge Novizin doch der Anblick der Natur ist das einzige was den Schatten von unserer Seele zu nehmen vermag. Sag mir, wo hast Du die Formel des Lebens gelernt?
Arien legte die Hände auf die zusammen geschobenen Knie und blickte hinauf in die Kronen des Birnbaums wo munter ein paar Vögel zwitscherten. Spatzen um genau zu sein. Sie lächelte ein paar Sekunden versonnen, als ob sie die Antwort hinaus zögerte.
Ich war vor zwei Monaten im Lazarett eingeteilt. Ich musste zur Strafe weil ich ein paar Blumenkübel umgestoßen hatte, die Bandagen bleichen und im Kräuterbad desinfizieren. Sie brachten einen verwundeten Wächter hinein, er hatte einen wilden Eber im Hinterhof des Gasthauses aufgestört, als dieser die Abfälle durchwühlte. Wir taten was wir konnten doch es waren zu viele innere Wunden um mit dem heilen hinterher zu kommen. Es blieb dem Heiler nichts anderes übrig den Zauber des Wiedererweckens zu weben, als der Wächter in die Welt des ewigen Schlafes sank. Ich muss ihn mir eingeprägt haben Hohepriester, anders vermag ich mir nicht, mein Handeln zu erklären. Der Zauber sog das Leben aus mir heraus, das begriff ich als ich dem Vogel versuchte zu helfen. Damit hatte ich nicht gerechnet, aber es war wohl genug für uns beide da, so schien es mir.
Wie auf ein geheimes Zeichen flog einer der Spatzen vom Baum herab und landete auf Ariens Fingern. Sie schauten sich in die Augen und das Mädchen lächelte müde.
ich bereue nicht das ich es getan habe Hohepriester, jedes Leben ist es wert gerettet zu werden.
Sie sah den alten Mann mit ruhigen Augen an. Der Vogel flog auf und verschwand in der Schar der anderen Spatzen. Der alte Mann schaute den Spatzen zu und wendete sich schließlich zu Arien.
Es tut mir Leid das Du hier so unglücklich bist Kind, ich kenne Deinen Großvater gut und ich weiß das er große Hoffnungen in Dich steckt. Lügen ist keine gute Tugend mein Kind, aber so manches mal hat man damit Andere vor dem Tode bewahrt. Du hast deine Tollpatschigkeit vorgeschoben um dich und andere zu beschützen. Dennoch, hier behalten mag ich dich nicht.
Unfähig ein Wort zu sagen saß Ariena da, ihre Hände vergruben sich Krampfhaft in den Falten ihrer Robe. Ein leises Schluchzen war aus ihrem Mund zu hören. Domenicus lachte,
nun beruhige dich Kind. Ich habe keinesfalls vor dich aufzugeben. Ich werde dich nach Gludio fort schicken. Dort wirst du noch ein paar Monate lernen ehe du zum Kleriker geprüft wirst.
Ariena Federstein wollte die Welt umarmen so glücklich war sie. Endlich konnte sie fern der Anderen ihren Weg gehen. Sie musste Tessa- Emilia nie wieder sehen. Doch der erste Anflug von Erheiterung legte sich als sie den Hohepriester sah.
Das bedeutet auch, dass du deinen Großvater einige Zeit nicht mehr sehen wirst Kind.

Betrübt nickte sie und schaukelte verlegen mit den Beinen hin und her.


Der Neubeginn

Am nächsten Morgen begann Arien ihre Sachen zu packen. Als sie gerade dabei war ihre Notizen die sonst wüst im Zimmer herum lagen in den braunen Samtbeutel ihres Großvaters zu stopfen, flog die Türe auf und ein vor Zorn bebender Jasper stand darin.
Ist es war?
Er ging in großen Schritten auf sie zu und packte sie grob an den Schultern.
Du gehst fort!?
Mit einem Ruck befreite sich Arien aus dem Griff, stolperte und stürzte gegen die Bettkante. Der große schlanke Junge stand mit verschränkten Armen vor ihr und starrte sie wütend an.
Sag schon, ist es war?
Arien rieb sich den Kopf und nickte. Ihr Gesicht schimmerte rot vor Wut, die sich in ihr breit machte.
Ja, ich gehe fort. Weg von hier und euch arroganten Schnöseln. Ihr könnt mir nichts mehr tun.
Jasper lachte höhnisch.
So kann ich nicht?
Wie um seine Frage zu beantworten kniete er sich auf ihre Oberschenkel und hielt sie an den Handgelenken fest. Sein Griff schmerzte und Arien erschrak als sein Gesicht sich nahe über ihres beugte und ihr einen groben Kuss auf die Lippen drückte. Vor Angst wurde sie blass aber er lies von ihr ab und stand auf.
Ich werde dir folgen Arien, glaub nicht das du mich das letzte mal gesehen hast!
Sichtlich verwirrt stürzte Jasper aus dem Raum sein schwarzes Haar stand zerzaust vom Kopf ab. Arien blieb verwirrt und eingeschüchtert zurück. Panik ergriff sie und sie stand auf und begann hektisch ihre Sachen in ihren Seesack zu stopfen, den ihr ein Matrose einst geschenkt hatte. Durch die offene Tür drangen Stimmen aus dem Flur zu ihr heran, aber sie verstand die Situation erst später.
Was machst Du hier?
Tessa- Emilias Stimme hallte unangenehm durch den Flur.
Das geht dich nichts an Tessi, lass mich bloß in Ruhe!
So war Jasper noch nie mit ihr umgegangen. Bislang hielt er sich immer still im Hintergrund wenn die Anderen versuchten Arien zu schikanieren. Es schien gerade so als verehrte er Tessa. Er schien immer leicht hin fröhlich und gut gelaunt. Oft brachte er die Anderen zum lachen und zog die Aufmerksamkeit auf sich. Darüber war Arien oft froh, auch wenn er mit ihr immer grob umgegangen und gesprochen hatte, so war es meistens eine Gelegenheit für sie zu entkommen.
Sprich nicht so mit mir oder..
Oder was Tessa? Holst du deine Prügelknaben und machst mich zum neuen Opfer?
Höhnisch unterbrach er sie, doch schwang da Unsicherheit mit in der Stimme? Arien konzentrierte sich wieder auf ihre Pergamente und vergaß den Rest des Gespräches recht bald, bis ein Schrei durch den Flur hallte. Heulend rannte Tessa-Emilia über den Flur und blieb vor Arien ihrer offenen Tür stehen.
Das ist alles deine Schuld du Dirne!
Ihre zarte Wange war rot und glühte auf dem blassen, vornehmen Gesicht. Ihr blondes, lockiges Haar hing ihr wild in das Gesicht. Sie sah hübsch aus wenn sie so trotzig war.
Meine Güte, man könnte ja meinen du seist im Leben noch nicht geschlagen worden! konterte Arien grinsend und knalle der verblüfften Tessa die Tür vor der Nase zu.
Das tat gut.
Erleichtert sank sie auf die weiche Matratze aber schon bald nagte das schlechte Gewissen an ihr. Sie war einfach nicht so stark um gleichgültig zu sein. Widerwillig erhob sie sich und verließ ihr Zimmer. Mit einem Seufzen klopfte sie an Tessas Tür doch niemand war da.
Wahrscheinlich wird sie sich bei Nick ausweinen. dachte sie bei sich und ging zurück.

Und richtig als sie wieder in ihrem Zimmer war und aus dem Fenster blickte sah sie Tessa-Emilia wild gestikulierend mit Nick im Hof stehen. Er lehnte lässig an einem Baum und fuhr sich nachdenklich durch die Haare. Als Tessa geendet hatte, packte sie Nick an der Robe und zog bittend daran. Doch er schüttelte lachend den Kopf und lies Tessa stehen. Anscheinend war ihre Ära heute zu Ende.
Arien lies den Kopf in den Nacken fallen und schloss die Augen einen Augenblick. Vielleicht würde ja doch noch alles gut?

Am späten Nachmittag legte das Schiff nach Gludin ab, von dort würde sie sich einer Handelskarawane nach Gludio anschließen um ihre Ausbildung fortzusetzen. Was sie wohl noch alles erwartete?


Fortsetzung folgt...
=°_°= Oonevia Rune
= -_- = Neneliel Garden of Eva
=^_^= Ariena Giran
=^.~= Celerian Orthae Earithin
=^.^= Kurinwe Geschichtenerzählerin Orks
=*_*= Nefea Kam Ha
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#2
Arg!! Wie kannst du nur mitten drin aufhören!? 8o
Schnell fortsetzen bitte ich will wissen wie es weitergeht Big Grin

Wie immer eine sehr schöne Geschichte die gut und angenehm zu lesen ist.
Yathallar d' udossta ultrine Quar'valsharess Shilen
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#3
Hoarrh, jetzt war die Maya schneller >.< …^^ - Sei ehrlich, Du gierst förmlich nach der Episode, wo die Spinnen anfangen zu krabbeln. xD

Ich hatte das Vergnügen, den Anfang schon im alten Forum zu lesen.
Es versteht sich von selbst, dass ich sehnsüchtig darauf warte, wenn eine stolpernde Arien mal wieder mit Büchern nach Aadie wirft (war echt supi das Emote am Sonntag, muss heute noch lachen Big Grin )
---------------------
Getötet im RP:
Aadieson - † 21.04.2007

Auf Eis:
Abgondrafn Syonisthil
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#4
Erwischt Big Grin Wink
Ja ich bin schon sehr gespannt wie es weiter geht vorallem aber auch um zu erfahren was danach passierte. Ich hab das ja leider nichtmehr verfolgen können und fände es toll wenn ich das hier nachlesen könnte.
*Nebelkatze pieks* Bitte schnell weiterschreiben! Big Grin

Übrigens Divo und Maya kabbeln sich immernoch um den Würfel *grinst* Big Grin
Yathallar d' udossta ultrine Quar'valsharess Shilen
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#5
Wirklich schön geschrieben... und nicht gerade wenig Smile
[Bild: 1.jpg]
Let me be your armor, let me be your shield!
Ohne Mut gibt es keine Freiheit!
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#6
Aadieson *mit Finger droht* höhr auf von den Spinnen zu
erzaehlen da schüttels mich noch immer.

Aber nun weis ich ja endlich mehr über Arien. Schreib ja schnell weiter(die Spinnen kannst du von mir aus weg lassen)
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#7
Sehr schön geschrieben! Mir gefällt der Char sehr gut und ich hoffe es geht bald weiter. =)
Zeit verwundet alle Heiler
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#8
Sooo nach zwei Jahren habe ich endlich mal weiter geschrieben. Mich hats heute mal wieder gepackt. Viel Spass beim lesen...und nein Spinnen sind noch nicht an der Reihe. =^.^=

Edit: Achja den neuen Teil hab ich grün gefärbt damit ihr weiterlesen könnt.
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#9
hach, immer wieder schön von der kleinen liebenswerten ariena zu lesen.

für mich selbst nicht besonders spannend, ich würde sagen ich bin eher interessiert an dem was da noch so kommt Smile
auf jeden fall gut zu lesen, ich würds kaufen ^^
[Bild: nesturion_2.jpg]
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