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Caitlyn - ihr Weg.
#1
Prolog
Noch im Dienste der Dioner Garde


Nachdem sie sich mit einem ausführlichen Patroullieritt vergewissert hatte, dass in Dion und Floran keine Gefahr drohte, machte sie sich auf nach Rune. In der Handelsstadt Giran tauschte sie den altersschwachen Zausel gegen einen Reitwolf, eine Hündin mit hellgrauem Fell und Augen, die deutlich sprachen, dass hinter dem verlässlichen Charakter des Tieres noch etwas anderes lauerte - das Raubtier, das ein Wolf nun einmal war.

Der Ritt gen Rune verlief ruhig. Angekommen dort gab sie den Reitwolf im Stall ab, drückte dem Burschen dort ein paar Goldtaler in die Hand, so dass er sich gut um den Wolf kümmern mochte. Dann brach sie zufuß wieder auf, umlief die Stadt, auf der Suche nach jenen merkwürdigen Vorkommnissen. Doch der Himmel blieb trocken. Kein Blut regnete aus den rubinfarbenen Wolken und auch kein Nebel zeigte sich.

Der Zwischenfall ereignete sich, als sie die Stadt fast wieder erreicht hatte. Ein einer Furt machte sie Halt, um etwas Wasser zu trinken, als sie urplötzlich die lauernde Kälte einer Klinge am Hals fühlte. Caitlyn erstarrte, bis sich der Druck soweit lockerte, dass sie langsam aufstehen konnte. "Wen haben wir denn da?" Sie kannte diese Stimme und sie bedeutete nichts Gutes. Langsam löste sich das Metal von ihrer Halsschlagader und sie trat zwei hastige Schritte zurück, um den Gegenüber zu mustern. Die zweite Hand des -wohl bekannten- Fremden lag am Wurfdolch, so rührte Cait die Hellebarde am Rücken nicht an - so auch nicht die Zwillingsklingen, die etwas versteckt unter dem Mantel befestigt waren. Sie wusste, wie verdammt schnell der Assassine war.

Der Gegenüber musterte sie aus kalten, jedoch süffisant und.. gierig funkelnden Augen. Er hatte sich kaum verändert. Die breiten Schultern, welche so täuschend von behäbiger Kraft und nicht von Schnelligkeit deuteten, die breiten, markanten Wangenknochen unter dem langen, aschblonden Haar. Auch die harten schwarzen Augen waren die Selben, die in dem täuschend jugendlichem Gesicht funkelten - zuletzt die Narbe, die über dem rechten Auge begann, das Gesicht zweiteilte und links neben den schmalen Lippen endete ließ eine Verwechslung ausschließen. Cait kannte diese Narbe - stammte sie doch von einem ihrer Schwerter. Doch eigentlich hatte sie ihn bereits an der kühlen, schneidenden Stimme erkannt. Sie waren sich beide so ähnlich, dass sie sich lieben müssten - würden sie sich nicht bis aufs Blut hassen. "Kasham!"

"Man munkelt, das Kopfgeld auf dich wurde weiter erhöht?" Er steckte den Dolch langsam weg, blieb jedoch in jeder Faser seines Körpers weiterhin gespannt. Caitlyns Blick verfinsterte sich. "Mädel, der Galgen wartet. Du hast einen Mann der Garde getötet." Cait straffte sich kaum merklich. "Ich richtete den Schänder meiner Mutter." "...welche ohnehin für jeden im Dorf die Beine breit machte. Sei nicht albern. Einer mehr oder weniger, welche Rolle spielte das denn noch?" Eine Hand Caitlyns wanderte über ihren Rücken nach hinten, Richtung der Schwerter. Doch der Gegenüber sah dies, schürzte abfällig die Lippen. Natürlich wusste er, dass die Waffen dort versteckt waren. Er kannte sie. Vermutlich besser als jemand Anderes. Und er hätte sie längst töten können. So wie unzählige Male zuvor. Dieser Mann war mit dem Dolch in der Hand zur Welt gekommen. Wenige waren schneller, wendiger... gefährlicher - wie eine Klapperschlange sie sich vor ihrer Beute aufstellt, um blitzartig zuzuschlagen. Er würde zuschlagen. Und er würde treffen.

Dennoch... gab es etwas zwischen ihnen. Ein Geheimnis, das es verbot, die Vogelfreie einfach zu meucheln. Er würde sie besiegen. In einem fairen Kampf. Und er würde sie ausliefern. Oder sie würde siegen. Und wäre frei - bis er ihr abermals auflauerte. Ein Jahrelanges Hin- und Her. Konnte er sich nicht auf seine stärksten Waffen verlassen - dem Hinterhalt, der Tücke, der Überraschung - war sie ihm überlegen. Und genau das war es, was ihn reizte, diesen Jahrelangen Kampf weiter zu führen. Das unsichtbare Band, was sie verband... die Gewissheit von ausgerechnet IHR geschlagen zu werden... Er musste besser werden als sie. Erst dann würde sie sterben.

Langsam ging er in die Hocke, löste einen Wurfdolch nach dem Anderen aus den Stiefeln, eben jene von den Schultern - die beiden Hauptdolche vom Gürtel. Es gab kein Gleichgewicht in diesem Kampf, mit jenen Waffen. Caitlyn tat es ihm gleich, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Die Hellebarde und die beiden Schwerter wanderten in den Sand zu seinen Dolchen. Dann trat sie gute sechs Schritte zurück. Er folgte ihr langsam, lauernd durch den tiefen, weißen Sand der Furt an den Rand des Waldes der lebenden Toten heran.

Sie sah den ersten Schlag nicht kommen. Beraubt seiner Waffen setzte nicht vorraus, dass jener Mann fair kämpfte. Sie wich aus, als sie die Faust schon direkt vor sich sah. Der Luftzug sirrte an ihrer Wange vorbei, ließ ihr jedoch nicht die Zeit für einen Gegenangriff. Der nächste Schlag folgte dem Ersten direkt und traf. Sie schmeckte Blut, setzte jedoch direkt zum Gegenschlag an. Er würde ihr keine Zeit zum Erholen geben. Auch ihr Schlag traf, dennoch musste sie sofort einer weiteren Faust ausweichen.

Der Kampf währte lange. Beide sahen alles Andere als gut aus - etliche Hämathome zierten die schmalen Wangenknochen Caitlyns, die Lippe war bereits so angeschwollen, dass ein Reden kaum möglich war und hinterließ eine hässliche Blutspur aus einem kleinen Schnitt von außen über Kinn und Hals. Die Wunden in ihrem Mund ließen sie zweifeln, je wieder etwas anderes zu schmecken als Blut.

Doch auch Kasham sah nicht besser aus. Das linke Auge schwoll bereits zu - seine Lippe bot ein ähnliches Bild wie die seiner Gegenüber und die alte Narbe war über dem rechten Auge wieder aufgeplatzt und hinterließ ein groteskes Blutmuster auf dem Gesicht des Mannes, welches sich mit dem Blut der scheinbar angeknacksten Nase vermischte.

Beide taumelten nur noch aufeinander zu vor Schwäche. Caitlyn sah beinahe durchgängig weiße Blitze auf dem einen Auge - Kasham sah auf dem rechten Auge kaum noch irgendetwas, da ständig während Blut hinein lief. Doch sie standen noch - und würden dies vermutlich solange tun, bis sie die Erschöpfung übermannte. Dennoch waren die Waffen im Sand unangerührt geblieben.

So bemerkte Caitlyn auch nicht, dass Kasham plötzlich erstarrte. Sein Blick war auf irgendetwas hinter ihr gerichtet. Als Cait jedoch die Bewegung schräg hinter sich im Augenwinkel sah, handelte sie instinktiv - mit einem Faustschlag in eben jene Richtung. Als sie sich in der Selben Bewegung umdrehte, spielte sich ein völlig unerwartetes Szenario vor ihren Augen ab, dem sie wie in Zeitlupe folgen konnte. Zuerst war da das Knacken, mit dem die Nase des jungen Kamael-Soldaten unter ihrer Faust brach, dann ein zweites kaum leiseres Knacken mit dem die Armbrust losging, die bis dahin auf die Stirn Kashams gerichtet war. Der Kamael sank bewusstlos zu Boden. Hinter ihr ertönte ein dumpfer Schlag und ein schmerzerfülltes Keuchen. Als Cait sich zu Kasham umdrehte, sah sie, dass der Bolzen in seiner Schulter steckte. Ihr Schlag hatte die Schussbahn abgefälscht - und dem eigenen Feind so das Leben gerettet.

Fluchend klaubte sie ihre Waffen zusammen, warf sich den bewusstlosen Kamael über die Schulter und wankte Richtung Rune. Als sie sich hundert Meter weiter umsah, war Kasham bereits verschwunden.
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#2
Zwischenspiel

Sie war lange fort gewesen. Kurz vor dem Dioner Schloß stieg die Gestalt vom Pferd, verharrte einen Moment.

Es war gegen sämtliche Vorschriften ihres Amtes als Gardistin gewesen, abzuhauen, ohne ein Wort zu sagen. Aber es musste sein.

Die Schatten waren wieder gekommen und nicht länger nur eine Einbildung im Augenwinkel. Sie waren real. Sie waren gefährlich, blutrünstig und.. durstig. Sie hatten das Mädchen überrannt und ausgelaugt. Eine leere Hülle zurückgelassen, die sich erst wieder mit Leben füllen konnte, als sie gelernt hatte, jene Schatten zu beherrschen. Doch nun waren sie eine Waffe geworden. Die tödlicher und präziser traf, als einst das Schwert oder der Bogen. Oder gar die Hellebarde.
Sie würden ein Schutz sein vor das, was sich hinter dem blutroten Nebel verbarg. Und vor dem bekannten Feind, der ihr stets an den Fersen hing. Ebenso wie die weiße Maske, die das feingeschnittene mädchenhafte Gesicht der Frau verbarg.

Caitlyn führte das Pferd am Zügel auf das Schloß zu. Sie würde mit Theobaldas sprechen müssen.

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In Giran, zur selben Zeit:

Zufrieden verließ die Gestalt die Kneipe. Das neue Pergament war im Keiler angebracht und er würde noch einige Exemplare rund um Dion anbringen. Ein müdes, aber sehr selbstgefälliges Grinsen umspielte die schmalen Lippen des Mannes.

Vielleicht würde jemand nach ihr suchen - die wenigen, die sie kannten. Die Anderen würden mit einem schlichten Pergament ohne auch nur einen Namen nicht viel anfangen können. Aber SIE würde es sehen. Und sie würde Angst bekommen. Und irgendwann würden sich ihre Wege abermals kreuzen. Und dieses Mal.. würde sie sterben. Für den Mord an seinem Vater.

Kasham wischte sich die halblangen Haare aus dem Gesicht und trat zur Portaldame. Heute musste es schnell gehen. Im Geiste kontrollierte der Assasine den Sitz der Wurfdolche am Körper, ehe er durchs Portal trat, mit dem Ziele Dion.
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#3
Tag 1 der Reise

Dass Theobaldas ihr noch Glück wünschte, sie gar darum bat, aufzupassen - das bekam Caitlyn nicht mehr mit. Nachdem sie mit dem Hauptmann gesprochen hatte, ging sie festen Schrittes zu den Stallungen. "Das schnellste, ausdauernste Pferd, das sie haben." wandte sie sich an den Stallburschen, drückte ihm deutlich mehr Geld in die Hand, als üblich. Und sie wurde belohnt. Spät am Abend erreichte sie Hardin, deutlich schneller als erwartet.

Sie hasste das Reisen mit Magie, doch dem alten Nacromanten vertraute sie...meistens. Sie durchquerte das Portal und erreichte das Dorf der Jäger. Nur schwer unterdrückte Caitlyn den Würgereiz. Portalreisen waren nichts für schwache Mägen und sie würde sich vermutlich nie daran gewöhnen können.
Im Dorf der Jäger war bereits Nacht, nebelfrei und wolkenlos offenbarte der Himmel seine schönsten Sterne. "Nirgendwo leuchtet ihr so hell wir hier" flüsterte Cait zu sich.

Sie stieg die Hängebrücke in die Oberstadt herauf und erreichte ein kleines Haus am Hang. Caitlyn streifte die ledernen Handschuhe ab und klopfte. Es dauerte einen Moment, ehe sich etwas regte. Dann öffnete sich die Tür und unter einer weißen Haube schaute die Dienstmagd sie erschrocken an. Das Fleischerbeil in ihren Händen zeugte davon, dass zu jener späten Stunde kein Besuch erwartet wurde. Als die Magd sie erkannte, ließ sie sie eintreten.

Caitlyn legte den Rucksack ab und wand sich dem Mädchen zu, die gerade die Tür schloss. "Wie geht es ihr?" "Unverändert. Ich glaube nicht, dass sich ihr Zustand noch ändern wird." Caitlyn schluckte trocken."Sind ihre Erinnerungen inzwischen zurück gekehrt?" Die Dienstmagd schüttelte den Kopf. "Ein Glück. Kain sei Dank." hauchte Cait, sichtlich erleichtert, ehe sie sich einer der Zimmertüren zu wand.

Sie klopfte leise und öffnete. Die Frau im Zimmer saß auf dem Bett, komplett angezogen und ein Nudelholz in der Hand, welches sie geistesabwesend vor der eingefallenen Brust wiegte. Sie hatte Cait noch nicht bemerkt und so entging ihr der Schmerz in den grünen Augen, der sich bei jenem Bild zeigte. Die Frau war stark abgemagert. Sie war alt, wohl um die vierzig Sommer - jedoch bei weitem nicht so alt, wie sie aussah. Ihre Haut schien als Papier zu sein, dass sich über weiße Knochen spannte. Sie war blass, fast weiß, ebenso das lange, dünne Haar, das einst von so leuchtend lodernem Rot gewesen war. In den dunkelgrünen Augen der Frau loderte der pure Wahnsinn. Ein dünner Speichelfaden lief an den einst vollen Lippen herunter.

"Mutter?" Caitlyn musste sich erst räuspern, um ihre Stimme wieder zu finden. Sie kannte jenen Anblick, doch traf er sie immer wieder ins Herz. Wenn sie glaubte, sie wäre abgestumpft - jener Anblick zeigte ihr nur zu gerne, wie schwach sie wirklich war.

Die Frau auf dem Bett hob den Kopf, lächelte matt. "Oh ja, die Gärtnerin." sprach sie, leise und krächzend, die Stimme der Alten zitterte vor Schwäche. Dann streckte sie die dürren Arme aus, um Caitlyn das Nudelholz zu reichen. Cait nahm es vorsichtig, legte es sich in die Arme. Der Blick der jungen Gardistin war fast leer, der winzige Funke Leben darin bestand aus Schmerz, Liebe und Hass auf den jenigen, der hierfür verantwortlich war. Sie hatte Theobaldas nicht angelogen. Ihre Mutter war tot. Hier saß lediglich die leere Hülle. Sie zu erlösen, der Wunsch war einst in ihr gekeimt. Doch wozu? Jene Frau kannte keinen Schmerz mehr, keine Angst. Sie lebte... vegetierte... in ihrer eigenen Welt. In der es kein Böse gab. Hier war sie glücklich. Bis die Erlösung von selben kommen würde.

Mit einem ehrlichen Lächeln gab Caitlyn das Nudelholz zurück in die ausgestreckten Hände der Alten, sah zu, wie sie es glücklich in den Armen wiegte, einen kleinen Kuss auf das helle Holz hauchte. Eine Weile betrachtete sie die Szene, ehe sie die Frau abermals leise ansprach: "Mum, ich werde jetzt gehen. Es kann sein, dass ich nicht zurück kehren werden." Zu leicht kamen die Worte über ihre Lippen. Die Gegenüber hob den Kopf, träge, als wäre er viel zu schwer. "Bring Blumen mit! Und Handtücher!" für einen Moment leuchteten die Augen der Alten vor Freude - es stand ausser Frage, dass jene Freude über Caits Abschied war. Sie hatte nicht einmal verstanden, was die Tochter zu ihr sagte. Cait nickt leicht. "Und Handtücher." Sie trat auf die Mutter zu, hauchte einen Kuss ins weiße Haar. "Und wir werden tanzen!" freute sich die Alte. Eine Träne rann über Caits Wange, als sie sich abwand, das Zimmer verließ. "Ja Mutter. Die ganze Nacht." hauchte sie tonlos.
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#4
Tag 2 der Reise

Der Morgen dämmerte, als Caitlyn bereits einige Stunden unterwegs war. Sie ritt nach Aden und es war ein weiter Weg. Den Kopf frei von Gedanken ritt sie zu jener Stadt, ohne sie zu betreten. Gegen Mittag erreichte sie den Friedhof. Die Sonne brannte, unüblich für die Jahreszeit - doch hielt sie die Untoten und Fledermäuse fort, die in der Dämmerung und im Nebel dunkler Tage gern ihr Unwesen trieben. Cait band das Pferd am Friedhoftor an. Das Tier war nervös, obgleich sie die letzte Stunde langsam geritten war, pumpten die Flanken des Pferdes heftig. Die Gardistin redete eine Weile auf das Tier ein, ehe sie sicher war, dass es sich nicht losreißen würde. Dann betrat sie den Friedhof.

Eine Weile schritt sie ziellos durch die Gräber. Sie wusste nicht, wo er begraben war - nie zuvor war sie an jenem Ort gewesen. Die Schatten in ihr rebellierten, zeigten sich jedoch ob der grellen Sonne nicht. Es dauerte etwas, ehe sie das richtige Grab gefunden hatte.

Rudin Drachenstein
Paladin Lomerias


Keine Innschrift, nur der Name und der Rang. Caitlyn kniete nieder, schloss die Augen. Welches stille Zwiegespräch hier gehalten wurde, würde vermutlich nie jemand erfahren. Nach einer Weile erhob sie sich, öffnete die Augen wieder. Dort wo noch zuvor eine gedankenlose Leere gestanden hatte, stand nun eine loderne Wut. Mordlust. Doch der Mord war bereits geschehen. Die Frau, die Rudin Drachenstein einst geliebt hatte, geschändet hatte, gequält und eingekerkert... Caitlyns Mutter - sie war gerächt.

Es war nun an Kasham, zu rächen. Den Vater zu rächen und seine Mörderin zu richten. Kasham, der so sehr nach seinem Vater kam, für den es weder Ehre noch Recht gab. Außer dem selbst genommenem Recht sich zu nehmen, wonach ihm der Sinn stand. Doch sie würde nicht wie ein Lamm zur Schlachtbank gehen und sich ergeben. Noch war sie eine Kriegerin. Lebendig, nicht gebrochen. Dieser Krieg würde ein Ende nehmen. Entweder sie, oder er.
Es gab keinen Sieger. Nur Verlierer. In welcher Weise auch immer, so würde dieser Kampf mit dem Tode enden. Bisher hatte der Assassine mit ihr gespielt. Die Steckbriefe waren nichts Anderes als ein Zeichen, dass aus diesem Spiel nun tödlicher Ernst geworden war.

Caitlyn spuckte auf das Grab des Paladin, wandte sich ruckartig ab und verließ den Friedhof. Eine grenzenlose Ruhe hatte von ihr Besitz genommen. Die Wut war ebenso schnell erloschen, wie sie aufgekeimt war. Alles was nun folgte, war gut und sollte so sein. Schon seit dem Moment, an dem sie jenen Kampf begonnen hatte. Als sie beschlossen hatte, nicht länger zuzusehen, sich in den Schlaf zu weinen mit der Gewissheit, dass ihre Mutter starb. Mit jedem Schlag, mit jedem gezwungenen Akt der Zweisamkeit einen Wimpernschlag mehr. Als sie ihre Ausbildung in der Garde Lomerias begonn, härter trainierte, als eine Frau zuvor. Als sie sich mehr und mehr dazu fähig fühlte, jenes zu beenden.

Sie war zu spät gekommen, damals. Als das ungeborene Kind im Leibe der Frau starb, von Hieben und Tritten zermalmt, da starb auch sie innerlich.

Cait ritt nach Aden, nahm sich ein Zimmer in der dortigen Taverne. Noch einmal beschwor sie die Schatten, wie Hardin es ihr gezeigt hatte - rief die Geister zu sich und schickte sie fort, zu wachen. Am nächsten Morgen würde sie reiten, ohne ein Ziel. Bis sie auf ihn treffen würde. Früher oder später. Er würde sie finden. Das Blut fand sich immer.
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#5
Tag 3 der Reise

Caitlyn erwachte noch bevor die Sonne aufging. Nackt wie sie war, trat sie ans Fenster, blickte nach draußen. Dichter Nebel lag über der Stadt. Es waren nur wenige Menschen schon auf den Beinen. Langsam wand sie sich zum Spiegel, betrachtete einen Moment die Narben, die der Kampf gegen Kasham bereits auf ihr hinterlassen hatte. Es wurde Zeit, dass er beendet wurde.

Mit klammen Fingern bekleidete sie sich und schlüpfte in die Rüstung aus gehärteten Drachenschuppen. Sie würde bessere Dienste tun, als die schlichte Stoffgewandung. Kritisch testete sie die Beweglichkeit der Rüstung und war zufrieden. Sie verließ die Taverne und durchquerte die Stadt.

Es dauerte nicht lange, bis sie die Blicke eines Augenpaares fast körperlich im Rücken spürte. Er hatte sie also gefunden. Caitlyn verließ die Stadt, als schnelle Schritte hinter ihr ertönten. Alarmiert wirbelte sie herum. Doch Kasham war verschwunden. Die Füße des Mahums, der vor ihr zum Stehen kam, wirbelten den Staub auf, den der fehlende Regen hinterlassen hatte. Dass es ein Söldner Nurkas war, erkannte sie. Cait nahm das Pergament, das er ihr reichte entgegen, überflog die wenigen Worte. Dass es sich bei „T“ um Theobaldas handelte, daran bestand kein Zweifel, wenn auch sie die Schrift des Schreibers nicht kannte. Obgleich ein „Bitte“ im Text enthalten war, klangen die Letter vielmehr wie ein Befehl. Es hatte sie schon gewundert, dass der Hauptman sie widerstandslos hatte gehen lassen.

Als Caitlyn den Blick hob, war ein zweiter Söldner Nurkas zu ihnen getreten. Er wirkte weniger zerzaust und gehetzt, als sein Vorgänger. „Kommt.“ sagte er schlicht. Caitlyn seufzte. Es wirkte fast verführerisch… Nicht auf Kasham treffen zu müssen, sondern zurück in die Dioner Lande zu reisen… Doch es würde nichts ändern. Wenn sie es jetzt nicht beendete, würde der Assassine andere Mittel nutzen, sie zu sich zu rufen und sich seiner Rache zu stellen. Es tat nicht Not, dass es jemanden anderes traf, als sie selbst. Obgleich sie an Theobaldas Worte dachte, schüttelte sie nur den Kopf.„Sagt dem Hauptmann, dass ich kommen werde, sobald ich eine Kleinigkeit erledigt habe.“ Der Söldner, der später hinzugekommen war, knurrte unwirsch. Er drehte sich jedoch um und stapfte eilig auf das Stadtportal zu. Der andere Söldner blieb. Caitlyn wusste, dass er sie nicht allein lassen würde. „Kommen noch weitere der deinen?“ fragte sie ihn. Der Mahum nickte leicht. „Sobald die Nachricht sie erreicht, werden sie hier sein. Vielleicht eine Stunde.. oder zwei. Weit sind sie nicht.“ Cait wand sich zum Friedhof, setzte ihren Weg fort. „Egal was du siehst – mische dich nicht ein. Sonst werde ich dich töten.“ sprach sie im Gehen zu dem Söldner, der neben ihr her trat. Den Worten fehlte der Nachdruck. Dass sie keine Antwort bekam, hielt die Unruhe in der Gardistin nur schwer in Zaum.

Als sie am Friedhof ankamen, deutete sie dem Söldner, am Friedhoftor auf seine Leute zu warten. Der Mahum tat dies nur zähneknirschend – und weil er sie von ihr im Blick hatte.

Caitlyn betrat den Friedhof. Der Nebel war hier so dicht, dass man kaum die Hand vor Augen sah. Milchige Lichter flackerten hier und da auf den Wegen. Grablichter, um die Untoten fern zu halten.

Sie fand Kasham am Grabe seines Vaters. Der Mann kniete vor dem Gedenkstein und hatte die Augen geschlossen, die schmalen Lippen bewegten sich. Er hatte sie längst bemerkt, das wusste Cait. Dennoch schien er zu wissen, dass sie ihn nicht angreifen würde. Nicht so.

Nach einer Weile erhob er sich, drehte sich langsam zu ihr, der Blick der schwarzen Augen spöttisch. Er umrundete sie, musterte sie und lachte dann leise auf. „Caitlyn meine Liebe. Wo ist deine Waffe? Ich habe nicht vor, mit dir zu raufen – ich dachte das wüsstest du.“ Sie nickte nur, erwiederte das Lächeln. Und tatsächlich trug sie keinerlei Metall am Körper. „Ich bin ebenso unbewaffnet wie du, Kasham.“sprach sie ruhig. Sie wusste ob der vielen Verstecke in der Rüstung des Assassinen, in denen Wurfmesser und Dolche schlummerten. Obgleich man keine Waffen am Körper des Anderen sah, war Kasham doch nicht minder bis auf die Zähne bewaffnet, wie er es immer zu sein pflegte.

Die Augen des Assassinen verloren einen Moment ihren Spott. Wut glomm darin auf. „Verdammt Caitlyn, du bist hier zu keiner Hinrichtung geladen! Ich will einen KAMPF!“ Das letzte Wort war geschrien und hatte einen anderen Teilnehmer auf die Bildfläche gelockt. Cait sah eine Bewegung im Augenwinkel und im selben Sekundenbruchteil sirrte ein Wurfdolch durch die Luft. Ein überraschtes Keuchen erklang, dann ein Scheppern von Metall, welches zu Boden fiel. Catlyn war erschrocken von der Schnelligkeit Kashams. Die coole Fassade der Gardistin drohte zu bröckeln. Sie drehte sich gen der Richtung, in die das Messer geflogen war und erkannte den Mahum-Söldner. Jedoch war dieser gegen alle Erwartungen unverletzt, wenn auch in einer etwas misslichen Lage. Der Wurfdolch hatte den ledernen Kragen seiner Rüstung seitlich durchdrungen, ohne auch nur Haut zu streifen – den Mahum jedoch buchstäblich in eine der tiefen Risse in der Friedhofmauer festgenagelt. Das Schwert, welches er vermutlich gezogen hatte, lag vor ihm auf den Boden. Das bodenlose Erschrecken in den Augen des Söldners ließ erkennen, dass er die Warnung verstanden hatte.

Cait drehte sich wieder zu Kasham um. „Dann lasst es uns beenden.“ Raunte sie in sein Ohr, ehe sie sich rückwärtsgehend entfernte, den Gegenüber stets im Blick. Und dies war ihr Glück, denn nur so konnte sie dem ersten Wurfmesser ausweichen, das funkelnd den Nebel durchschnitt und einen hässlichen Kratzer in der Rüstung hinterließ. Es wurde ihr pfeilschnell bewusst, dass Kasham sie heute nicht verschonen würde. Auch würde dies kein fairer Ehrenkampf sein. Es wurde ein Kampf um Leben und Tod, mit allen erdenklichen Mitteln. Und er hatte bereits begonnen.

Caitlyn ließ sich hinter einem der Grabsteine zu Boden sinken, als hätte der Dolch sein Ziel getroffen. Der Nebel würde verhindern, dass der Assassine daran zweifelte. Ein Laut des Triumpfes glitt über seine Lippen. „Du machst es mir aber leicht, Schätzchen!“ lachte er und trat langsam näher. Doch der Grabstein gab Cait den Schutz, den sie brauchte. Leise murmelte sie die Beschwörungsformel und just in dem Moment, als Kasham sich über die vermeintlich getroffene Gardistin beugte, brach ein dunkler Schatten aus dem Nebel hervor und bekam rasend schnell Konturen. Drei rotglühende Augenpaare loderten in dem von langen Stacheln gerahmte Gesicht der Erscheinung. Ein langer Schwanz peitschte mit den vier Tentakeln um die Wette, die zwischen den spitzen Stacheln am Rücken hervortraten. Die Schwanzspitze war mit einem skorpionähnlichen Stachel versehen und je eine Klinge entwuchs den Armen und ragte über die dünnen, knöchernen Finger hervor.

Caitlyn las ehrliche Überraschung im Gesicht des Assassinen. Doch er erholte sich schnell von ihr. Als der Schatten angriff, hatte er bereits einen weiteren Wurfdolch gezogen und gegen die Kreatur geschleudert. Die Klinge durchschnitt den Schatten, ohne sichtbaren Schaden anzurichten und traf Cait, die noch halb in der Hocke zu langsam war, auszuweichen. Das Messer bohrte sich mit einem hässlichen Laut in den ungeschützten Oberschenkel, die Schwachstelle der Rüstung, die Kasham schnell gesichtet hatte. Während Cait mit einem leisen Schmerzensschrei zusammen brach, entbrannte zwischen dem Schatten und dem Assassinen ein wilder Kampf.

Die Schattengestalt war ein würdiger Gegner. Die Klingen der beiden Zwillingsdolche, die Kasham gezogen hatte, dangen durch ihn hindurch als zerschnitten die Nebel. Umso präziser trafen die Armklingen des Schattens, zogen blutige Spuren über Arme und Beine des Gegners – nicht tief genug, um ihn auszuschalten, doch tief genug um ihn in Schach zu halten und zu verletzen. Immer wieder hieb der Assassine mit schmerzverzerrtem Gesicht auf den Schatten ein, und traf auch. Seine Klingen konnten die Erscheinung nicht töten. Doch sie schwächten sie zusehens. Der Schatten wurde schnell blasser und flackerte, wenngleich er noch immer auf Kasham eindrang, mit dem Schwanzstachel nach ihm hieb, die Armklingen schwang und ihm seine Tentakel ins Gesicht peitschte.

Caitlyn riss sich mit leisem Keuchen das Messer aus dem Bein und rappelte sich auf. Ihre Hand umschloss den Dolch fester, als sie sich auf Kasham stürzte, ihm ihrerseits den Dolch in den Oberschenkel rammte.

Sie wurde mit einem Faustschlag ins Gesicht belohnt und taumelte. Nur der Schatten konnte verhindern, dass Kashams Dolch in ihren Rücken drang, den sie ihm unaufmerksam zur Schau stellte. Die Erscheinung zog in einem letzten, schwachen Aufflammen die Unterarmklinge über Kashams Stirn, ließ die Haut zu einem unschönen Schnitt aufklaffen und Blut in die Augen des Assassinen rinnen, ehe der Schatten ganz verlosch, Teil des Nebels wurde und sich in ihm auflöste. Es würde Stunden dauern, bis er sich wieder regeneriert hatte. Zeit, die die Gardistin nicht hatte.

Doch obgleich Kasham durch das Blut in seinen Augen kurzfristig erblindet war, hatte er gelernt. Er würde Cait nicht noch einmal die Gelegenheit geben, einen Beschwörungszauber durchzuführen. Blitzschnell sprang er auf sie zu, rammte ihr die Hände in den Bauch und schmiss sie zu Boden. Die Dolche lagen hinter ihm im Staub und so setzte ihr nach und schloss beide Hände wie Schraubstöcke um ihren Hals. Doch es gab etwas, das Kasham nicht wusste. Es gab Schatten, die nicht beschworen werden konnten. Weil sie kommen und gingen, wann immer sie wollten. Und sich nicht beherrschen ließen. Von Niemandem. Cait rang mit der drohenden Bewusstlosigkeit. Der Triumph war wieder in die schwarzen Augen des Mannes über ihr getreten, er war seinem Ziel so nahe, als ein leises Knurren ihn aufblicken und erstarren ließ. Die Raubkatze schien direkt vor ihm aus dem Nebel aufgetaucht zu sein. Dort, wo noch gerade nicht außer Staub und Nebel war, saß nun ein schattenhafter Panther, wenn auch dieser materialisierter als die Schattengestalt zu sein schien, fast wie aus Fleisch und Blut. Er war geradewegs vor Kasham erschienen. Nun war es der Assassine, der zurückgeschleudert wurde, als zwei große schwarze Pranken auf seine Brust schlugen. Mit einem Keuchen fiel er hintenüber, die Raubkatze direkt auf seinem Oberkörper. Die Kiefer der Bestie schnappten nach seinem Hals und es kostete ihn sämtliche Kraftreserven, das Tier soweit von sich ab zu drücken, dass die Zähne seine Kehle nicht fanden. Der Panther knurrte vor Wut auf, verbiss sich im unverletzten Bein des Mannes und hätte ihm vermutlich den halben Oberschenkel zerrissen, hätten die Hände Kashams nicht in diesem Moment einen der beiden Hauptdolche ertastet. Er rammte die Klinge in das Tier und anders als bei dem Schatten fuhr sie nicht einfach nur durch die Bestie hindurch, sondern durchstieß Fleisch, Muskeln und Sehnen, traf auf Knochen. Kasham riss den Dolch zurück und der Panther wich fauchend zurück. Er umlauerte den am Boden Liegenden, fortwährend fauchend und knurrend, doch ließ er vorerst einen weiteren Angriff.

Der Assassine begann nicht den Fehler, diese Ruhesekunde zur Erholung zu nutzen. Er sah im Augenwinkel, dass Cait sich aufgerappelt hatte und blitzchnell zog die Rechte den letzten Wurfdolch aus der Scheide, schleuderte ihn blindlings. Und er traf. Die Klinge durchschnitt die Lederrüstung und drang bis zur Hälfte in die Brust der Frau, welche wie vom Blitz erschlagen im Gras zusammenbrach.

Kasham hatte nicht die Zeit, sich zu vergewissern, ob sie tot war. In den verletzten Panther war beim Zusammenbrechen Caitlyns plötzlich wieder Leben erwacht. Das Tier sprang den Assassinen an, grub die Zähne in seinen Oberarm. Nur ein Hieb auf die Nase brachte den Panther zum Loslassen. Kashams Faust zerschmetterte den Schädel der Bestie, ließ sie zusammenbrechen. Der Panther entmaterialisierte flackernd, wurde eins mit dem Nebel.

Langsam hob die Gardistin die Lider, sah verschwommen vor Schmerz, dass der Schattenpanther verschwand. Vorsichtig tastete sie nach der Klinge in ihrer Brust. Sie hatte zwar getroffen, doch das Herz verfehlt. Eine Fleischwunde, tief und hässlich und kurz davor, ihr das Bewusstsein zu rauben. Sie hatte nur noch eine Waffe, das wusste sie. Würde sie diese nicht nutzen, hatte sie verloren. Es war riskant, schwer verwundet wie sie war. Doch sie musste es versuchen. Zitternd malte der Finger die magischen Zeichen in den Staub, leise murmelte sie die Worte, die Hardin ihr gelehrt hatte.

Kasham blieb einen Moment liegen. Es war vorbei. Caitlyn war tot. Seine Rache vollkommen. Die vielen Wunden schmerzten ihm, doch der Triumph und ein seltsames Gefühl der Trauer betäubten die Schmerzen auf ihre Weise. Langsam erhob er sich, humpelte zu der Stelle, an der Caitlyn zusammengebrochen war und erstarrte. Sie war verschwunden. Das Gras war blutdurchtränkt und keine Spur, die darauf schließen ließ, dass sich die Schwerverwundete fort geschleppt hatte, war zu sehen. Nur die Spuren großer Pranken. Langsam drehte sich Kasham zu dem Fleck um, an dem er mit dem Schattenpanther gerungen hatte. Keine Pfotenabdrücke waren im Sand zu sehen. Der Schatten hatte keine Spuren hinterlassen. Wie also… sein Blick kehrte zurück zu den frischen Tappsen, folgte ihnen hinter einem der Grabsteine und blickte in ein glühendes Augenpaar. "Was zum...?" Gefangen von den schlitzförmigen Pupillen des weißen Jaguars zitterte die Hand mit dem Dolch leicht. Langsam rückwärtsgehend wie in Trance entfernte er sich. Die Katze, die ihm auf lautlosen Pfoten folgte, schien aus Glas zu sein – doch die kräftigen Muskeln unter dem schillernden Fell zeigten, dass dies nicht so war. Ein leises, grollendes Knurren entkroch der Kehle des Tieres. Es hatte ihn mit seinen unheimlichen Augen fixiert und war zum Sprung bereit. „Nein... das ist nicht möglich…“ hauchte er. Die Katze sprang.

Schwer krachten die Pranken auf die Brust des Assassinen, schleuderte ihn zu Boden. Mindestens zwei Rippen brachen. Der Jaguar war stark, unmenschlich stark. Er hatte nichts mit der schwerverletzten Gardistin gemein, die in ihm steckte.

In den Augen des Assassinen war Angst getreten. Er kämpfte nun nicht mehr mit der gewohnten kaltblütigen Präzision, die ihm inne lag – sondern mit der blinden Verzweiflung eines Mannes, der wusste, dass er sterben würde. Blindlinks riss er die Hand mit dem Dolch hoch, riss dem Jaguar die Seite auf – doch dem Hieb fehlte es an Kraft und Genauigkeit, ohne eines der Organe zu verletzen, prallte die Klinge von den Rippen des Tieres ab. Die Katze warf in einer wütenden Bewegung den Kopf herum, schloss die Kiefer um das Handgelenk des Dolcharmes. Ihre Zähne zerbissen Fleisch und Knochen, rissen Hand samt Dolch vom Körper des Assassinen. Beides fiel neben ihn zu Boden.

Der Jaguar auf der Brust des Mannes verwandelte sich. Der Schnitt in seine Seite hatte gereicht, so dass die ohnehin schwer verwundete Caitlyn die Verwandlung nicht länger aufrecht halten konnte. Mit müden Fingern entwand sie der abgetrennten Hand Kashams den Dolch, setzte die Spitze auf die Brust des Assassinen an. Es war der Blick seiner Augen, die sie innehalten ließ. Sie blickte in die Augen ihres Bruders. In Kinderaugen, voller Liebe und Vertrauen. Augen, in die sie das letzte Mal geblickt hatte, bevor Kasham in die Ausbildung des Vaters getreten und zu seinem geistigen Ebenbild geworden war. Caitlyns Hand zitterte. Sie musste es zuende bringen. Hier und jetzt.

Kasham hob die linke Hand. Behutsam strichen die Finger eine Strähne aus Caitlyns Gesicht, ehe sie sich um den Dolch in ihrer Hand schlossen. Cait wehrte sich nicht, als er ihr den Dolch entwand. Er schloss die Augen. Eine einzelne Träne löste sich aus den schwarzen Wimpern des Bruders, als er sich den Dolch ins Herz trieb. „Warum?“ hauchte Cait, unfähig, sich zu bewegen. Zu gelähmt um ihn davon abzuhalten. „Warum Kasham? Warum so?“ Doch sie wusste die Antwort. Sie hätte es nie gekonnt. Einen Menschen töten, den sie liebte. Auch Kasham hatte dies gewusst.

Lange saß sie auf dem Friedhof, den Kopf des toten Bruders in den Schoss gebettet. Immerfort streichelte sie sein Haar, seine Stirn. Zeit hat keine Bedeutung, wenn man trauert. Und Cait trauerte um den Bruder, den sie vor vielen Jahren verloren hatte.

Sie sah erst auf, als sie eine Hand auf ihrer Schulter spürte. Cait blickte den Mahum einen langen Augenblick schweigend an, ehe sie die Leiche Kashams ins Gras sinken ließ und sich erhob. Hätte der Söldner nicht blitzschnell zugegriffen, wäre sie direkt wieder gestürzt. Jetzt erst bemerkte sie das halbe Dutzend weiterer Söldner, das hinter dem Mahum standen, der sie stützte. „Gehen wir.“

Sie verließen den Friedhof und den toten Assassinen. Der Friedhofgärtner würde ihn vermutlich finden und auf einen Raubtierangriff schließen, nach dem sich der Sterbende selbst erlöst hatte.

Sollten Theobaldas und Gaoth auf den Weg nach Aden sein, so würden sie vermutlich auf den Trupp Söldner treffen, der die bewusstlose schwerverletzte Gardistin mit sich trug.
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#6
Naher Aufbruch

Sie hatte lange Zeit gehabt, über den drohenden Entschluss nachzudenken, der so unwiderruflich im Raum schwebte, dass er sie beinahe erdrückte. Seufzend ließ sie den mittlerweile schmerzenden Kopf gegen die Gitter am Fenster sinken und schloss die Augen.

Was sie getan hatte, es war das Richtige in ihren Augen. Sie hatte die Ihren geschützt vor einem Wahnsinnigen, der vor nichts Angst hatte. Sie hatte ihn in einem fairen Duell getötet. Und weitere Tode verhindert. Und sie hatte Rache genommen. Wer hätte anders gehandelt? Und doch... schien es falsch zu sein. Wie sollte sie sich beweisen, wenn nicht so? In dem sie ihren Kampf allein schlug um die Ihren zu schützen? Sie wusste es nicht. Doch schien genau das, was sie getan hatte, genug gewesen, um sich als gänzlich unfähig zu erweisen.
Sie hatte gewonnen - und war doch gescheitert.

"Sie taugt zu nichts."
"Nichtsnutz!"
"Sie hat keinen Nutzen."


Caitlyn massierte sich mit einer Hand die Schläfen. Der Blick wanderte zu den gepackten Sachen - es war nicht viel, das sie brauchte. Kaum mehr als für einen Spähausflug über die Lande. Noch würden die Wachen sie nicht gehen lassen, doch am morgigen Tag würden sie es müssen. Das Treffen der Gilde - zu dem Caitlyn nie erscheinen würde. Das Pergament war bereits aufgesetzt und versiegelt - wie würde es Tamutak für Gaoth hinterlassen. Ein schlichtes Dankesschreiben dafür, dass ein solch Taugenichts wie sie es war die Ehre hatte, Gardistin der freien Händler Dions zu sein.

Sie würde sich anderweitig versuchen zu beweisen. Auch dies stand in dem Brief.
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#7
Zerrissenheit

Was war richtig, was falsch? War ein Mord richtig, so er aus Rache gewirkt wurde? War Rache falsch? Durfte Verstümmelung von Körper und Seele ungerächt bleiben? Und wer rächt den Rächer?
Schwer wog ihr der Kopf auf dem Halse, von den Händen gestützt, welche wieder herum die Arme auf dem Tische stützten. Wütend fassten die grünen Augen den Humpen Starkbier. Widerliches Zeug, vernebelt die Sinne, die Gedanken. Es war nicht der erste Humpen die letzte Monde - und es würde nicht der letzte sein. Heiliges Zeug - vernebelte es doch die Sinne und die Gedanken.

"Was hastn ausgefressn?" Eine heruntergekommene Gestalt hatte sich an ihren Tisch gesellt. Angewidert betrachtete Caitlyn den Gegenüber. "Säufer" dachte sie, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass sie gerade nicht minder zerlumpt aussah... und vermutlich auch nicht viel besser roch. Als keine Antwort kam, zuckte der Mann mit den Schultern, entfernte sich in Richtung des Tresens. Die Rothaarige presste eine Hand an die Schläfe, konzentrierte sich auf das Bier vor sich. Das Flüstern der Schatten wurde lauter. "Töten... zerfetzen... zerreißen..." Sie hatten Blut geleckt. Sie war nicht länger ihre Herrin. Der schemenhafte Panther, der einzige Verbündete, es war ihr seid dem Kampf gegen Kasham nicht mehr gelungen ihn zu beschwören. Die Schemen waren zu mächtig. Das war kein Werk Kains. Es war etwas... anderes. Sie hatte keine Macht mehr. Die Schatten benutzten sie. Der Alkohol und diverse Kräuter und Tränke die einzigen Mittel, um sie in Zaum zu halten. Sie selbst... war eine zu gefährliche Waffe geworden.

Der Mann, der Cait zuvor bereits angesprochen hatte, kam zurück. "Magst nu mit mir red'n?" Langsam hob sich der Blick, die Augen schwarz und irislos. "Verschwinde!" Die Rechte schloss sich um den Henkel des Humpens, so fest, dass dieser ein leises Knirschen von sich gab, als der Ton dem Griff fast nachgab. Der Mann riss erstaunt die Augen auf und trat hastig an seinen alten Tisch zurück. "Bin schön hübscher abgeblitzt, Lady..." Der Moment... verstrich. Die Schatten tobten. Caitlyn atmete tief durch und schloss die Augen. Hastig wurde der Humpen geleert. Sie sollte sich Hilfe suchen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie es nicht mehr schaffte, die Schemen in Zaum zu halten. Andererseits, dachte sie bitter, was war schon ein nasses dreckiges Verließ gegen eine nasse, dreckige Absteige wie diese Spelunke?
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#8
Die Reise des Thronfolgers
(Zusammenfassung aus dem Event)


Vorbereitungen
Sie rieb sich den schmerzenden Kopf. Caitlyn war des morgens vor dem Geifernden Keiler erwacht, nachdem irgendjemand die schlafende, alkoholisierte Frau mit sanfter Gewalt aus der Spelunke geleitet hatte. Das Flüstern hinter der Schädeldecke hatte sie geweckt. Mit zitternden Fingern tastete sie nach dem Flachmann am Gürtel. Das Gefäß war fast leer und der abgestandene Schnaps darin schmeckte wie Wischwasser. Doch irgendwie gelang der Tropfen die Lebensgeister zumindest etwas zu wecken und die Schatten wieder schlafen zu schicken. Cait gab ein unwirrsches Knurren von sich. Sie musste sich endlich wieder in den Griff bekommen, bevor der Alkohol dies tat.

Der Boden unter den Füßen schwankte und die Häuserfassaden drehten sich etwas zeitversetzt mit, als Caitlyn schließlich aufstand. Sie hielt sich schwankend an der Tür des Keilers fest und wartete, dass der Schwall Übelkeit verging, der sich bitter unter ihrer Zunge angesammelt hatte. Sie atmete tief durch, klopfte den Dreck von der Kleidung und begab sich zur Teleportationswächterin.

---

Es kostete etwas Überredung, bis man sie in die Bibliothek vor ließ. Wenn sie ehrlich war, konnte Caitlyn dies sogar verstehen. Sie sah eher als wie eine Bettlerin, als wie eine vertrauenswürdige Person, die gut mit den alten Büchern um ging. Sie rechnete fast schon sicher damit, dass man sie beim Verlassen der Bibliothek nach gestohlenen Dingen filzen würde.
Einige Stunden brütete Cait über den Büchern. Flüche, Dämonen, Besessenheit, Schatten... Schließlich gab sie leise seufzend auf. Magie... war kein Gebiet, auf dem sie sich auskannte. Die Aufzeichnungen brachten sie nicht weiter.

Sie erhob sich, um die Bibliothek zu verlassen, als ihr ein ausgelegtes Buch ins Auge fiel. Interessiert trat sie näher, überflog die ersten Zeilen flüchtig, ehe sie ganz zu lesen begann und die Buchstaben einen irren Plan in ihrem Kopf formten. Verschwundene Münzen! Für so einen Schatz würde man gewiss den ein oder anderen verschwiegenen Alchimisten, Schwarzmagier oder Priester kaufen können, der bereit sein würde ihr zu helfen. So sprach die Stimme ihres Verstandes. Der Schatten hatte einen anderen Plan. "Was für eine Macht würden diese Münzen bedeuten! Macht, Einfluß. sie werden kriechen und stiefellecken wie die räudigen Hunde."
Mit einem tiefen Einatmen schloss sie die inzwischen giftgrünen Augen und atmete tief durch, die Stimmen zurück in den Hinterkopf zu bannen. Es war an der Zeit, diese Stimmen zum endgültigen Schweigen zu bringen, die Schatten endgültig verschwinden zu lassen. Hektisch zog sie Pergament und Feder aus der Manteltasche, kritzelte eine kurze Zusammenfassung der Tagebuchaufzeichnungen.



Tag 1
Ihre Reise begann in Gludin, eine Stadt, die ihr vollkommen fremd war. Caitlyn hatte sich in leichte, bequeme Kleidung gehüllt und die Taschen am Sattel des geliehenen Pferdes prall mit Proviant und nützlichen Dingen gefüllt. Reisen war noch nie etwas gewesen, dass sie gern getan hatte. Doch der Zweck heiligt bekanntlich die Mittel.

Sie verließ Gludin in den frühen Morgenstunden. Die Eisen des Pferdes klapperten laut auf dem festen Weg, während der Panther lautlos ging. Auch hinterließen die dunklen Pranken keine Abdrücke im Sand, als sie die Stadt gänzlich hinter sich gelassen hatten. Die Katze hatte noch immer Schwierigkeiten, zwischen der Schattengestalt und ihrer wirklichen Materie zu wechseln. Vielleicht war es nicht nur Cait, die die Stimmen hörte und sich von ihren schattenhaften Worten beeinflussen ließ.

Sie passierten die Arena von Gludin, die ruhig und verlassen in der Morgensonne lag. Das Wetter war recht mild und kam den Reisenden zugute. Sie war es nicht gewohnt, lange Wege auf dem Pferderücken zurück zu legen, doch es widerstrebte ihr, die Gestalt des Jaguars anzunehmen, die Hardin ihr gelehrt hatte. Tatsächlich hatte sie dies komplett vermieden, seitdem die Schatten die Kontrolle über sie übernommen hatten. Ein Raubtier, das von zwiespältigen Dämonen gelenkt wurde... es schauderte sie.
Caitlyn war einigermaßen nüchtern. Die Dämonen schienen zu ruhen ob des hellen, freundlichen Tages. Oder zu lauern. Sicher sein konnte sie sich nie - doch jenseits der eigenen Sinne vom Alkohol benebelt zu reisen - es wäre nicht besonders ungefährlich.

Gut eine halbe Stunde waren sie unterwegs, als sie an einem kleinen Lager vorbei kamen, das nahe einer Felswand lag. Vorsichtig inspizierte Caitlyn die hohen, spitzen Zelte, doch sie waren verlassen und zerrissen. Die Kohlen in den Überresten des Feuers waren schon lange kalt - es schien Ewigkeiten her zu sein, dass hier Menschen gelagert hatten. Sie fragte sich, warum die Zelte einfach so zurück gelassen worden waren. Gab es einen Angriff? Fröstelnd zum Trotz der Sonne rieb sie sich die Oberarme und ging zurück zu ihrem Pferd, um dieses zu besteigen und weiter zu reisen.
Sie ließen eine hölzerne Hütte zu ihrer Rechten zurück und stießen in naher Umgebung auf weitere Lager. Auch aus ihnen drang kein Rauch. Cait erinnerte sich daran, dass das Lagers des Thronfolgers in einer alten Ruine gelegen hatte. So untersuchte sie die Lager nicht weiter und folgte dem Weg nach Norden, in Richtung des Landes der Dunkelelfen.

Die Hinterlassenschaften der Bären verrieten, dass sie auf dem richtigen Weg war. Ihre Fußspuren waren tief in den Sand und ins Gras gedrückt und ließen Caitlyn froh über den kleinen Jagddolch am Gürtel sein.
Als der Tag später wurde, kamen sie an einigen Ruinen vorbei. Cait untersuchte sie gründlich, doch nirgends gab es Anzeichen, dass jemand hier gewesen und gelagert hatte. Als die Sonne schon weit hinter den Bäumen verschwunden war und nur noch sanft zwischen den Blättern hindurch schien, fand sie schließlich eine Ruine, in der es ein erloschenes Lagerfeuer gab. Cait stieg vom Pferd und band es in der Ruine an, aus Angst, die Bären könnten es verscheuchen. Sie hatte zwar noch keinen dieser brummigen Zeitgenossen gesehen, doch wollte sie kein Risiko eingehen.

Die schattenhafte Raubkatze bezog ihren Wachposten, während Caitlyn sich entkräftet ans Feuer setzte. Sie stocherte einige Zeit in den Überresten herum und fand einen Hosenknopf - keine Münze. Der Kopf schmerzte ihr und kündigte den drohenden Kater an. Mit müden Fingern entkorkte sie den Flachmann und nahm einige lange Züge, ehe sie das Feuer neu entzündete - Holz lag genug herum und das Wetter hatte es trocken und angreifbar für gierige Flammen gemacht. Den Dolch behielt sie in der Hand, während sie schlief. Ab und an schnaubte das Pferd nervös, wenn es einen der zottelfelligen Tiere witterte, ab und an knurrte der Panther leise - doch alles in allem blieb die Nacht ruhig.



Tag 2
Sie erwachte sehr früh. Der Morgentau lag feucht auf Haar und Kleidung. Es war ein ruhiger Morgen. Die Bären hatten sich verzogen, wie es schien, denn das Pferd graste entspannt in den ersten Strahlen der Morgensonne, die ein witziges Muster ins braune Fell malten. Cait fühlte sich ausgeruht und munter, überraschend klar. Die Stimmen schwiegen und sie hoffte, dass sie vorerst keinen Schluck aus dem Flachmann brauchen würde.
Auf ein leises Pfeifen kam der Panther aus dem Unterholz und die drei machten sich bereit zur Weiterreise.

Sie kamen noch an der ein oder anderen Ruine vorbei, doch in keiner konnte Cait etwas Besonderes entdecken. Sie kam auch zu den Barrikaden, von denen der Thronfolger in seinem Tagebuch berichtet hatte, doch den erwähnten orkischen Lehrer der Kampfeskunst fand sie nicht. Vermutlich war er längst gestorben.

Sie kamen an weiteren Lagern vorbei. In einem machten sie Rast, Cait verzehre etwas von dem Proviant. Die Mittagssonne stand bereits am Himmel und wärmte beinahe mehr, als Recht war.

Als sie sich trotzdem wieder zur Weiterreise aufmachten, gerieten sie in einem Wespenschwarm. Das Pferd ging panisch durch. An einem Strauch verhedderte sich der Sattelgurt und riss- so entging das Tier nicht nur den Stichen der Insekten, sondern auch seiner Reiterin. Fluchend arbeitete sich Caitlyn aus dem Dornenbusch heraus und ließ sich unter einen Baum sinken, um die Dornen auf den Armen zu entfernen. Eine der Wespen hatte ihren Oberschenkel erwischt und obgleich die Stiche nicht giftiger als die normaler Wespen waren, so waren sie doch deutlich größer und schmerzhafter. Cait verrenkte sich halb, um das Gift aus der Wunde zu saugen und den Stachel zu entfernen. Aufseufzend ließ sie den Hinterkopf gegen die Rinde des Baumes sinken. Die ständigen Kopfschmerzen waren wieder einmal quälend geworden durch den turbolenten Ritt. Sie entkorkte den Flachmann, genehmigte sich einige Schlucke und desinfizierte den Wespenstich. Trotz Schmerzen und Schwindel rappelte sie sich auf, warf sich den Sattel samt Satteltaschen über die Schulter und ging den geplanten Weg weiter. Sie musste sich beeilen, dass sie an einen sicheren Lagerplatz kam, bevor das gestochene Bein weiter anschwoll.

An einem nahen See fand Cait das Pferd wieder, das dort im Schatten graste. Es ließ sich brav wieder einfangen und auch der Panther materialisierte sich wieder. "Feiglinge, elendige" knurrte Cait ihre tierischen Begleiter an und machte sich ans notdürftige Flicken des Sattelgurtes. Eine gute Stunde kühlte sie das angeschwollene Bein im See, bis es endlich weit genug abgeschwollen war, dass sie weiterreiten konnte.

Als der Abend über das Land herein brach, musste sie sich eingestehen, dass sie die Route des Thronfolgers verloren hatte. Es dämmerte bereits, als seltsame Felsenformationen sich dunkel vom rot verfärbten Himmel anhoben. Sie waren also wieder auf dem richtigen Weg. Noch sicherer war sie, als sie an eine Lichtung kam und die Nymphe sah, von der im Tagebuch die Rede war. Zuversichtlich wollte Cait das Pferd auf die Lichtung hinaus lenken, als sich der Panther grollend knurrend in den Weg stellte. Schulterzuckend verstand sie die offensichtliche Warnung. Magische Wesen hatten ihr noch nie Glück gebracht. Und wie würden die Dämonen in ihr auf ein solches Wesen reagieren? Sie sollte es nicht drauf ankommen lassen.

Sie betraten die Wüste nicht. Unter einem Felsvorsprung machten sie Rast und beschlossen, die Nacht hier zu verbringen. Durch den Umweg waren sie viel langsamer als der Thronfolger unterwegs. Cait war frustriert. Noch nicht eine Münze war ihr in die Hände gefallen. Vermutlich war sie nicht die Einzige, die nach ihnen suchte. Oder sie existierten gar nicht.
Caitlyn befreite das Pferd von dem Sattel und legte sich zum Schlafen nieder. Die wüstenhaften Temperaturen, die auch im nahen Umfeld herrschten, machten das Entfachen eines Feuers überflüssig. Der Panther rollte sich vor dem Vorsprung zusammen und ließ einige kleine Gegenstände in den Sand fallen. Neugierig streckte Cait die Hand danach aus: Es waren Münzen! Zwar war der Glanz beinahe verschwunden, doch es waren zweifelsohne Münzen. Dankbar tätschelte sie den Kopf der Großkatze und nahm einige Schlucke vom Rum, um die Dämonen auch diese Nacht fern zu halten.



Tag 3
Cait ritt schnell. Am Tagebuch des Thronfolgers orientiert hatte sie viel Zeit verloren. "Wen willst du denn einholen?" flüsterte die Stimme hähmisch, "Oder bist du gar auf der Flucht?" Ein leises Knurren unter zusammengepressten Zähnen. Doch die Wahrheit war: Sie wusste es selbst nicht. Die Münzen als Bezahlung eines Alchemisten, Shamanen... Geisteraustreiber. Vielleicht. Würde sie diese nicht finden, war alles umsonst und die Dämonen würden noch mächtiger werden.

Die Hufe des Pferdes hinterließen lange Spuren im Sand. Der schnelle Ritt durch die Wüste forderte schnell seinen Tribut und das Pferd begann vor Anstrengung zu schwitzen und zu lahmen. Bei einem der riesigen sandsteinernen Bauten fanden sie Schatten. Cait teilte ihren Wasserschlauch mit dem Reittier, um ihm wenigstens etwas schnelle Abkühlung zu beschaffen. Das Wasser tat ihr gut. Die staubige, trockene und heiße Luft hatte zusammen mit dem Alkohol und dem Kater einen ekligen Geschmack in ihrem Mund gezaubert. Doch ganz verjagen ließ er sich nicht.
Während die Tiere im Schatten rasteten, drang Cait weiter in die sonderbare Höhle vor, die in den Sandstein getrieben war. Auch hier drinnen war der Sand sehr tief, machte das Laufen zur Qual. Dann, plötzlich - war der Untergrund härter. Die Schritte hallten richtig. Staunend blickte sie sich um. Kein Mensch hatte diese Bauwerke geschaffen. Im Sand glitzerte etwas. Sie hob es auf: eine weitere Münze. Abgelenkt dadurch fiel ihr die plötzliche Stille nicht auf. Dann hörte sie es: ein leises Klacken, wie von Chitin-Kiefern. Und es kam näher. Zu spät erinnerte sie sich an den Wortlaut des Tagebuches: Diese Höhlen sahen nicht nur wie gigantische Ameisenbauten aus - sie waren welche! Und der Wächter, der dort auf sie zu kam, war größer als eine Kuh! Langsam rückwärtsgehend verließ sie den Bau wieder, versuchte dem Tier zu symbolisieren, dass sie ihm nichts tun würde und sein Territorium wieder verlassen. ...ihm nichts tun! Cait hätte beinahe gelacht. Sie wäre ja nicht einmal in der Lage diesem Wesen etwas zu tun. Doch der Plan ging auf. Nahe des Einganges verlor die Ameise das Interesse und Caitlyn konnte den Ameisenbau sicher verlassen und ihre Reise fortsetzen.

Lange irrte sie durch die Wüste, ohne eine Karte oder dem Hauch einer Orientierung. Die Hitze und der Durst machten sie wahnsinnig. Bis die Nacht hinein brach. Es kühlte sich beinahe augenblicklich auf Temperaturen des tiefsten Winters ab, der Schweiß fühlte sich nicht länger angenehm kühl an, sondern ließ Reiter und Ross zittern. Doch immerhin boten die Sterne nun Hilfe, den Weg zu finden.
Im Morgengrauen lag das Meer vor ihnen und es wurde wieder wärmer. Es tat gut, sich zu waschen und Schweiß und Sand vom Körper herunter zu bekommen.
Schnell verwarf sie den Plan, die Nacht durch zu reiten. Der Weg durch die Wüste hatte ihr und dem Pferd zu viel Kraft abverlangt. Die Festung, die sich über ihnen auf dem Berg erhob, bot Sicherheit. Sie würde hier rasten.
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#9
Ende einer Reise

Die Nacht war recht kurz. Noch vor der Morgendämmerung erwachte sie mit dem üblichen schalen Geschmack auf der Zunge, den sie bereits von etlichen betrunkenen Nächten zuvor kannte. Rasch spülte sie ihn mit einem Schluck Rum beiseite, betrachtete die Münzen in ihrer Hand nachdenklich. Sie sahen nicht besonders wertvoll aus. Reichtum... sie hatte ihn sich anders vorgestellt. Doch wenn sie wert waren, was sie versprachen? "Ja was dann?" höhnte die Stimme. Sie kannte die Antwort nicht.
"Dachtest du, es würde so leicht sein? Ein Wenig Gold, ein Wenig Gefunkel und die Geistlichen und Alchemisten dieser Welt streiten sich darum, wer dir helfen kann? Ha! Lachhaft. Kein wahrer Geistlicher ist käuflich! Und kein Alchemist sucht Gold, sondern vielmehr Wissen.
Was weißt du schon?"

...sie wusste, dass sie diese Reise abbrechen würde. Nicht, weil sie den Stimmen Glauben schenkte. Vielmehr weil sie sich selbst nicht mehr traute. Wie lange würde der Körper noch mitmachen? Bis letztendlich die Dämonen Überhand bekamen? Nachdenklich blickte sie an sich herunter. Dürr war sie geworden - und blass. Von der Fahne und den stumpfen, struppigen Haaren ganz zu schweigen. Wenn die Dämonen sie nicht bekamen, dann früher oder später der Rum.

Mit einer heftigen Geste beförderte sie die Münzen in den Sand und bestieg das Pferd wieder. Sie würde gleich nach Heine aufbrechen und diesen Priester suchen, von dem sie gehört hatte.
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