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Gyrechk - Instinkt oder Rache? (ab 16)
#1
Nachdenklich betrachtete sie ihre rechte Faust im letzten Licht der tiefstehenden Sonne, das nun alles in ein seltsames Rot tauchte. Doch was die Orkin erblickte, schien ohnehin schon gerötet und der Geruch des Blutes, der von überall auf sie einströmte wies sie darauf hin, dass sie sich dabei nicht einmal irrte. Selbst ihre eigene Rechte, die sie noch immer anstarrte, schien in dieses Bild hineinzugehören - eingewickelt in schmutzige Bandagenfetzen und eingezwängt in einen stählernen Handschuh, der im Wesentlichen nur aus der gezackten Klinge einer grobschlächtigen Waffe bestand. Das raue Metall war blutverschmiert, doch ein Teil des Blutes quoll auch aus dem Inneren dieses "Handschuhs" hervor: Keine Schwielen konnten dick genug sein, dass ein langer Kampf sie nicht zerschinden würde. Und ihre vernarbten Hände waren schon immer voller Schwielen gewesen.
Doch es war nicht der Lebenssaft, der ihre Aufmerksamkeit erregt hatte, oder der Schmerz, der tief in den Bandagen pochte und sie wissen machte, dass sie noch immer etwas fühlte. Es war die plötzliche Erinnerung, wofür diese Faust überhaupt erst erhoben wurde. Sie war weit von ihrem Weg abgekommen, jetzt, da sie sich hier zwischen den leblosen Körpern sich bekriegender Menschen wiederfand. Sie wußte nicht einmal, worum es in diesem Kampf überhaupt ging und ebensowenig, welche der beiden Seiten sie zuvor irrtümlich als Verbündete angesehen hatte. Auch konnte sie nicht genau sagen, welche der Leichen um sie herum auf ihr Konto gingen. Sie wußte nur, dass sie nicht wirklich hier hingehörte. Dies war nur ein Schauplatz blutiger Gewalt mehr, den sie aufsuchte, während sie der endlosen Spur der Zerstörung quer durch die Lande gefolgt war, auf der Suche, nach ihm, der ihr einst alles genommen hatte.
Der Wind frischte auf und schob staubige Wolken vor sich her, die hier und da an zerfetzten Bannern und abgeworfenen Rüstteilen zerrten. Irgendwo dazwischen schwelte noch ein kleines Feuer, das nun erneut geschürt wurde, so dass sich der beißende Geruch verbrannten Fleisches in dunklen, träge davontreibenden Rauchfetzen in die nähere Umgebung verströmte. Das Schlachtfeld hatte sich im Verlauf des nun schwindenden Tages über die grasbedeckte Ebene ausgebreitet und aus der Ferne waren sogar noch immer vereinzelte Kampfgeräusche zu vernehmen. Nicht allzu weit weg sollte es sogar noch eine ungeschliffene Festung geben - es würde wohl zu einer Belagerung kommen und die Kämpfe würden weiter anhalten. Aber der Rausch in Gyrechk war längst verebbt. Die hiesigen Menschen hatten ihn ohnehin nur mäßig entfachen können.
Sie würde weiterziehen müssen, da sie auch hier nicht mehr gefunden hatte, was sie sich anzutreffen erhofft hatte. Einmal mehr war sie zu spät eingetroffen.
Sie wußte nicht einmal, wieso sie diesen Ork überhaupt noch weiter verfolgte, jetzt da er sich scheinbar mit Angehörigen anderer Völker - schwacher Völker - zusammengetan hatte. Die zurückliegenden Jahre hatten ihr ehemals gesetztes Ziel immer verschwommener werden lassen, ließen sie abschweifen und umherirren, bis sie in Momenten wie diesen erneut dorthin zurückgerufen wurde. Sie war einst ausgezogen, seinen Spuren zu folgen, ihn dann aufzuspüren und im Kampf gleich zu gleich zu besiegen und so vielleicht seine Anerkennung schließlich doch noch zu erringen - zumindest aber hätte es so zu einem Ende finden können. Etwas mußte endlich besiegt werden!
In der Fremde allerdings war sie im Laufe der Zeit längst selbst schon zu einer Fremden geworden und die Heimat, der Stamm, die Trommeln und der flackernde Flammenschein zwischen alten Ruinen von Tagadha-Rak... all das lag so fern, dass sie sich kaum mehr erinnerte.
War dies ihre Faust?
Der Unglaube wich nicht von ihrem Blick als er wieder über die nähere Umgebung schweifte.
War sie noch immer hier?
Es erschien ihr so lächerlich, dass sie so früh das Dorf verlassen und einem Namen hintergejagt war, den sie mittlerweile ohne jede Regung in so manch eisige Nachtluft hinausschreien konnte. Aber es erschien ihr ebenso lächerlich, nun einfach wieder umzukehren - wohin auch? Mit jedem weiteren Jahr war ihr die Rückkehr unwirklicher geworden, hatte sie sich Dinge wie Stolz, Ehrgefühl, ja sogar Zugehörigkeit abstreifen lassen wie Teile einer zerschundenen Rüstung, die ihren Zweck nicht mehr erfüllen konnte. So entschlossen sie in ihren Absichten ursprünglich auch war, hatte sie den Grund für ihr Ziel allmählich verloren. Und nun gab es all das für sie nicht mehr. Nur noch den Weg, der vor ihr lag.

Erneut schreckte sie aus ihren Gedanken auf. Irgendwo hinter sich hörte sie immer wieder das ruckhafte Scharren über aufgewühlten Boden. Eines der Reittiere war noch nicht tot und versuchte wohl vergeblich, sich irgendwie wieder aufzurappeln. Doch nur noch Teile des mächtigen Leibs schienen sich bewegen zu lassen, verkleidet unter schweren Platten einer groben Schutzrüstung, die das hilflose Vieh nun zusätzlich an den Boden pressten.
Sie war etwas nähergetreten und blickte auf das Tier herab. Es schien sehr hartnäckig. Aber das war nur eine Illusion, soviel verstand Gyrechk von Tieren. Selten wußten sie, wann etwas aussichtslos war. In diesem Moment jedoch kam ihr selbst gerade das wie ein Segen vor. So gnadenlos unermüdlich. In seiner panischen Verzweiflung war es absolut rein in seiner Entschlusskraft. Es bemühte sich nur, irgendwie am Leben zu bleiben. Es gab kein Abwägen, kein Hadern oder gar Bedauern... nur den reinen Instinkt. Alles erschien so einfach und doch so wirkungsvoll. Auf eine Art beneidete sie also das Tier. Selbst jetzt, da es zuvor als gezähmtes Reittier von einem niederen Menschen über Jahre in seiner Gewalt gehalten wurde, hatte es - nun im Todeskampf begriffen - doch nicht seine wahre Natur verloren und hat zurückgefunden. Der langsam nahende Tod offenbarte immer die wahre Natur der Dinge.
Dies waren stets die Augenblicke, in denen die junge Orkin mit sich im Reinen sein konnte. Sie genoß es. Es schien, als sei sie in solchen Augenblicken der Wahrheit näher als je zuvor. Wenn Lächeln für sie ein Ausdruck dieses tiefempfundenen Friedens gewesen wäre - sie hätte gelächelt. Aber so blieb der Ausdruck in ihrem Gesicht wie fast immer bloß maskenhaft starr und lediglich die blutunterlaufenen Augen glänzten leicht auf.
Sie hob kurz darauf den Blick und starrte einmal mehr einfach nur in die Ferne. Dann, völlig unmittelbar, ging sie auf diese Ferne zu und verschwand schließlich darin.

Zurückbleibend die Zeugnisse irgendeines blutigen Kampfes um irgendwas, weit draußen irgendwo - und der unbändige Wille eines Pferdes, das erst nach einer endlos eisig durchlittenen Nacht mit ersten Sonnenstrahlen des darauffolgenden Tages die schleichende Erlösung eines ungezügelten Todes erfahren würde.
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#2
(( OOC: Super ... mehr davon bitte. Gut geschrieben. ))
[Bild: falasignatur.jpg]
Wahre Macht bedeutet nicht einfach nur ein Herrscher zu sein...Wahre Macht ist die Herrscher zu beherrschen! - Kaan der Hetzer
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