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Amandrias Seelenklang
#11
... während die Halbelfe in der längsten Nacht des Jahreslaufes sich ebenfalls erinnert ... an den Tag, an dem ihr Leben eine Richtung erhielt.


DIE KINDER DES CORAX - ANGEKOMMEN!

"Ich werde es mir durch den Kopf gehen lassen, mellon nin." Zurückblickend erscheint mir diese Antwort auf die Fragen meiner Freunde, ob ich nicht auch dem Clan der Hîn Corax beitreten möchte, wie ein Witz. Als ob diese Angelegenheit auch nur ansatzweise von meinem Kopf entschieden worden wäre!
Während mein Verstand noch die Vor- und Nachteile einer Mitgliedschaft abwog und mit Begriffen wie "Ungebundensein", "Pflichten", "Unterstützung" und "Gemeinschaft" jonglierte, hatte sich mein Herz längst entschieden:
MAE! Ich wollte an der Seite von Ninniel, Samiris und Thamisat eine Iell Corax sein, wollte mit anderen Elfen für unser Volk kämpfen, wollte mich einer Gemeinschaft zugehörig fühlen.
Nachdem mein Herz ungeduldig gewartet hatte, bis mein Verstand aufgeschlossen hatte, stellte sich mir eine ganz andere Frage: Würden SIE mich - eine Halbelfe - denn überhaupt in ihrem Clan haben wollen?

Vorsichtig schnitt ich das Thema in einem Gespräch mit der Alatariel Aerien an. "Nun, wichtig ist nicht, wessen Kind ihr seid, sondern wie es in eurem Herzen aussieht", entgegnete sie mir mit vielsagendem Blick.
Scheinbar sah es so übel nicht aus in meinem Herzen, jedenfalls wurde ich, kurz nachdem sich der Tag meiner Geburt zum 99. Mal jährte, in den Tempel von Barcaras geladen, um dort in den Bund der Coraxkinder aufgenommen zu werden.
Pochenden Herzens, mein Gesicht eine einzige Maske der Ausdruckslosigkeit, betrat ich den Tempel und ließ meinen Blick über die Anwesenden schweifen: Heron Esrandell, der Begründer des Bundes; die Alatariel Aerien; Linardt, dem ich bereits in jungen Jahren im Ameisennest begegnet war; Nemia, die ich erst vor kurzem auf Girans Marktplatz kennenlernte; ein mir unbekannter Elf, der mir später als Shimaso vorgestellt wurde, und meine lieben Freunde Thamisat und Samiris.
Flugs drängte ich mich zwischen die beiden und ergriff ihre Hände. Sie lächelten mich an und traten mit mir vor, um dann aber an ihren Platz zurückzukehren.

"Wie ist euer Name, Elfe?", ich schrak auf als ich die ernste Stimme Esrandells vernahm. "Ich bin Amandria Abendkin ... nnd", mir stockte der Atem, und die unsägliche Erkenntnis traf mich wie ein Schlag: Ama, du hast es verbockt - gleich mit dem ersten Satz, der deinen Mund verließ! Da wünschest du einzutreten in einen Clan, der die elfischen Traditionen bewahren möchte, und dir gelingt es nicht einmal, deinen eigenen Namen in elfischer Sprache über die Lippen zu bringen. Dabei hatte ich tags zuvor mehrere Stundengläser damit verbracht, mir meinen elfischen Grundwortschatz in Erinnerung zu rufen und insbesondere mir Worte wie "estel" und "haew edhellen" einzuprägen. Vergebene Mühe für eine, die wohl doch besser ihre Freunde unter den Rundohren suchen sollte.
Mit starrem Blick und hängenden Schultern erwartete ich verzweifelt die Absage des strengen Heron.

"So, Amandria Abendkind also, ein schöner Name", ein kurzes Lächeln glitt über seine Gesichtszüge. Scheinbar machte er sich auch noch über mich lustig.
Es war mir einerlei. Wie in Trance beantwortete ich noch einige Fragen, die er mir stellte. Worum es ging, und was ich antwortete? ... meine Erinnerung daran ist wie ausgelöscht.
Erst als er sich einem kleinen, ledernden Buch zuwandte, und ich die gespannten Blicke der anderen Elfen sowie die Freude in den Augen meiner Freunde sah, dämmerte mir langsam, dass Meister Esrandell mich mitnichten aus dem Tempel werfen würde, sondern gerade in Begriff war, mich in den von mir bereits aufgegebenen Clan aufzunehmen.
"So wollen wir euch in das Buch des Bundes einschreiben, Amandria Abendkind", seine Stimme durchdrang feierlich die Stille des Tempels. "Amandria ... Hen en aduial", wie mechanisch bewegten sich meine Lippen in meinem ungläubigen Gesicht, brachten jedoch keinen Ton hervor, während mein Herz umso lauter jubilierte.

Als ich die Glückwünsche und Umarmungen meiner elfischen Schwestern und Brüder entgegennahm, nachdem mir die Alatariel das blaue Clanabzeichen angesteckt und mir meinen Clantitel "Magolad Corax" verliehen hatte, vermochte ich mit letzter Kraft die Tränen zurückzuhalten.
Fräulein Abendkind", flüsterte eine Stimme in mir, "möglicherweise bist du gerade heimgekommen!"



mellon nin: mein/e Freund/in
Hîn Corax: Kinder des Corax
mae: ja
Iell Corax: Tochter des Corax
Alatariel: Bundesälteste
Barcaras: Elfendorf
Heron: Meister
estel: Glaube
haew edhellen: elfische Bräuche/Kultur
Hen en aduial: Abendkind
Magolad Corax: die beiden Schwerter des Corax
Der Glanz der Sterne in die Herzen meiner Freunde - die Klingen meiner Schwerter in die Herzen der Feinde!
Amandria Hen en Aduial, Magolad Eva
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#12
Irgendwann, tief unter der Teufelsinsel.

Die Kampfrufe der Halbelfe, das Bersten der Knochen unter ihren schnellen Schlägen hallte in ihr noch nach, als man schon längst ermattet in eine Ecke gesunken war.
Tief hinein in das modrige Labyrinth, durch Heerscharen von Widernaturen, hatten die Doppelschwerter sie und Belit unbeirrt geführt, auf der Suche nach den letzten Untoten aus Zakens Armee.
Vorsichtig öffnete die Priesterin das Buch, in dem alle Untoten verzeichnet waren und hakte zufrieden die Besiegten ab. Sie strich noch einmal über die Seiten und versuchte sich in Erinnerung zu rufen, wann und wo sie es gefunden hatte...
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#13
(Wiewohl einer Kriegerin Heldentaten sich rasch wie von selbst verbreiten, so macht es doch der Kriegerin Geheimnisse aus, dass kaum jemand jemals von ihnen erfährt. Daher erscheint es lohnenswert, ein solch' Letzteres ans Licht zu zerren, und den beeindruckenden Kampf unter der Teufelsinsel den Poeten und Barden für ihre Heldengedichte und -balladen zu überlassen.)



DIE HÄRTE DES ONYX


... kaum berühren meine Tatzen den Boden ... als ob ich über die Ebene fliege ... die Entfernung zu meiner Beute verringert sich mit jedem Ausgreifen meiner muskulösen Läufe ... ich brülle die Lust der Jägerin aus mir heraus ... ein Zittern durchläuft meinen geschmeidigen Körper, als mir der Angstgeruch meines Opfers in die Nase steigt ... zu jung, sich dem Kampf zu stellen - das Horn gerade erst aus seiner Stirn gebrochen ... noch zehn Sprünge ... noch fünf ... noch einer ... JETZT! ... meine Fänge graben sich in das weiche, helle Fleisch ... meine Sinne berauschen sich an dem jungen Blut ...

Benommen erhebt sich die unbekleidete Halbelfe von der Leiche eines jungen Einhorns. Unverständnis spiegelt sich in ihren grünen Augen, dann nacktes Entsetzen, als das Blut an ihrem Gesicht und an ihren Händen das Ungeheuerliche belegt. "Corax, was habe ich getan! Goheno nin, un en Eva. Ich war nicht mehr ich selbst." - Tränen benetzen das blutige Fell des gerissenen Tieres. Die Worte des unseligen Verwandlungszaubers, den ihr die Zauberin im Elfenbeinturm lehrte, hallen in ihrer Erinnerung wider:

DIE VIELFALT MEINER GEDANKEN WERDE ZUR ZIELSTREBIGKEIT DER JÄGERIN.
DIE GEFÜHLE IN MEINEM HERZEN WERDEN ZU DEN INSTINKTEN DES TIERES.
DAS FLEISCH IN MEINEM KÖRPER WERDE ZUR HÄRTE DES ONYX.

NIE WIEDER, AMA! Jede Silbe soll vergessen sein! - Kraftlos sinkt sie auf dem noch warmen Tier zusammen, die Wunden mit ihrem nackten Körper zu bedecken suchend.


...


Wie Halme unter der Sense der Bauern so fallen die Ketra-Orks einer nach dem anderen unter den unbarmherzigen Klingen einer Handvoll schwer gerüsteter Elfen.
"Dieses Lager wird verwaisen, und trinken sollt ihr euer eigenes Gift, mit dem ihr eure Waffen bestreicht, Yrch!", gellt es aus dem Mund der Schwertsängerin, während ihre Gefährtinnen und Gefährten, sie mit undurchdringlichen Blicken bedenkend, ihr blutiges Werk schweigend verrichten. Nachdem der Kampf beendet, die Magolad Corax sich mit leuchtenden Augen dem Abschied jener widmet, mit denen sie Seite an Seite erfolgreich focht: "Mich erfüllt Stolz, mit euch den Sieg errungen zu haben, und Freude, jeden und jede von euch zum Abschied lebend in die Arme schließen zu dürfen."
Doch weder Elf noch Elfe finden sich auf das leichte Öffnen ihrer Arme hin in diesen ein; vielmehr meint sie, in einigen Gesichtern einen Hauch von Belustigung zu entdecken. Die Enttäuschung darüber nur unzureichend verwinden könnend, lässt sie hilflos die Arme hängen.
Schließlich nickt ihr ein Elf freundlich zu: "Cuio vae, Peredhin ... und für den nächsten Kampf solltet ihr berücksichtigen, dass jedes Gefühl, welches ihr dem Gegner offenbart, den Kampf zu seinen Gunsten entscheiden kann."
"Atenio", murmelt die Halbelfe mit tonloser Stimme und dreht rasch der Gruppe den Rücken zu, um dieser die leichte Röte, die ihr Gesicht zu überziehen beginnt, nicht sehen zu lassen. Ein hastig abgelesener Spruch bringt sie sogleich fort, in die Clanhalle der Coraxkinder.

Niedergeschlagen sinkt sie dort auf weiche Kissen. Oh Ama, ist dein Platz wirklich bei den Edhil? Wer genau bist du? Wie soll ich sein? Wie will ich sein? - Die Vielfalt meiner Gedanken werde ... Je länger unruhige Gedanken ihr Herz zerreißen, desto stärker wächst in diesem Moment die Sehnsucht, in liebevollen Armen zu liegen. Sie seufzt, weiß sie doch Samiris just auf einer längeren Reise ... und Mikarion oder gar Thamisat - nur Corax weiß, wo diese grad' zu finden.
Vielleicht finde ich bei Alan Trost - mit einem Hoffnungsschimmer auf dem Gesicht schlägt sie den Weg zum Elmor ein. Doch wird ihr Herz nicht leichter, als sie vor der geschlossenen Tür steht und den Aushang liest: "für die Dauer von sieben Tagen geschlossen". - "Corax, welch' ein unsäglicher Tag", bricht es aus ihr heraus. Die Gefühle in meinem Herzen werden ...

Aufgewühlt verlässt sie Giran, um Ruhe zu finden zwischen den Bäumen des nahen Waldes, ... um die quälenden Zweifel an ihrem eigenen Wesen aus ihrem Geist zu verbannen, ... um frei zu sein. Frei wie ein Tier? - blitzt die Frage in ihr auf - Wie ein wildes Tier? - "Law, ein wildes Tier ... kann sich nicht kontrollieren", flüstert sie. Dich kontrollieren? Ist es das, wonach du strebst, Halbelfe? Oder ist es das, was dich zermürbt? - "Als ein wildes Tier bin ich nicht mehr ich selbst", begehrt sie auf. Du selbst? Wer bist du selbst, Ama? Als Raubkatze spürst du in jeder Faser deines Körpers, dass du DU bist. - "Mae", haucht sie erregt, "das ist wahr: in jeder Faser meines Körpers und in jedem noch so kleinsten Winkel meines Geistes."

Ihr Gang wird langsamer. Schließlich bleibt sie stehen. Eine lange Zeit verharrt sie, spitzt die Ohren, versucht, in den vereinzelten Lichtstrahlen der Nachmittagssonne Bewegungen auszumachen - Bewegungen von Wesen, denen sie gefährlich werden könnte.
Irgendwann legt sie fieberhaft Waffen und Rüstung ab, entkleidet sich und verbirgt ihre Habe in einem Brombeerstrauch. Dann kauert sie am Boden und spricht den Verwandlungszauber.

...

Hunger! ... ein Knurren in mir ... ich jage durch's Unterholz ... eine Jagd ohne Beute - bisher ... und dennoch: ICH BIN FREI! ... endlich - eine Fährte ... der Duft von Lebendigem ... wie von selbst zieht er mich an ... die Welt besteht nur noch aus diesem Geruch ... jetzt habe ich es gesichtet ... es wird mir nicht entkommen - auf seinen zwei jämmerlichen Beinen ... hat mich noch nicht einmal bemerkt ... ein gieriges Fauchen ... meine Muskeln spannen sich ... dann der Sprung ...

Das Fauchen der Onyx-Bestie lässt den Jungen herumschnellen. Starr vor Schreck, der Pilzkorb seiner Hand entglitten, springen ihm seine eigenen angstgeweiteten Augen entgegen, die sich in der glänzend-glatten Quarzoberfläche der Raubkatze widerspiegeln.




Goheno nin: Verzeih' mir
Un en Eva: Geschöpf der Eva
Yrch: Orks
Cuio vae: leb wohl
Peredhin: Halbelfe
Atenio: kurzer elfischer Abschiedsgruß
Edhil: Elfen
Law: nein
Mae: ja
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Amandria Hen en Aduial, Magolad Eva
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#14
"Solange ihr ein Ziel vor Augen habt, wisst ihr, wozu dies alles dient: die Mühen, die Entbehrungen, die täglichen Übungen, der Kampf."

- Worte einer elfischen Ausbilderin für den Nahkampf mit der Waffe -
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#15
DIE ERFÜLLUG EINES SCHWURS


"TUUR!" - ihr Siegesschrei, von den gewaltigen Höhlenwänden widerhallend, klingt dumpf und hohl in der Schwertsängerin Ohren. Ohne Gefühlsregung starrt sie auf die in einem See aus Blut liegende Bestie, ihr langes von den stinkenden Säften des Tieres verschmiertes Schwert noch mit beiden Händen umklammert und selbst am ganzen Körper besudelt.
Es ist vollbracht! Der Schwur, vor langer Zeit dem Elfengott geschworen, endlich erfüllt! 50 Jahresläufe hatte die Halbelfe hart trainiert und an ihren Kampfkünsten gearbeitet. Als sie sich schließlich stark genug wähnte, um der verhassten Gegnerin zu begegnen, verstrich ein weiteres Jahr, bis sie sie vor fünf Tagen endlich aufgespürt ... herausgelockt aus tiefsten Höhlen auf nahe Hügelspitze ... um sich mit ihr einen Kampf zu liefern, welcher sich von der Mittagsstunde hinzog bis zu dem Zeitpunkt, in dem die Sonne das wüste Land in rotes Licht taucht.
Vergebens - wohl war sie schnell genug geworden, den riesigen Zangen des Ungeheuers auszuweichen, doch nur selten durchbrach ihre Klinge dessen steinharten Panzer.
Und heute, am letzten Tag, den diese mörderische Kreatur erleben sollte, waren sie erneut aufeinander getroffen. Gemeinsam mit ihren beiden Gefährtinnen und ihrem treuen Wolf hatten sie ihr Opfer nach nur gut einem Stundenglas niedergestreckt.

Mae, ihre Gefährtinnen! Ihr ungewöhnlich stumpfer Blick streift die zwei Elfen, die erschöpft aber mit leuchtenden Augen am Boden sitzen. Sie sehen zufrieden aus.
Auch ich sollte Befriedigung empfinden, Freude und Triumph. Warum fühle ich mich so leer? Nahezu ein Menschenleben habe ich auf diesen Moment gewartet! Ist das Gefühl genommener Rache stets so hohl? Mein schwelender Hass durch den Tod der Todbringerin nicht gelöscht?
Oder ist mir nur mein Ziel genommen? War sie es nicht, die mich erst zu der überragenden Kriegerin machte, die ich heute bin? Ist mein Kampf nun vorbei? Wäre ich heute ins Licht gegangen, hätte sich mein Vater einst eine Elfe erwählt?


Eine Frage Liskayas schreckt die Halbelfe aus diesem entsetzlichen Gedanken auf und lässt sie wie mechanisch antworten: "Ob es sich noch weiter hineinzieht? Mae, dort befindet sich die Brut des Ungetüms." Sogleich springt auch Samiris wieder auf die Beine und reißt ihr Bannschwert in die Höhe.
Mae, ihre Brut lebt noch. Vielleicht schmeckt deswegen der Sieg noch so schal - ein Ruck befreit die Schwertsängerin aus ihrer Starre. Sie hastet Liskaya und der geliebten Priesterin hinterher, gelangt noch vor ihnen in die kleine Höhle. In deren Mitte: eine große hässliche Larve. Zeitgleich mit Liskaya durchbohrt sie das junge Leben. Gehetzt blickt sie sich um. Überall an den Wänden hängen Kokons.
Während Samiris noch die leblose Larve betrachtet, öffnet Liskaya mit schnellen Schnitten einen der Kokons. Eine weitere Larve! Noch klein, aber auch sie wird einst ein Monstrum sein. Drei rasche Schritte an die Seite der Freundin und der Zweihänder der Schwertsängerin schneidet die zukünftige Bestie in blutige Stücke. Sie stürzt zum nächsten Kokon, hat bereits einen der fingerdicken Fäden durchtrennt, an denen er hängt, als sie der Priesterin sanfte Hand auf ihrer Schulter spürt. Ungehalten wendet sie ihren Kopf, ... um in coraxblaue tiefe Seen zu blicken, die ihre Maske des Hasses zerfließen lässt.
Als sie gleichzeitig die beruhigenden Worte Liskayas von der Seite her vernimmt, fällt alle Kälte von ihr ab. "Mae, unser Werk ist getan. Lasst uns heimkehren. Andere Aufgaben harren unser", flüstert sie, während ihre Augen in Tränen schwimmen. Gemeinsam verlassen sie Bruthöhle und die gigantische Halle.
"No Corax le anna sidh, ris veleg!", murmelt die Halbelfe, als ihr letzter Blick zurückfällt auf die gewaltige Leiche der Ameisenkönigin.

Tur = Sieg
No Corax le anna sidh, ris veleg! = Corax schenke dir Frieden, mächtige Königin!
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Amandria Hen en Aduial, Magolad Eva
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#16
"Denn wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein."

- aus einer Tempelrolle der Menschenkinder -
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#17
HINTERM HORIZONT

Vier Tage waren vergangen, seitdem die Halbelfe die Istyarien Samiris auf den Hafenkais Girans verabschiedet, sich wieder an selbigen einfand ... einen Tag zu früh wohl, doch vielleicht waren Corax und der derzeitig kräftige Südwind einem rascheren Wiedersehen wohl gewogen.
"Mae ...", sinniert die Schwertsängerin mit hoffnungsfrohem Lächeln "... wird der Segler nicht von gewandten Elfenhänden gelenkt? - Und überhaupt: Warum sollte ein Bootstyp als Schnellsegler bekannt sein, wenn er nicht auch einmal sein Ziel einen Abend früher als erwartet erreicht, zudem wenn auf seinen Planken in geschwungenen Elfenlettern der vielversprechende Name Blaufalke zu lesen ward!"

Vergessen die bleierne Müdigkeit ... ausgeblendet die schrecklichen Alpträume der letzten Woche, an deren Inhalte sich die Meigol Gwend bei Erwachen nicht ein einziges Mal hatte erinnern können ... so steht sie aufrecht, einer Statue gleich, dem Meer zugewandt ... einzig die grünen Augen sich bewegen, den Horizont absuchend, um so früh als möglich das Segel der Geliebten zu erspähen.
"Schade nur, dass Herr Arandir noch nicht das Schmuckstück zu Ende zu fertigen vermocht", denkt sie mit leichtem Bedauern, "falls ich SIE bereits heute wieder in meine Arme werde schließen können."

Aber als unbegründet erweist sich diese sachte Klage; scheint der elfische Schnellsegler wohl doch seinen Zeitplan einzuhalten entschlossen, und so sieht man tags darauf erneut die elfengleiche Erscheinung mit erwartungsvoll suchenden Augen auf das Meer hinausblicken.
Indes ... auch an diesem Abend nachfolgendem Tage würde ein Beobachter dieselbe Gestalt amselben Platze zur späten Nachmittagsstunde erkennen können ... ebenso am nächsten Tag und am Tag danach.
Insgesamt neunundachtzig aufeinanderfolgenden Nachmittagen und Abenden bietet sich den Hafenbesuchern dasselbe Bild: eine aufrecht stehende Halbelfe, den Blick jedesmal hoffnungsvoll auf das Südmeer gerichtet ... nur dass sich in ihren leicht geöffneten Händen schon lange ein Kleinod birgt, dessen Schönheit und Makelosigkeit in Adens Landen seinesgleichen suchen dürfte: eine silberne Kette mit einem sternenförmigen, mit goldenen Runen verzierten Anhänger, in den ein blaues, schlankes Onyxherz eingelassen ist - den gierigen Blick schon so manch zwielichter Gestalt auf sich gezogen. (Doch bislang wohl irgendetwas in den Augen der vollbewaffneten Schwertsängerin jedem Bösewicht den Gedanken einer raschen Bereicherung umgehend fallenzulassen empfahl.)

Es ist schließlich der vierundneunzigste Abend, seitdem ein elfischer Schnellsegler in Girans Hafen in See stach, als eine Gruppe Hafenarbeiter die wie leblos zusammengesunkene halbelfische Gestalt auf den dortigen Kais auffinden, an eine zersplitterte Holzplanke geklammert, auf der in coraxblauer Farbe noch einige für die Männer unidentifizierbare Runen aufgemalt zu erkennen sind.
Es ist auch der Tag, in dessen Nacht die Schwertsängerin und Taid der Elfengarde (so sie diesen Posten trotz einiger Pflichtvernachlässigungen und gravierender Fehlleistungen aufgrund mangelnder geeigneterer Kandidaten oder eines etwaigen Vertrauensvorschusses seitens des Elfenrates noch innehat) sich nicht mehr gegen die Botschaft ihres sich jede Nacht wiederholenden Traumes sperren und die Bilder endlich ihr Bewusstsein durchbrechen sowie ihr Herz überschwemmen lassen wird: Bilder eines wütenden Unwetters auf nächtlicher, hoher See ... Bilder eines zerborstenen elfischen Schnellseglers und eines abgerissenen, treibenden Großmastes in schäumenden, haushohen Wogen ... und das Bild einer zierlichen Elfe, welche hilflos über Bord gespült.

Fortan bleibt der Platz auf dem Kai wieder unbesetzt. Nur an seltenen Tagen kann man sie dort für einige Augenblicke wieder stehen sehen: eine Halbelfe mit starrem Blick zum Horizont ... ihre Haltung nun nicht mehr so aufrecht ... immer noch die silberne Sternenkette mit dem blauen Herzstein in der Hand haltend und stets die andere Hand zu ihrem langen Haar erhoben, die Blüte eines Vergißmeinnicht berührend, deren nicht verwelkte Blütenblätter den einzigen Grund dafür darstellen, dass jenes kostbare Schmuckstück immer noch nicht auf dem Grunde des Hafenbeckens gelandet.

"AI ANIRON, AI ANIRON LE SI, MELETHRIL NIN!", klingt dann ihr sehnsuchtsvoller Gesang übers Meer, kurz bevor sie sich stets umdreht, um sich wieder Freunden und Pflichten zu widmen.



Istyarien = Priesterin
Meigol Gwend = die Schwerter des Bundes
Taid = stellvertrettende Leiterin (wörtl.: die zweite)
Ai aniron le si! = Wie ich wünschte, dass du hier wärest!
melethril nin = Meine Geliebte
Der Glanz der Sterne in die Herzen meiner Freunde - die Klingen meiner Schwerter in die Herzen der Feinde!
Amandria Hen en Aduial, Magolad Eva
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#18
( Der Stern, der vom Himmel fiel war die Geschichte, die Amandria als kleines Mädchen von ihrem Vater stets am liebsten erzählt bekommen hatte.
Da das Schicksal dieses kleinen Sterns auch gerade an den Ängsten und Sehnsüchten der mittlerweile erwachsenen Halbelfe rührt, sei hier festgehalten, wie sie sich eines Abends in ihrem Gardistenquartier in der lichten Stadt Heine anschickte, ihrem Menschenfreund Figh diese Geschichte wiederzugeben.)


DER STERN, DER VOM HIMMEL FIEL

Einst wollte ein Stern wieder auf die Erde zurück.
Du weißt doch, dass die Sterne am Firmament allesamt Elfen sind, die ihre Lebensaufgabe erfüllt und die Welt hier unten verlassen haben?

Das hast du mir einmal erzählt, ja.

Gut, dieser Stern also fragte den Mond, in dessen Lichtschein er wandelte, ob er ihm diesen Wunsch erfüllen könne: „Hier oben bei dir ist es so hell, dass mein Leuchten kaum zu erkennen ist, und da unten erscheint es mir so dunkel. Man würde sich dort sicher über etwas Licht freuen.“
„Kleiner Stern“, entgegnete der Mond, „es ist so, dass wir hier oben alle schlafen, wenn es auf der Erde hell wird. Aber wenn du trotzdem hinunter möchtest, steht dir solches frei. Wisse nur, dass dein Glanz beständig abnimmt, wenn du nicht mehr in meiner Nähe bist. Und gib acht, denn wenn er ganz erlischt, dann kannst du nicht mehr zu uns zurück!“
„Oh, ich werde auf mein Strahlen schon gut aufpassen“, versicherte eifrig der Stern, verabschiedete sich mit nicht geringer Vorfreude vom Mond und den anderen Sternen und ließ sich als Sternschnuppe vom Himmel herabfallen.

Auf der Erde gefiel es ihm sehr gut. Solange die helle Sonne aufgegangen war, schlief er in einer kleinen verlassenen Erdhöhle und war sie untergegangen, spazierte er strahlend durch die nächtliche Welt.
Er traf viele Wesen, die erfreut waren über sein Leuchten und denen er zuweilen eine große Hilfe war: Einem Glühwürmchen, welches nicht mehr zu leuchten vermochte, gab er etwas von seinem Licht. Einem Zwerg, dessen Esse erloschen ward, half er sie wieder anzufachen. Er entzündete einem alten Mütterlein auf dessen abendlichen Heimweg die Laterne, welche der Wind ausgeblasen hatte, und so fort …

Schließlich hatte der Stern nur noch eine Sternenspitze Licht übrig, und er wollte just von einem einsamen Strand wieder ins Mondlicht aufsteigen, als er jemanden weinen hörte. Er blickte sich um und sah eine Meerjungfrau, die da auf einem Stein saß und schluchzte.
Warum sie denn so weinen täte, wollte der Stern wissen.
Ja, weil doch da draußen auf dem Meer gerade so ein Sturm herrsche ... und ihr es nicht gelänge, das Meeresleuchten anzustellen ... und das, wo doch ihr Liebster, der ein Mensch sei, mit einem Boot hinaus wäre und im Dunkeln den gefährlichen Riffen womöglich nicht ausweichen könnte …, erklärte die Nixe unter Tränen.

Das tat dem kleinen Stern natürlich leid. Doch er hatte ja nur noch ein letztes Licht übrig. Was glaubst du, was der Stern nun getan hat, Figh?

Nun hm … der kleine Stern würde sicherlich selbstlos handeln, denke ich mir, auch wenn er damit sein Schicksal besiegelte. Aber ich hoffe, er kam auf die Idee, die Wesen um Hilfe zu fragen, denen er geholfen hat.

Ja, vielleicht hätte ihm das weitergeholfen; aber diese Idee kam ihm nicht. Vielmehr sprach er mit trauriger Stimme: „Ich könnte das Wetterleuchten mit meinem letzten Licht entzünden, aber dann bin ich glanzlos und kann nicht mehr ins Mondlicht aufsteigen. Ich wäre für immer an die Erde gebunden, und wo sollte ich dann hier unten leben? Ich kenne ja niemanden wirklich.“
„Oh, du könntest bei mir im Meer leben“, blinzelte die Meerjungfrau hoffnungsvoll. „Auf dem weichen Meeresboden würde ich dir ein Bett aus Sand bauen und dafür sorgen, dass die Wellen dich sanft über den Boden tragen, so dass du auf dem Grund der See spazieren gehen kannst, wann immer du magst.“

Da verschenkte der kleine Stern sein letztes Licht, und von dieser Nacht an findet man auch auf dem Meeresboden Sterne.

Nur leuchten, das können sie nicht mehr.
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Amandria Hen en Aduial, Magolad Eva
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#19
ITHIL UIREB

Wenn alle Taten sind vollbracht,
wenn alles Lachen ist gelacht,
der Mond nicht schwindet nach der Nacht,
werd' ich dann in's Licht gehen?
Werde ich dann dich sehen?

Wenn ich im Kampf zu Boden geh',
wenn mich verschlingt die stürmisch' See,
der Drachen Feuer nicht übersteh',
werd' ich dann in's Licht gehen?
Werde ich dann dich sehen?

Wenn ich den Sinn des Ganzen sah',
mein Lebensziel zum Greifen nah'
und meine Träume werden wahr,
werd' ich dann in's Licht gehen?
Werde ich dann dich sehen?

Wenn alle Leben sind gelebt,
wenn alle Fäden sind gewebt,
sich all' erfüllt, wonach gestrebt,
werd' ich dann in's Licht gehen?
Werde ich dann dich sehen?

Wenn irgendwann der Tag wird sein,
mein ganzes Volk im Mondenschein,
bleib' dann im Dunkel ich allein?
Oder werd' auch ich in's Licht gehen?
Werde ich dann dich sehen?

(gesungen in der Burg zu Aden anlässlich eines Festes im letzten Mond des Jahres)

ithil uireb: ewiges Mondlicht
Der Glanz der Sterne in die Herzen meiner Freunde - die Klingen meiner Schwerter in die Herzen der Feinde!
Amandria Hen en Aduial, Magolad Eva
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