08.03.2012, 21:26
Eine schöne Menschenseele finden ist Gewinn.
Ein schönerer Gewinn ist sie erhalten
und der schönst' und schwerste, sie, die schon verloren war, zu retten.
(Johann Gottfried von Herder)
Reflektion
Sie waren zu keinem eindeutigen Schluss gekommen. Yvaine war froh gewesen, dass Iaskell ihr nachgereist war und sie sich zusammen über den seltsamen Flakon beraten konnten. Dass die seltsame Substanz etwas mit Freya zutun hatte, stand außer Frage. Doch.. was? Sie waren sich nicht schlüssig. Iaskell hatte den Inhalt des Flakons mit einem Bannzauber belegt, so dass sie den Korken entfernen konnte. Die Substanz war sogleich aufgestiegen und Yvaine hatte den Korken hastig zurück gesteckt, bevor sie entweichen konnte. Dieses... Ding hatte sogar... reagiert, als Iaskell es angesprochen hatte, glimmte auf, flackerte.
Yvaine war sich sicher, dass es sich um etwas abgrundtief böses handelte. Die Kälte, die es verströmte, war unheimlich. Und nun, wo der ewige Winter Freyas vorüber war, wirkte es doch deutlicher fehl. Sie kamen nicht weiter. Doch egal wie man es wendete - das Ziel der Reise würde Dion sein. Dort lagerten alle Utensilien, die Iaskell für eine Untersuchung brauchen würde.
---
Sie war überrascht, ihn in Dion zu treffen. Wenn auch sie nicht wusste, ob es eine positive oder negative Überraschung war. Familienmitglieder zu treffen, sollte doch immer etwas Gutes sein. Yvaine war gerade auf dem Weg zum Kräuterladen gewesen, etwas Teekraut zu kaufen, dass ihnen ermöglichen würde, lange wach zu bleiben und über dem Rätsel zu brüten, das ihnen der seltsame Flakon auf gab.
Ian und Yvaine verfielen in flüchtiges Plaudern, während sie das Dorf durchquerten. Wie so oft führte der Weg der Priesterin vorbei an eine der eisernen Skulpturen, die noch immer Zeuge des magischen Winters waren. Man hatte sich an sie gewöhnt. Grotesk der Gedanke, dass diese Skulpturen einst Menschen waren.
Der Morgen war kühl dafür, dass Frühling wurde und die Luft sehr klar. Geräusche wurden weit getragen und so kam es, dass Yvaine die geflüsterte Botschaft verstand.„Hilfe…“ Sie erstarrte. „Hast du das auch gehört?“ Ian zuckte mit den Schultern. „Was gehört?“ Sie brachte den Bruder mit einer knappen Geste zum Schweigen, lauschte. Nichts. Stirnrunzelnd ging Yvaine
ein paar Schritte rückwärts. „Hilfe…“ Ihr Blick folgte dem Flüstern und ihr wurde kalt ums Herz, als sie erkannte, von wo es kam. „Es ist die Statue!“ Hastig trat sie an diese heran, hielt das Ohr ans erstarrte Gesicht. "Ian! Sie lebt! Die Skulptur… das.. was sie einmal war… LEBT noch!“ keuchte sie ungläubig. Der Ritter schüttelte den Kopf. „Mach dich nicht lächerlich, Kleines.“ Er hatte tatsächlich nichts gehört und so hielt auch er das Ohr ans Eis. Stille.
Doch die Priesterin war nicht zu bremsen. „Wir müssen sie da raus holen! Wir müssen sie retten!“ Aufgescheucht umkreiste sie die Skulptur, versuchte das Eis mit den eigenen Händen gar zu schmelzen. „Yvaine. Nun beruhige dich!“ Kopfschüttelt musste er mit ansehen, wie seine Schwester gar den Wintermantel auszog, ihn der Eisskulptur umlegte, die gefrorenen Arme rubbelte. „Sie ruft um Hilfe! Wir müssen ihr doch helfen! Sie lebt noch!“ Ian betrachtete noch eine Weile, wie Yvaine mit zunehmender Verzweiflung versuchte, die Skulptur auf zu tauen. Natürlich mit keinerlei Erfolgen.
Schließlich schob er sie mit sanfter Gewalt beiseite, nahm den Mantel von der Statue und schüttelte ihn aus. „Das hat doch keinen Sinn, Yvaine. Mach dich nicht verrückt.“Doch genauso gut hätte er mit der Eisskulptur selbst reden können – die Priesterin hörte ihm nicht einmal zu. Sie wich seinen Armen aus und trat wieder an die Skulptur. Mit warmen Worten des Gebets, einem Segen der Göttin versuchte sie, Wärme ins Eis zu bringen. Warmes Licht hüllte die Konturen der ehemaligen Bewohnerin Dions ein, heller, fast blendend. Yvaine nutzte ihre ganze Kraft in diesen Zauber, bis sie schließlich in die letzten Spuren des Schnees sank, erfolglos und körperlich schwer erschöpft. „Hilfe…“Immer wieder, in ihrem Kopf klang es beinahe wie Schreie.
Seufzend trat Ian hinter sie, beförderte sie mit einem gekonnten Griff unter die Arme wieder auf die zitternden Beine. „Yvaine… du kannst sie nicht retten.“ Das hübsche Gesicht der Priesterin spiegelte blanke Verzweiflung wieder. „Ich muss... sie retten, Ian. Ich muss!“ Als er spürte, dass sie sich wieder losreißen wollte, umfassten die starken Arme sie fest. Einen Moment der schwachen Gegenwehr verstrich, ehe sie auf gab. Er hauchte ihr einen Kuss auf die Schläfe. „Ich weiß, Liebes. Doch du kannst ihnen nicht helfen. Niemand kann das. Vermutlich werden sie noch immer so da stehen, wenn bereits die heiße Augustsonne über Dion brennt. Es ist kein gewöhnliches Eis, das weißt du. Du hast sie gesehen. Du warst in ihrem Schloss. Freya ist tot, doch ihre Eismagie ist stark genug, dass sie ihre Opfer noch immer gefangen hält. Du kannst sie nicht einfach frei schmelzen.“
Schwer atmend ließ Yvaine den Hinterkopf gegen die Brust des Bruders sinken. „Hilfe…“ Es hörte nicht auf. Sie musste handeln! Auch wenn sie nicht wusste wie. Als Ian den Griff um sie wieder lockerte, mobilisierte sie ihre letzten Kräfte, riss sich los und rannte auf den Tempel zu. Dass er ihren Namen rief, hörte sie kaum. „Hilfe…“ einige Male stolperte sie, ein Mal fiel sie auf die Knie, ehe sie die Kirche erreichte und vollkommen unpriesterlich durch das Hauptschiff. Ihre Schritte hallten laut in der leeren Kirche, ehe sie die Treppe in die Wohnräume erreichte, sie mehr hoch fiel, als dass sie rannte.
Ian stand noch immer kopfschüttelnd an der Eisskulptur, den Wintermantel Yvaines in der Hand. „Du kannst nicht alles auf der Welt verbessern, Yva…“ murmelte er abwesend. „Nicht jeder kann oder will gerettet werden.“ Leise seufzend wandte er sich ab.
Ein schönerer Gewinn ist sie erhalten
und der schönst' und schwerste, sie, die schon verloren war, zu retten.
(Johann Gottfried von Herder)
Reflektion
Sie waren zu keinem eindeutigen Schluss gekommen. Yvaine war froh gewesen, dass Iaskell ihr nachgereist war und sie sich zusammen über den seltsamen Flakon beraten konnten. Dass die seltsame Substanz etwas mit Freya zutun hatte, stand außer Frage. Doch.. was? Sie waren sich nicht schlüssig. Iaskell hatte den Inhalt des Flakons mit einem Bannzauber belegt, so dass sie den Korken entfernen konnte. Die Substanz war sogleich aufgestiegen und Yvaine hatte den Korken hastig zurück gesteckt, bevor sie entweichen konnte. Dieses... Ding hatte sogar... reagiert, als Iaskell es angesprochen hatte, glimmte auf, flackerte.
Yvaine war sich sicher, dass es sich um etwas abgrundtief böses handelte. Die Kälte, die es verströmte, war unheimlich. Und nun, wo der ewige Winter Freyas vorüber war, wirkte es doch deutlicher fehl. Sie kamen nicht weiter. Doch egal wie man es wendete - das Ziel der Reise würde Dion sein. Dort lagerten alle Utensilien, die Iaskell für eine Untersuchung brauchen würde.
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Sie war überrascht, ihn in Dion zu treffen. Wenn auch sie nicht wusste, ob es eine positive oder negative Überraschung war. Familienmitglieder zu treffen, sollte doch immer etwas Gutes sein. Yvaine war gerade auf dem Weg zum Kräuterladen gewesen, etwas Teekraut zu kaufen, dass ihnen ermöglichen würde, lange wach zu bleiben und über dem Rätsel zu brüten, das ihnen der seltsame Flakon auf gab.
Ian und Yvaine verfielen in flüchtiges Plaudern, während sie das Dorf durchquerten. Wie so oft führte der Weg der Priesterin vorbei an eine der eisernen Skulpturen, die noch immer Zeuge des magischen Winters waren. Man hatte sich an sie gewöhnt. Grotesk der Gedanke, dass diese Skulpturen einst Menschen waren.
Der Morgen war kühl dafür, dass Frühling wurde und die Luft sehr klar. Geräusche wurden weit getragen und so kam es, dass Yvaine die geflüsterte Botschaft verstand.„Hilfe…“ Sie erstarrte. „Hast du das auch gehört?“ Ian zuckte mit den Schultern. „Was gehört?“ Sie brachte den Bruder mit einer knappen Geste zum Schweigen, lauschte. Nichts. Stirnrunzelnd ging Yvaine
ein paar Schritte rückwärts. „Hilfe…“ Ihr Blick folgte dem Flüstern und ihr wurde kalt ums Herz, als sie erkannte, von wo es kam. „Es ist die Statue!“ Hastig trat sie an diese heran, hielt das Ohr ans erstarrte Gesicht. "Ian! Sie lebt! Die Skulptur… das.. was sie einmal war… LEBT noch!“ keuchte sie ungläubig. Der Ritter schüttelte den Kopf. „Mach dich nicht lächerlich, Kleines.“ Er hatte tatsächlich nichts gehört und so hielt auch er das Ohr ans Eis. Stille.
Doch die Priesterin war nicht zu bremsen. „Wir müssen sie da raus holen! Wir müssen sie retten!“ Aufgescheucht umkreiste sie die Skulptur, versuchte das Eis mit den eigenen Händen gar zu schmelzen. „Yvaine. Nun beruhige dich!“ Kopfschüttelt musste er mit ansehen, wie seine Schwester gar den Wintermantel auszog, ihn der Eisskulptur umlegte, die gefrorenen Arme rubbelte. „Sie ruft um Hilfe! Wir müssen ihr doch helfen! Sie lebt noch!“ Ian betrachtete noch eine Weile, wie Yvaine mit zunehmender Verzweiflung versuchte, die Skulptur auf zu tauen. Natürlich mit keinerlei Erfolgen.
Schließlich schob er sie mit sanfter Gewalt beiseite, nahm den Mantel von der Statue und schüttelte ihn aus. „Das hat doch keinen Sinn, Yvaine. Mach dich nicht verrückt.“Doch genauso gut hätte er mit der Eisskulptur selbst reden können – die Priesterin hörte ihm nicht einmal zu. Sie wich seinen Armen aus und trat wieder an die Skulptur. Mit warmen Worten des Gebets, einem Segen der Göttin versuchte sie, Wärme ins Eis zu bringen. Warmes Licht hüllte die Konturen der ehemaligen Bewohnerin Dions ein, heller, fast blendend. Yvaine nutzte ihre ganze Kraft in diesen Zauber, bis sie schließlich in die letzten Spuren des Schnees sank, erfolglos und körperlich schwer erschöpft. „Hilfe…“Immer wieder, in ihrem Kopf klang es beinahe wie Schreie.
Seufzend trat Ian hinter sie, beförderte sie mit einem gekonnten Griff unter die Arme wieder auf die zitternden Beine. „Yvaine… du kannst sie nicht retten.“ Das hübsche Gesicht der Priesterin spiegelte blanke Verzweiflung wieder. „Ich muss... sie retten, Ian. Ich muss!“ Als er spürte, dass sie sich wieder losreißen wollte, umfassten die starken Arme sie fest. Einen Moment der schwachen Gegenwehr verstrich, ehe sie auf gab. Er hauchte ihr einen Kuss auf die Schläfe. „Ich weiß, Liebes. Doch du kannst ihnen nicht helfen. Niemand kann das. Vermutlich werden sie noch immer so da stehen, wenn bereits die heiße Augustsonne über Dion brennt. Es ist kein gewöhnliches Eis, das weißt du. Du hast sie gesehen. Du warst in ihrem Schloss. Freya ist tot, doch ihre Eismagie ist stark genug, dass sie ihre Opfer noch immer gefangen hält. Du kannst sie nicht einfach frei schmelzen.“
Schwer atmend ließ Yvaine den Hinterkopf gegen die Brust des Bruders sinken. „Hilfe…“ Es hörte nicht auf. Sie musste handeln! Auch wenn sie nicht wusste wie. Als Ian den Griff um sie wieder lockerte, mobilisierte sie ihre letzten Kräfte, riss sich los und rannte auf den Tempel zu. Dass er ihren Namen rief, hörte sie kaum. „Hilfe…“ einige Male stolperte sie, ein Mal fiel sie auf die Knie, ehe sie die Kirche erreichte und vollkommen unpriesterlich durch das Hauptschiff. Ihre Schritte hallten laut in der leeren Kirche, ehe sie die Treppe in die Wohnräume erreichte, sie mehr hoch fiel, als dass sie rannte.
Ian stand noch immer kopfschüttelnd an der Eisskulptur, den Wintermantel Yvaines in der Hand. „Du kannst nicht alles auf der Welt verbessern, Yva…“ murmelte er abwesend. „Nicht jeder kann oder will gerettet werden.“ Leise seufzend wandte er sich ab.
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