09.11.2007, 23:53
Stand: 05.12.2007, Kapitelzahl: 14
Kapitel 1 - Blind in der Dunkelheit
Der Schmerz ließ sie erwachen. Kein starker Schmerz war es, nein, eher einer von der Sorte von Schmerzen, die zwar schwach sind, jedoch permanent da. Und sich daher nicht verdrängen lassen. Der Boden unter ihr wankte leicht, immer stetig, von einer Seite auf die Andere. Wie getrieben von einer ungeheuren Kraft. Sie griff sich mit einer Hand an den Hinterkopf. Hier war das Haar etwas feucht. Blut? Sie führte die Hand ans Gesicht und öffnete endlich die Augen. Doch es blieb dunkel. Erschrocken setzte sie sich auf. Grelle Lichtblitze schossen in ihrem Kopf umher. Sie war noch bewusstlos, bevor sie auf dem harten Holzboden aufschlug.
Auf dem Oberdeck des Schiffes wurde gearbeitet. Die Wellen waren hoch und den knapp fünf Dutzend Menschen fiel es sichtlich nicht leicht, die große holzerne Galeone durch die Wellenberge zu segeln. Der Regen prasselte unnachgibig auf das Deck, während der Sturm unaufhörlich an den stolzen weißen Segeln zerrte. Doch mehr waren nicht übergeblieben. Der Krieg war hart gewesen und hatte vielen tüchtigen Seemännern alles abverlangt. Die Seewolf, wie man die Galeone genannt hatte, war noch glimpflich davon gekommen. Zwar hatte sie einen ihrer Maste einbüssen müssen, doch den gröten Schaden trug die Mannschaft, deren Zahl deutlich geschrumpft war.
Die übrig gebliebenen Männer wünschten sich nichts weiter, als endlich wieder einen Schritt ans Land tun zu können, ohne die schwankenden Balken unter den Füßen. Ihr Familien wieder sehen. Ja, das war der Wunsch eines jeden. Doch der Sturm wollte sie scheinbar vorerst nicht gehen lassen.
Die Orkin unten im Lagerraum war inzwischen wieder zu sich gekommen. "Wo bin ich?" fragte sie sich, dann stellte sie die Frage laut in den Raum. Doch keine Antwort kam. "Ich bin blind" mutmaßte sie, tastete sich dann etwas über den Boden. Holzbalken. Immernoch schwankte es heftig, doch sie dachte, dass es an ihrem angeschlagenen Zustand liegen würde. Vorsichtig stand sie auf, die Hände schützend vor sich haltend. Einige Meter wankte sie so, bis sie auf Wiederstand stieß. Holzplanken. Sie tastete sich an ihnen entlang, bis sie bemerkte, dass dies ein geschlossener Raum war. Sie war gefangen. Und offensichtlich erblindet. Doch wer war sie eigentlich? Aufseufzend ließ sie sich wieder auf den Boden sinken. Sie ertastete ein paar gefüllte Säcke, hiner denen sie sich kauerte. Eine Hand hielt sie gegen ihre Stirn. "So leer..." stammelte sie. Was war nur passiert...
Der Sturm hatte sich gelegt. Der schmächtige Mann oben im Krähennest traute seinen Augen kaum. "Land in Sicht" rief er glücklich. Und tatsächlich. Die hoffnungsvoll geweiteten Augen der übernächtigten Seemänner sahen tatsächlich einen dunklen Streifen am Horizont. Sie hatten es geschafft. Den Krieg und auch den Sturm überstanden.
Die Orkin erwachte von einem Sonnenstrahl, der ihre Nase kitzelte. Sie öffnete die Augen, fast in Erwartung dass es Dunkel bleiben würde. Doch das blieb es nicht. Die sah den Holzboden, hob den Blick an den Schiffwänden entlang. Der Sonnenstrahl hatte sich seinen Weg in den Schiffsbauch durch die offene Luke an der Decke gebahnt. Eine Leiter war dort angelegt. "Ich bin nicht blind!" die Erkenntnis kam leise geflüstert über die blassen Lippen. Sie schlich langsam an die Luke, verharrte, lauschte. Doch es schien niemand in der Nähe zu sein. Langsam trat sie die ersten Stufen empor, und wurde von der Sonne schier geblendet. Blinzelnd sah sie sich um. "Ein Schiff..." Die Seewolf lag ruhig und verlassen da. Auch am Ufer war niemand zu sehen. Langsam gewöhnten sich die Augen der Orkin an die ungewohnte Helligkeit. Sie stieg nun auch die letzten Stufen hinauf und sah sich langsam um. Das Meer lag beinahe unschuldig ruhig da und nur ein leichtes Lüftchen wehte, kaum in der Lage die mächtigen Segel zu blähen.
Die Schritte der Orkin hallten laut auf den mitgenommenen Balken der Galeone. Dies war die letzte Reise des stolzen Schiffes, das musste die Orkin erkennen. Die einst weißen Segel waren vergilbt und durchlöchert, der Rumpf offenbarte einige tiefe Risse. Dass das Schiff noch nicht gesunken war, lag an der Sandbank, auf der es lag. Wasser sickerte hinein. Seetüchtig, das war die Seewolf nicht mehr. Sie hatte gekämpft, ihre Mannschaft sicher an Land gebracht. Doch zu mehr war die Galeone nicht mehr in der Lage. Ihr Ziel war erreicht.
Einer der Menschen hatte eine kleine Axt in den abgebrochenen Mast geschlagen. Unheimlich schimmerte die Waffe. Die Orkin trat einen Schritt auf sie zu, sie fast ehrfürchtig betrachtend. Die Klinge war schön halbmondförmig gebogen und schlicht, ohne Verzierungen. Zögernd streckte die Orkin die Hand nach dem hölzernen, schwarzen Griff aus und zog die Waffe aus dem Holz. Sie betrachtete die Waffe, hielt die üppige Klinge vor ihr Gesicht. Das sich sogleich auf der blitzenden Klinge spiegelte. Überrascht blickte die Orkin das Gesicht an, das ihr da entgegenblickte. Grüne Haut, große, blassgrüne Augen mit einer fast winzigen Pupillen, sowie üppige, blasse Lippen. Dazu kraeftig rotes Haar, zu dicken Strängen gefilzt und zu einem buschigen Zopf gebunden. Ein Ork, keine Frage. Lange blickte sie in diese ihr unbekannten Augen, die doch ihre eigenen waren. "Luveena" flüsterte sie. Auch wenn sie nicht wusste, warum ausgerechnet dieser Name ihr ins Gedächtnis kam. Wer war Luveena? Ein Feind? Vielleicht jemand aus ihrer Familie? Angestrengt überlegte sie, die Stirn kraus ziehend. Doch da war nichts. Hatte sie eine Familie? Einen Stamm? Wo kam sie her? Wer war sie? Doch in ihrem Kopf war nur eine weite, gähnende Leere. Wieder blickte sie ihr Gesicht in der Waffe an. "Luveena". Ein paar Male wiederholte sie den Namen, immernoch auf das fremde Gesicht starrend, bis sie endlich begriff. DAS war Luveena. SIE war Luveena.
Langsam liess Luveena die Axt sinken, steckte sie gedankenverloren in ihren Gürtel. Dann trat sie auf die Reeling zu, dem unbekannten Land vor sich einen langen, unergründlichen Blick schenkend. Was hatte sie zu verlieren. Wenn man keine Vergangenheit hat, braucht man doch wenigstens eine Zukunft- um diese wiederherum zur Vergangenheit werden zu lassen... Mit einem Ruck setzte sie sich in Bewegung, trat festen Schrittes auf die Holzbalken, die von der Reeling zum Land gelegt waren.
Das Holz der Galeone ächzte leise, als sie an Land trat. Traurig klang dieses Ächzen, ein Geräusch voll von Endgültigkeit. Doch das hörte Luveena nicht mehr. Entschlossen waren ihre Schritte, fort vom Meer, ins Landesinnere. Die große Galeone blieb auf der Sandbank zurück. Alleine. Geschlagen. Tot. Doch ihren letzten Passagier hatte sie an Land entlassen. In ein neues, unbekanntes Leben.
Kapitel 2 - Die Taverne
Lange war sie unterwegs, bis endlich die ersten Häuser auftauchten. Keine Seele kreuzte ihren Weg, auch als sie schließlich durch die Tore der kleinen Stadt ging. "Dion" stand auf einem Schilde geschrieben. Sie sah sie um, doch niemand war zu sehen. Aus einer hölzernen Tür kam freudiges Lachen. "Taverne" verkündete ein weiteres Schild. Neugierig trat sie ein.
Die Stimmen gehörten einem untersetztem Zwerg mit silbergrauem Bart, der an der Bar die Gläser polierte. Eine dickliche Zwergin lachte gerade lauthals über einen seiner Witze. Luveene blickte umher, bis ihr Blick dann auf dem einzigen Gast hängen blieb, einem Dunklen, der den leeren Bierkrug vor sich anstarrte, als würde er ihn am Liebsten heilig sprechen. Luveene zog eine Augenbraue fragend hoch und schlenderte dann zu einem leeren Tisch, die Zwergin, welche die Schankmaid war mit einem kurzen "He Da!" aus dem Gespräch reissend. Sie bestellte ein Butterbier und blickte kaum auf, als auch schon der Dunkle ihr gegenüber saß und sich, durch den Alkohol leicht nuschelnd, als Meras vorstellte.
Die Schankmaid kam und brachte den bestellten Humpen Butterbier, den Luveena mit einem tiefen Schluck bis zur Hälfte leerte. Die lange Reise hatte sie durstig gemacht. Der Dunkle betrachtete in der Zeit den Humpen der Orkin wie einen liebgewonnenen und allzulang vermissten Freund. Luveena setzte an etwas zu sagen, als eine Orkin die Taverne betrat. Sie schien etwas oder jemanden zu suchen, den ihr Blick irrte in jede Ecke der Taverne. Sie war der erste Ork, den Luveena sah, bzw. erinnerte sie sich an keinen.
Die Fremde war nun an Luveenas Tisch angekommen. Luveena warf einen kurzen Blick auf Meras, dessen trunkener Kopf nun auf den Tisch gesunken war. Dann erhob sie sich. "Wen suchst du?" fragte sie. "Xorak" antwortete die Fremde, die sich gleich darauf als Niatek vorstellte. Sie hatten eine Weile geredet, da Niatek sich nicht vorstellen konnte, das Luveena zuvor noch keinem Ork begegnet war. "Du warst wohl noch nie im Dorf" stellte Niatek fest, "Von welchem Stamm bist du?" Doch auch auf diese, etwas misstrauisch gestellte Frage konnte Luveena ihr keine klare Antwort geben. "Ich weiss es nicht" sagte sie bedauernd.
An dieser Stelle wurden sie unterbrochen, denn der Türrahmen der Taverne verdunkelte sich, als ein großer, schwer gerüsteter Ork eintrat. Er trat sogleich zu Niatek und ein Blick auf das Wappen an seiner Rüstung verstärkte Luveenas Vorahnung, dass die beiden sich kannten- das Wappen war das Selbe. Perlys, wie Niatek den Ork nannte, stellte sich höfflich vor, so höfflich wie es für einen Ork nur möglich ist. "Erklär ihr doch bitte den Weg ins Dorf" bat Niatek ihn und verabschiedete sich kurz, verließ dann die Taverne. Und Perlys begann zu erzählen, sprach von düsteren Tälern, Bergen und Monstern, bei dessen Erwähnung Luveena fast wie automatisch an ihre kleine Streitaxt griff. Sie war Shamanin, keine Kämpferin. "Nichts, vor dem sich ein Ork fürchten müsste." versicherte Perlys. Doch dessen war sich Luveena nicht sicher. Zweifelnd blickte sie zu Meras, dessen Finger sich wie zufällig an den Griff ihres Humpens verirrt hatten.
"Was treibst du dich mit einem Dunklen rum?" fragte Perlys, den nun langsam sehr betrunkenen Meras mit einem geringschätzigen, beinahe hochnäsigen Blick betrachtend. "Nun, er ist der einzige den ich kenne." erklärte Luveena, "Doch er tut nichts ausser trinken. Und vertragen tut er auch nichts." Perlys lachte. "Schwächlinge sind sie, diese Dunklen." Luveena nickte eifrig. "Nicht wie Orks." Mit einer herrischen Geste haute sich Perlys vor die breite, gepanzerte Brust. "Kha!" Luveena war sich sicherer wie nie zuvor: Sie musste dieses Ork-Dorf finden. Dankend verabschiedete sie sich von Perlys und warf Meras einen letzten Blick zu. Doch der Kopf des Dunklen lag abermals auf den hölzernen Brettern des Tisches. Er schlief, tief und fest. Luveena wandte sich ab. Ja, sie musste aufbrechen. Sogleich.
Kapitel 3 - Eine weite Reise später
Es war keine drei Tage später, als Luveena endlich in der frühen Abenddämmerung im Dorf ankam. Sie war erschöpft und ihre Beine schmerzten, von dem langen Fußweg, so auch von einigen blutenden Wunden, die ihr ein Kampf mit einigen hungrigen Wölfen eingebracht hatte. Völlig zerschlagen ließ sie sich auf einer Steintreppe nieder und begann, die Wunden zu versorgen. So müde war sie... Schwer sank der Kopf der Orkin gegen die Steinwand...
Als Luveena erwachte, war es hellichter Tag. Sie fühlte ein eigenartiges Kribbeln auf dem Hinterkopf, ein Kribbeln, das man verspührt, wenn Auge auf einen gerichtet sind. Sie hob den Kopf und blickte sich um. Eine Wache, zweifelslos ein Ork, blickte spöttisch auf sie hinab. "Gut geschlafen?" Sie knurrte leise: "Wie lange liege ich nun hier?" "Fast zwei Tage! Langsam müsstest du wach sein!" Luveene knurrte wieder, dieses Mal leicht unwirsch und rappelte sich auf. Die Wunden an ihren Beinen hatten aufgehört zu schmerzen, sie fühlte sich wach und erholt. Sogleich trat sie ein paar Schritte auf den Platz zwischen den Gebäuden zu, als sie ein ihr bekanntes Gesicht erblickte.
Niatek stand im Schatten eines der Häuser. "Gor lák!" rief sie freundlich. Niatek schaute sie erfreut an. "Gor lák Luveena. Wie ich sehe hat Perlys den Weg hierher gut beschrieben." Luveena nickte. "Wie lange bist du schon hier?" fragte Niatek weiter. "Seit zwei Tagen" sagte Luveena etwas zähneknirschend, jedoch verschweigend, was sie in diesen zwei Tagen getan hatte. "Ich habe aber noch nicht viel gesehen." "Hat Perlys dir etwas über die verschiedenen Stämme erzählt?" fragte Niatek. Bedauernd schüttelte Luveena den Kopf. Auffordernd nickte Niatek ihr zu. "Dann kommt, ich kenne eine Stelle an der es sich besser reden lässt." Luveena folgte ihr und sie kamen an eine Stelle, an der mehrere Baumstämme als bequeme Bänke aufgestellt waren. Ein riesiges Bierfass stand neben den Bänken. Dankbar setzte Luveena sich, nachdem sie ihr großes Büffeltrinkhorn mit Bier gefüllt hatte. Und Niatek begann zu erzählen. Sie erklärte Luveena, wie die verschiedenen Stämme zustande gekommen sind.
"Der Legende nach wurden die Orks einst von Paagrio geschaffen. Er schuf den ersten Vorfahren der Orks, Ash, aus seiner Glut. Dieser erste Vorfahre hatte, so die Sagen, sechs Kinder, aus denen die sechs Stämme der Orks hervorgingen: Atuba, Duda-Mara, Hestui, Gandi, Neruga und Urutu." Luveena hörste gebannt zu, doch keines dieser Namen sagte ihr etwas. Niatek erkannte die Sorge in den Augen der Orkin. "Spreche zu Paagrio. Du wirst deinen Stamm erkennen. Vielleicht wird es etwas dauern, aber du wirst ihn erkennen." Dann erklärte sie, dass jeder Stamm ein Totemtier hatte und appelierte Luveena zur Vorsicht. "Traue nicht jedem. Solange du zu keinem Stamm gehörst, bist du angreifbar." Luveena runzelte die Stirn. "Woher weiss ich wem ich trauen kann?" "Eigentlich kannst du jedem in diesem Dorf trauen. Und jedem, der dieses Zeichen trägt." Sie deutete auf das Wappen an ihrer Brust, dass Luveena auch an Perlys gesehen hatte. "Nur traue keinem Duda-Mera."
Sie wurden unterbrochen, als ein schlanker Ork-Shamane auf sie zu trat. Er begrüßte Niatek mit einem Kuss, so dass Luveena schmunzeln musste. Nachdem sie sich vorgestellt hatte, bot sie an, die beiden alleine zu lassen, doch der Shamane, der sich als Xorak vorstellte, winkte ab. "Noch sind wir nicht dort, wo du stören würdest." lachte er. Wenig später, nach eingen freundlichen Worten deutete er Luveenas neidischen Blick richtig. "Hast wohl kein Männchen, wie?" Luveenas Lächeln gefrohr schlagartig. Hatte sie eines? Angestrengt dachte sie nach. Doch da war nichts. Vor ihrem Erwachen im Bauche des Schiffes war ein einziges schwarzes Loch. Keinerlei Erinnerungen. Hatte sie wohlmöglich ihren Liebsten vergessen? Doch Xorak berschwichtigte sie schmunzelnd: "Also ich könnte mein Weibchen nicht vergessen." Luveena nickte eifrig. "Wenn es einen gäbe, hätte ich ihn bestimmt nicht vergessen." Ihre Stimme klang hoffnungvoll. "Ihr findet schon ein Männchen." versicherte Xorak. Luveena lächelte still, während ihre Gedanken langsam davon wanderten. Hatte es jemanden gegeben? Der vielleicht sogar auf sie wartete? Wo kam sie her? Und wen hatte sie zurück gelassen?
Gesprächsfetzen drangen an Luveenas Ohr. Von einem Drachen namens Anthara und einer Truppe, die ausziehen wollte, ihn zu töten. Unsanft aus ihren Gedanken gerissen blickte sie zu Niatek und Xorak, die sich angeregt unterhielten. "Stike wird sicher dabei sein, ihn zu töten." Luveena erkannte den Namen, der im Gespräch nun schon einige Male gefallen war. "Stike? Er muss ein mutiger Krieger sein." sagte sie, mehr zu sich als zu den beiden anderen. Xorak lachte leise auf: "Kha- schon jemanden in Aussicht?" Luveena winkte lächelnd ab. "Nein, wie denn? Ich kenne ihn ja nicht einmal!" Doch Xorak war sich sicher: "Du wirst ihn kennenlernen."
Als Luveena sich schließlich abwandte, kreisten ihre Gedanken bereits um den Umbekannten. Vielleicht konnte ihr dieser Stike weiterhelfen ihren Stamm zu finden? Und auch wenn sie es sich nicht eingestehen mochte, nach dem was sie über diesen Stike gehört hatte, war sie auch ein bisschen neugierig.
Kapitel 4 - Geschichten eines Drachens
Als Luveena wieder auf Niatek traf, hatte sie Stike natürlich noch nicht gefunden. Niatek jedoch war zuversichtlich, dass Luveena ihn noch finden würde. Im weiteren Gespräch erzählte sie von einem geplanten Kapfzug gegen den grausamen Drachen Anthara, der Wunden verursachen konnte, die sich nicht mehr schlossen. "Es wäre mir eine Ehre, an der Seite der Wehr Kakais in den Kampf gegen diesen Drachen ziehen, wenn ihr noch eine Shamanin gebrauchen könnt." versicherte sie. Niatek war zuversichtlich. "Wende dich am Besten an die Dunkle Taarna- oder an Stike. Er wird die Wehr in diesem Kampf anführen." Luveena schmunzelte, als sie sich verabschiedet hatte und auf dem Weg in die Stadt Giran war. So war ihr selbst gestellter Auftrag noch immer der Selbe.
In der Stadt angekommen fiel Luveena sofort das Pergament ins Auge, welches dort an einem Baum nahe der Taverne angebracht war.
"Da ist es also" murmelte sie leise, das Pergament von dem Niatek ihr bereits erzählt hatte. Sie schmunzelte.. Etwas spukte in ihrem Kopf, eine Formel für einen Trank... wenn sie sich doch erinnern könnte... Da war etwas... Vielleicht konnte ein Gespräch mit einem anderen Shamanen ihrem Gedächtnis auf die Sprünge helfen?
Kurz entschlossen griff sie in ihren Beutel und förderte Pergament und Feder zu Tage. Dann begann sie einen Brief zu schreiben, an die Dunkle Taarna...
"Geehrte Taarna,
ich hörte von Eurem geplanten Schlachtzug gegen den mächtigen Drachen Antharas und möchte Euch hierzu meine Hilfe anbieten. Ich zweifle nicht im Gerinsten daran, dass die gemeldeten Krieger in der Lage sind, dem Biest seinem angestammten Schicksal zu zuführen, doch ich denke. Dennoch ist etwas Shamenen-Magie und Heilkunst vom Vorteil. So biete ich meine Dienste an, an der Seite der Wehr Kakais dem Drachen in den wohl sicheren Tode zu verhelfen.
Gehabt Euch wohl,
die Shamanin
Luveena"
Sie drückte das Pergament einem vorbeieilendem Boten in die Hand. "An die Dunkle Taarna" sagte sie.
(geliehen von Taarna)
Als Taarna das Haus der Gemeinschaft in Dion betrat, reichte Jamal ihr ein Schreiben. Taarna nahm es mit hinein und las es.
"Hm, eine Schamanin, nun es sind sehr gute Kämpfer und Magier, warum also nicht?!" Schnell griff sie zu Feder und Pegament und verfasste eine Antwort:
"Gor Lak Luveena.
Mit Freuden nahm ich heute Euer Schreiben zur Kenntnis und heisse Euch in den Reihen der Freiwilligen herzlich willkommen. Jemanden mit Euren Fähigkeiten können wir sehr gut brauchen, besonders da es uns an Heilkundingen dermassen mangelt, dass Yathallar Alantha vom schwarzen Lotus und ich schon Krieger in den wichtigen Kenntnissen der Heilkunst eines Kriegsmedicus einweisen müssen. Doch ist es nicht nur der reine Nutzen der mich veranlasst Euch willkommen zu heissen.
Ich bewundere den Mut eines jeden, der keiner Gemeinschaft, Clan oder Haus angehört und sich meldet ohne zu wissen wieviele Kämpfer teilnehmen und somit dem eventuellen Tod ohne Zögern entgegentritt.
Ihr schreibt, dass ihr gerne an der Seite der Wehr an dieser Schlacht teilnehmen wollt. Daher würde ich gerne Euer Schreiben der Schamanin Lia vorlegen. Bitte lasst mich kurz wissen ob Euch das Recht ist und wie wir Euch erreichen können.
Gez. Taarna, Zanjur d'Shilen.
Taarna versiegelte das Schreiben und gab es Jamal. "Bitte lasse es der Absenderin des Schreibens welches du mir vorhin gabst zukommen."
(/ende geliehen von Taarna)
Lange musste Luveena nicht auf eine Antwort warten. Sie hatte es sich gerade au das dritte große Butterbier in der Taverne gestürzt, als Jamal bei ihr eintraf. Sie nahm das Schreiben entgegen und überflog die Zeilen. "Lia..." Sie grübelte. Den Namen hatte sie bereits gehört. Bestimmt hatte Niatek ihn erwähnt. Jamal wandte sich zum gehen, doch Luveena rief ihn zurück. "Teilt der wehrten Dame Taarna mit, dass ich einwillige, mein Schreiben der Schamanin Lia vorzulegen."
Jamal wandte sich nun ganz ab und Luveena schaute ihm lange gedankenverloren nach, während bereits das erste Fünkchen Kampfeslust in ihren Augen blitzte...
Kapitel 1 - Blind in der Dunkelheit
Der Schmerz ließ sie erwachen. Kein starker Schmerz war es, nein, eher einer von der Sorte von Schmerzen, die zwar schwach sind, jedoch permanent da. Und sich daher nicht verdrängen lassen. Der Boden unter ihr wankte leicht, immer stetig, von einer Seite auf die Andere. Wie getrieben von einer ungeheuren Kraft. Sie griff sich mit einer Hand an den Hinterkopf. Hier war das Haar etwas feucht. Blut? Sie führte die Hand ans Gesicht und öffnete endlich die Augen. Doch es blieb dunkel. Erschrocken setzte sie sich auf. Grelle Lichtblitze schossen in ihrem Kopf umher. Sie war noch bewusstlos, bevor sie auf dem harten Holzboden aufschlug.
Auf dem Oberdeck des Schiffes wurde gearbeitet. Die Wellen waren hoch und den knapp fünf Dutzend Menschen fiel es sichtlich nicht leicht, die große holzerne Galeone durch die Wellenberge zu segeln. Der Regen prasselte unnachgibig auf das Deck, während der Sturm unaufhörlich an den stolzen weißen Segeln zerrte. Doch mehr waren nicht übergeblieben. Der Krieg war hart gewesen und hatte vielen tüchtigen Seemännern alles abverlangt. Die Seewolf, wie man die Galeone genannt hatte, war noch glimpflich davon gekommen. Zwar hatte sie einen ihrer Maste einbüssen müssen, doch den gröten Schaden trug die Mannschaft, deren Zahl deutlich geschrumpft war.
Die übrig gebliebenen Männer wünschten sich nichts weiter, als endlich wieder einen Schritt ans Land tun zu können, ohne die schwankenden Balken unter den Füßen. Ihr Familien wieder sehen. Ja, das war der Wunsch eines jeden. Doch der Sturm wollte sie scheinbar vorerst nicht gehen lassen.
Die Orkin unten im Lagerraum war inzwischen wieder zu sich gekommen. "Wo bin ich?" fragte sie sich, dann stellte sie die Frage laut in den Raum. Doch keine Antwort kam. "Ich bin blind" mutmaßte sie, tastete sich dann etwas über den Boden. Holzbalken. Immernoch schwankte es heftig, doch sie dachte, dass es an ihrem angeschlagenen Zustand liegen würde. Vorsichtig stand sie auf, die Hände schützend vor sich haltend. Einige Meter wankte sie so, bis sie auf Wiederstand stieß. Holzplanken. Sie tastete sich an ihnen entlang, bis sie bemerkte, dass dies ein geschlossener Raum war. Sie war gefangen. Und offensichtlich erblindet. Doch wer war sie eigentlich? Aufseufzend ließ sie sich wieder auf den Boden sinken. Sie ertastete ein paar gefüllte Säcke, hiner denen sie sich kauerte. Eine Hand hielt sie gegen ihre Stirn. "So leer..." stammelte sie. Was war nur passiert...
Der Sturm hatte sich gelegt. Der schmächtige Mann oben im Krähennest traute seinen Augen kaum. "Land in Sicht" rief er glücklich. Und tatsächlich. Die hoffnungsvoll geweiteten Augen der übernächtigten Seemänner sahen tatsächlich einen dunklen Streifen am Horizont. Sie hatten es geschafft. Den Krieg und auch den Sturm überstanden.
Die Orkin erwachte von einem Sonnenstrahl, der ihre Nase kitzelte. Sie öffnete die Augen, fast in Erwartung dass es Dunkel bleiben würde. Doch das blieb es nicht. Die sah den Holzboden, hob den Blick an den Schiffwänden entlang. Der Sonnenstrahl hatte sich seinen Weg in den Schiffsbauch durch die offene Luke an der Decke gebahnt. Eine Leiter war dort angelegt. "Ich bin nicht blind!" die Erkenntnis kam leise geflüstert über die blassen Lippen. Sie schlich langsam an die Luke, verharrte, lauschte. Doch es schien niemand in der Nähe zu sein. Langsam trat sie die ersten Stufen empor, und wurde von der Sonne schier geblendet. Blinzelnd sah sie sich um. "Ein Schiff..." Die Seewolf lag ruhig und verlassen da. Auch am Ufer war niemand zu sehen. Langsam gewöhnten sich die Augen der Orkin an die ungewohnte Helligkeit. Sie stieg nun auch die letzten Stufen hinauf und sah sich langsam um. Das Meer lag beinahe unschuldig ruhig da und nur ein leichtes Lüftchen wehte, kaum in der Lage die mächtigen Segel zu blähen.
Die Schritte der Orkin hallten laut auf den mitgenommenen Balken der Galeone. Dies war die letzte Reise des stolzen Schiffes, das musste die Orkin erkennen. Die einst weißen Segel waren vergilbt und durchlöchert, der Rumpf offenbarte einige tiefe Risse. Dass das Schiff noch nicht gesunken war, lag an der Sandbank, auf der es lag. Wasser sickerte hinein. Seetüchtig, das war die Seewolf nicht mehr. Sie hatte gekämpft, ihre Mannschaft sicher an Land gebracht. Doch zu mehr war die Galeone nicht mehr in der Lage. Ihr Ziel war erreicht.
Einer der Menschen hatte eine kleine Axt in den abgebrochenen Mast geschlagen. Unheimlich schimmerte die Waffe. Die Orkin trat einen Schritt auf sie zu, sie fast ehrfürchtig betrachtend. Die Klinge war schön halbmondförmig gebogen und schlicht, ohne Verzierungen. Zögernd streckte die Orkin die Hand nach dem hölzernen, schwarzen Griff aus und zog die Waffe aus dem Holz. Sie betrachtete die Waffe, hielt die üppige Klinge vor ihr Gesicht. Das sich sogleich auf der blitzenden Klinge spiegelte. Überrascht blickte die Orkin das Gesicht an, das ihr da entgegenblickte. Grüne Haut, große, blassgrüne Augen mit einer fast winzigen Pupillen, sowie üppige, blasse Lippen. Dazu kraeftig rotes Haar, zu dicken Strängen gefilzt und zu einem buschigen Zopf gebunden. Ein Ork, keine Frage. Lange blickte sie in diese ihr unbekannten Augen, die doch ihre eigenen waren. "Luveena" flüsterte sie. Auch wenn sie nicht wusste, warum ausgerechnet dieser Name ihr ins Gedächtnis kam. Wer war Luveena? Ein Feind? Vielleicht jemand aus ihrer Familie? Angestrengt überlegte sie, die Stirn kraus ziehend. Doch da war nichts. Hatte sie eine Familie? Einen Stamm? Wo kam sie her? Wer war sie? Doch in ihrem Kopf war nur eine weite, gähnende Leere. Wieder blickte sie ihr Gesicht in der Waffe an. "Luveena". Ein paar Male wiederholte sie den Namen, immernoch auf das fremde Gesicht starrend, bis sie endlich begriff. DAS war Luveena. SIE war Luveena.
Langsam liess Luveena die Axt sinken, steckte sie gedankenverloren in ihren Gürtel. Dann trat sie auf die Reeling zu, dem unbekannten Land vor sich einen langen, unergründlichen Blick schenkend. Was hatte sie zu verlieren. Wenn man keine Vergangenheit hat, braucht man doch wenigstens eine Zukunft- um diese wiederherum zur Vergangenheit werden zu lassen... Mit einem Ruck setzte sie sich in Bewegung, trat festen Schrittes auf die Holzbalken, die von der Reeling zum Land gelegt waren.
Das Holz der Galeone ächzte leise, als sie an Land trat. Traurig klang dieses Ächzen, ein Geräusch voll von Endgültigkeit. Doch das hörte Luveena nicht mehr. Entschlossen waren ihre Schritte, fort vom Meer, ins Landesinnere. Die große Galeone blieb auf der Sandbank zurück. Alleine. Geschlagen. Tot. Doch ihren letzten Passagier hatte sie an Land entlassen. In ein neues, unbekanntes Leben.
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Kapitel 2 - Die Taverne
Lange war sie unterwegs, bis endlich die ersten Häuser auftauchten. Keine Seele kreuzte ihren Weg, auch als sie schließlich durch die Tore der kleinen Stadt ging. "Dion" stand auf einem Schilde geschrieben. Sie sah sie um, doch niemand war zu sehen. Aus einer hölzernen Tür kam freudiges Lachen. "Taverne" verkündete ein weiteres Schild. Neugierig trat sie ein.
Die Stimmen gehörten einem untersetztem Zwerg mit silbergrauem Bart, der an der Bar die Gläser polierte. Eine dickliche Zwergin lachte gerade lauthals über einen seiner Witze. Luveene blickte umher, bis ihr Blick dann auf dem einzigen Gast hängen blieb, einem Dunklen, der den leeren Bierkrug vor sich anstarrte, als würde er ihn am Liebsten heilig sprechen. Luveene zog eine Augenbraue fragend hoch und schlenderte dann zu einem leeren Tisch, die Zwergin, welche die Schankmaid war mit einem kurzen "He Da!" aus dem Gespräch reissend. Sie bestellte ein Butterbier und blickte kaum auf, als auch schon der Dunkle ihr gegenüber saß und sich, durch den Alkohol leicht nuschelnd, als Meras vorstellte.
Die Schankmaid kam und brachte den bestellten Humpen Butterbier, den Luveena mit einem tiefen Schluck bis zur Hälfte leerte. Die lange Reise hatte sie durstig gemacht. Der Dunkle betrachtete in der Zeit den Humpen der Orkin wie einen liebgewonnenen und allzulang vermissten Freund. Luveena setzte an etwas zu sagen, als eine Orkin die Taverne betrat. Sie schien etwas oder jemanden zu suchen, den ihr Blick irrte in jede Ecke der Taverne. Sie war der erste Ork, den Luveena sah, bzw. erinnerte sie sich an keinen.
Die Fremde war nun an Luveenas Tisch angekommen. Luveena warf einen kurzen Blick auf Meras, dessen trunkener Kopf nun auf den Tisch gesunken war. Dann erhob sie sich. "Wen suchst du?" fragte sie. "Xorak" antwortete die Fremde, die sich gleich darauf als Niatek vorstellte. Sie hatten eine Weile geredet, da Niatek sich nicht vorstellen konnte, das Luveena zuvor noch keinem Ork begegnet war. "Du warst wohl noch nie im Dorf" stellte Niatek fest, "Von welchem Stamm bist du?" Doch auch auf diese, etwas misstrauisch gestellte Frage konnte Luveena ihr keine klare Antwort geben. "Ich weiss es nicht" sagte sie bedauernd.
An dieser Stelle wurden sie unterbrochen, denn der Türrahmen der Taverne verdunkelte sich, als ein großer, schwer gerüsteter Ork eintrat. Er trat sogleich zu Niatek und ein Blick auf das Wappen an seiner Rüstung verstärkte Luveenas Vorahnung, dass die beiden sich kannten- das Wappen war das Selbe. Perlys, wie Niatek den Ork nannte, stellte sich höfflich vor, so höfflich wie es für einen Ork nur möglich ist. "Erklär ihr doch bitte den Weg ins Dorf" bat Niatek ihn und verabschiedete sich kurz, verließ dann die Taverne. Und Perlys begann zu erzählen, sprach von düsteren Tälern, Bergen und Monstern, bei dessen Erwähnung Luveena fast wie automatisch an ihre kleine Streitaxt griff. Sie war Shamanin, keine Kämpferin. "Nichts, vor dem sich ein Ork fürchten müsste." versicherte Perlys. Doch dessen war sich Luveena nicht sicher. Zweifelnd blickte sie zu Meras, dessen Finger sich wie zufällig an den Griff ihres Humpens verirrt hatten.
"Was treibst du dich mit einem Dunklen rum?" fragte Perlys, den nun langsam sehr betrunkenen Meras mit einem geringschätzigen, beinahe hochnäsigen Blick betrachtend. "Nun, er ist der einzige den ich kenne." erklärte Luveena, "Doch er tut nichts ausser trinken. Und vertragen tut er auch nichts." Perlys lachte. "Schwächlinge sind sie, diese Dunklen." Luveena nickte eifrig. "Nicht wie Orks." Mit einer herrischen Geste haute sich Perlys vor die breite, gepanzerte Brust. "Kha!" Luveena war sich sicherer wie nie zuvor: Sie musste dieses Ork-Dorf finden. Dankend verabschiedete sie sich von Perlys und warf Meras einen letzten Blick zu. Doch der Kopf des Dunklen lag abermals auf den hölzernen Brettern des Tisches. Er schlief, tief und fest. Luveena wandte sich ab. Ja, sie musste aufbrechen. Sogleich.
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Kapitel 3 - Eine weite Reise später
Es war keine drei Tage später, als Luveena endlich in der frühen Abenddämmerung im Dorf ankam. Sie war erschöpft und ihre Beine schmerzten, von dem langen Fußweg, so auch von einigen blutenden Wunden, die ihr ein Kampf mit einigen hungrigen Wölfen eingebracht hatte. Völlig zerschlagen ließ sie sich auf einer Steintreppe nieder und begann, die Wunden zu versorgen. So müde war sie... Schwer sank der Kopf der Orkin gegen die Steinwand...
Als Luveena erwachte, war es hellichter Tag. Sie fühlte ein eigenartiges Kribbeln auf dem Hinterkopf, ein Kribbeln, das man verspührt, wenn Auge auf einen gerichtet sind. Sie hob den Kopf und blickte sich um. Eine Wache, zweifelslos ein Ork, blickte spöttisch auf sie hinab. "Gut geschlafen?" Sie knurrte leise: "Wie lange liege ich nun hier?" "Fast zwei Tage! Langsam müsstest du wach sein!" Luveene knurrte wieder, dieses Mal leicht unwirsch und rappelte sich auf. Die Wunden an ihren Beinen hatten aufgehört zu schmerzen, sie fühlte sich wach und erholt. Sogleich trat sie ein paar Schritte auf den Platz zwischen den Gebäuden zu, als sie ein ihr bekanntes Gesicht erblickte.
Niatek stand im Schatten eines der Häuser. "Gor lák!" rief sie freundlich. Niatek schaute sie erfreut an. "Gor lák Luveena. Wie ich sehe hat Perlys den Weg hierher gut beschrieben." Luveena nickte. "Wie lange bist du schon hier?" fragte Niatek weiter. "Seit zwei Tagen" sagte Luveena etwas zähneknirschend, jedoch verschweigend, was sie in diesen zwei Tagen getan hatte. "Ich habe aber noch nicht viel gesehen." "Hat Perlys dir etwas über die verschiedenen Stämme erzählt?" fragte Niatek. Bedauernd schüttelte Luveena den Kopf. Auffordernd nickte Niatek ihr zu. "Dann kommt, ich kenne eine Stelle an der es sich besser reden lässt." Luveena folgte ihr und sie kamen an eine Stelle, an der mehrere Baumstämme als bequeme Bänke aufgestellt waren. Ein riesiges Bierfass stand neben den Bänken. Dankbar setzte Luveena sich, nachdem sie ihr großes Büffeltrinkhorn mit Bier gefüllt hatte. Und Niatek begann zu erzählen. Sie erklärte Luveena, wie die verschiedenen Stämme zustande gekommen sind.
"Der Legende nach wurden die Orks einst von Paagrio geschaffen. Er schuf den ersten Vorfahren der Orks, Ash, aus seiner Glut. Dieser erste Vorfahre hatte, so die Sagen, sechs Kinder, aus denen die sechs Stämme der Orks hervorgingen: Atuba, Duda-Mara, Hestui, Gandi, Neruga und Urutu." Luveena hörste gebannt zu, doch keines dieser Namen sagte ihr etwas. Niatek erkannte die Sorge in den Augen der Orkin. "Spreche zu Paagrio. Du wirst deinen Stamm erkennen. Vielleicht wird es etwas dauern, aber du wirst ihn erkennen." Dann erklärte sie, dass jeder Stamm ein Totemtier hatte und appelierte Luveena zur Vorsicht. "Traue nicht jedem. Solange du zu keinem Stamm gehörst, bist du angreifbar." Luveena runzelte die Stirn. "Woher weiss ich wem ich trauen kann?" "Eigentlich kannst du jedem in diesem Dorf trauen. Und jedem, der dieses Zeichen trägt." Sie deutete auf das Wappen an ihrer Brust, dass Luveena auch an Perlys gesehen hatte. "Nur traue keinem Duda-Mera."
Sie wurden unterbrochen, als ein schlanker Ork-Shamane auf sie zu trat. Er begrüßte Niatek mit einem Kuss, so dass Luveena schmunzeln musste. Nachdem sie sich vorgestellt hatte, bot sie an, die beiden alleine zu lassen, doch der Shamane, der sich als Xorak vorstellte, winkte ab. "Noch sind wir nicht dort, wo du stören würdest." lachte er. Wenig später, nach eingen freundlichen Worten deutete er Luveenas neidischen Blick richtig. "Hast wohl kein Männchen, wie?" Luveenas Lächeln gefrohr schlagartig. Hatte sie eines? Angestrengt dachte sie nach. Doch da war nichts. Vor ihrem Erwachen im Bauche des Schiffes war ein einziges schwarzes Loch. Keinerlei Erinnerungen. Hatte sie wohlmöglich ihren Liebsten vergessen? Doch Xorak berschwichtigte sie schmunzelnd: "Also ich könnte mein Weibchen nicht vergessen." Luveena nickte eifrig. "Wenn es einen gäbe, hätte ich ihn bestimmt nicht vergessen." Ihre Stimme klang hoffnungvoll. "Ihr findet schon ein Männchen." versicherte Xorak. Luveena lächelte still, während ihre Gedanken langsam davon wanderten. Hatte es jemanden gegeben? Der vielleicht sogar auf sie wartete? Wo kam sie her? Und wen hatte sie zurück gelassen?
Gesprächsfetzen drangen an Luveenas Ohr. Von einem Drachen namens Anthara und einer Truppe, die ausziehen wollte, ihn zu töten. Unsanft aus ihren Gedanken gerissen blickte sie zu Niatek und Xorak, die sich angeregt unterhielten. "Stike wird sicher dabei sein, ihn zu töten." Luveena erkannte den Namen, der im Gespräch nun schon einige Male gefallen war. "Stike? Er muss ein mutiger Krieger sein." sagte sie, mehr zu sich als zu den beiden anderen. Xorak lachte leise auf: "Kha- schon jemanden in Aussicht?" Luveena winkte lächelnd ab. "Nein, wie denn? Ich kenne ihn ja nicht einmal!" Doch Xorak war sich sicher: "Du wirst ihn kennenlernen."
Als Luveena sich schließlich abwandte, kreisten ihre Gedanken bereits um den Umbekannten. Vielleicht konnte ihr dieser Stike weiterhelfen ihren Stamm zu finden? Und auch wenn sie es sich nicht eingestehen mochte, nach dem was sie über diesen Stike gehört hatte, war sie auch ein bisschen neugierig.
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Kapitel 4 - Geschichten eines Drachens
Als Luveena wieder auf Niatek traf, hatte sie Stike natürlich noch nicht gefunden. Niatek jedoch war zuversichtlich, dass Luveena ihn noch finden würde. Im weiteren Gespräch erzählte sie von einem geplanten Kapfzug gegen den grausamen Drachen Anthara, der Wunden verursachen konnte, die sich nicht mehr schlossen. "Es wäre mir eine Ehre, an der Seite der Wehr Kakais in den Kampf gegen diesen Drachen ziehen, wenn ihr noch eine Shamanin gebrauchen könnt." versicherte sie. Niatek war zuversichtlich. "Wende dich am Besten an die Dunkle Taarna- oder an Stike. Er wird die Wehr in diesem Kampf anführen." Luveena schmunzelte, als sie sich verabschiedet hatte und auf dem Weg in die Stadt Giran war. So war ihr selbst gestellter Auftrag noch immer der Selbe.
In der Stadt angekommen fiel Luveena sofort das Pergament ins Auge, welches dort an einem Baum nahe der Taverne angebracht war.
"Da ist es also" murmelte sie leise, das Pergament von dem Niatek ihr bereits erzählt hatte. Sie schmunzelte.. Etwas spukte in ihrem Kopf, eine Formel für einen Trank... wenn sie sich doch erinnern könnte... Da war etwas... Vielleicht konnte ein Gespräch mit einem anderen Shamanen ihrem Gedächtnis auf die Sprünge helfen?
Kurz entschlossen griff sie in ihren Beutel und förderte Pergament und Feder zu Tage. Dann begann sie einen Brief zu schreiben, an die Dunkle Taarna...
"Geehrte Taarna,
ich hörte von Eurem geplanten Schlachtzug gegen den mächtigen Drachen Antharas und möchte Euch hierzu meine Hilfe anbieten. Ich zweifle nicht im Gerinsten daran, dass die gemeldeten Krieger in der Lage sind, dem Biest seinem angestammten Schicksal zu zuführen, doch ich denke. Dennoch ist etwas Shamenen-Magie und Heilkunst vom Vorteil. So biete ich meine Dienste an, an der Seite der Wehr Kakais dem Drachen in den wohl sicheren Tode zu verhelfen.
Gehabt Euch wohl,
die Shamanin
Luveena"
Sie drückte das Pergament einem vorbeieilendem Boten in die Hand. "An die Dunkle Taarna" sagte sie.
(geliehen von Taarna)
Als Taarna das Haus der Gemeinschaft in Dion betrat, reichte Jamal ihr ein Schreiben. Taarna nahm es mit hinein und las es.
"Hm, eine Schamanin, nun es sind sehr gute Kämpfer und Magier, warum also nicht?!" Schnell griff sie zu Feder und Pegament und verfasste eine Antwort:
"Gor Lak Luveena.
Mit Freuden nahm ich heute Euer Schreiben zur Kenntnis und heisse Euch in den Reihen der Freiwilligen herzlich willkommen. Jemanden mit Euren Fähigkeiten können wir sehr gut brauchen, besonders da es uns an Heilkundingen dermassen mangelt, dass Yathallar Alantha vom schwarzen Lotus und ich schon Krieger in den wichtigen Kenntnissen der Heilkunst eines Kriegsmedicus einweisen müssen. Doch ist es nicht nur der reine Nutzen der mich veranlasst Euch willkommen zu heissen.
Ich bewundere den Mut eines jeden, der keiner Gemeinschaft, Clan oder Haus angehört und sich meldet ohne zu wissen wieviele Kämpfer teilnehmen und somit dem eventuellen Tod ohne Zögern entgegentritt.
Ihr schreibt, dass ihr gerne an der Seite der Wehr an dieser Schlacht teilnehmen wollt. Daher würde ich gerne Euer Schreiben der Schamanin Lia vorlegen. Bitte lasst mich kurz wissen ob Euch das Recht ist und wie wir Euch erreichen können.
Gez. Taarna, Zanjur d'Shilen.
Taarna versiegelte das Schreiben und gab es Jamal. "Bitte lasse es der Absenderin des Schreibens welches du mir vorhin gabst zukommen."
(/ende geliehen von Taarna)
Lange musste Luveena nicht auf eine Antwort warten. Sie hatte es sich gerade au das dritte große Butterbier in der Taverne gestürzt, als Jamal bei ihr eintraf. Sie nahm das Schreiben entgegen und überflog die Zeilen. "Lia..." Sie grübelte. Den Namen hatte sie bereits gehört. Bestimmt hatte Niatek ihn erwähnt. Jamal wandte sich zum gehen, doch Luveena rief ihn zurück. "Teilt der wehrten Dame Taarna mit, dass ich einwillige, mein Schreiben der Schamanin Lia vorzulegen."
Jamal wandte sich nun ganz ab und Luveena schaute ihm lange gedankenverloren nach, während bereits das erste Fünkchen Kampfeslust in ihren Augen blitzte...