Das magische Feuer

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Allgemeins

Das magische Feuer ist Dilquiris Beitrag zum Märchenevent welches zum Advent 2011 stattfand.

Das Märchen

Es war einmal vor langer Zeit im Land Imoriath. Der Winter hatte seine makellose, weiße Decke über das Land gelegt. Bäume, Steine und Flüsse schliefen unter diesem Mantel, ruhten in stiller Zufriedenheit.
Rauch eines Kaminfeuers in der Ferne, abseits der Stadt Oren, drang unbeugsam gegen den grauen Himmel. Orangenes Licht erzählte von der Wärme im Inneren der kleinen Hütte, die einsam nahe einem Wald, dem Winter trotzte. Eiskristalle kletterten das leicht verwitterte Holz entlang, reckten sich in die Höhe, wollten den Schnee auf dem Dach erreichen.

Im Inneren saß eine Familie vor dem Kamin. Der Großvater erzählte eine Geschichte, die jüngsten Kinder für die heran brechende Nacht einstimmend. Er erzählte von den Flüsternden Feldern, welche er selbst nur aus Liedern kannte und er wusste, dass weder er noch seine Familie jemals an diesen Ort gelangen würden.
Sie waren nur Bauern, die gerade so über die Runden kamen. Einst war er Bauer gewesen, dann sein Sohn und schon bald würden seine Enkel zu eben solchen heran wachsen. Doch dieses Wissen machte ihn nicht traurig. Wie konnte er traurig sein? Er hatte alles, wonach er sich je gesehnt hatte. Eine wunderbare Frau, einen tüchtigen Sohn, artige Enkelkinder und diese Winterabende vor dem wärmenden Kaminfeuer.
Seine Enkelkinder starrten den Großvater gebannt an. Gerade hatte er von leisen Stimmen berichtet, die nachts durch die Felder tanzten und ihnen ihren Namen gaben. Nun machte er eine kurze Pause, wobei er sein Blick ins Feuer richtete. Eine steile Falte bildete sich auf seiner Stirn und er verzog die Mundwinkel leicht, was ihm einen traurigen Gesichtsausdruck verlieh. Das Feuer war am Erlöschen. Nur noch wenige kleine Feuerzungen huschten über die letzten Reste der dünnen Holzweige, die von ihrem Vorrat übrig geblieben waren.

Zu schnell war dieses Jahr der Winter eingebrochen und hatte sie mit seinen Schneemassen überrascht, so dass sie nicht dazu gekommen waren, ausreichend Holz zu sammeln. Doch das störte die Bauern nicht. Wenn der Kamin nachts ausging, lagen sie eng beieinander und wärmten sich gegenseitig. So würden sie über den Winter kommen. Und mehr brauchte der Großvater nicht, um glücklich und zufrieden zu sein.
Allerdings hatte er gehofft, dass das Feuer nicht vor Ende seiner Geschichte erlöschen würde. So musste er die Kleinen enttäuschen und das stimmte ihn traurig. Und auch die Kinder wurden von dieser Traurigkeit erfasst, als ihr Großvater ihnen diesen Umstand mitteilte. Doch das älteste der drei Kinder seines Sohnes stand auf und schlug vor, schnell hinaus zu gehen und noch einige Zweige zu sammeln, damit die Geschwister die Geschichte zu Ende hören konnte. Die Eltern waren einverstanden.

So zog sich der Junge seine Stiefel und seinen Mantel an, um draußen im verschneiten Wald heruntergefallene Äste zu sammeln.
Der Wald lag in kaltem Dämmerlicht vor dem Kind. In dem Augenblick, als der Junge aus dem Haus trat, bereute er seinen Vorschlag, wollte schon fast wieder umkehren. Doch der Gedanke an seine kleineren Geschwister hielt ihn zurück. Er hatte sich freiwillig gemeldet. Nein, noch schlimmer. Er hatte es vorgeschlagen. Nun musste er da durch.
So straffte der Junge die Schultern, zog den Mantel enger um selbige und stapfte hinaus in den Schnee, in Richtung des Waldrandes. Tief würde er in diesen Wald allerdings nicht vordringen. Auch wenn im Winter viele der Kreaturen, die in ihm hausten, schliefen, war es ein gefährlicher Ort. Der Schnee schimmerte golden im Licht der untergehenden Sonne, die nicht mehr in der Lage war, Wärme vorzuheucheln. Kleine, graue, halb durchsichtige Dampfwolken bildeten sich vor dem Gesicht des Jungen.

Seine Schritte waren zögerlich. Dunkel ragten die Baumstämme aus dem glitzernden Schnee heraus, streckten sich dem winterlichen Firmament entgegen. Die ersten herunter gefallenen Ästchen, die im Schneebett ruhten, wurden sichtbar. Der Junge trottete ihnen entgegen. Je schneller er genug von ihnen einsammelte, desto schneller konnte er ins Haus zurückkehren.

Mit nackten Fingern griff er in den Schnee, dessen Kälte wie unzählige Nadeln in seine Haut stach, seine Hände hinauf zu seinen Ellenbogen kroch, um die Äste aus dem Schnee zu ziehen.
Schon bald waren seine Finger steif, die Kälte in ihnen war fast unerträglich. Der Junge ärgerte sich erneut über seinen Vorschlag. Nur der Gedanke an seine Familie, die auf die Äste wartete, verlieh ihm noch Wärme, sorgte dafür, dass sich das Zittern seines Körpers in Grenzen hielt. Mittlerweile war die Sonne fast vollkommen untergegangen. Wie lange der Junge nun schon draußen war, konnte er nicht sagen. Allerdings beschloss er nun, nach Hause zurück zu kehren.

Als er sich umdrehte, bemerkte er ein Funkeln im Schnee, das nicht dorthin gehörte. Unentschlossen blickte er zu jener Stelle, zögerte, überlegte, ob er sich der Wärme des Hauses noch länger entziehen wollte.
Dann ging er auf das geheimnisvolle, seltsame Funkeln zu. Als er nahe genug heran war, sah der Junge, dass es sich um einen goldenen Schlüssel handelte. Er vermutete, dass ihn jemand verloren hatte. Doch wer sollte dies gewesen sein? Um diese Jahreszeit wandelte niemand, der einen Schlüssel verlieren konnte, durch diesen Wald.

Der Junge bückte sich, hob den Schlüssel auf und dreht ihn unbeholfen in den kalten, unbeweglichen Fingern. Den Ursprung des Gedanken, der sich nun in seinem Kopf bildete, konnte der Junge nicht bestimmen, nicht einmal erahnen. Es war, als hätte ihm jemand diesen Gedanken eingepflanzt und binnen eines Herzschlages zu seiner vollen Reife erblühen lassen: Der Gegenstand, zu dem dieser Schlüssel gehörte, befand sich ebenfalls hier im Schnee!

Neugierig, was dies für ein Gegenstand sein mochte, kniete sich der Junge auf das Winterbett, legte die gesammelten Äste vorsichtig beiseite und begann, die weiße Kälte zu durchwühlen. Seine Hände schmerzten vor Starre, seine Finger verweigerten ihm ihren Dienst. Doch er wühlte weiter im Schnee.
Nach einiger Zeit stieß er auf etwas Hartes, das nicht in den Schnee gehörte. Er griff danach und zog es heraus. Zum Vorschein kam ein handliches Kästchen mit kostbaren Verzierungen aus Gold, die eine Familie vor einem Kamin darstellten. Nun nahm der Junge den Schlüssel und steckte ihn mit zitternder Hand in das entsprechende Loch. Er brauchte einige Zeit, bis er traf. Der Schlüssel passte. Als der Junge ihn drehte, sprang der Deckel des Kästchens mit einem leisen Geräusch, das sanft im Wald verhallte, auf.

Im Inneren befand sich ein Feuer, das auf magische Weise flackerte, ohne die Kiste zu verbrennen. Der gelb-orange Schein der Flammen spiegelte sich in den vor Überraschung aufgerissenen Augen des Jungen wider. Die Wärme drang an sein Gesicht und seine Hände, vertrieb die Kälte in einem schmerzhaften, unerbittlichen Kampf. Der Junge schloss das Kästchen wieder, das Feuer verschwand in diesem, als wäre es nie da gewesen.

Schnell sprang der Junge auf, ließ die gesammelten Ästchen im Schnee zurück und eilte steifbeinig nach Hause. Hektisch trat er ein, verwunderte Blicke seiner Familie trafen ihn. Aufgeregt ging er zum Kamin, vor den noch immer alle so saßen, wie er sie zurückgelassen hatte. Als wäre er nie fort gewesen. Einzig das Feuer hatte sich veränderte, hauchte seine letzten warmen Atemzüge.
Die Stimmen der anderen drangen fragend und aufgeregt auf ihn ein, wunderten sich über das Kästen in seinen Händen und das fehlende Holz.
Der Junge stellte die kleine Kiste vor den Kamin und öffnete es. Sogleich brandete das Feuer in dessen Inneren wieder auf, verströmte seine Wärme, mit der es die ganze Familie einhüllte. Auch in ihren Augen spiegelte sich der gelb-orangene Schein. Erfreute Ausrufe lullten den Jungen ein, er wurde in die Arme genommen, hatte er doch eine Lösung für die kalten Winter gefunden. Stolz setzte er sich wieder zu seinen Geschwistern, wollte seinem Großvater wieder lauschen.

Dieser begann, das Ende seiner Geschichte über die Flüsternden Felder zu erzählen. Doch war dies der letzte Winter, in dem er das tat. Fortan würde die Geschichte, wie der Junge das magische Feuer in dem Kästchen gefunden hatte, erzählt werden. Vom Großvater für seine Enkelkindern und von den Eltern für ihre Kinder. Und gemeinsam mit der Geschichte würde die kleine Kiste weitergeben werden, um immerzu die Angehörigen dieser Familie im Winter zu wärmen.